Gitarre & Laute XXIX/2007/Nº 3
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G itarr e & L a u t e<br />
O n l i n e<br />
Tilman Hoppstock<br />
Leo Witoszynskyj<br />
Der Guitarrefreund 1907<br />
Josip Bažant<br />
Manuel Ponce<br />
Jahrgang <strong>XXIX</strong>/<strong>2007</strong>, Heft 3
MA_0003_02 · 12/05<br />
Peter Päffgen<br />
Die <strong>Gitarre</strong><br />
Geschichte, Spieltechnik, Repertoire<br />
3., überarbeitete und ergänzte Auflage 2002<br />
249 Seiten mit Notenbeispielen und<br />
Abbildungen sowie Zeittafel,<br />
Literaturverzeichnis und Register – gebunden<br />
mit CD<br />
ISBN 3-7957-2355-8 (ED 8874)<br />
€ 29,95 / sFr 52,30<br />
Der Autor, Herausgeber der renommierten Zeitschrift<br />
„<strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>“, macht die Geschichte der <strong>Gitarre</strong>,<br />
ihrer Musik und Spieltechnik bis zu den<br />
Komponisten und Virtuosen des 20. Jahrhunderts<br />
zum Gegenstand dieses Buches. Er spannt dabei<br />
einen großen historischen Bogen: Er bietet den<br />
Überblick über eine Entwicklung von mehr als<br />
dreitausend Jahren und zeigt die <strong>Gitarre</strong> als ein<br />
Instrument, das die gesamte europäische<br />
Musikgeschichte seit ihren Anfängen begleitet<br />
hat und dessen vielseitiges Repertoire zu<br />
entdecken und zu beleben sich lohnt.<br />
Hugo Pinksterboer<br />
Pocket Info –<br />
Akustische<br />
<strong>Gitarre</strong><br />
• Basiswissen<br />
• Praxistipps<br />
• Mini-Lexikon<br />
136 Seiten, broschiert<br />
ISBN 3-7957-5126-8<br />
(SPL 1042)<br />
€ 9,95 / sFr 18,40<br />
Dieses Buch enthält in kurzer und prägnanter<br />
Form alle Informationen zu Kauf, Pflege, Bau<br />
und Spieltechnik der <strong>Gitarre</strong>. Knappe, gut verständliche<br />
Texte und zahlreiche Abbildungen mit<br />
Informationen rund ums Instrument machen dieses<br />
Buch zum idealen Nachschlagewerk für Anfänger<br />
und Fortgeschrittene.<br />
Aktuelles<br />
rund<br />
um die<strong>Gitarre</strong><br />
Konrad Ragossnig<br />
<strong>Gitarre</strong>ntechnik kompakt<br />
Grundformen der Technik • Effektives Einspielen<br />
• Tägliches Üben<br />
85 Seiten, broschiert<br />
ISMN M-001-12919-0 (ED 9263)<br />
€ 22,95<br />
Der international renommierte Gitarrist Konrad Ragossnig hat mit diesem<br />
Band ein Übungsprogramm entwickelt, das sowohl für gründliches Einspielen<br />
als auch für das tägliche Üben geeignet ist. In 12 Kapiteln werden<br />
alle wichtigen Elemente der <strong>Gitarre</strong>ntechnik systematisch behandelt.<br />
Konkrete Aufgabenstellungen und Übetipps helfen dem Studierenden und<br />
dem ausgebildeten Musiker dabei, seine Technik effektiv und konzentriert<br />
zu pflegen bzw. weiterzuentwickeln.<br />
Werner Neumann<br />
Die Jazzmethode für <strong>Gitarre</strong> – Solo<br />
Skalen • Improvisation • Phrasierung<br />
74 Seiten, broschiert mit CD<br />
ISBN 3-7957-5352-X (ED 8427)<br />
€ 24,95<br />
Wie funktioniert eigentlich Improvisation über wechselnde Akkorde?<br />
Warum ist es wichtig, so etwas wie dorische oder mixolydische Tonleitern<br />
zu kennen oder sogar spielen zu können? Welche Funktionen haben<br />
Arpeggien? Was versteht man unter Phrasierung? Anworten auf alle diese<br />
und viele andere Fragen gibt Werner Neuman, laut Deutschlandfunk einer<br />
der führenden Fusiongitarristen Europas, in diesem Band.<br />
Rolf Tönnes<br />
<strong>Gitarre</strong> spielen –<br />
mein schönstes Hobby<br />
Die moderne <strong>Gitarre</strong>nschule für Jugendliche und<br />
Erwachsene<br />
96 Seiten, broschiert mit CD<br />
ISBN 3-7957-5598-0 (ED 9475)<br />
€ 19,95<br />
Wer <strong>Gitarre</strong> spielen zu seinem Hobby machen möchte, liegt mit dieser<br />
Schule genau richtig. Dabei ist es egal, ob es ein Neueinsteiger ist, der da<br />
in die Saiten greift oder jemand, der vor vielen Jahren bereits einmal<br />
gespielt hat und nun wieder seine Kenntnisse auffrischen möchte. Eine<br />
ausgewogene Mischung von Pop, Klassik und Folk verhindert Langeweile.<br />
Da Akkord- und Melodiespiel berücksichtigt werden, ist der Schüler<br />
sowohl für den Abend am Lagerfeuer als auch für das Hauskonzert<br />
gewappnet. Die praxiserprobte Methode ist sowohl für den Unterricht als<br />
auch für das Selbststudium geeignet, wobei die beiliegende CD als<br />
Trainingspartner dient.
Es ist lange her, dass ich mir vorgenommen<br />
habe, nicht mehr anzukündigen,<br />
was in den jeweils<br />
nächsten Ausgaben von <strong>Gitarre</strong> &<br />
<strong>Laute</strong> behandelt werden sollte. Immer häufiger<br />
war ich nämlich gezwungen, im Editorial<br />
zu erklären, warum das Eine nicht und<br />
dafür etwas anderes zu lesen war … als Argument<br />
wollte ich sagen, in der jeweiligen<br />
Tageszeitung stehe schließlich auch nicht,<br />
was am nächsten Morgen die Menschen ärgern,<br />
aufregen oder amüsieren würde.<br />
Gut: Das ist etwas grundlegend anderes,<br />
zugegeben! Tatsächlich waren die Gründe<br />
für das Verschieben von Beiträgen ja auch<br />
ganz andere. Meistens war es so, dass irgendwelche<br />
Beiträge nicht rechtzeitig fertig<br />
geworden waren, dass Bilder nicht passten<br />
oder dass aus technischen Gründen ein Erscheinen<br />
nicht angesagt war. Eine Fachzeitschrift<br />
ist halt ein anderer Betrieb als eine<br />
Tageszeitung!<br />
Es kam auch vor, dass ein anderer, nicht angekündigter<br />
Beitrag „dazwischen kam“, der<br />
die redaktionellen Pläne umwarf. Das waren<br />
manchmal Berichte über Festivals oder<br />
Wettbewerbe, die nicht warten konnten<br />
oder sollten. Gelegentlich waren es auch Artikel,<br />
die mich als Chefredakteur so gefangen<br />
genommen hatten, dass ich sie sofort<br />
und nicht erst in ein paar Wochen oder gar<br />
Monaten gedruckt sehen wollte. Und<br />
schließlich habe ich mich mitunter auch<br />
verschätzt, was den Umfang der zu drukkenden<br />
Beiträge anging. Dann musste einer<br />
’raus, um Platz zu sparen.<br />
Warum erzähle ich das? Nun, von den im<br />
letzten Heft angekündigten Themen sind<br />
gleich mehrere nicht in dieser Ausgabe zu<br />
finden. Mozart zum Beispiel muss warten –<br />
schließlich ist das Mozart-Jahr ohnehin<br />
schon vorbei. Und Buxtehude muss auch<br />
warten, weil ich Ihnen speziell dafür ein<br />
Bonbon bieten möchte, für das ich noch einige<br />
Materialien brauche. Joaquín Rdorigo<br />
… Sie wissen schon, auch dieser Beitrag ist<br />
in Arbeit, aber nicht fertig geworden. Sie<br />
werden also ab sofort die Rubrik „Das<br />
nächste Heft“ vergeblich suchen. Ich werde<br />
mir abgewöhnen müssen, faszinierende<br />
Themen anzukündigen, die dann warten<br />
müssen. Lieber werde ich Sie überraschen!<br />
Es sind zum ersten mal zwei Leserbriefe zu<br />
der neuen Erscheinungsform von <strong>Gitarre</strong> &<br />
<strong>Laute</strong> veröffentlicht. Kann ich Sie animieren,<br />
es den Kollegen gleich zu tun und mir<br />
Ihre Meinung zu <strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>-ONLNE zu<br />
schreiben? Ich würde mich freuen! Vielleicht<br />
haben Sie auch Vorschläge zu machen,<br />
die ich umsetzen kann, um die<br />
„neue“ Online-Zeitschrift attraktiver zu machen!<br />
Also: Leserbriefe@<strong>Gitarre</strong>-und-<br />
<strong>Laute</strong>.de!<br />
Liebe Leserinnen, liebe Leser<br />
Vielleicht haben Sie auch Vorschläge für<br />
diejenigen, die sich partout nicht mit der<br />
Online-Form der Zeitschrift anfreunden können.<br />
Und bitte schreiben Sie mir auch, welche<br />
Online-Form Sie bevorzugen, die als<br />
PDF-Version zum Download [www.MusiCologne.eu]<br />
oder die ePaper-Version, die von<br />
Cantat in Wien umgesetzt wird<br />
[http://gtarre-und-laute.Cantat.com]. Beide<br />
haben ihre Vorzüge … bitte schreiben Sie<br />
mir Ihre Meinung.<br />
Was internationale Universitätsbibli0theken<br />
angeht, so haben sie zum großen Teil für<br />
die Online-Version der Zeitschrift plädiert.<br />
Sie brauchen keine Regalflächen mehr zur<br />
Verfügung zu stellen, sie müssen die Zeitschriften<br />
nicht mehr jahrgangsweise binden<br />
lassen und, das wichtigste Argument, sie<br />
müssen keine Hefte mehr zur Ergänzung<br />
nachbestellen, weil die im Lesesaal gestohlen<br />
worden sind.<br />
So, nun nocht etwas zum Thema Notenausgaben<br />
in <strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>-ONLINE. Im Moment<br />
werden nur die Notenbeilagen aus der<br />
Zeitschrift „Der Guitarrefreund“ nachgedruckt.<br />
Diese Notenausgaben stehen Ihnen<br />
auch zum Download in höherer Auflösung<br />
zur Verfügung, und zwar unter www.Musi-<br />
Cologne.eu. Dort finden unter „Download“<br />
entsprechende Links.<br />
Es gibt aber auch Neuausgaben in neuem<br />
Stichbild, die speziell für <strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>-<br />
ONLINE angefertigt worden sind. Auch diese<br />
Ausgaben können Sie an gleicher Stelle<br />
downloaden – und Sie können sie verwenden,<br />
ohne damit irgendwelche Urheberrechte<br />
zu tangieren. Download und Benutzung<br />
sind expressis verbis erlaubt. Aber Achtung:<br />
Das gilt nicht für alle Ausgaben, die in der<br />
Zeitschrift erschienen sind oder erscheinen<br />
werden. Sie finden einen Copyright-Hinweis<br />
unter der ersten Seite der jeweiligen Ausgabe<br />
und dort ist die jeweilige rechtliche Situation<br />
ge- und erklärt.<br />
So, nun darf ich Ihnen wieder viel Vergnügen<br />
mit Ihrer Zeitschrift wünschen. Im Moment<br />
kommen die Online-Zeitschriften noch<br />
etwas zeitverschoben heraus – aber ab Januar<br />
2008 wird es sie pünktlich und verlässlich<br />
am Anfang der ungeraden Monate<br />
geben: Januar, März, Mai, Juli, September<br />
und November. Und im Moment sieht es so<br />
aus, als würden sie weiterhin als PDF und<br />
als ePaper erscheinen.<br />
Mit besten Empfehlungen<br />
Ihr<br />
Peter Päffgen, Chefredakteur<br />
<strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>-ONLINE <strong>XXIX</strong>/<strong>2007</strong> <strong>Nº</strong> 3 3
was ich noch sagen wollte …<br />
hier werde ich Ihnen in lockerer Form<br />
Bemerkungen mit auf den Weg geben,<br />
von denen ich glaube, sie wären von<br />
allgemeinem Interesse. Es wird sich dabei<br />
wie heute um Bemerkungen über neu erschienene<br />
CDs drehen, die vielleicht auch<br />
mit der <strong>Gitarre</strong> oder der <strong>Laute</strong> überhaupt<br />
nichts zu tun haben. Oder vielleicht gilt es<br />
auch, einen Geburtstag zu feiern oder aus<br />
anderem Grund an einen Großen unserer<br />
Zunft zu erinnern. Sollte ich Sie langweilen<br />
oder sollten Sie Vorschläge machen<br />
wollen, schreiben Sie doch einfach an:<br />
mailto:peter.paeffen@MusiCologne.eu<br />
Von Peter Päffgen<br />
Abb. oben: früher Reiseführer nach Santiago:<br />
Hermann Künigs Inkunabel „Die Strasz und<br />
meylen tzu Sant Jacob auß und ein in<br />
wahrheyt gantz erfarn findest du in dysem<br />
buchleyn“ von 1495<br />
(hier Titelholzschnitt der Ausgabe von 1521)<br />
4 <strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>-ONLINE <strong>XXIX</strong>/<strong>2007</strong> <strong>Nº</strong> 3<br />
Es ist heutzutage nichts besonderes mehr,<br />
wenn man sagen kann, man sei den Jakobsweg<br />
gegangen. Es ist regelrecht Mode, den<br />
alten Pilgerweg zu beschreiten, seitdem Hape<br />
Kerkeling das auch getan und ein Buch<br />
darüber geschrieben hat. Aber vor ihm waren<br />
es sehr viele Autoren, die das Gleiche getan<br />
haben – Reiseführer und Reisebeschreibungen<br />
gibt es zuhauf, die ältesten<br />
stammen aus<br />
dem Mittelalter.<br />
Nach der<br />
Erfindung des<br />
Buchdrucks<br />
wurden sie<br />
zum beliebten<br />
Vademecum auf<br />
diesem langen<br />
und gefährlichen<br />
Weg.<br />
Anfang des Jahres<br />
bekam ich eine<br />
Postkarte und<br />
eine CD von José<br />
Ignacio H.<br />
Toquero aus Fromista<br />
zugeschickt, und die Postkarte rührte<br />
einen sensiblen Punkt in meinen Erinnerungen<br />
an. Ich war nämlich vor fünfzehn Jahren<br />
auch in Santiago, und zwar mit einer Gruppe<br />
von Freunden per Fahrrad. Von Köln aus. Das<br />
sind mehr als zweieinhalbtausend Kilometer!<br />
Dabei sind wir natürlich auch durch Fromista<br />
gekommen und wir haben das Flair erlebt,<br />
das José Ignacio Toquro und die Gruppe<br />
„entre dos mares“ mit ihrer Musik zu beschreiben<br />
trachten.<br />
Und ganz ehrlich: Der Camino ist viel mehr<br />
als eine ganz persönliche Herausforderung<br />
körperlicher (sportiver) Art und auch viel<br />
mehr als ein Pilgerweg … das ist er heute,<br />
vermute ich, für die allerweinigsten „Pilger“.<br />
Aber der Camino de Santiago ist Weltkulturerbe,<br />
seit dem 12. Jahrhundert von frommen<br />
Christen begangen in der Hoffnung auf seelische<br />
und körperliche Heilung und auf eine irgendwie<br />
mystische Art verbindet er die Menschen<br />
miteinander, die ihn begangen haben<br />
und ihn begehen.<br />
Natürlich hat sich schon im Mittelalter eine<br />
Art von „Camino-Tourismus“ herausgebildet:<br />
Herbergen, Gasthäuser und Bodegas, in denen<br />
die Pilger bewirtet wurden. Und es gab<br />
Krankenstationen … und auch Bordelle. Und<br />
natürlich wurde in diesen Häusern auch Musik<br />
gemacht. Fromme Musik, um auf das<br />
hehre Ziel vorzubereiten und freudige Musik,<br />
um von den Strapazen des vergangenen<br />
Pilgertages abzulenken. Dieser Musik forschen<br />
seit Jahren Wissenschaftler und Musiker<br />
nach – meistens wird in Ausgaben und<br />
Aufnahmen dann eine Verbindung zum<br />
Codex Calixtinus hergestellt, auch bekannt<br />
als „Liber Sancti Iacobi“, einer Handschrift<br />
aus dem 12. Jahrhundert, in der neben Predigten<br />
und liturgischen Texten auch Gesänge<br />
überliefert sind – gregorianische Choräle sowie<br />
neunzehn zweistimmige und ein drei-<br />
stimmiges Stück – damit ist der Codex eine<br />
der ältesten Quellen für dreistimmige Musik<br />
überhaupt.<br />
Aber José Ignacio Toquero ist weit davon<br />
entfernt, Musik aus dem Codex Calixtinus zu<br />
spielen und zu singen. Seine Musik ist leicht<br />
gängige „moderne“ <strong>Gitarre</strong>nmusik, die,<br />
wenn man es<br />
genau<br />
nimmt, keine<br />
Beziehung<br />
zum Jakobsweg<br />
hat …<br />
jedenfalls<br />
keine direkte.<br />
Und<br />
doch wird<br />
von Stück<br />
zu Stück<br />
eine Beziehungherbeizitiert<br />
,<br />
werden Stücke<br />
bestimmten Etappen des Jakobswegs<br />
zugeordnet und sicher wird Musik dieser<br />
Art auch abends an den Lagerfeuern des<br />
Camino de Santiago gesungen. Das duftet<br />
nach Freiheit und großer Welt, nach TUI und<br />
Sommer und Spanien ohne Cuba Libre, Disko<br />
und Ballermann. Aber nach dem mystischen<br />
Camino de Santigo duftet es mir zu wenig.<br />
Auch, wenn man auf dem Pyrenäenpass bei<br />
Roncesvalles nicht auf die Knie fällt, auch,<br />
wenn man nicht Gebete murmelnd die knapp<br />
achthundert Kilometer spanischen Jakobsweg<br />
hinter sich bringt – empfänglich für Geheimnisse<br />
ist man, wenn man sich deses Ziel<br />
ausgesucht hat. „El Camino es la meta“ –<br />
der Weg ist das Ziel.<br />
El Camino es la meta … Música para el camino<br />
de Santiago<br />
José Ignacio H. Toquero & entre dos mares<br />
Aufgenommen im April 2004, erschienen<br />
2006<br />
Jacovia, Músicas Creativas<br />
[www.jacovia.com], JV 001<br />
… nach dem mystischen Camino de Santigo<br />
duftet es mir zu wenig …<br />
✰✰
Betr.: „ein hoffnungsvoller Beginn“ zum<br />
Start von <strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong> ONLINE<br />
Sehr geehrter Herr Päffgen,<br />
es ist eine Freude, dass <strong>Gitarre</strong>& <strong>Laute</strong> wieder<br />
auferstanden ist, wenn auch in anderer<br />
Form als – wie bisher gewohnt – gebundenes<br />
Papiermagazin. Ich habe mir die Onlineversion<br />
gedownloaded/ oder downgeloaded<br />
und mit einer Ringbindung versehen,<br />
um darin in aller Ruhe zu lesen, dies<br />
kann ich leider nicht am Bildschirm. Wenn<br />
auch bestimmt etwas gewöhnungsbedürftig<br />
für mich, der seit den Anfängen von <strong>Gitarre</strong><br />
& <strong>Laute</strong> die Hefte begeistert gelesen<br />
und gesammelt hat, möchte ich mich wieder<br />
gerne zu den Abonnenten zählen, da<br />
ich die Berichterstattung rund um <strong>Gitarre</strong><br />
und <strong>Laute</strong>, ihre Musik und Protagonisten<br />
stets geschätzt und als sehr anregend empfunden<br />
habe.<br />
Bei den <strong>Gitarre</strong>nfestspielen Nürtingen hatte<br />
ich das Vergnügen, Sie einmal persönlich<br />
kennenzulernen (es gab damals leider kein<br />
Kölsch), aber es entspann sich ein interessantes<br />
Gespräch über Konzerte, Musiker<br />
etc., später erschien in <strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong> ein<br />
lesenswertes Interview aus jenen Tagen mit<br />
Ricardo Cobo. Als mit 2000 der letzte vollständige<br />
Jahrgang erschien ( danach bekam<br />
ich 2001 nur Heft 1 / 2 / 5, 2002 gar<br />
nichts, 2003 Nr. 3, 2004 Nr. 1), hoffte ich<br />
trotzdem, dass diese Zeitschrift uns Gitarristen<br />
und <strong>Laute</strong>nisten erhalten bliebe, hatte<br />
auch mein Abo nochmal überwiesen,<br />
aber es kam leider nichts mehr (trotz meiner<br />
Anfragen), und so war dies für mich<br />
das Zeichen der letzten Züge der Zeitschrift,<br />
die mein <strong>Gitarre</strong>ndasein bisher begleitet<br />
hatte.<br />
Totgesagte aber leben länger, heißt es, also<br />
wünsche ich ein neues und bereicherndes<br />
Leben von <strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong> im aktuellen Internet-<br />
Medium mit vielen Beiträgen und<br />
Berichten über die Musik, Umfeld, Menschen<br />
und Macher der <strong>Gitarre</strong>n-und <strong>Laute</strong>nszene!<br />
Ein paar Anmerkungen zur ersten Online-<br />
Ausgabe: ein guter Lektor hätte bestimmt<br />
an den vielen unmotivierten (computerbedingten<br />
?) Trennungszeichen z.B. im Artikel<br />
„Über den Umgang mit Konflikten“ von<br />
Leo Witozsynskyi etwas auszusetzen, der<br />
lesenswerte Aufsatz leidet darunter leider<br />
gewissermassen. Online sollte ja nicht bedeuten,<br />
der Rechtschreibung abzuschwören,<br />
wie es aber auch bei der normalen Tageszeitung<br />
mit Computersatz oft festzustellen<br />
ist. Vielleicht kann sich <strong>Gitarre</strong> &<br />
<strong>Laute</strong>-Online da abheben.<br />
Weiter ist im Interview mit Luise Walker<br />
von Norman Merems „die berühmte E-Dur-<br />
Etüde Nr. 23“ von Napoleon Coste angesprochen<br />
worden (in der Diskographie dann<br />
wiederum dieselbe Numerierung), dabei<br />
gibt es nur eine Etüde in E-Dur von op 38<br />
(Ausgabe bei Schott GA 34 hrsg. von Hans<br />
Ritter) nämlich die Nr.5, diese ist wohl aber<br />
nicht gemeint, sondern die Nr. 22 und die<br />
ist in A-Dur und wurde von Llobet in einem<br />
Höllentempo eingespielt. Liegt hier ein<br />
Schreibfehler vor oder ist selbst Luise Walker<br />
dies nicht aufgefallen? Solche Unklarheiten<br />
sollten sich in einer Fachzeitschrift<br />
vermeiden lassen – oder?<br />
Ansonsten aber ein hoffnungsvoller Beginn,<br />
wenn auch der Guitarrefreund von vor 100<br />
Jahren im historischen Kontext beim<br />
eingescannten Format wegen Unleserlichkeit<br />
und überflüssigen Vereinsnachrichten<br />
nicht gerade überzeugt – und die Notenbeilage<br />
wäre gerade für eine Online-Zeitschrift<br />
eine tolle und aktuelle Plattform,<br />
wenn sie denn genützt würde.<br />
Jetzt wurde das Ganze doch etwas länger,<br />
aber dies bitte als konstruktive Anregungen<br />
eines begeisterten <strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>-Abonnenten-<br />
Lesers verstehen, der sich auf die<br />
nächsten Ausgaben schon mit Spannung<br />
freut!<br />
Mit freundlichen musikalischen Grüssen!<br />
Günter Mantei<br />
Diesen „Leserbrief“ erhielt ich von Max Spring aus Bern<br />
Leserbriefe<br />
Sehr geehrter Herr Mantei,<br />
vielen Dank für Ihren freundlichen Brief!<br />
Sie können sich sicher vorstellen, dass auch<br />
ich auf die Renaissance von <strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong><br />
hoffe! Vor fast dreißig Jahren habe ich die<br />
ersten (gedruckten) Ausgaben herausgegeben<br />
und seitdem um vieles gerungen und<br />
für vieles gekämpft … zu viel, um es sangund<br />
klanglos aufzugeben.<br />
Natürlich bin ich Ihrer Meinung, dass auch<br />
eine Online-Zeitschrift ordentlich korrekturgelesen<br />
werden muss. Ich denke auch,<br />
dass typographische Regeln befolgt werden<br />
müssen, weil sie sonst völlig in Vergessenheit<br />
geraten – dabei hat es ein paarhundert<br />
Jahre gedauert, die ästhetischen<br />
Grundlagen von Schrift und Schriftsatz zu<br />
entwickeln. Aber mit der Erfindung des<br />
Computersatzes wurde der Beruf des<br />
Schriftsetzers wegrationalisiert und damit<br />
auch das Wissen und die Erfahrung dieses<br />
angesehenen Berufs.<br />
Wenn Sie trotz meines Bekenntnisses zu<br />
den geschilderten Prinzipien Fehler finden:<br />
Ich arbeite daran!<br />
Beste Grüße aus Köln<br />
Peter Päffgen<br />
<strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>-ONLINE <strong>XXIX</strong>/<strong>2007</strong> <strong>Nº</strong> 3 5
Die <strong>Laute</strong>nwerke von Santino Garsi da Parma<br />
6 <strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>-ONLINE <strong>XXIX</strong>/<strong>2007</strong> <strong>Nº</strong> 3<br />
Gesamtausgabe der handschriftlich überlieferten Quellen<br />
Faksimile mit Übertragung und Kommentar<br />
von Dieter Kirsch<br />
Die Hauptquellen für die Werke des bedeutenden <strong>Laute</strong>nmeisters Santino Garsi da Parma,<br />
die Handschriften mus.ms.40032 und 40153 der ehemaligen Preußischen Staatsbibliothek,<br />
galten seit dem zweiten Weltkrieg als verschollen.<br />
Lediglich in der Dissertation von Helmut Osthoff („Der <strong>Laute</strong>nist Santino Garsi da Parma“ 1926)<br />
waren sie den heutigen Musikern und Wissenschaftlern in Übertragungen für Klavier zugänglich.<br />
Die neue Ausgabe sämtlicher <strong>Laute</strong>nwerke verbindet erstmalig Quellen in Faksimile<br />
(auch die der erst jüngst wiederentdeckten Berliner Handschriften)<br />
mit Übertragungen im G- Schlüssel-System (für <strong>Gitarre</strong>)<br />
Santino Garsi da Parma, Sämtliche Werke für <strong>Laute</strong>, 120 S.,<br />
Großformat, GL 148, EUR 30,--<br />
MusiCologne Ltd., Köln<br />
http://www.MusiCologne.eu
<strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong><br />
ONLINE<br />
<strong>XXIX</strong>/<strong>2007</strong>, Heft 3<br />
Inhalt<br />
Editorial<br />
3<br />
… was ich noch sagen wollte …<br />
4<br />
Leserbriefe<br />
5<br />
„Hier ist eindeutig ein Trend zur gefälligen Unterhaltung zu beobachten“<br />
Interview mit Tilman Hoppstock<br />
8<br />
Vor hundert Jahren: Der Guitarrefreund VIII/1907/N° 3<br />
Heinrich Wachter, Über den Fingersatz beim <strong>Gitarre</strong>spiel, 15<br />
Heinrich Scherrer, Die Kunst des <strong>Gitarre</strong>spiels<br />
auf Grundlage der alten <strong>Laute</strong>nschläger, 16<br />
F. Kliewer, Vom Nil zum Vesuv – Ein Beitrag zum Kapitel<br />
Exotische Musik, 17<br />
Notenbeilagen zum Guitarrefreund VIII/1907/N° 3<br />
F. Kliewer, N° 1 – Erinnerungen an Kairo 23<br />
Zwei arabische Volkslieder, 24<br />
Zwei maltesische Volkslieder, 24<br />
Fernando Sor, Andante, 25<br />
Mauro Giuliani, Rondo, 25<br />
„Üba d’a Alma, Fü <strong>Gitarre</strong> gesetzt von Adolph Meyer, 27<br />
Adolph Meyer, Frühling (nach B. Allmers) für Singstimme und <strong>Gitarre</strong>, 28<br />
Peter Päffgen<br />
Neue Platten<br />
29<br />
Josip Bažant<br />
Kroatische Gitarristen – Zeitgenossen von Padovec<br />
35<br />
Leo Witoszynskyj<br />
Über den Umgang mit Konflikten, Teil II<br />
41<br />
Kleinanzeigen<br />
47<br />
Dates<br />
48<br />
Impressum: Verlag: MusiCologne Ltd., Niederlassung Köln: MusiCologne Ltd., Sielsdorfer Straße<br />
1a, 50 935 Köln (Postanschrift: Redaktion <strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>, Postfach 410 411, D-50 864 Köln), Telefon:<br />
++49-221-346 16 23, FAX: ++49-1803-5 51 84 30 17, Aufbereitung des ePaper: CANTAT GmbH,<br />
Wien. www.cantat.com, Internet: www.MusiCologne.eu, Kleinanzeigen: www.Verkaufe<strong>Gitarre</strong>.de und<br />
www.gitarre-und-laute.de. Email: info@MusiCologne.eu (weitere Email-Adressen sind im redaktionellen<br />
Zusammenhang veröffentlicht).<br />
Erscheinungsweise: sechsmal jährlich, am Anfang der ungeraden Monate (Januar, März, Mai ...). Erscheinungsweise<br />
im Jahr <strong>2007</strong>: 1. Juli <strong>2007</strong>, danach jeweils am Anfang jedes Monats bis Dezember<br />
<strong>2007</strong>. Kündigungsfrist: sechs Wochen vor Ablauf der Bezugsfrist, Preis: Einzelheft EUR 4,00, Abonnement<br />
für ein Jahr (sechs Ausgaben) 22,00 EUR. Chefredakteur: Dr. Peter Päffgen. Gültige Anzeigenpreisliste:<br />
Nr. 13. Die namentlich gekennzeichneten Beiträge in dieser Zeitschrift entsprechen nicht<br />
unbedingt der Meinung der Redaktion. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos übernimmt<br />
der Verlag keine Haftung. Terminangaben, insbesondere in der Rubrik „Dates“ erfolgen prinzipiell<br />
ohne Gewähr. © Nachdruck in jedweder Form und allen Medien, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher<br />
Genehmigung des Verlags. Aboverwaltung: Verlag, Niederlassung Köln. [abo@gitarre-undlaute.de],<br />
Bildnachweis für vorliegende Ausgabe: Seiten 1, 8, 10: Tilman Hoppstock; S. 31: Familie<br />
Hauser, Reisbach; S. 33: Roman Viazovskiy; alle anderen: Bildarchiv <strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong> oder Autoren<br />
<strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>-ONLINE <strong>XXIX</strong>/<strong>2007</strong> <strong>Nº</strong> 3 7
Foto: Julian Bream und Tilman Hoppstock<br />
Hier ist eindeutig ein Trend zur gefдlligen<br />
8 <strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>-ONLINE <strong>XXIX</strong>/<strong>2007</strong> <strong>Nº</strong> 3<br />
Unterhaltung zu beobachten<br />
Interview mit Tilman Hoppstock<br />
Peter Päffgen sprach mit dem Musiker im Februar 2002
Dieses Interview wurde im Februar 2002 in<br />
Köln geführt, daher sind einige Aussagen<br />
und Einschätzungen nicht mehr aktuell. Insgesamt<br />
waren sich Tilman Hoppstock und<br />
die Redaktion von <strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>-ONLINE<br />
aber einig, dass das Gesprächsprotokoll auf<br />
jeden Fall veröffenticht werden sollte. Ein<br />
kurzes Postskriptum ist zur Aktualisierung<br />
angehängt worden. Besprechungen von Tilman<br />
Hoppstocks in der Zwischenzeit erschienenen<br />
CDs werden in den nächsten Ausgaben<br />
von G&L-O nachgeliefert.<br />
<strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>: Tilman, du hast eine bemerkenswerte<br />
neue CD herausgebracht,<br />
auf der ein eigentlich recht konservatives<br />
Programm zu hören ist, am Schluss aber<br />
die Ersteinspielung der Sonatina von Cyrill<br />
Scott, von dem die Teilnehmer an den Internet-Gruppen<br />
rund um die klassische <strong>Gitarre</strong><br />
schon wissen. Angelo Gilardino hat<br />
dort schon angedeutet, dass dieses wichtige<br />
Stück sich im Nachlass von Andrés Segovia<br />
befunden hat. Wie bist du an das<br />
Stück gekommen?<br />
Tilman Hoppstock: Angelo Gilardino ist<br />
der Vorsitzende der Andres-Segovia-Gesellschaft<br />
und als solcher Nachlassverwalter<br />
der Stücke, die Segovia hinterlassen hat.<br />
Er ist also für die Veröffentlichung der<br />
Werke verantwortlich. Die Sonatina von<br />
Cyrill Scott ist mit Sicherheit niemals von<br />
Segovia gespielt worden, aus welchem<br />
Grund auch immer. Wir wissen aber, dass<br />
Julian Bream von dem Stück gewusst hat,<br />
und dass er Jahrzehnte lang auf der Suche<br />
danach war. Um auf deinen Eingangssatz,<br />
den ich eher als Frage verstehe, zurückzukommen:<br />
Wie passt die Sonatina von Cyrill<br />
Scott nun in das andere Repertoire der CD?<br />
Es stimmt, das eigentliche Programm ist<br />
eher konservativ. Es sind Höhepunkte des<br />
spanisch-lateinamerikanischen Repertoires<br />
für unser Instrument. Die Sonatina ist als<br />
„bonus-track“ angehängt worden.<br />
G&L: Lass mich gerade etwas zum Komponisten<br />
sagen … was ich gerade aus dem<br />
New Grove Dictionary of Music and Musicians<br />
gelernt habe. Scott wurde 1879 in<br />
Oxton/Cheshire geboren. Im Alter von 12<br />
Jahren wurde er nach Frankfurt am Main<br />
ans Hoch’sche Konservatorium geschickt,<br />
um unter anderem bei Engelbert Humperdinck<br />
Musik zu studieren. Er blieb nur 18<br />
Monate und ging nach Liverpool, um seine<br />
Studien fortzusetzen. 1895 ging er wieder<br />
nach Frankfurt, um dort mit seinen Kommilitonen<br />
Percy Grainger, Norman O’Neill,<br />
Roger Quilter und Balfour Gardiner die<br />
„Frankfurt Group“ zu bilden. Cyrill Scott<br />
knüpfte eine enge Freundschaft mit dem<br />
Dichter Stefan George, dessen Werke er<br />
später ins Englische übersetzen sollte. Was<br />
ist von seinem Œuvre geblieben? Werden<br />
seine Werke noch gespielt?<br />
T.H.: Ich muss gestehen, dass ich neben<br />
den bekannten Impressionisten Ravel und<br />
Debussy nur wenig gekannt habe aus dieser<br />
Zeit und Stilepoche. Es hat ja neben<br />
Scott noch einen anderen Engländer gegeben,<br />
der wunderbare impressionistische<br />
Musik geschrieben hat: John Ireland. Von<br />
ihm existiert fantastische Klaviermusik,<br />
und er ist noch weniger bekannt als Cyrill<br />
Scott. Von Scotts Musik gibt es gerade einmal<br />
zwei CDs auf dem internationalen<br />
Markt, sozusagen „Musik für Feinschmecker“<br />
und Kenner.<br />
G&L: Vielleicht hilft ja die Sonatina für<br />
<strong>Gitarre</strong>, das Werk von Cyrill Scott wieder<br />
einmal zu erwähnen!<br />
T.H.: Die <strong>Gitarre</strong> als Wegweiser für die Musik<br />
für Klavier oder Orchester … ein netter<br />
Gedanke! Ich bin aber ohnehin fest davon<br />
überzeugt, dass sein Schaffen, ähnlich<br />
dem Werk Alexander Scriabins, das auch<br />
erst vor gut 20 Jahren in seiner Gesamtheit<br />
entsprechende Würdigung gefunden<br />
hat, komplett wiederentdeckt wird. Diese<br />
Musik ist einfach zu gut, um im Dunkeln<br />
zu bleiben.<br />
G&L: Werden vielleicht in der Sonatina Anforderungen<br />
an den Interpreten gestellt,<br />
die neu und ungewöhnlich sind, und ist<br />
vielleicht das der Grund dafür, dass Segovia<br />
das Stück mit Verachtung gestraft hat?<br />
T.H.: Meinst du jetzt technische Anforderungen?<br />
G&L: Ich meine technische und musikalische!<br />
Ist das Stück vielleicht in Unkenntnis<br />
eher gegen als für die <strong>Gitarre</strong> geschrieben?<br />
T.H.: Nein! Aber das ist ein sehr interessanter<br />
Aspekt. Das Stück ist, dafür, dass es<br />
von einem Nicht-Gitarristen geschrieben<br />
ist, nicht weniger gitarristisch, als beispielsweise<br />
die Werke Turinas, und die sind<br />
ja durchaus spielbar. Neu ist natürlich das<br />
impressionistische Idiom, die Melodik,<br />
Harmonik und als strukturelle Kompositionstechnik<br />
das Verschieben von Akkorden,<br />
wie wir es später bei Villa-Lobos wiederfinden.<br />
Es gibt nur sehr wenige Stellen, die<br />
man nicht original übernehmen kann –<br />
zum Beispiel im letzten Satz gibt es einige<br />
Akkorde, die im Tempo sehr schwer grifftechnisch<br />
zu bewältigen sind. Desweiteren<br />
sind die Kantilenen in einigen Passagen so<br />
gesetzt, dass mir die Verwendung von Flageoletttönen<br />
sinnvoll erschien. Sämtliche<br />
bei der Aufnahme zu hörenden Flageolettpassagen<br />
sind also nicht original.<br />
G&L: Hat denn Angelo Gilardino das Autograph<br />
des Komponisten als Vorlage gehabt,<br />
oder eine Version, an der schon Segovia<br />
herumgearbeitet hat?<br />
T.H.: Nein, Angelo hat die zur Drucklegung<br />
bestimmte endgültige Fassung des Komponisten.<br />
Die im Augenblick aufflammende Diskussion<br />
darüber, daß einige Teile des letzten<br />
Satzes fehlen würden ist insofern lächerlich,<br />
da aufgrund des Manuskriptes eindeutig<br />
zu erkennen ist, daß wir die vollständi-<br />
ge Version des Stückes vorliegen haben.<br />
Dieser im Internet schwelende Streit ist<br />
geradezu unglaublich, da er sich auf der<br />
Basis von Unkenntnis, Mutmaßungen und<br />
Halbwahrheiten abspielt. Wenn das Werk<br />
nun bald im Druck erscheinen wird – ich<br />
denke in diesem Frühjahr – werden diese<br />
unglückseligen Hypothesen niemanden<br />
weiter interessieren.<br />
G&L: Stilistisch ist die Sonatina ja neu,<br />
was das gängige <strong>Gitarre</strong>nrepertoire angeht.<br />
T.H.: In der Tat. Und darüberhinaus bietet<br />
sich für eine Programmgestaltung die gute<br />
Gelegenheit, jenes bedeutende, aber stilistisch<br />
immer isoliert stehende Stück von<br />
Manuel de Falla, Homenaje, und die Sonatine<br />
gemeinsam im Konzert aufzuführen.<br />
Bei meinem Konzert in Mainz letzten November<br />
reagierte das Publikum sehr positiv<br />
auf dieses Kombinat.<br />
G&L: Sind nicht auch impressionistische<br />
Klavierstücke recht gut für Transkriptionen<br />
geeignet?<br />
T.H.: Ich habe den Eindruck, dass – um ein<br />
Beispiel zu nennen – die Pavane von Ravel<br />
in ihren verschiedenen Transkriptionsvarianten<br />
auf einer oder mehreren <strong>Gitarre</strong>n<br />
Sinn macht. Ebenso läßt sich das Duo für<br />
Violine und Cello recht wirkungsvoll auf<br />
zwei <strong>Gitarre</strong>n übertragen. Andere Stücke,<br />
zum Beispiel Children’s Corner oder die<br />
Préludes von Debussy scheinen mir aus<br />
verschiedenen Gründen weniger geeignet.<br />
Ich bin sehr gespannt, ob sich Scotts Sonatina<br />
im Konzertsaal durchsetzt und die<br />
impressionistische Lücke schließen wird.<br />
G&L: Wir haben beide ein Buch von Scott,<br />
es heißt Musik: Ihr geheimer Einfluss<br />
durch die Jahrhunderte.<br />
T.H.: Tja, ich habe es gerade gelesen. Scott<br />
wandert durch die Musikgeschichte und<br />
versucht zu beweisen, dass die gesamte<br />
Menschheit durch die Musik der großen<br />
Komponisten beeinflusst worden ist. Er<br />
geht sogar noch weiter und versucht die<br />
These zu untermauern, dass viele gesellschaftliche<br />
Veränderungen durch die Musik<br />
stattgefunden haben. Das ist eine recht<br />
abenteuerliche Ansicht, vor allem dann,<br />
wenn er die Charaktere der verschiedenen<br />
Komponisten beschreibt. Er erstellt Psychogramme<br />
und kommt dann in Erklärungsnot,<br />
wenn er die Beweise anzubringen<br />
versucht, dass die Musik zu ganz<br />
bestimmten Konsequenzen geführt hat.<br />
Zum Beispiel schreibt Scott, dass das Viktorianische<br />
Zeitalter in seiner Wesensart<br />
ohne die Musik Händels nicht möglich gewesen<br />
wäre, oder dass die Erziehung in der<br />
Zeit Schumanns ohne dessen Musik einen<br />
anderen Verlauf genommen hätte. Interessant<br />
ist, was er über Beethoven schreibt.<br />
Er hält ihn für den wahren Erfinder der<br />
Psychoanalyse.<br />
G&L: Wie war nach der Entdeckung der Sonatina<br />
geregelt, wer sie als Erster spielen<br />
<strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>-ONLINE <strong>XXIX</strong>/<strong>2007</strong> <strong>Nº</strong> 3 9
oder aufnehmen dufte?<br />
T.H.: Auch das ist eine interessante Geschichte!<br />
Gilardino fand das Manuskript. Er<br />
hat eine Kopie an einen seiner Schüler weitergegeben,<br />
und dieser hat tatsächlich in<br />
Cosenza (Süditalien, die Red.) die Welturaufführung<br />
gespielt, aber nicht als Teil eines<br />
Konzertprogrammes, sondern als Umrahmung<br />
eines Vortrages, den Gilardino<br />
über seinen Fund hielt. Das erste offizielle<br />
Konzert mit der Sonatina fand Anfang November<br />
2001 in London statt und der Interpret<br />
war Julian Bream. Ich habe dann –<br />
das Datum lag eher zufällig genau einen<br />
Tag später – in einem Konzert in Mainz die<br />
Erstaufführung in Deutschland gespielt.<br />
G&L: Irgendwie stand Julian das ja auch<br />
zu, wo er so lange nach dem Stück gesucht<br />
hat!<br />
T.H.: Er war nicht der einzige, der von dem<br />
Stück wusste und danach gesucht hat. Erling<br />
Møldrup in Dänemark wusste auch davon,<br />
aber ich denke, du hast recht: Niemand<br />
konnte Julian Bream diesen Wunsch<br />
10 <strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>-ONLINE <strong>XXIX</strong>/<strong>2007</strong> <strong>Nº</strong> 3<br />
verwehren.<br />
G&L: Nun geschehen einem solche Begebenheiten<br />
nicht jeden Tag, Tilman. Du findest<br />
nicht jeden Tag solche neuen Stücke,<br />
die auch beim Publikum hohe Akzeptanz<br />
haben. In welche Repertoire-Gefielde siehst<br />
du ansonsten die an der <strong>Gitarre</strong> arbeitenden<br />
Künstler (ab)driften?<br />
T.H.: Es ist sehr schwer, darauf eine Antwort<br />
zu geben. Wenn ich ganz ehrlich bin,<br />
dann sage ich, dass wir mit Julian Bream,<br />
wenn er nun wirklich nicht mehr spielen<br />
wird, einen Künstler verlieren, der die <strong>Gitarre</strong><br />
populär gemacht hat, und zwar auf<br />
eine Weise, die uns Gitarristen bei Musikern<br />
und auch bei Nicht-Musikern so weit<br />
vorangebracht hat, dass wir ernst genommen<br />
werden. Die <strong>Gitarre</strong> wird mittlerweile<br />
in ihrer Historie gesehen und geachtet. Es<br />
gibt ein ungeheures Potential an fantastischen<br />
jungen Gitarristen, aber ich sehe das<br />
Problem, dass unser Instrument heute wieder<br />
überwiegend bei <strong>Gitarre</strong>nfestivals präsent<br />
ist, aber weniger im allgemeinen Mu-<br />
sikbetrieb. Künstler wie Segovia, Bream<br />
oder auch Yepes haben es aufgrund ihrer<br />
allgemeinen Bedeutung als Musiker geschafft,<br />
jegliche interessante Musik einer<br />
breiten Öffentlichkeit darzubieten. Die positivste<br />
Entwicklung hat sich m. E. in der<br />
Repertoireentwicklung auf CD abgezeichnet.<br />
Es gibt doch eine Reihe von Kollegen,<br />
die es sich zur Aufgabe gemacht haben,<br />
selten gespielte Werke oder überhaupt das<br />
komplette Œuvre von diversen Komponisten<br />
aufzunehmen.<br />
G&L: Was Julian Bream ja auch auszeichnet,<br />
ist ein untrügerischer Blick für Qualität.<br />
Die neuen, und auch die „alten“,<br />
Stücke, die er vorgestellt hat, waren ausnahmslos<br />
von höchster Qualität … und<br />
dieser Blick fehlt heute auch vielen Gitarristen.<br />
T.H.: Ja, Bream hat – das kann man auch<br />
dem Repertoire seiner Diskographie entnehmen<br />
– nur gute Musik gespielt. Ich<br />
mag mich irren, aber meines Erachtens<br />
nimmt die innovative Programmgestal-
tung bei den großen <strong>Gitarre</strong>nfestivals eher<br />
ab. Ich könnte mir durchaus vorstellen,<br />
daß bei einem Event, das eine Woche oder<br />
länger dauert, und wo neben dem allgemein<br />
interessierten Publikum auch Fachleute<br />
im Publikum sitzen, mehr themenorientierte<br />
Konzertprogramme berücksichtigt<br />
werden könnten. Ich beziehe dies z.B.<br />
auf Avantgardemusik, aber auch auf viele<br />
Aspekte der Alten Musik.<br />
Auch im kammermusikalischen Bereich<br />
wirst du fast immer zwei, drei oder vier<br />
<strong>Gitarre</strong>n sehen und hören, vielleicht noch<br />
Geige und <strong>Gitarre</strong> … aber <strong>Gitarre</strong> in Kombination<br />
mit Flöte, Bratsche, Gesang oder<br />
gar Streichquartett? Ich habe das Gefühl,<br />
man könnte noch weitaus vielfältigere<br />
Festivalprogramme konzipieren, vielleicht<br />
mit etwas mehr Mut zum Risiko. Der Blick<br />
richtet sich heutzutage viel stärker auf die<br />
jeweiligen Interpreten als auf den Inhalt<br />
ihrer Programme, und dies erscheint mir<br />
grundsätzlich der falsche Weg.<br />
G&L:Vor ein paar Tagen habe ich ein Interview<br />
im SPIEGEL mit Maurizio Pollini gelesen,<br />
und dabei habe ich insofern Genugtuung<br />
empfunden, als ich festgestellt habe,<br />
dass das Problem des schwindenden Publikumsstroms<br />
kein Problem der <strong>Gitarre</strong> ist,<br />
sondern dass dieses Phänomen branchenimmanent<br />
ist. Pollini wurde übrigens auch<br />
gefragt, ob Popularisierungsversuche wie<br />
die Konzerte von Vanessa Mae seiner Meinung<br />
nach in der Lage wären, Menschen<br />
für „klassische Musik“ einzunehmen. „Musik<br />
muss für ihre inneren Werte einstehen<br />
können, sie muss um ihrer selbst willen<br />
geschätzt sein. Alles andere ist Unsinn“,<br />
hat er geantwortet.<br />
T.H.: Nein, das kann nicht der richtige Weg<br />
sein! Aber es gibt ein paar rühmliche Ausnahmen.<br />
Gelegentlich gibt es Musiker, die<br />
sich sehr eigenwilligen Projekten widmen<br />
und sie haben damit Erfolg. Es ist möglich,<br />
mit unbekanntem Repertoire Karriere zu<br />
machen! Denk zum Beispiel an den phänomenalen<br />
kanadischen Pianisten Marc-André<br />
Hamelin!<br />
G&L: Das Thema „Winter Music“ ist hier in<br />
Interviews schon mehrmals angesprochen<br />
worden, und da gibt es höchst unterschiedliche<br />
Meinungen. Leo Brouwer hat<br />
mir geantwortet, die Zeit der Atonalität<br />
sei vorüber.<br />
T.H.: Ja, wenn ich mir aber das heutige Reperoire<br />
anschaue oder anhöre, dann mag<br />
dies zutreffen, zumal, wenn man sich die<br />
Erfolgskurve verschiedener Komponisten<br />
bezogen auf die Häufigkeit der Aufführungen<br />
betrachtet. Hier ist eindeutig ein<br />
Trend zur gefälligen Unterhaltung zu beobachten.<br />
Im Übrigen bin ich aber – damit<br />
ich nicht falsch verstanden werde – nicht<br />
der Meinung, dass der qualitative Anspruch<br />
bei der Beurteilung von kontemporärer<br />
Musik in der Frage der Tonalität<br />
liegt.<br />
PS<br />
G&L: Seit Jahren liest man in Konzertprogrammen, dass der jeweilige Interpret ein<br />
Werk von Manuel Ponce „in revidierter Fassung“ oder „in originaler Fassung nach<br />
dem Autograph“ spielt. Du hast nun bei Schott eine neue Ponce-Ausgabe herausgegeben,<br />
die als „Urtext“-Ausgabe angeboten wird. Wie bist du an die Quellen gekommen,<br />
diese Ausgaben herauszugeben?<br />
T.H.: Der Gedanke, die Werke Ponces herauszugeben, kam eigentlich von Angelo Gilardino,<br />
der Kopien der Manuskripte der vier Ponce-Werke besitzt. Durch ihn bin ich<br />
ja dankenswerterweise an die Originale herangekommen und habe zwei der Stücke<br />
(„Theme varié et Finale“ und „Sonatina Meridional“) auch in diesen Fassungen auf<br />
CD aufgenommen. Gilardino hat leider ohne Erfolg versucht, die Werke bei Schott<br />
unterzubringen. Man muss hierzu bemerken, dass man dort zunächst – auch unter<br />
dem Hinweis wenig erfolgversprechender Verkaufszahlen – gar kein Interesse an einer<br />
Neuveröffentlichung zeigte. Angelo wiederum war nicht zu motivieren, weiter<br />
bei Schott zu insistieren und so fragte ich ihn, ob er etwas dagegen hätte, wenn ich<br />
diese Aufgabe übernehmen wolle, da ich ohnehin die Sachen bereits eingehend studiert<br />
und im Computer aufgearbeitet hatte. So kam es, dass ich nach anderhalbjährigen<br />
zähen Verhandlungen das Projekt bei Schott unterbrachte. Innerhalb eines<br />
Jahres konnte der Verlag bereits über 1000 Exemplare verkaufen. Dies zeigt wohl<br />
recht deutlich wie wichtig die Herausgabe von Manuskriptfassungen dieser Werke<br />
ist.<br />
G&L: Die älteren Ausgaben bei Schott sind ja auch nach „originalen Handschriften“<br />
angefertigt worden. Warum sind heute neue Ausgaben notwendig? Hat Segovia so<br />
viele Änderungen an den <strong>Gitarre</strong>nwerken vorgenommen?<br />
T.H.: Diese Frage ist im Rahmen eines Interviews nicht zu beantworten. Generell ist<br />
zu sagen, dass in allen Werken sehr große Abweichungen zu verzeichnen sind, was<br />
sich ja alleine in der Auflistung im Revisionsbericht ersehen lässt. Am markantesten<br />
dürften wohl die Divergenzen hinsichtlich „Thème varié et Finale” ins Gewicht fallen,<br />
da uns hier das Original vier weitere Variationen schenkt, die in der sogenannten<br />
Segovia-Fassung ausgespart wurden. Aber auch in den anderen Werken gibt es<br />
kaum eine Passage, die nicht verändert wurde. Oftmals ist es eine kleine Pause, die<br />
fehlt, oder eine kleine rhythmische Variante, die eingebracht wurde. Gravierender<br />
sind allerdings harmonische Eingriffe, die an bestimmten Stellen tatsächlich die<br />
Struktur des Originals beeinflusst haben. Es gibt beim Vergleich der Versionen sehr<br />
viel Neues, ja eigentlich „Altes” und in einigen Fällen vielleicht – und das ist natürlich<br />
ein großes „Vielleicht”, da wir das nicht wissen können – auch von Ponce präferiertes<br />
Material zu entdecken.<br />
G&L: Konntest du im Einzelfall sehen, ob die Veränderungen von Segovia angebracht<br />
worden sind und warum er die Stücke modifiziert hat?<br />
T.H.: Im Nachhinein ist es unglaublich schwer festzustellen, welche kurz vor Drucklegung<br />
der sogenannten „Segovia-Fassungen” angebrachten Veränderungen<br />
tatsächlich alleine auf Segovia selbst zurückzuführen sind. Ich denke, dass insgesamt<br />
viele unterschiedliche Vorgehensweisen denkbar sind: In der „Sonata Clásica”<br />
hat mit großer Sicherheit Ponce auf eigene Initiative den ersten Satz neu gestaltet.<br />
Das Konzeptautograph ist einfach zu weit von der späteren Druckfassung entfernt,<br />
als dass man annehmen könnte, Segovia hätte die spätere Fassung alleine erstellt.<br />
Werke, die aufgrund der ordentlichen Handschrift wohl als „druckfertig” bezeichnet<br />
werden können, sind unter Umständen in letzter Hand von Segovia noch etwas umgestaltet<br />
worden. Denkbar ist auch, dass es in einigen Fällen weitere verschollene<br />
Manuskriptfassungen Ponces gibt. „Thème varié et Finale“ zum Beispiel existiert bei<br />
Schott als druckfertiges Manuskript aus der Hand Segovias. Dieses wurde dann auch<br />
für damalige Notenausgaben verwendet. Aber wer weiß, welchen Anteil hieran Ponce<br />
gegenüber dem eigentlichen Manuskript noch hatte?<br />
Die Eingriffe Segovias sind immer dann verständlich, wenn es sich um idiomatisch<br />
angepasste Passagen handelt. Z. B. sind einige Takte im letzten Satz der „Sonata Romantica”<br />
spieltechnisch nicht machbar gewesen. Segovia äußert dies in einem Brief<br />
an Ponce.<br />
<strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>-ONLINE <strong>XXIX</strong>/<strong>2007</strong> <strong>Nº</strong> 2 11
Interessant ist übrigens auch, dass es Tonaufnahmen Segovias<br />
gibt, die an einigen Stellen der „Sonatina Meridional”<br />
oder auch in der „Sonata Romantica” Abweichungen gegenüber<br />
der (Segovia)-Druckausgabe aufzeigen.<br />
Ich habe in der jetzt veröffentlichten Neuausgabe versucht,<br />
alle wichtigen Fragen zu den Manuskripten so ausführlich<br />
und genau wie möglich zu behandeln. Vielleicht darf ich abschließend<br />
noch hinzufügen, dass mir – leider erst nach der<br />
Drucklegung – mittlerweile ein weiteres Ponce-Manuskript<br />
der „Sonatina” vorliegt, diesmal mit dem Zusatz „Meridional”,<br />
der ja in der früheren Fassung nicht enthalten war.<br />
Auch die später hinzugefügten Untertitel der einzelnen Sätze,<br />
die es in dem Manuskript, das mir zunächst vorlag,<br />
nicht gab, tauchen hier wieder auf. Ansonsten gibt es im<br />
Notentext glücklicherweise fast keine Abweichungen gegenüber<br />
der etwas früheren Handschrift. Denkbar wäre<br />
schon, dass auch hier Segovia der Ideengeber für die späteren<br />
Titel war.<br />
„WIR BEWÄLTIGEN<br />
JEDES ZWEITE JAHR<br />
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12 <strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>-ONLINE <strong>XXIX</strong>/<strong>2007</strong> <strong>Nº</strong> 3<br />
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G&L: Eine der Entdeckungen<br />
für die <strong>Gitarre</strong> in den letzten<br />
Jahren, war, obwohl er niemals<br />
<strong>Gitarre</strong> gespielt hat, Astor Piazzolla.<br />
Das ist sehr gute Musik,<br />
die auch noch beim Publikum<br />
ankommt.<br />
T.H.: Bravo. Ein wunderbares<br />
Beispiel für ein Hoch auf die<br />
Tonalität! Einer der seltenen<br />
Fälle, dass ein Komponist solcher<br />
Art von Kollegen, Spielern<br />
und Publikum gleichermaßen<br />
gewürdigt wird. Die Problematik<br />
bei dieser sogenannten<br />
„Ernsten Neuen Musik“ – man<br />
befindet sich ja immer in Erklärungsnot,<br />
wenn man in Kategorien<br />
denkt – besteht ja in<br />
dem engen Grat zwischen Anspruch<br />
und Banalität. Viele der<br />
heute aufgeführten sogenannten<br />
zeitgenössischen Musik<br />
weist m.E. sehr starke Tendenzen<br />
von – ich möchte es mal<br />
positiv ausdrücken – volksnahen<br />
Klängen auf. Ich möchte<br />
ausdrücklich betonen, dass es<br />
mir nicht darum geht, die<br />
Qualität der Musik anhand ihres<br />
Unterhaltungswertes messen<br />
zu wollen, aber ich finde es<br />
schon bemerkenswert, dass es<br />
heutzutage eine große Anzahl<br />
von Werken gibt, die m.E. gar<br />
nichts mit Neuer Musik zu tun<br />
haben, als solche aber den Weg<br />
in die Konzertprogramme findet.<br />
Es sei denn, man reduziert<br />
Neue Musik allein auf das Entstehungsdatum.
<strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>-ONLINE <strong>XXIX</strong>/<strong>2007</strong> <strong>Nº</strong> 3 13
Vor hundert<br />
Jahren …<br />
14 <strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>-ONLINE, <strong>XXIX</strong>/<strong>2007</strong>/<strong>Nº</strong> 3<br />
Die heute reproduzierte Ausgabe 3 des Jahr- zum Selbstunterrichte wie zur Benützung<br />
gangs VIII/1907 der Zeitschrift „Der Gui- durch einen tüchtigen Lehrer und wird in<br />
tarrefreund“ befasst sich zunächst mit Fra- kurzer Zeit den Schüler zu Erfolgen führen,<br />
gen des Fingersatzes, und da, vermutlich die er selbst ncht erwartet hat.“<br />
zur Verwunderer aller, die heute diesen Text Schließlich schreibt F. Kliewer, von dem<br />
lesen, um die Frage, ob der Daumen der lin- auch einige Kompositionen im musikaliken<br />
Hand eine eigene Bezeichnung erhalten schen Anhang zu finden sind, zur Frage,<br />
soll. „Für die einen ist der Daumen nur der „ob exotische Motive in unserer Musik An-<br />
Halter des Instruments. Sie finden seine wendung finden sollen“, und auch bei die-<br />
Verwendung als Greiffinger unschön, unsem Beitrag wird dem Leser deutlich, dass<br />
künstlerisch. Andere wollen ihn nur im Not- es sich um Texte handelt, die vor hundert<br />
fall heranziehen. Der Mehrzahl der Spieler Jahren erschienen sind – jetzt aber nicht<br />
ist er aber ein willkommener Freund, der ih- aus musikalschen Gründen. Folgender Satz<br />
nen die dornenvollen Wege der schwierigen kann nur gefiltert überhaupt verstanden<br />
Kunst leichter gangbar macht“ so schreibt werden: „Zunächst muss man sich darüber<br />
der Autor, Dr. Heinrich Wachter aus Kiel, klarsein, was man unter dem Sammelnamen<br />
der aber gleich danach einschränkt: „Seine „exotisch“ verstehen will. So würden sich<br />
Verwendung müsste auf die E-Saite be- die halbzivilisierten Völker wie die Araber<br />
schänkt bleiben.“ Aus der Frage, ob der und Japaner bedanken, mit den Sudanesen,<br />
Daumen benutzt werden soll, leitet er die Kamerunern und Chinesen auf eine Stufe<br />
Forderung ab, die Finger der linken Hand gestellt zu werden. Die Araber und die Tür-<br />
von eins bis fünf zu numerieren, den Dauken halten sich für ein musikalsch hochbemen<br />
also einzubeziehen … wir wssen, wie gabtes Volk. Was die chinesische Musik an-<br />
sich die Gitarristen später entschieden hageht, habe ich mich mit ihr noch nie abgeben.geben,<br />
da es nach meiner Meinung ganz un-<br />
Heinrich Wachter ging es bei seinen Fragen möglich ist, sie aus Büchern kennen zu ler-<br />
um den Daumen der linken Hand hauptnen.“ Der letzte Absatz lautet: „Nach diesächlich<br />
um die Ausführung von Barré-Grifsem kleinen Ausflug ins Morgenand kehren<br />
fen: „Der Ausdehnung der Barré-Griffe über wir gerne zu unserer deutschen Muse zu-<br />
fünf Saten möchte ich nicht widersprechen; rück. Eine kleine Abwechslung schadet nie.<br />
Aber alle sechs Saiten mit dem Zeigefinger Dies wusste auch bereits unser Rich. Wag-<br />
fest niederzudrücken, das bringt beinahe ner. Der Hochzeitsmarsch in „Lohengrin“ ist<br />
die ganze Armmuskulatur in krampfhafte, nur deshalb von so gewaltiger Wirkung,<br />
schmerzhafte Spannung, und ist schon weil die übrige Musik so langweilig ist.“<br />
mehr Kraftstück als Kunststück.“<br />
Diese Erkenntnis stammt nicht von unserem<br />
Ferner wird angeregt, die Fingersätze für Herrn Kliewer, sondern von Mark Twain<br />
die rechte Hand, die zur Zeit Wachters mit „und wennns der sagt, muss es wohl wahr<br />
Punktsymbolen angegeben wurden, spar- sein“.<br />
sam zu verwenden, „damit das Notenblatt Eine Bemerkung noch zur guten alten Zeit:<br />
nicht gar zu sehr wie durch Druckerschwär- Unter dem Stichwort „Verbandsbibliothek“<br />
ze verhagelt oder wie ein Tummelplatz der liest man: „Wenn wir nicht haben wollen,<br />
Fliegen aussieht.“<br />
dass unsere Bibliothek in wenigen Jahren<br />
In einem zweiten Beitrag wird die <strong>Laute</strong>n- zugrunde geht, müssen wir darauf bedacht<br />
schule von Heinrich Scherrer besprochen, sein, einen anderen Modus der Ausleihbe-<br />
die einzige Schule, wie der Autor M. Kaiser dingungen zu finden. Verschiedene Mitglie-<br />
meint, „welche in bezug auf Gründlichkeit, der benutzen die Bibliothek sehr fleissig<br />
streng methodischen und künstlerischen und zeigen auch eine sehr anerkennenswer-<br />
Aufbau allen Anforderungen genügt. Sie te Pünktlichkeit in Zurücksendung sowie<br />
eignet sich ihrer gründlichen Ausführungen schonender Behandlung der Noten. Aber lei-<br />
über alle einschlägigen Gebiete der allgeder muss konstatiert werden, dass das nicht<br />
meinen Musiklehre sowohl, als auch insbe- bei allen der Fall ist.“ Ist das nicht eine Klasondere<br />
wegen ihres Eingehens auf das eige, die man auch heute oft hört und bei der<br />
gentliche Wesen des Instrumentes, auf dann gelegentlich gesagt wird, das habe es<br />
Stimmmethode, Haltung, Anschlag, ebenso „früher“ nicht gegeben?
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Neue Platten<br />
<strong>Gitarre</strong> hört man selten. Auf einer sechssaitigen<br />
<strong>Gitarre</strong> sind sie irgendwie schwer zur<br />
Wirkung zu bringen und vierchörige <strong>Gitarre</strong>n<br />
werden von Gitarristen selten angeschafft.<br />
Eher sind es <strong>Laute</strong>nisten, die sich<br />
mit historischen Instrumenten und deren<br />
Repertoire befassen … wie im Fall Michael<br />
Craddock.<br />
Tabulatures de Guiterne<br />
Works by Morlaye, Le Roy und Brayssing<br />
(1551–1553)<br />
Michael Craddock, Renaissance guitar<br />
Aufgenommen im Mai 2000, erschienen<br />
2005<br />
CANTUS RECORDS (in Deutschland bei<br />
Klassik Center, Kassel) C 9632<br />
… Tänze und Fantasien, in denen Michael<br />
Craddock auf der Renaissance-<strong>Gitarre</strong><br />
brilliert …<br />
✰✰✰✰<br />
Er hat zwar in den USA <strong>Gitarre</strong> studiert, ist<br />
dann aber an die Schola Cantorum Basiliensis<br />
gewechselt und befasst sich seitdem mit<br />
<strong>Laute</strong>n- und anderen historischen Zupfinstrumenten<br />
wie der Renaissance-<strong>Gitarre</strong>.<br />
Die Blütezeit dieses Instruments war nicht<br />
von langer Dauer. Das hier eingespielte Repertoire<br />
ist in nicht einmal zehn Jahren gedruckt<br />
worden – zwischen 1550 und 1560 –<br />
und zwar nicht in Spanien, sondern in<br />
Frankreich. In Spanien musste sich die <strong>Gitarre</strong><br />
gegen die Vihuela de mano durchsetzen,<br />
was ihr nicht gelang, in Frankreich war<br />
es die <strong>Laute</strong>, gegen die die <strong>Gitarre</strong> antrat<br />
und hier war sie erfolgreicher. „… duquel<br />
[le lutz] en mes premiers ans nous usions<br />
plus que la Guiterne: mais depuis douze ou<br />
quinze ans en ça, tout nostre monde s’est<br />
mis a Guiterner …” heißt es im einem französischen<br />
Traktat von 1556: „Früher haben<br />
wir mehr <strong>Laute</strong> als <strong>Gitarre</strong> gespielt, aber<br />
seit zwölf, fünfzehn Jahren spielt jeder <strong>Gitarre</strong>“.<br />
Diese Popularität spiegelt sich in der<br />
heutigen Szene der „Alten Musik“ nicht wider,<br />
im Booklet der vorliegenden CD heißt<br />
es sogar, sie sei die erste, die ausschließlich<br />
Musik für vierchörige <strong>Gitarre</strong> enthält.<br />
Vorgestellt von Peter Päffgen Stücke für die vierchörige „Renaissance“-<br />
Das Repertoire unterscheidet sich nicht<br />
grundsätzlich von dem für <strong>Laute</strong> oder Vihuela<br />
der gleichen Zeit: Fantasien, Intavolierungen,<br />
Tänze, aber natürlich wird die<br />
französische Provenienz der Stücke deutlich:<br />
„Bransles de Bourgogne“ findet man in<br />
Vihuela-Büchern nicht, auch keine „Bransles<br />
de Champaigne“ oder die immens populäre<br />
Chanson „La Bataille“ von Clément Janequin<br />
(ca. 1485–1558), die in der Tabulatur<br />
von Simon Gorlier (1551) sogar als Werbeargument<br />
im Titel erwähnt wird – übrigens<br />
auch von Hans Newsidler in seinem<br />
<strong>Laute</strong>nbuch von 1549. Die von Janequin illustrierte<br />
Schlacht war die vor Pavia am 24.<br />
Februar 1525, aus der Kaiser Karl V. in seinem<br />
Krieg gegen König François I er von<br />
Frankreich siegreich hervorgegangen war.<br />
Hier spielt Michael Craddock eine Pavane<br />
„La guerre“ und eine Gaillarde auf diese Pavane,<br />
beide aus dem Tabulaturbuch von<br />
Adrian Le Roy von 1552, und er bringt dem<br />
Zuhörer den Charme dieses kleinen Instruments<br />
nah’, das, was die leeren Saiten angeht,<br />
gerade mal eine Oktave Tonumfang<br />
hat, und damit gegenüber der <strong>Laute</strong> und<br />
der Vihuela sehr benachteiligt ist. Und: Die<br />
Renaissance-<strong>Gitarre</strong> hat kein Bassregister,<br />
und das ist ihr größtes Manko. Das berücksichtigend<br />
hat Craddock eher Fantasien und<br />
Tänze eingespielt, als Intavolierungen, in<br />
denen versucht wird, vollständige vierstimmige<br />
Vokalkompositionen zusammenzufassen.<br />
Es gibt Intavolierungen, die Chanson<br />
„la la la je ne [l’ose dire]“ nach Pierre Certon<br />
zum Beispiel, aber solche, die oberstimmenbetont<br />
sind, und gerade das genannte<br />
Beispiel zeigt, wie leicht man sich dabei<br />
mit den Limitierungen des Instruments arrangiert.<br />
Mehr noch: wie gut man sie zum<br />
Vorteil nutzen kann!<br />
Und doch sind es vor allem Tänze und Fantasien,<br />
in denen Michael Craddock auf der<br />
Renaissance-<strong>Gitarre</strong> brilliert. In der „Fantaisie<br />
V“ von Gregoire Brayssing hört man keine<br />
klanglichen Grenzen mehr und die<br />
„Bransles de Bourgogne“ von Le Roy<br />
„swingen“ vor Lebenslust und tänzerischem<br />
Elan.<br />
Am Schluss steht dann noch eine Fantasie<br />
von Alberto da Ripa (oder Albert de Rippe,<br />
wie er hieß, als er nach Frankreich gezogen<br />
war und in den Diensten von François I er<br />
stand). Sie präsentiert harmonische Überraschungen<br />
der besonderen Art! Ihr ist vorgegeben:<br />
„Il est a noter que la Fantasie sequente<br />
se ioue a corde avalée“ und „avaler“<br />
heißt so viel wie „herablassen, herunterlassen“.<br />
Gemeint ist, dass das tiefste Saitenpaar<br />
um einen Ton tiefer als „normal“ gestimmt<br />
werden soll, also:<br />
8<br />
<strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>-ONLINE <strong>XXIX</strong>/<strong>2007</strong> <strong>Nº</strong> 3 29
statt:<br />
8<br />
Gefordert ist damit quasi die alte Stimmung<br />
(„temple viejo“), wie sie auch Mudarra<br />
benutzt hat.<br />
Michael Craddock hat diese Stimmanweisung<br />
keineswegs übersehen, aber man hört<br />
ein paar schrille harmonische Verbindungen,<br />
Eskapaden, die das modale Tonsystem<br />
provoziert und keine Druckfehler, wie auch<br />
Jean-Michel Vaccaro 1972 in seiner de Rippe-Gesamtausgabe<br />
bei CNRS entschieden<br />
hat. Sicher haben solche Dissonanzen die<br />
Zuhörer im 16. Jahrhundert echauffiert,<br />
aber sie wussten, wie sie entstehen … also<br />
ein musikalischer Scherz? Oder ein spekulatives<br />
Spiel? Albert de Rippe hat sich solche<br />
Besonderheiten häufiger erlaubt.<br />
Michael Craddock räumt mit der Einschätzung<br />
auf, für die vierchörige <strong>Gitarre</strong> des 16.<br />
Jahrhunderts sei nur geringerwertige Musik<br />
geschrieben worden, als beispielweise für<br />
Vihuela oder für <strong>Laute</strong>. Auf jeden Fall war<br />
das Instrument sehr populär … was vielleicht<br />
– sehr profan – daran gelegen haben<br />
mag, dass es billiger war als eine <strong>Laute</strong>,<br />
leichter zu spielen und einfacher zu stimmen.<br />
Aber das Instrument für’s tumbe<br />
Volk, während die <strong>Laute</strong> und ihre Musik den<br />
Gebildeten vorbehalten waren, das war sie<br />
sicher nicht … zumindest nicht in Frankreich!<br />
Vielleicht wird es jetzt mehr Entdeckungsreisen<br />
in’s Repertoire für vierchörige<br />
<strong>Gitarre</strong> geben – Craddock hart uns alle neugierig<br />
gemacht!<br />
Agustín Maruri hat „The Andrés Segovia-<br />
Album“ eingespielt, und zwar auf einer <strong>Gitarre</strong>,<br />
die dem Maestro höchstpersönlich gehört<br />
hat, auf einer 1962er Hauser II nämlich,<br />
und er hat nur Stücke gespielt, die<br />
derselbe höchstpersönlich komponiert hat.<br />
Angelo Gilardino, der wesentlichen Anteil<br />
an der Sichtung und Veröffentlichung des<br />
Nachlasses Segovias hatte, betont in seinem<br />
Booklet-Text, dass der Gitarrist sich<br />
selbst nie als Komponisten gesehen und<br />
30 <strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>-ONLINE <strong>XXIX</strong>/<strong>2007</strong> <strong>Nº</strong> 3<br />
empfunden hat. Eher im Gegenteil: Segovia<br />
fühlte sich hauptsächlich als Interpret, dessen<br />
Aufgabe in der Ausprägung seines eigenen<br />
Stils lag und in der Bereicherung des<br />
Repertoires für sein Instrument, allerdings<br />
nicht durch eigene Kompositionen, sondern<br />
dadurch, dass er Komponisten inspirierte<br />
oder beauftragte, für ihn und für die <strong>Gitarre</strong><br />
zu schreiben. Und doch sind im Laufe seiner<br />
Karriere rund fünfzig Stücke entstanden,<br />
meist kleinere Kompositionen, von denen<br />
etliche bei seinem Tod unveröffentlicht waren.<br />
Hier nun ist eine Auswahl von Agustín<br />
Maruri eingespielt – vieles davon bisher unbekannt.<br />
The Andrés Segovia Album: Original Compositions<br />
Agustín Maruri<br />
Aufgenommen im September 2006<br />
Emecdiscos [emecdiscos.com] 070, in<br />
Deutschland bei Sunny-Moon, Köln<br />
[www.sunny-moon.com]<br />
… meist kleinere Kompositionen …<br />
✰✰✰<br />
Die Stücke sind viel weniger von anderen<br />
Komponisten oder gar speziellen Stücken<br />
abhängig, als man vielleicht annimmt. Segovia<br />
hat ja Kompositionen von Ponce,<br />
Tansman, Castelnuovo-Tedesco und vielen<br />
anderen für sein Instrument eingerichtet<br />
und dabei auch (mal mehr und mal weniger)<br />
„mitkomponiert“ (siehe hierzu auch das Interview<br />
mit Tilman Hoppstock und da speziell<br />
den Nachtrag zu Hoppstocks neuer<br />
Ponce-Ausgabe in diesem Heft), es wäre also<br />
wenig verwunderlich, wenn er sich dabei<br />
stilistische Eigenarten angeeignet oder sich<br />
ganz besonders dem Stil eines Komponisten<br />
angenähert hätte … aber davon kann man<br />
nicht reden. Auch nicht davon, dass er als<br />
Interpret und Virtuose, der das Komponieren<br />
eigentlich nicht gelernt hat, Phrasen<br />
und Floskeln, Versatzstücke, instrumentenidiomatische<br />
Wendungen, die er „in den<br />
Fingern“ hatte, in seinen Kompositionen<br />
verwendet hätte. Gilardino schreibt, das für<br />
ihn am ehesten für Segovias Schreibweise<br />
typische Stück auf dieser CD sei das „Preludio<br />
VII: Preludio Madrileño“ („it effectively<br />
contains all the aspects of Segovia’s compositional<br />
style in a complete and balanced<br />
blending of rhythm, harmony, melodic elements<br />
and instrumental language“) … aber,<br />
ganz ehrlich, gerade dieses Stück von<br />
knapp drei Minuten Dauer, erinnert mich an<br />
Vieles, was Segovia sonst so gespielt hat.<br />
Es beginnt bei Asturias, kommt bei der<br />
„Maja de Goya“ vorbei und endet schließlich<br />
bei Federico Moreno-Torroba. Nicht plakativ,<br />
aber doch vertraut!<br />
Und natürlich sind die Charakterstücke Segovias<br />
so geschrieben, dass sie die besten<br />
Seiten seines Spiels und seines Instruments<br />
in den Mittelpunkt rücken. Da, wo in der<br />
sechsten, siebten Lage die <strong>Gitarre</strong> richtig<br />
in’s Jubilieren kommt, da wird in Segovias<br />
Stücken besonders gern gespielt … natürlich<br />
kannte der Komponist die klanglichen<br />
Möglichkeiten seines Instruments wie kein<br />
anderer!<br />
Und Agustín Maruri, der Interpret? Er bemüht<br />
sich um die Klangfülle des Meisters,<br />
er ringt auch um alle Verzückungen und Eigenwilligkeiten<br />
und doch muss er einsehen,<br />
dass es dessen Eigenwilligkeiten waren und<br />
dass sie nicht kopierbar sind. Wie der Name<br />
sagt Eigenwilligkeiten!<br />
Hier spielt der Chef selbst!<br />
[1] Andrés Segovia, The 1944 American Recordings<br />
Werke von Albéniz, Dowland, Haydn, Granados,<br />
Purcell, Scarlatti und Ponce<br />
NAXOS Historical 8.111087 (2006)<br />
[2] Andrés Segovia, The 1946 New York<br />
and the 1949 London Recordings<br />
Werke von Bach, Villa-Lobos, Turina, Ponce,<br />
Moreno Torroba und Castelnuovo-Tedesco<br />
NAXOS Historical 8.111088 (2006)<br />
[3] Andrés Segovia, 1950s American Recordings<br />
Volume 1<br />
Werke von Bach, Händel, C.P.E. Bach,<br />
Gluck, Haydn<br />
NAXOS Historical 8.111089 (<strong>2007</strong>)<br />
[4] Andrés Segovia, Complete Bach Recordings<br />
1927–1947<br />
Istituto Discografico Italiano (in<br />
Deutschland bei Klassik Center, Kassel)<br />
IDIS 6381<br />
[5] Andrés Segovia, The Baroque Repertoire<br />
1939–1952<br />
Istituto Discografico Italiano (in<br />
Deutschland bei Klassik Center, Kassel)<br />
IDIS 6400<br />
In Argentinien gibt es ein geflügeltes Wort:<br />
Carlos Gardel singt von Jahr zu Jahr besser<br />
… dabei ist der Tangokönig 1935 in einem<br />
Flugzeugunglück in der Nähe von Medellín<br />
in Kolumbien um’s Leben gekommen. Aber<br />
die Tonträgerindustrie ist in der Lage die alten<br />
Schellackplatten digital so aufzubereiten,<br />
dass sie klingen, als wären sie in einem<br />
High-Tech-Studio unserer Zeit aufgenommen.<br />
Da werden Orchesterklänge herausgefiltert<br />
und ein neues Orchester unterlegt,<br />
da wird die Stimme geölt und geschmiert,<br />
als würde Gardel von Jahr zu Jahr jünger.<br />
Auch Andrés Segovia können wir heute hören,<br />
wie wir es zu seinen Lebzeiten nicht<br />
konnten. Ohne Husten und ohne Rauschen,<br />
ohne Knacken und Knistern! Und wir können<br />
das bei verschiedenen Plattengesellschaften,<br />
in verschiedenen Zusammenstel-
lungen und zu unterschiedlichen Preisen …<br />
und in unterschiedlicher Qualität. Und noch<br />
eines: Wir können die „Chaconne“ (als Beispiel)<br />
zusammenhängend hören – sie füllte<br />
in den vierziger Jahren drei Seiten Schellack!<br />
NAXOS macht sich seit Jahren auch als Produzent<br />
historischer Aufnahmen einen Namen,<br />
auch von Aufnahmen großer Gitarristen<br />
– allen voran natürlich Andrés Segovia,<br />
der bereits in den zwanziger Jahren des<br />
letzten Jahrhunderts erste Schallplatten-<br />
Aufnahmen machte, wie Graham Wade und<br />
Gerard Garno berichten (A New Look at Segovia:<br />
His Life and His Music Pacific/MO<br />
1997). Einen allerersten, allerdings nicht erfolgversprechenden<br />
Versucht muss es schon<br />
1923 in Havanna gegeben haben – die ersten<br />
professionellen Platten entstanden in<br />
den Jahren um 1927: Bach, Sor, Moreno<br />
Torroba und Tárrega, und zwar alle für „His<br />
Masters Voice“. Naxos hat von den sehr frühen<br />
Aufnahmen noch keine wiederveröffentlicht<br />
– das wird sicher noch kommen –<br />
wohl aber hat das das Istituto Discografico<br />
Italiano, ein Label von Dynamic in Genua.<br />
Da der Maestro etliche Stücke mehrmals<br />
aufgenommen hat, darunter auch die Chaconne,<br />
hört man zweierlei: die Entwicklung<br />
in Segovias Spiel, der immer abgeklärter<br />
wird, immer gelassener und souveräner,<br />
und man hört die Entwicklung aufnahmetechnischer<br />
Art. Bei den Aufnahmen der<br />
fünfziger Jahre [3] musste nicht mehr viel<br />
gekittet und geglättet werden, wohl aber<br />
bei denen von 1927 [4]. Der Plattenkäufer<br />
also, der sich an Segovia und an seinem<br />
unnachahmlichen Klang erfreuen möchte,<br />
sollte sich die Aufnahmen der fünfziger<br />
Jahre gönnen [3], die dazu als die goldenen<br />
Jahren im Schaffen Segovias bezeichnet<br />
werden. Und wer Interpretationsgeschichte<br />
betreiben möchte, sollte zusätzlich die anderen<br />
haben.<br />
Hauptsächlich in den Kriegsjahren 1939<br />
und 1944 entstanden die Aufnahmen, die<br />
von IDIS als Barock-Repertoire betitelt<br />
worden sind [5]. Hier finden wir als Beispiele<br />
für Segovias Pasticcios zwei Sätze von*<br />
Andrés Segovia, Gemälde von Fritz Buek (im Besitz der Familie Hauser in Reisbach).<br />
Abbildung mit freundlicher Genehmigung<br />
<strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>-ONLINE <strong>XXIX</strong>/<strong>2007</strong> <strong>Nº</strong> 3 31
Alessandro Scarlatti … die von Manuel Ponce<br />
stammen. Mit Barockmusik hat er solche<br />
Harlekinaden häufiger getrieben (eine<br />
„Suite in A“ von Silvius Leopold Weiss, die<br />
auch von Ponce stammte, spielte er zum<br />
Beispiel), allerdings nur mit Barockmusik,<br />
auf der nicht Johann Sebastian Bach als<br />
Komponist stand.<br />
Es ist immer wieder ein Vergnügen, durch<br />
Plattenaufnahmen von Andrés Segovia zu<br />
stöbern – man findet immer wieder Überraschungen<br />
und Interpretationen, die aus der<br />
Sicht eines Zuhörers des 21. Jahrhunderts<br />
geschmacklich durchaus Hautgout haben<br />
mögen und doch so hinreißend schön sind,<br />
dass man sie nicht vergisst. Mein Tipp: die<br />
Bourée aus Bachs dritter Cello-Suite, die<br />
von Segovia immer als Loure betitelt wurde<br />
und unter diesem Namen auch schon, von<br />
Francisco Tárrega bearbeitet, bei Orfeo Tracio<br />
in Madrid herausgekommen war!<br />
Círcolo mágico<br />
Wally Hase, Flöte, Thomas Müller-Pering,<br />
<strong>Gitarre</strong><br />
Werke von Sérgio Assad, Ernesto Cordero,<br />
Celso Machada, Astor Piazzolla und Maurice<br />
Ravel<br />
Aufgenommen im Dezember 2006<br />
Bauer-Studios/Animato ACD6100<br />
… überzeugend präsentiert und kulinarisch<br />
abgeschmeckt …<br />
✰✰✰✰<br />
Ja, stimmt! Von Piazzolla gibt es die „Histoire<br />
du Tango“, wenn auf einer CD mit Musik<br />
für Flöte und <strong>Gitarre</strong> (auch für Violine<br />
und <strong>Gitarre</strong>) sein Name steht! Freilich, das<br />
Stück wird dadurch nicht schlechter …<br />
höchstens „abgedroschen“. Aber es macht<br />
Spaß! Gleich das Eingangsthema der Flöte<br />
… da wird sofort deutlich, dass in einem<br />
Freudenhaus Freude herrscht (der erste Satz<br />
heißt „Bordel“). Obwohl: Ob in den billigen<br />
Puffs am Rio de la Plata um 1900 wirklich<br />
Freude aufgekommen ist, wage ich zu bezweifeln!<br />
Da herrschte eher Verzweiflung<br />
und Melancholie. Da saßen Seeleute aus<br />
Europa, die ihre Frauen und Kinder zuhause<br />
gelassen hatten, um in der Fremde ihr Glück<br />
zu suchen. Ihre Familien wollten sie nachholen,<br />
sobald sie zu Geld gekommen waren<br />
… aber das war schwieriger, als sie sich vorstellten.<br />
Und in den Bordellen heulten sie<br />
sich eher aus, als dass sie das fanden, was<br />
die Frauen in den Freudenhäusern mit Blicken<br />
und Gesten versprachen. So entstand<br />
der Tango! Er ist melancholisch und sentimental.<br />
Da wird Nähe wenige Minuten lang<br />
geträumt, Nähe, Geborgenheit, Erotik, Liebe,<br />
Begierde, Erfolg, Dominanz, Macht und<br />
… all das, was die Seeleute sich erträumten<br />
und was sie aufgegeben hatten. Mit der<br />
Schlusskadenz war alles vorbei.<br />
Und dann degenerierte der Tango. Im „Café“<br />
von 1930. Er wurde zum Modetanz in<br />
32 <strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>-ONLINE <strong>XXIX</strong>/<strong>2007</strong> <strong>Nº</strong> 3<br />
Paris – in Berlin wurde er verboten. Er galt<br />
als unanständig, wollüstig, frivol und „entartet“.<br />
Und weil er verboten war, wurde er<br />
getanzt … jetzt wirklich im Verborgenen.<br />
1960 war nichts mehr verboten. Jetzt tanzte<br />
man den Tango im „Nightclub“. Der Tango<br />
verkam, war entschärft und europäisiert<br />
bis Che Astor kam. Er revolutionierte ihn<br />
zum Tango Nuevo, hier „Tango d’Aujourd’hui“<br />
genannt.<br />
Und als Astor starb, war Tango Kunst. Jetzt<br />
erinnerte sich jeder und alle Größen der<br />
„klassischen Musik“ spielten ihn und erinnerten<br />
sich ihrer eigenen argentinischen<br />
Wurzeln. Nadia Boulanger, Piazzollas Kompositionslehrerin,<br />
wurde befragt, obwohl<br />
sie schon ein halbes Jahrhundert tot war.<br />
Barenboim, Kremer und wie sie alle heißen,<br />
spielten Tango. Allen voran die Gitarristen,<br />
die endlich wieder etwas zum Vorzeigen<br />
hatten, und weil die <strong>Gitarre</strong> argentinischer<br />
war als das Bandoneón, das, wie wir alle<br />
wissen, aus Krefeld kam. Ich erinnere mich<br />
daran, als die Assad-Brothers mit der für sie<br />
geschriebenen „Tango-Suite“ von Piazzolla<br />
auftraten, und jeder, buchstäblich jeder und<br />
nicht nur die Gitarristen-Kollegen, hin- und<br />
hergerissen war vor Begeisterung.<br />
Na ja, Wally Hase und Thomas M-P spielen<br />
nicht nur Piazzolla, obwohl „Histoire du<br />
Tango“ das zentrale Werk der CD ist. Aber<br />
es gibt mehr Piazzolla (u. a. „La Muerte del<br />
Angel“ in einer sehr hörenswerten Bearbeitung<br />
für Flöte und <strong>Gitarre</strong>) und dazu, als Ritornell<br />
sozusagen, ein paar Sätze von Celso<br />
Machado. Und Sérgio Assad, der sich immer<br />
mehr dem Komponieren widmet als dem<br />
mit Konzerten Umhervagabundieren, hat<br />
das Mottolied hinzugesteuert: cículo mágico.<br />
Der magische Zirkel (oder besser „Teufelskreis“,<br />
denn wenn man „magischer Zirkel“<br />
googelt, findet man Zauberervereine<br />
von Aalen bis Zwickau) war oft Sujet für<br />
Kompositionen – unter anderem für Leo<br />
Brouwer und seine „Espiral eterna“ – und<br />
zwar im Sinn eines unentrinnbaren Kreises,<br />
in dem man sich dreht und dreht und zu<br />
keinem Ende findet. Zu keinem guten und<br />
zu keinem bösen Ende. Wie bei Sysiphus,<br />
dessen Stein immer dann, wenn er ihn den<br />
Berg hinaufgerollt hat, wieder in die Tiefe<br />
stürzt.<br />
Absurd wie die Arbeit des Sysiphus, die niemals<br />
zu einem Ende führt, war die Arbeit<br />
von Wally Hase und Thomas Müller-Pering<br />
nicht, denn sie haben ein sehr geschlossenes<br />
musikalisches Programm vorgelegt,<br />
überzeugend präsentiert und kulinarisch<br />
abgeschmeckt.<br />
Eric Pénicaud: Musique de Chambre avec<br />
Guitare<br />
Sylvain Cinquini, Renaud Duret, èric Pénicaud,<br />
Yannick Pignol<br />
Aufgenommen im September 2006<br />
Quantum<br />
[www.euravent.co.uk/acatalog/Quantum_Catalogue.html]<br />
QM 7036<br />
✰✰✰✰<br />
Èric Pénicaud ist kein Unbekannter. Seine<br />
Stücke für unterschiedliche Besetzungen<br />
sind bei renommierten Verlagen erschienen,<br />
darunter Max Eschig, Berbèn und Editions<br />
d’Oz. Und er ist kein Gitarrist, schreibt er<br />
selbst. Er ist ein Ex-Gitarrist, weil „seine<br />
Kompoitionsarbeit definitiv die Oberhand<br />
gewonnen hat (8 internationale Preise).“ Sicher<br />
ist er keiner, der mit seiner Musik einlullen<br />
will. Keine romantischen Ergüsse,<br />
kein Kuschelrock!<br />
Èric Pénicaud hat Stücke sehr unterschiedlicher<br />
Besetzungen zusammengestellt. Mein<br />
Favorit, um das gleich zu sagen, ist ein<br />
Quintett (Streicher plus <strong>Gitarre</strong>) von achteinhalb<br />
Minuten Dauer mit dem Titel „Le<br />
Nuage d’Inconnaissance“. Hier spricht Pénicaud<br />
eine sehr avancierte musikalische<br />
Sprache und hier hat er nicht, wie er es offenbar<br />
sonst gern tut, Fragmente seines<br />
musikalischen Vorlebens zur Kollage verarbeitet.<br />
Die Streicher liefern eher Klangflächen<br />
als Linien, die <strong>Gitarre</strong> punktet dazwischen,<br />
imitatorisch von Cello oder Violine<br />
beantwortet. Der vorsichtige Prozess des<br />
Kennenlernens von Streichinstrumenten<br />
und <strong>Gitarre</strong> wird belauscht.<br />
Es folgt eine reizende „Petite Suite pour les<br />
enfants“ für Violine und <strong>Gitarre</strong>. Da werden<br />
naturgemäß ganz andere Wege beschritten
und wir finden Pénicaud auf sehr viel tonalerem<br />
Terrain, mit Sinn für musikalischen<br />
Witz und mit lebendigen Erinnerungen an<br />
seine Zeit als Gitarrist … oder ist es nicht<br />
Heitor Villa-Lobos, der da grüßt?<br />
In eine neue instrumentale Umgebung lädt<br />
„Oviri, petit concerto pour le grand large“<br />
ein: Alt-Flöte, Klavier, Synthesizer, Elektro-<br />
<strong>Gitarre</strong>. Hier erinnert sich die <strong>Gitarre</strong> an Melodien<br />
und an Kadenzen und wieder liefern<br />
die anderen Instrumente den Hintergrund,<br />
die Kulissen sozusagen, vor denen sie aus<br />
dem Stegreif fabuliert und erzählt. Allein<br />
tut sie das und mit wenig Emphase und innerer<br />
Bewegung.<br />
Ganz am Schluss steht „Pour un Finale“, der<br />
Soundtrack einer Jazz-Improvisation mit<br />
Perkussion, ein, wie es im Booklet steht,<br />
„technisch vollendetes und humoristisches<br />
Duo oder Duell mit Perkussion …“ (mit Éric<br />
Pénicaud als Gitarristen, übrigens).<br />
Zwei Stücke für <strong>Gitarre</strong> sind eingespielt:<br />
„Irisation“ und „Le Chant du Torrent“. Beide<br />
sind kontemplativ, eher nach innen als<br />
nach außen gerichtet und sparsam mit dem<br />
Material. Da werden knappe musikalische<br />
Motive gedreht und gewendet, gegen das<br />
Licht gehalten und betrachtet. Und das ist<br />
auch mit „Irisation“ gemeint: Schillern in<br />
Regenbogenfarben.<br />
Éric Pénicaud hat Stücke für diese CD ausgewählt,<br />
die Vielseitigkeit zeigen. Seine<br />
Vergangenheit im Jazz, der Klassik und im<br />
Flamenco hört man andeutungsweise, aber<br />
er drängt sie dem Hörer nicht auf. Überhaupt<br />
muss man auf seine Musik zugehen.<br />
Man muss sich um sie bemühen und sie anhören.<br />
Vieles klingt wie völlig beiläufig improvisiert<br />
und bewusst unfertig (im Sinne<br />
von „work in progress“). Éric Pénicaud<br />
selbst ist eine Irisation – sein künstlerisches<br />
Werk schillert in allen Farben, aber eine<br />
unverkennbare Handschrift sucht man<br />
vergebens. Ist das gewollt?<br />
Reverie: Jian Wang, Cello, Göran Söllscher,<br />
<strong>Gitarre</strong><br />
Werke von de Falla, Fauré, Villa-Lobos,<br />
Rong Fa Liu, Schumann, u. a.<br />
Aufgenommen im August 2006, erschienen<br />
<strong>2007</strong><br />
Deutsche Grammophon [www.deutschegrammophon.com]<br />
00289 477 6401<br />
… herzzerreißend schön …<br />
✰✰✰<br />
Göran Söllscher hat sich in den letzen Jahren<br />
vornehmlich auf Kammermusik spezialisiert,<br />
und dabei sind ein paar sehr bemerkenswerte<br />
CDs herausgekommen, die letzte<br />
in Kooperation mit dem chinesischen Cellisten<br />
Jian Wang. Die Programme sind meist<br />
risikolos klassisch, das heißt, es sind bekannte<br />
Stücke des jeweiligen Komponisten<br />
für die jeweilige Besetzung transkribiert<br />
und eingespielt worden. Da Göran immer<br />
kongeniale Duo-Partner an seiner Seite hat,<br />
sind es auch ausnahmslos exzellente Platten<br />
geworden. Ich erinnere mich sehr gerne an<br />
die CD „Schubert For Two“, die er mit Gil<br />
Shaham 2002 aufgenommen hat (Deutsche<br />
Grammophon 471 568-2). Gut, da hört man<br />
Schubert-Gassenhauer, die einen gedanklich<br />
in die Heurigen-Seligkeit von Grinzing oder<br />
Ottakring versetzen, aber so herzzerreißend<br />
schön angeboten, dass man alles andere<br />
vergisst!<br />
Hier nun also Jian Wang: Mit einem Gassenhauer<br />
(für Gitarristen), der „Danza Española<br />
1“ von de Falla fängt alles an, dann kommt<br />
(neben anderem) die Träumerei von Robert<br />
Schumann, die „Biene“ von Schubert, die<br />
„Milonga del Angel“ von Piazzolla, desselben<br />
„Café“ aus – na, Sie wissen schon –<br />
und schließlich, ganz am Schluss, kommt<br />
„Memory“ aus „Cats“ von Andrew Lloyd<br />
Webber. Leider, meine ich, und das soll<br />
Roman Viazovskiy<br />
nicht heißen, dass ich diese Musik nicht<br />
mag oder sie nicht für geeignet halte, eine<br />
Klassik-CD abzuschließen – was auch immer<br />
wir als „Klassik“ definieren wollen. Aber<br />
„Memory“ reißt mich, wenn ich die CD höre,<br />
und das tue ich sehr gerne, aus einer<br />
Stimmungswelt elegisch romantischer Musiken<br />
heraus, die bestimmt wird von Stücken<br />
wie der „Romance sans paroles“ von<br />
Stepan Ivanovich Davïdov (1777–1834),<br />
der „Sicilienne“, die man nicht sicher einem<br />
Komponisten zuweisen kann (entweder war<br />
es Maria Theresia von Paradis [1759–1824]<br />
oder der Amerikaner polnischer Abstammung<br />
Samuel Dushkin [1891–1976], über<br />
den Andreas Meyer diskret schreibt, dass in<br />
seinen Werken „die Grenzen zwischen Interpretation,<br />
Arrangement und eigenem<br />
Tonsatz mitunter verwischen“ und, dass<br />
ihm „die eigene Editorentätigkeit den Vorwurf<br />
der Fälschung“ eingetragen habe<br />
[MGG-II, Pers.-Teil V/Sp. 1710]) und<br />
schließlich der „Berceuse“ op. 16 von Gabriel<br />
Fauré. Gegen diese geballte Romantik<br />
hat Andrew Lloyd Webber als Schlusslicht<br />
keine Chance!<br />
Sonatas: Vassiliev, Rodrigo, Berkeley,<br />
Castelnuovo-Tedesco<br />
Roman Viazovskiy, <strong>Gitarre</strong><br />
Aufgenommen im April 2006<br />
Classic Clips [www.classic-clips.de]<br />
CLCL102<br />
… Was kann man besseres sagen oder<br />
schreiben? …<br />
✰✰✰✰✰<br />
Natürlich ist man auf die beiden Sonaten<br />
von Kostantin Vassiliev auf dieser CD be-<br />
<strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>-ONLINE <strong>XXIX</strong>/<strong>2007</strong> <strong>Nº</strong> 3 33
sonders gespannt. Beides sind Ersteinspielungen<br />
und zwar von einem<br />
Komponisten, der sich seit einiger<br />
Zeit einen Namen zu machen<br />
beginnt – nicht zuletzt dadurch,<br />
dass Roman Viazovskiy seine Stücke<br />
in aller Welt spielt. Viazovskiy,<br />
1973 in der Ukraine geboren, hat<br />
zunächst in seinem Heimatland<br />
studiert und ist dann nach<br />
Deutschland gekommen, um zunächst<br />
in Münster und dann bei Tadashi<br />
Sasaki in Aachen seine höheren<br />
gitarristischen Weihen zu erlangen.<br />
Auf seinem Weg zur Karriere<br />
hat er vieles gewonnen, was<br />
man an <strong>Gitarre</strong>nwettbewerben gewinnen<br />
kann.<br />
Zuerst gibt Roman Viazovskiy die<br />
formal und stilistisch eher konservative<br />
Sonate „Omaggio a Boccherini“<br />
von Castelnuovo-Tedesco,<br />
dann die seltener gehörte „Sonatina“<br />
von Lennox Berkeley und Rodrigos<br />
„Sonata Gi0cosa“ – schließlich<br />
„Sonata-Fantasy Smoke of<br />
Love“ und Sonata von Vassiliev.<br />
Auf Motive aus Shakespeares Romeo<br />
und Julia geht die programmatische<br />
Fantasy-Sonata ein, die<br />
Sonata soll, so der Komponist,<br />
„die widersprüchliche Innenwelt<br />
eines Menschen ausdrücken, voller<br />
gegenstrebiger Emotionen, die Unaufgelöstheit,<br />
Traurigkeit und<br />
Freude, Angst und Ruhe“ … introvertiert<br />
und kontemplativ sind beide<br />
mächtigen Kompositionen, aber<br />
es sind keine notierten Improvisationen,<br />
keine offengelegten Psychogramme,<br />
wie man sie heute so<br />
oft hört, sondern durchstrukturierte<br />
Stücke, die, vor allem bei der<br />
Sonata, formal vorgegebene Rahmen<br />
füllen und dazu, als dritte Verständnisebene<br />
sozusagen, dem Andenken<br />
an drei Komponisten verpflichtet<br />
sind, Ponce, Rodrigo und<br />
Antonio José.<br />
Roman Viazovskiy hat das spielerische<br />
Vermögen, klangliches Gleichgewicht<br />
zu wahren wie in „Juliet“<br />
oder dem „Andantino“ bei MC-T …<br />
oder keck- virtuose Spielchen zu<br />
spielen. Und er kann in „Tempo di<br />
Minuetto“ aus der Sonate von MC-T<br />
oder dem hinreißenden „Allegro“<br />
aus der Rodrigo-Sonate den unverhohlenen<br />
Witz spüren lassen, den<br />
die Komponisten da mit ihrer<br />
Kundschaft gespielt haben. Kurz:<br />
Roman Viazovskiy versteht die Musik,<br />
und er kann das umsetzen in<br />
Klänge. Was kann man besseres sagen<br />
oder schreiben?<br />
34 <strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>-ONLINE <strong>XXIX</strong>/<strong>2007</strong> <strong>Nº</strong> 3<br />
Plattentipp<br />
Johann Adolf Hasse wurde 1699 bei<br />
Hamburg getauft und starb am 16.<br />
Dezember 1783 in Venedig, wo er „il<br />
divino sassone“ genannt wurde … der<br />
göttliche Sachse. Sachse?<br />
Hasse war, nachdem er 1730 die berühmte<br />
Sängerin Faustina Bordoni geheiratet<br />
hatte, „Königlich polnischer<br />
und Kurfürstlich sächsischer Kapellmeister“<br />
in Dresden und dort, in<br />
Dresden, sollte er über dreißig glanzvoll<br />
erfolgreiche Jahre erleben. Hasse<br />
galt als führender Vertreter der opera<br />
seria, der „ernsten Oper“. Mehr: Hasse<br />
war der berühmteste Opernkomponist<br />
seiner Zeit! Ein modernes Opernlexikon (Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters) verzeichnet<br />
noch neun seiner (von insgesamt fast sechzig) Opern, die man aber auf den Spielplänen<br />
deutscher Theater nicht mehr findet – oder, sagen wir: extrem selten. „Sein Werk war […] so<br />
sehr der Ästhetik seiner Zeit verpflichtet, dass es mit ihr gemeinsam untergehen musste“<br />
heißt es im populären Online-Lexikon WIKIPEDIA treffend.<br />
Der freischaffende Musiker Axel Wolf (s. meine Besprechung seiner Bach-CD in <strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>-ONLINE<br />
<strong>XXIX</strong>/<strong>2007</strong>/N° 1, S. 27) hat sich seiner Musik angenommen, und zwar anhand eines<br />
Manuskripts, das sich auf der Musikbibliothek der Stadt Leipzig befindet: Opern Arien<br />
auf die <strong>Laute</strong> versezet A o 1755 di R – Signatur Ms. III.11.46a. Wer „R“ war, ist bisher nicht<br />
ermittelt worden aber von dem gleichen Intavolator stammt auch die Bearbeitung der Cembalo-Sonate<br />
III in F-Dur, die Sie ebenfalls hier hören können (aus dem Manuskript Ms.<br />
III.11.46b der gleichen Bibliothek)<br />
Johann Adolph Hasse, Opera for Lute, Baroque Opera Arias transcribed for Lute<br />
Axel Wolf, Lute<br />
Aufgenommen im Dezember 2006, erschienen <strong>2007</strong><br />
OEHMS Classics OC 710<br />
… Eine Entdeckung erster Güte! …<br />
✰✰✰✰✰<br />
Arien auf einer <strong>Laute</strong> zu spielen, ist schwer! Die <strong>Laute</strong> hat – wie die <strong>Gitarre</strong> – bekanntlich einen<br />
punktuellen Ton, der es fast unmöglich macht, Legato zu spielen. Jedenfalls kann man<br />
Töne nicht aneinander binden, wie es ein Geiger kann oder der Spieler eines Blasinstruments.<br />
Was tun? Der Intavolator der Hasse-Arien hat es sehr gut verstanden, die jeweilige Melodie<br />
in ein Geflecht von Begleittönen einzuweben, dass man die Kurzlebigkeit des <strong>Laute</strong>ntons<br />
nicht merkt. Bei den Franzosen hatte man eine ähnliche kompositorische Technik „Style brisé“<br />
genannt – hundert Jahre vor Hasse. Und Cembalisten um Couperin haben ihn übernommen<br />
und „style luthé“ genannt, weil sie anerkannten, dass die geniale Schreibweise von <strong>Laute</strong>nkomponisten<br />
ersonnen worden war, um die tonliche Schwäche ihres Instruments auszugleichen.<br />
Bis in die „klassische Zeit“ ist der Stil verwendet worden – er war allbekannt und<br />
geschätzt. Edward Higginbottom weist im GROVE darauf hin, dass auch der erste Satz von<br />
Beethovens Mondscheinsonate (op. 27/2) („though indirectly“) dem „style brisé“ verpflichtet<br />
ist.<br />
Mit den Hasse-Arien hat Axel Wolf das getan, was man Gitarristen immer empfiehlt: Er hat<br />
neue Repertoire-Gefilde erschlossen und damit, wie ich meine, Neuland betreten, das sicher<br />
zum populären Reiseziel wird. Peter Jonas, Intendant der Bayerischen Staatsoper bis 2006,<br />
schrieb dazu in einem Begleitwort: „Axel Wolf präsentiert uns diese Musik mit Geschmack,<br />
Charme und der gleichen Virtuosität und Professionalität die wir Teilnehmer der Münchner<br />
Barockwelle die letzten eineinhalb Jahrzenhnte erleben durften.“ Dem kann man jaum etwas<br />
hinzufügen – auch, wenn man die Bayerische Welle nicht miterlebt hat. Für mich sind Höhepunkte<br />
der CD die „Sinfonia“ aus „Solimano“, die Arie „Pupille Care“ aus „Leucippo“ und<br />
die abschließende Arie „Chi a ritrovare aspira“ aus der Oper „Ciro riconosciuto“. Axel Wolf<br />
spielt gelassen und unaufgeregt, lässt dem prachtvollen Klang seiner <strong>Laute</strong> Platz und dem<br />
Zuhörer Muße, die wunderbare Musik auf sich wirken zu lassen. Eine Entdeckung erster Güte!
Die <strong>Gitarre</strong> in Europa erlebte ihre<br />
zweite Blüte zu Anfang des<br />
neunzehnten Jahrhunderts<br />
hauptsächlich dank der vorherigen<br />
Entwicklung des Instrumentes<br />
selbst, der Vervollkommnung ihrer Spieltechnik,<br />
der konzertanten, kompositorischen<br />
und der pädagogischen Tätigkeit der <strong>Gitarre</strong>nvirtuosen<br />
wie F. Sor, M. Giuliani, D. Aguado,<br />
L. Legnani, N. Coste, J. C. Mertz, G. Regondi<br />
und anderer. Zur Zeit des Aufblühens<br />
der kroatischen nationalen Wiedergeburt<br />
lebte der Varaždiner Ivan Padovec (1800–<br />
1870). 1 Über sein Leben und Wirken siehe die<br />
Artikel von Mirko Orlić und Darko Petrinjak<br />
gewidmet Padovec zum zweihundertjährigen<br />
Jubiläum seiner Geburt, veröffentlicht<br />
in der Zeitschrift Gitara, Nr. 2, S. 2-22. Es war<br />
die zentrale Persönlichkeit der kroatischen<br />
Gitarristik. Als ein Meister der <strong>Gitarre</strong>, Komponist,<br />
Pädagoge und Autor der <strong>Gitarre</strong>nschule<br />
Škola za gitaru wurde er in der ganzen<br />
Welt berühmt durch seine Konzerte und<br />
seine gedruckten Kompositionen, so wie<br />
durch die zehnsaitige <strong>Gitarre</strong>. Er begründete<br />
das Zagreber Sextett, aus welchem später<br />
der Musikverein hervorging, und trat der<br />
Illyrischen Bewegung bei. Von der Popularität<br />
der <strong>Gitarre</strong> in Kroatien zeugen die vielen<br />
guten Gitarristen und Komponisten sowie<br />
die zahlreichen <strong>Gitarre</strong>namateure: der Franziskaner<br />
F. Pintarić, der Musikwissenschaftler<br />
F. Kuhač, die Pfarrer L. Vojska und V. Vernak,<br />
der Maler V. Karas, der Dichter S. Vraz,<br />
der Schriftsteller P. Stoos, der Offizier J. Runjanin,<br />
der Bischof F. Gašparić, der Flötist F.<br />
Čačković-Vrhovinski, die Organisten V. Kolander<br />
und V. Fleischer-Mesarić, die Violinisten<br />
A. von (pl.) Kirschhofer und A. Bertolini,<br />
der Komponist J. Zabolio und andere. Heute<br />
sind aus diesem Zeitalter einige Kompositionen<br />
für die <strong>Gitarre</strong> oder zur <strong>Gitarre</strong> von Pintarić<br />
erhalten. Pintarić schrieb Padovecs Stücke<br />
ab und Vojska trug sie zusammen zu<br />
einer beträchtlichen Sammlung. Kuhač komponierte<br />
über hundert <strong>Gitarre</strong>nkompositionen<br />
und schrieb die <strong>Gitarre</strong>nschule<br />
Uputa u kitaranje (Anleitung zum <strong>Gitarre</strong>n-<br />
Kroatische Gitarristen –<br />
Zeitgenossen von Padovec<br />
spiel) und sie ist sehr wichtig für die kroatische<br />
<strong>Gitarre</strong>ntradition. Die Reichweite dieser<br />
Tradition wird auch dadurch deutlich,<br />
dass sich die <strong>Gitarre</strong> im Zagreber Priesterseminar<br />
auch während des Absolutismus zur<br />
Zeit des kroatischen Schweigens im Jahre<br />
1848 behaupten konnte, sowie die Fülle der<br />
<strong>Gitarre</strong>nliteratur aus der Zeit der (Vor) Wiedergeburt,<br />
die im Archiv der Musikgesellschaft<br />
Vijenac (AV) und im Kroatischen Musikinstitut<br />
(HGZ) in Zagreb sowie in anderen<br />
Quellen in Kroatien (Varaždin, Dubrovnik ...)<br />
aufbewahrt wird. Zeugnis darüber geben<br />
auch die <strong>Gitarre</strong>nbauer wie es Franjo Fink in<br />
Zagreb, Antonio Bina in Dubrovnik und<br />
Josip Papa in Varaždin waren mit ihren bis<br />
heute erhaltenen <strong>Gitarre</strong>n, sowie Zeitungsartikel,<br />
bzw. Diskussionen (Abhandlungen)<br />
über die Gitarristik veröffentlicht in den damaligen<br />
Periodika.<br />
Die kroatische <strong>Gitarre</strong>ntradition im Sinne<br />
der künstlerischen Behandlung der <strong>Gitarre</strong><br />
und des Komponierens für die <strong>Gitarre</strong> erscheint<br />
erst zu Anfang des neunzehnten<br />
Jahrhunderts. Außer in den Musikzentren<br />
(Zagreb, Varaždin, Dubrovnik) erklang die<br />
<strong>Gitarre</strong> zu jener Zeit auch in Osijek, Bjelovar,<br />
Karlovac und anderen Orten Kroatiens, wo<br />
kroatische und ausländische Gitarristen wirkten.<br />
Es folgen biographische Skizzen einiger<br />
herausragender Vertreter des Varaždiner, Zagreber<br />
und des Dubrovniker <strong>Gitarre</strong>nkreises<br />
mit Kuhač zuletzt besonders getrennt, als<br />
eine Art Bindeglied zwischen ihnen und<br />
Übergang in das zwanzigste Jahrhundert.<br />
Der Varaždiner <strong>Gitarre</strong>nkreis<br />
Den Varaždiner <strong>Gitarre</strong>nkreis machten meist<br />
die Musiker, versammelt um Ivan Padovec,<br />
aus: seine Schüler und Freunde. Die übrigen<br />
Instrumentalisten traten zeitweise mit den<br />
Gitarristen auf (z. B. der Cellist I. N. Köck).<br />
Interessant ist die Angabe, dass am 1. Januar<br />
1829 der <strong>Gitarre</strong>unterricht offiziell eingeführt<br />
wurde, d. h., dass vierzehn Schüler der<br />
Musikschule von Varaždin begannen, <strong>Gitarre</strong><br />
zu lernen.<br />
Von Josip Bažant<br />
Pater (Josip) Pintarić (1798–1867)<br />
war Franziskaner-Priester, Gymnasialprofessor,<br />
Schriftsteller und „Wiedergeburtler“<br />
(Anhänger der Bewegung Wiedergeburt), allseitiger<br />
autodidaktischer Musiker: Komponist,<br />
Organist, Gitarrist und Gesangslehrer,<br />
der zahlreiche verantwortungsvolle Tätigkeiten<br />
in Varaždin, Zagreb, Virovitica und Koprivnica<br />
verrichtete. Im Jahre 1849 druckte<br />
er in Wien Knjiga bogoljubnosti karstjanske<br />
(das Buch der christlichen Gottesliebe), sein<br />
Hauptwerk aber das Kantual (kirchliches Gesangsbuch)<br />
Crkvena lira (die Kirchenlyra)<br />
konnte er nicht herausgeben. Er komponierte<br />
Messen, Offertoria, Hymnen, Lieder und<br />
Instrumentalwerke für die Orgel, das Klavier<br />
und die <strong>Gitarre</strong> mit Harmonisationen, so<br />
dass er sich den Ruf der kroatische Bach (Dr.<br />
J. Andrić, L.Šaban) und der kroatische Mozart<br />
verdiente. Kuhač zufolge waren im musikalischen<br />
Nachlass von Pintarić viele <strong>Gitarre</strong>nstücke<br />
berühmtester Gitarristen, die er eigenhändig<br />
abschrieb. Der Pfarrer von Bednja<br />
Lavoslav Vojska, der Pintarić oft beim <strong>Gitarre</strong>spiel<br />
zuhörte und ihn noch aus Varaždin<br />
gut kannte, bezeugt, dass er ein ausgezeichneter<br />
Gitarrist war, fast so gut wie Padovec,<br />
bei welchem er das <strong>Gitarre</strong>nspiel während<br />
ihres Aufenthaltes in Zagreb erlernte. Dies<br />
bezeugen auch die wenigen erhaltenen <strong>Gitarre</strong>nbearbeitungen<br />
von Pintarić. Allem Anschein<br />
nach fing Pintarić zu dieser Zeit auch<br />
für die <strong>Gitarre</strong> zu komponieren an, diese<br />
Kompositionen sind aber kaum noch erhalten.<br />
Durch Abschrift rettete er einige <strong>Gitarre</strong>nopera<br />
von Padovec. Es sind zehn <strong>Gitarre</strong>nkompositionen<br />
von Fortunat Pintarić bekannt.<br />
Von den ursprünglichen Kompositionen<br />
für die <strong>Gitarre</strong> werden genannt Varijacije<br />
und Mazurka, die Lieder Gedicht an die<br />
Musik von 1836 für Singstimme und <strong>Gitarre</strong><br />
und von den Bearbeitungen die vier Lieder<br />
Pjesme za jedan Glas zu Gitaru ali Klavir (Lieder<br />
für eine Singstimme mit <strong>Gitarre</strong> oder<br />
Klavier) und Vier Teutsche Lieder für eine<br />
Singstimme ... für eine Guitarre, aufbewahrt<br />
im AV und in der Nationalbibliothek (NSK).<br />
<strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>-ONLINE <strong>XXIX</strong>/<strong>2007</strong> <strong>Nº</strong> 3 35
Foto: Lavoslav Vojska<br />
Julia Gaszner,<br />
Gitarristin, Padovec’s Schülerin trat mit ihm<br />
auf beim Konzert in Varaždin am 6. Mai<br />
1838 mit Veliki Divertissement-concertant<br />
(Großes Divertissement) für zwei <strong>Gitarre</strong>n<br />
von Padovec, ein bis heute unbekanntes<br />
Werk. Padovec widmete ihr sein Opus 51 gedruckt<br />
in Prag bei M. Berre unter der Überschrift<br />
Fantasie/über beliebte Motive aus der<br />
Oper/Puritani von Bellini/für die<br />
Guitarre/componirt und dem Fraulein/Julie<br />
von Gaszner/ Gewidmet von/Johann Padowetz/51<br />
Werk.<br />
Leopold (Lavoslav) Vojska (1829–1901)<br />
Pfarrer und Musiker, spielte Blockflöte und<br />
sang, als ausgezeichneter Gitarrist trat er<br />
vor seinen Freunden auf. Als er auf dem<br />
Varaždiner Gymnasium als Schüler war, lernte<br />
er <strong>Gitarre</strong> bei Padovec. Später kaufte er<br />
Padovec’s zehnsaitige <strong>Gitarre</strong> und dreißig<br />
seiner Kompositionen. Er bewahrte das gedruckte<br />
Programm von Padovec’s letztem<br />
Konzert auf und schrieb mehrere Werke für<br />
die <strong>Gitarre</strong> ab, unter anderen auch das Koncertni<br />
komad za kitaru (Konzertstück für die<br />
<strong>Gitarre</strong>) in A-Dur, mit welchem Padovec<br />
beim Wettbewerb in Brüssel 1856 auftrat.<br />
Besondere Verdienste erlangte er bei der Bewahrung<br />
des Nachlasses von Padovec.<br />
Vojska war befreundet mit Pintarić, über<br />
dessen <strong>Gitarre</strong>nkunst er Kuhač gegenüber<br />
berichtete. Er hatte eine reiche Musikbibliothek,<br />
zu damaliger Zeit im Wert von mehr<br />
als tausend Forint. Seine Abschriften von<br />
Padovec’s Kompositionen befinden sich<br />
heute im HGZ und die <strong>Gitarre</strong> im Museum<br />
für Kunst und Handwerk.<br />
36 <strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>-ONLINE <strong>XXIX</strong>/<strong>2007</strong> <strong>Nº</strong> 3<br />
Franjo Kostanjevac (1839–1910)<br />
Regens chori der Zagreber Metropolitankirche<br />
und Komponist, bei Padovec lernte er<br />
die musikalischen Grundlagen, den Gesang<br />
und das <strong>Gitarre</strong>spiel. Als allseitiger Kirchenmusiker<br />
war er begeistert mit der Cäcilianischen<br />
Bewegung und förderte den Choralgesang.<br />
Außerdem spielte er auch noch Klavier<br />
und Orgel, sang (Tenor) und war Pädagoge.<br />
Antun Stöhr (1847–1923)<br />
Musikpädagoge und Komponist, lernte <strong>Gitarre</strong>,<br />
Violine und Klavier bei Padovec und studierte<br />
später Musik bei J. Nonner. In Prag<br />
und Graz studierte er später Violine und Klavier,<br />
mit denen er oft auftrat. Von 1867<br />
wirkte er als Musikprofessor in Varaždin, wo<br />
er seit 1881 die eigene konzessionierte Musikschule<br />
leitete. Mit seinem Album hrvatskih<br />
pjesama (Album kroatischer Lieder) für<br />
Singstimme und Klavier, in welches er auch<br />
einige Lieder von Padovec einreihte, erlangte<br />
er große Popularität. In Pučki prijatelj<br />
(Volksfreund) berichtete er über Padovec’s<br />
Konzertauftritte und die Veröffentlichung<br />
von Kompositionen. Bei dem letzten Konzert<br />
von Padovec am 2. April 1873 in Varaždin<br />
spielte er bei zwei Konzertpunkten Cello und<br />
Klavier.<br />
Vatroslav Kolander (1848–1912)<br />
Musikpädagoge, von 1875 bis zu seinem Tod<br />
virtuoser Organist der Kathedrale in Zagreb.<br />
Als Gymnasiast lernte er <strong>Gitarre</strong>, Klavier und<br />
Musiktheorie bei Padovec und spielte auch<br />
die Tamburitza. Er galt als gewandter Gitarrist.<br />
Studierte in Prag und Wien, gab Klavierunterricht<br />
an der Schule des HGZ und von<br />
1871 leitete er seine eigene Schule und war<br />
einer der Urheber der Cäcilianischen Bewegung<br />
in Kroatien.<br />
Aleksije Kokotec<br />
Varaždiner Stadtbeamter änderte später seinen<br />
Familiennamen in Sabolić, ausgezeichneter<br />
Gitarrist, hauptsächlich Autodidakt. Er<br />
lernte <strong>Gitarre</strong> nach der Schule von Padovec,<br />
die er ins Deutsche übersetzen wollte, um<br />
die <strong>Gitarre</strong> ihren Liebhabern zugänglicher zu<br />
machen. Er besaß auch eine sechssaitige <strong>Gitarre</strong><br />
von Padovec, das Werk des Wiener <strong>Gitarre</strong>nbauer<br />
B. Enzensperger, die er zusammen<br />
mit der Schule von Padovec dem<br />
Varaždiner Museum (GMV) schenkte und die<br />
sich heute noch dort befindet. Im Jahre<br />
1896 stellte er die genannte Schule in Budapest<br />
anlässlich der Tausendjahrfeier des Königtums<br />
Ungarn bei der dortigen Landesausausstellung<br />
aus. Es ist eine Komposition<br />
(Bearbeitung) für Violine mit <strong>Gitarre</strong>nbegleitung<br />
von Ihm bekannt – gewidmet J. Puchly<br />
(Majalis, Akordi valčika).<br />
Janko Puchly,<br />
Landvermesser, Chorleiter des RHPD Vijenac,<br />
Schüler von Padovec, spielte ausgezeichnet<br />
<strong>Gitarre</strong> und trat bei Padovec’s letztem Konzert<br />
1873 in Varaždin allerdings als Sänger<br />
auf. Bei dem Konzert Veče ilirskih skladatelja<br />
(Abend der illyrischen Komponisten) am 14.<br />
November 1925 in Varaždin anlässlich der<br />
Tausendjahrfeier des kroatischen Königreiches<br />
spielte er auf der <strong>Gitarre</strong> zur Begleitung<br />
des Streicherensembles das Andante (zweiter<br />
Satz) aus Padovec’s Drugi concertino<br />
(Zweites concertino) für <strong>Gitarre</strong>. Dem A. Kokotec-Sabolić<br />
widmete Puchly eine udesba za<br />
svirku na guslama zu pratnju quittare (Bearbeitung<br />
für das Spiel auf der Violine zur Begleitung<br />
der <strong>Gitarre</strong>).<br />
Ladislav Kerec,<br />
Gitarrist, war Schüler von Padovec. Nach<br />
dem Zeugnis seiner Tochter Justina Kerec,<br />
der ehemaligen Schülerin von Prof. Dr. M.<br />
Stahuljak, lieh Kerec dem A. Kokotec-Sabolić<br />
die Schule von Padovec aus, welche letzterer<br />
dem Museum GMV schenkte.<br />
Zagreb und übrige bedeutendere<br />
Gitarristen und Komponisten für die<br />
<strong>Gitarre</strong><br />
Viele herausragende Gitarristen lebten und<br />
wirkten in Zagreb, dem politischen, kulturellen<br />
und vor allem Musikzentrum, versammelt<br />
um den Musikverein (HGZ) und um die<br />
bekannten Mitglieder der kroatischen Wiedergeburt,<br />
einige von ihnen waren verstreut<br />
aber auf ihre Art doch untereinander verbunden.<br />
Franjo Ksaver Čačković-Vrhovinski<br />
(1789–1865)<br />
Richter der Gespannschaft (etwa wie in<br />
Deutschland Bezirksrichter), Mitbegründer<br />
vom HGZ und ihr Vorstandsmitglied, nahm<br />
gerne die Ideen der Illyrer an. Spielte viele<br />
Musikinstrumente, um als Flötist und gewandter<br />
Gitarrist kurze Lieder für die <strong>Gitarre</strong><br />
zu komponieren und danach größere Stücke<br />
für Blockflöte mit <strong>Gitarre</strong>nbegleitung und<br />
anderen Instrumenten, sogar mit Orchester<br />
zu komponieren. Als ausgezeichneter Flötist<br />
konzertierte er in Deutschland vor dem<br />
bayerischen König Maximilian und in Österreich.<br />
Er nahm Anteil am Zagreber Musikleben<br />
– zuerst mit Auftritten mit dem Zagreber<br />
Sextett von Padovec bei Veranstaltungen<br />
des Musikvereins. Bei einer solchen Akademien<br />
des Vereins zu Ehren der Hl. Cäcilia,<br />
der Musikpatronin, am 22. November 1830<br />
trat er als Solist mit Blockflöte auf und Padovec<br />
mit der <strong>Gitarre</strong>.
Pavao Stoos (1806–1862)<br />
war Sekretär des Zagreber Bischofs und später<br />
Pfarrer in Pokupsko, kroatischer „Wiedergeburtler“<br />
(Erneuerer) und Dichter, der einige<br />
seiner Gedichte selbst vertonte, da er gewandt<br />
war im Notenschreiben und im <strong>Gitarre</strong>nspiel.<br />
Er spielte auch Harmonium und<br />
Orgel. Im Jahre 1858 druckte er in Zagreb<br />
Kitica cerkvenih pjesmah s napjevi (Sträußchen<br />
von Kirchenlieder mit Melodien) (dreizehn<br />
eigene Melodien mit Orgelbegleitung).<br />
Einige patriotische Gedichte von Stoos vertonten<br />
V. Lisinski, F. Livadić, M. Hajko (Ljubav<br />
ilirskog junaka prema svojoj majci – Die<br />
Liebe eines illyrischen Helden seiner Mutter<br />
gegenüber) und andere.<br />
Antun von (pl.) Kirschhofer (1807–<br />
1849)<br />
Komponist, virtuoser Violinist, Pädagoge<br />
und Dirigent hinterließ in seinem Opus auch<br />
Werke für die <strong>Gitarre</strong>. Im HGZ befindet sich<br />
die Abschrift einer solchen Komposition von<br />
ihm: Der Todtengräber für eine Singstimme<br />
mit Pianoforte oder Guitarre allein mit der<br />
Unterschrift von Pauline Miscich. F. Pokorni,<br />
einer seiner Schüler trat mit der Violine auf<br />
beim Padovec’s koncert spirituel in Zagreb,<br />
am 11. April 1841 in der Schießstätte mit<br />
dem Streichquartett von Haydn Op. 75. Am<br />
30. April 1845 beim Konzert, welches Padovec<br />
mit dem Cellisten Köck veranstaltete,<br />
war der erste Aufführungspunkt Kirschhofers<br />
Komposition Ouverture brillante, die der<br />
Komponist selbst dirigierte.<br />
Stanko Vraz (1810–1851)<br />
der Herkunft nach Slowene, Dichter, Melograph<br />
(Melodist, Melodienschreiber?) und<br />
Musikkritiker wurde Anhänger der kroatischen<br />
Wiedergeburt (Erneuerungsbewegung).<br />
Während seiner Schulung in Maribor<br />
und Graz lernte er Musik. Er spielt gut <strong>Gitarre</strong><br />
(gewandter Gitarrist), Blockflöte und sang<br />
vom Blatt, was ihm zu Gute kam beim Sammeln<br />
und Aufschreiben von Volksweisen. In<br />
seinem Brief vom 2. April 1845 an den<br />
tschechischen Ethnologen K. J. Erben lobt<br />
Vraz Livadić’s Kompositionen und schreibt:<br />
Herr Livadić tauchte schon im Jahre 1835 als<br />
kluger Tonsetzer einiger Lieder von Vukadinović<br />
wie z.B. Okićke vrane, Razstanak, Stanak,<br />
Crnooki usw., welche unsere Patriotinen lieb<br />
gewannen und sie (die Lieder) zur <strong>Gitarre</strong>oder<br />
–Klavierbegleitung singen.<br />
Dies war noch eine Bestätigung der Beliebtheit<br />
der <strong>Gitarre</strong> bei den Kroaten zu jener<br />
Zeit, aber auch des amateurhaften Umgang<br />
mit ihr. Sein Lied Molba (Die Bitte) vertonte<br />
Padovec dreistimmig.<br />
Vatroslav Lisinski (1819–1854)<br />
führender Komponist der kroatischen Wiedergeburt,<br />
Schöpfer der ersten kroatischen<br />
Oper, schrieb allem Anschein nach das Trio<br />
Andante pour/la Guitarre,<br />
Flute,/et/Viola/par/I. Fuks, das unvollständig<br />
im HGZ aufbewahrt wird. Lisinski vertonte<br />
auch einige Verse, bzw. bearbeitete die Melodien<br />
einiger schon genannter illyrischer<br />
Das Slowenische Nationallied aus der <strong>Gitarre</strong>schule von Kuhač im Autograph<br />
Dichter und Komponisten (P. Stoos, V. Vernak,<br />
F. Rusan u. a.).<br />
Franjo Gašparić (1822–1893)<br />
Zagreber Bischof und langjähriges Vorstandsmitglied<br />
des HGZ (einige Zeit auch<br />
Vorsitzender) und Vorsitzender der Gesellschaft<br />
Skladnoglasje beim Zagreber Priesterseminar,<br />
lernte Violine und Gesang in der<br />
Musikschule des HGZ. Er spielte <strong>Gitarre</strong>, für<br />
die er einige Kompositionen schrieb und<br />
vertonte einige Gedichte. So vertonte er<br />
1845 als gewandter Gitarrist das Gedicht<br />
Prognanik (der Verbannte) von Trnski, mit<br />
welchem er S. Vraz zufolge im genannten<br />
Brief an K. J. Erben beim zweiten Konzert im<br />
Zagreber Theater auftrat. Gašparić schenkte<br />
dem HGZ viele frühe Notenausgaben für <strong>Gitarre</strong><br />
aus der ersten Hälfte des neunzehnten<br />
Jahrhundert und seine späteren eigenen Abschriften<br />
unter welchen auch Werke von Padovec.<br />
Im HGZ befindet sich Gašparić’s<br />
Notni svezak (Notenband), der neben dem<br />
schon erwähnten Lied Prognanik aus der<br />
Sammlung von Vatroslav Vernak in der Bearbeitung<br />
für eine Singstimme, Blockflöte und<br />
<strong>Gitarre</strong> noch einige illyrischen Erneuerungslieder<br />
enthält (wie z.B. von F. Rusan Poputnica<br />
hrvatskog junaka) eingerichtet für die<br />
Hausmusik.<br />
Vatroslav Vernak (1824-1863),<br />
Pfarrer in Visoko, Dichter, spielte einige Instrumente,<br />
schrieb und vertonte mehrere<br />
Gedichte und Lieder, einige mit <strong>Gitarre</strong>be-<br />
<strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>-ONLINE <strong>XXIX</strong>/<strong>2007</strong> <strong>Nº</strong> 3 37
gleitung. Bekannt sind zwei solcher Lieder,<br />
eines mit dem Titel Oj hrvatske dične goričice<br />
mit dem Kehrreim Aj zašto li, aj ne bi mi<br />
rujno vince pili in D-Dur, für eine Singstimme<br />
und <strong>Gitarre</strong> (heute unauffindbar) und<br />
das zweite Lied Prsi svoje ću razdrieti befindet<br />
sich im Archiv der Kroatischen Akademie<br />
der Wissenschaften und Kunst (HAZU),<br />
jedoch unter dem Titel Pitanje na ...(?) in A-<br />
Dur für eine Singstimme und <strong>Gitarre</strong> von<br />
Vatroslav Vernak, dem 2. Februar 1846, Autograph<br />
mit der Unterschrift von M. Kučenjak.<br />
Kroatisch und Deutsch ... die Anküdigung einer musikalisch-declamatorischen Akademie „im hiesigen Theater“: Anfang um<br />
halb 8 Uhr Abends -- am 6. Mai 1838<br />
38 <strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>-ONLINE <strong>XXIX</strong>/<strong>2007</strong> <strong>Nº</strong> 3<br />
Vjekoslav Alojzij Fleischer-Mesarić<br />
(1802–1878)<br />
Organist und Chorleiter, schrieb Kritiken,<br />
spielte <strong>Gitarre</strong> und wirkte in Bjelovar als Musiklehrer.<br />
Er arbeitete zusammen mit F.<br />
Rusan, dem er die Melodien notierte und die<br />
<strong>Gitarre</strong>begleitung dazugab. So notierte er<br />
nach dem Gesang von Rusan die Melodie<br />
Izraz ljubavi (Ausdruck der Liebe), der er die<br />
<strong>Gitarre</strong>begleitung dazuschrieb. Der volle<br />
Titel des Liedes lautet: Pjesma. Izraz ljubavi.<br />
Od c.kr. podporučnika gosp. Ferdinanda Rusana<br />
nuz Quittaru složene po Vjekoslava Mesa-<br />
rića na poklon visokoblagorodnoj gospoji<br />
Haim plemenita od Ehrenfelda iliti Slavopolje<br />
(Lied, Ausdruck der Liebe von dem k. u. k.<br />
Leutnant Herrn Ferdinand Rusan zur Guitarre<br />
eingerichtet von Vjekoslav Mesarić als Geschenk<br />
der hochwohlgeborenen Dame Haim<br />
von Ehrenfeld) (heute unauffindbar).<br />
Vjekoslav Karas (1821–1858)<br />
Maler und Komponist aus Karlovac, während<br />
seines Aufenthaltes in Florenz und Rom von<br />
1839-1848, studierte er neben der Malerei<br />
als Autodidakt die Musiktheorie, Gesang,
Blockflöte und <strong>Gitarre</strong>. Von ihm stammt das<br />
(in Kroatien) berühmte Bild Römerin mit<br />
<strong>Laute</strong> (eigentlich mit Mandoline). Er komponierte<br />
Instrumental-und-Vokalwerke im<br />
Geiste der Wiedergeburt, von denen Männerchöre<br />
und Lieder erhalten sind. In der<br />
HAZU befindet sich ein handgeschriebenes<br />
Verzeichnis von 28 Kompositionen von<br />
Karas, deren Reihenfolge, Titel und die Kompositionen<br />
selber sich von dem Verzeichnis,<br />
veröffentlicht in Ilirski glazbenici (Die illyrischen<br />
Musiker) unterscheiden. Interessant<br />
ist hier die Komposition, angeführt unter<br />
der Ordnungszahl (Nr.) 10: Ariadna. Nevoljnim<br />
putnicima. za četiri muška glasa uz<br />
bariton solo s kitarskom pratnjom (Ariadna.<br />
Den kläglichen Reisenden. Für vier Männerstimmen<br />
mit Bariton solo und <strong>Gitarre</strong>begleitung),<br />
die im Abdruck unter der Ordnungszahl<br />
(Nr.) 4 als Ariadna: Il na istok sunce<br />
sine; u Ef-duru (Ariadna: oder zum Osten hin<br />
scheint die Sonne; in F-Dur) (heute unauffindbar)<br />
angeführt ist.<br />
Josip Runjanin (1821–1878)<br />
Offizier-Oberstleutnant, als er Kadett in<br />
Glina war, lernte er bei Josip Wendl, dem Kapellmeister<br />
der Militärmusik nach Noten zu<br />
singen und <strong>Gitarre</strong> zu spielen, es wird auch<br />
noch angeführt, dass er Zither, Blockflöte<br />
und sogar Klavier spielte. In die kroatische<br />
Musikgeschichte und Kultur ging er ein dank<br />
zwei seiner Lieder, die er als gewandter Gitarrist<br />
vertonte: das erste, das er 1844 zur<br />
<strong>Gitarre</strong> vertonte (die er gut kannte) auf das<br />
Gedicht Ljubimo te naša diko von Trnski und<br />
das zweite von 1846, komponiert in Glina<br />
auf das Gedicht Liepa naša domovino (Uns’re<br />
schöne Heimat) von Mihanović, das später<br />
die kroatische Nationalhymne wurde.<br />
Notenbild: J. Zabolio: Varijacije za gitaru<br />
(Variationen für <strong>Gitarre</strong>), Thema und die<br />
zweite Variation<br />
Die <strong>Gitarre</strong> in Dubrovnik<br />
Die Streichinstrumente mit einigen Blasinstrumenten<br />
machen die Basis des Instrumentariums<br />
in Dubrovnik nach der Epoche<br />
des Erdbebens aus, während von den Zupfinstrumenten<br />
die Harfe und die <strong>Gitarre</strong>, die<br />
neben der <strong>Laute</strong> (leut) eine lange Tradition<br />
in der Musikgeschichte der Republik von Dubrovnik<br />
hatten.<br />
Antonio Bertolini (um 1750–1810)<br />
Violinist, Komponist und Instrumentenmacher<br />
war Förderer der alten Dubrovniker Musikkultur.<br />
Er spielte Violine in der Hofkapelle<br />
des Fürsten von Dubrovnik. Er ist auch Erbauer<br />
der Harfe aus dem Jahr 1790, die<br />
heute in der Sammlung alter Musikinstrumente<br />
im Fürstenhof in Dubrovnik, neben<br />
der <strong>Gitarre</strong>, die 1828 A. Bina baute, aufbe-<br />
wahrt wird. Im Franziskanerkloster zu Dubrovnik<br />
(SMB) befinden sich zwei seiner<br />
Quartette für <strong>Gitarre</strong> und andere Instrumente.<br />
Das erste trägt den Titel Quartetto/Per<br />
Chitarra, Violino, Viola, e Basso/Del Signor/A.<br />
Bertolini und das zweite Quartetto Per due<br />
Violini, Chitarra, e Violoncello Del Signor Bertolini,<br />
beide ohne Datierung. Es ist also die<br />
Rede von einem Komponisten ernster Musik<br />
für ein etwas ungewöhnliches Kammerensemble.<br />
Mit Rücksicht auf die auch sonst<br />
seltene Vertretung der <strong>Gitarre</strong> in solchen<br />
Kompositionen wäre es sehr wohl wert, ja<br />
nützlich eine zeitgenössische Aufführung<br />
dieser Quartette zu arrangieren.<br />
Josip (Giuseppe) Zabolio (um 1795–<br />
1850)<br />
wurde in Dubrovnik geschult und später<br />
wirkte er als maestro di capella der Kathedrale<br />
und Dirigent in der Franziskanerkirche.<br />
Einer der fruchtbarsten Dubrovniker Komponisten,<br />
dessen Opus Lieder bis Symphoniesätze<br />
beinhaltet. Im SMB sind zwei seiner<br />
<strong>Gitarre</strong>nkompositionen aus 1823 erhalten.<br />
Die erste für <strong>Gitarre</strong> solo trägt den vollen<br />
Titel Variazioni/Per Chitarra Francese/Di Giuseppe<br />
Zabolio/Chitarra Sola und die zweite ist<br />
ein Kammerensemble mit dem Titel Variazioni/Per<br />
due Flauti Traversi/Chitarra, e Fagotto<br />
Obbligato/Di Giuseppe Zabolio. Er schrieb<br />
auch ein Unterrichtswerk mit dem Titel<br />
Primi Principi per Chitarra.<br />
Franjo Ksaver Kuhač<br />
Franjo Ksaver Kuhač (1834-1911), Ethnomusikwissenschaftler,<br />
Melograph (Melodienschreiber),<br />
Folklorist, Ethnograph, Theoretiker,<br />
Kritiker, Komponist, Historiker und Gitarrist<br />
hinterließ ein riesiges verschiedenartiges<br />
Opus. Kuhač war auch auf dem Gebiet<br />
der Gitarristik tätig und zwar als Ausführender,<br />
Komponist, Pädagoge und Autor eine<br />
<strong>Gitarre</strong>nschule. Daneben schrieb er ab oder<br />
sammelte und rettete auf diese Weise vor<br />
dem Vergessen zahlreiche <strong>Gitarre</strong>nliteratur<br />
der illyrischen Musiker, wie auch viele andere<br />
wertvolle Beiträge und Daten, die bedeutend<br />
für die kroatische <strong>Gitarre</strong>ntradition<br />
sind. M. Stahuljak, der ihn persönlich kannte<br />
führt an, dass Kuhač ein ausgezeichneter Gitarrist<br />
war und diese Kunst half ihm bei<br />
dem Sammeln von Volksliedern in Gegenden<br />
die er mit der <strong>Gitarre</strong> auf dem Rücken durchreiste.<br />
Es ist auch die Angabe interessant,<br />
dass er die <strong>Gitarre</strong>, das liebste Instrument<br />
damaliger sentimentaler Jugend anfing, in<br />
Osijek 1842 bei dem Tschechen I. Klimeš zu<br />
lernen an, so dass er im Spielen bald seinen<br />
Lehrer übertraf. Er spielte auch Klavier und<br />
Violine. Schon mit vierzehn Jahren war er<br />
bekannt als vortrefflicher Musiker und<br />
stimmte dem Angebot von P. Kolarić, dem<br />
Begründer der kroatischen Tamburitzamusik<br />
zu, bekannte illyrische und andere Lieder<br />
(wie z. B. Miruj, miruj srce moje) in Notenschrift<br />
aufzuschreiben, die er mit Hilfe vom<br />
Klimeš veröffentlichte. Im Jahre 1853<br />
schrieb er in Budapest die Practische Guitarre<br />
Schule und 1857 die Vierzehn Guitar Piecen,<br />
die zum großen Teil Abschriften aus seiner<br />
Schule und späteren Kompositionen mit<br />
dem Titel Skladbe raznih autora prireñene za<br />
gitaru (Kompositionen verschiedener Autoren<br />
eingerichtet für die <strong>Gitarre</strong>) sind und<br />
aufbewahrt sind sie in der Nationaluniversitätsbibliothek<br />
(NSK). Er war eng befreundet<br />
mit Vojska, Pintarić und Padovec, den er<br />
1863 und 1869 in Varaždin besuchte und<br />
auf dessen Bitte hin sie damals Duette für<br />
<strong>Gitarre</strong> spielten. Dies war schon zur Zeit des<br />
Niedergangs der <strong>Gitarre</strong>, so dass Kuhač eigentlich<br />
einer der seltenen aktiven Gitarristen<br />
in Kroatien am Ende des neunzehnten<br />
Jahrhunderts war. Seine <strong>Gitarre</strong>nkomposition<br />
Dudaš wurde von H. Borenić in Osijek revidiert<br />
und herausgegeben.<br />
Schluß<br />
Die <strong>Gitarre</strong> in Kroatien folgte der europäischen<br />
Bewegung. Nach der anfänglichen<br />
Blüte und Aufbruch Mitte des neunzehnten<br />
Jahrhunderts kommt es zum Abfall. Die Ursachen<br />
sind das stürmische Jahr 1848 und<br />
das Einführen des sogenannten Absolutismus<br />
zum einen und die Vorherrschaft des<br />
Klaviers und der Durchbruch der Oper und<br />
des großen Orchesters in die Konzertsäle<br />
zum anderen. Die <strong>Gitarre</strong> mit ihren Mängeln<br />
(leiser Klang, kurzlebiger Ton) und den Vorurteilen<br />
(Saloninstrument) wird rasch verdrängt.<br />
Es kommt zum Verfall ihrer Popularität,<br />
was auch Padovec, als die zentrale Person<br />
der damaligen kroatischen Gitarristik<br />
selber erlebte. Es ist schwierig und undankbar<br />
auf Grund einiger erhaltenen Niederschriften<br />
und Daten, handgeschriebener<br />
Kompositionen (Bearbeitungen oder Abschriften<br />
miteinbezogen) und Schulen die<br />
Spielqualitäten, kompositorischen Reichweiten<br />
und pädagogische Ergebnisse einzelner<br />
Gitarristen und Komponisten zu bewerten<br />
und zu vergleichen. Dies um so mehr, da ein<br />
Teil des Materials unzugänglich oder unauffindbar<br />
ist (war). Es kann jedoch gesagt werden,<br />
dass einige der Genannten (Vojska,<br />
Gaszner, Kuhač, Puchly) angeführt von Pintarić<br />
in der <strong>Gitarre</strong>nkunst sich Padovec annäherten<br />
den geschriebenen Zeugnissen und<br />
dem bescheidenem Nachlass, Konzertprogrammen<br />
oder Widmungen nach zu urteilen.<br />
Die Werke von Pintarić, wie auch einige von<br />
Kuhačs Kompositionen und Bearbeitungen<br />
stehen nicht zurück hinter gleichartigen Werken<br />
von Padovec und warten auf ihre ersten<br />
zeitgenössischen Aufführungen. Im gleichen<br />
<strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>-ONLINE <strong>XXIX</strong>/<strong>2007</strong> <strong>Nº</strong> 3 39
Sinne sind auch die Kammermusikwerke der<br />
Dubrovniker Komponisten interessant, in<br />
welchen die <strong>Gitarre</strong> solistisch und gleichberechtigt<br />
mit den Streichern behandelt wird.<br />
Mit ihrem Wirken haben die kroatischen<br />
Gitarristen und andere Musiker, die sich mit<br />
der <strong>Gitarre</strong> während dem neunzehnten Jahrhundert<br />
beschäftigten einen dauerhaften<br />
Beitrag der kroatischen Musik-und-Kulturgeschichte<br />
geleistet, um so die starke kroatische<br />
<strong>Gitarre</strong>ntradition zu erhalten, die bis<br />
heute erhalten blieb.<br />
Literaturauswahl:<br />
Andreis, J.: Povijest hrvatske glazbe (Geschichte<br />
der kroatischen Musik), Liber i Mladost, Zagreb,<br />
1974.<br />
Baant, J.: Hrvatska gitaristika u XIX. stoljeću (Die<br />
kroatische Gitarristik im 19. Jahrhundert), Referat<br />
abgehalten anlässlich des zweiten Jahrestreffen<br />
der Kroatischen musikwissenschaftlichen Gesellschaft<br />
in Zagreb vom 15.-16. Juni 2001.<br />
Demoviæ, M.: Glazba i glazbenici u Dubrovačkoj<br />
republici od polovine XVII. do prvog desetljeća XIX.<br />
stoljeća (Musik und Musiker in der Republik von<br />
Dubrovnik von der Hälfte des 17. bis zum ersten<br />
Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts), JAZU, Zagreb,<br />
1989.<br />
Filiæ, K.: Glazbeni život Varaždina (Das Musikleben<br />
von Varaždin), Muzička škola Varaždin (die Musikschule<br />
von Varaždin), Varaždin, 1972.<br />
Himelrajh, V.: Povijest gitare i slavni gitaristi (Die<br />
Geschichte der <strong>Gitarre</strong> und berühmte Gitarristen),<br />
Eigenverlag, Osijek, 1973.<br />
Kuhaè, F.: Glasbeno nastojanje Gajevih Ilira (Das<br />
musikalische Streben von Gaj’s Illyrer), Buchhandlung<br />
Mučnjak-Senftleben, Zagreb, 1885.<br />
Kuhaè, F.: Ilirski glazbenici (Die illyrischen Musiker),<br />
Matica hrvatska, Zagreb, 1893.<br />
Orlić, M.: Virtuozni gitarist (Der virtuose Gitarrist),<br />
Oko, Jahrgang 2, 1974. Nr. 46, S. 16.<br />
Stahuljak, M.: Iz kitaraškog svijeta (Aus der Welt<br />
der <strong>Gitarre</strong>), Sv. Cecilija, Jahrgang 22, 1928, Band<br />
I, S. 12; Band II, S. 71.<br />
Širola, B.: Pregled povijesti hrvatske muzike<br />
(Übersicht der Geschichte der kroatischen Musik),<br />
Rirop, Zagreb, 1922.<br />
Fußnote:<br />
1 Über sein Leben und Wirken siehe die Artikel<br />
von Mirko Orlic und Darko Petrinjak gewidmet<br />
Padovec zum zweihundertjährigen Jubiläum<br />
seiner Geburt, veröffentlicht in der Zeitschrift<br />
Gitara, Nr. 2, S. 2-22.<br />
Übersetzung: Fra Antun Mrzlečki OFM Cap.<br />
40 <strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>-ONLINE <strong>XXIX</strong>/<strong>2007</strong> <strong>Nº</strong> 3<br />
Detlef Altenburg (Hrsg.), ARS MUSICA – MUSICA SCIENTIA,<br />
Festschrift Heinrich Hüschen zum fünfundsechzigsten Geburtstag<br />
am 2. März 1980, Köln 1980<br />
(474 S., zahlreiche Notenbeispiele und Abbildungen, Ganzleinen,<br />
Fadenheftung) G&L 125, ISBN 3-88583-002-7, € 75,–<br />
Detlef Altenburg, Vom poetisch Schönen. Franz Liszts Auseinandersetzung mit der Musikästhetik<br />
Eduard Hanslicks; Konrad Ameln, „Herzlich tut mich erfeuen“ … Wandlungen einer<br />
Melodie; Denis Arnold, Pasquale Anfossi’s Motets for the Ospedaletto in Venice; Maria Augusta<br />
Barbosa, Einführung in die Musikgeschichte Portugals bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts;<br />
Heinz Becker, Massenets „Werther“: Oper oder vertonter Roman?; Oswald Bill, J. S. Bachs<br />
Messe in A-Dur: Beobachtungen am Autograph; Wolfgang Boetticher, Zum Problem der ältesten<br />
handschriftlich überlieferten <strong>Laute</strong>ntabulaturen; Dimiter Christoff, Kompositionstechnische<br />
Analyse des bulgarischen Liedes „Swirtschiza Swiri“ auf der Grundlage einer verallgemeinernden<br />
Theorie der Melodik; Georg von Dadelsen, De confusione articulandi; Carl<br />
Dahlhaus, Über das System der muskitheoretischen Disziplinen im klassisch-romantischen<br />
Zeitalter; Joachim Dorfmüller, Orgelsonate zwischen Historismus und Avantgarde: Anmerkungen<br />
zu Kompositionen aus der Zeit zwischen 1960 und 1979; Ursula Eckert-Bäcker, Die<br />
Pariser Schola Cantorum in den Jahren um 1900: Eine Skizze unter besonderer Berücksichtigung<br />
historischer und pädagogischer Aspekte; Georg Feder, Über Haydns Skizzen zu nicht identifizierten<br />
Werken; Hellmut Federhofer, Stylus Antiquus und modernus im Verhältnis zum<br />
strengen und freien Satz; Renate Federhofer-Königs, „Der Merker“ (1909–1922) – ein Spiegel<br />
österreichischen Musiklebens; Karl Gustav Fellerer, Agostino Agazzaris „Musica ecclesiastica“<br />
1638; Kurt von Fischer, Die Musik des italienischen Trecento als Gegenstand historischer<br />
Überlieferung und musikwissenschaftlicher Forschung; Constantin Floros, Richard Strauss und<br />
die Programmusik; Arno Forchert, Zur Satztechnik von Beethovens Streichquartetten; Jobst<br />
Peter Fricke, Hindemiths theoretische Grundlegung der Kompositionstechnik in seiner „Unterweisung<br />
im Tonsatz“; Walter Gerstenberg, Das Allegretto in Beethovens VII. Symphonie;<br />
Walter Gieseler, Quid est Musica? – Quid sit Musica?: Anmerkungen zu Heinrich Hüschen,<br />
Artikel Musik. Begriffs- und geistesgeschichtlich, in: MGG IV, Sp. 970-1000; Theodor Göllner,<br />
Beethovens Ouvertüre „Die Weihe des Hauses“ und Händels Trauermarsch aus „Saul“; Kurt<br />
Gudewill, Vom Lobe Gottes oder der Musica: Zu Lorentz Schröders Kopenhagener Traktat von<br />
1639; Robert Günther, Abbild oder Zeichen: Bemerkungen zur Darstellung von Musikinstrumenten<br />
an indischen Skulpturen im Rautenstrauch-Joest Museum zu Köln; Dieter Gutknecht,<br />
Schleifer oder Vorschläge in der Arie „Erbarme dich“ aus der Matthäus-Passion von J. S. Bach;<br />
Willibrord Heckenbach, Responsoriale Communio-Antiphonen; Gerhard Heldt, … aus der<br />
Tradition gestaltet: Der „Rosenkavalier und seine Quellen; Siegmund Helms, Musikpädagogik<br />
und Musikgeschichte; Lothar Hoffmann-Erbrecht, Der <strong>Laute</strong>nist Silvius Leopold Weiss und<br />
Johann Sebastian Bach; Heinrich Husmann, Ein Missale von Assisi, Baltimore, Walters Gallery<br />
W.75; Hans-Josef Irmen, Engelbert Humperdinck und sein transzendental-ästhetisches System<br />
der Plastik; Roland Jackson, Mercadente’s Résumé of Opera Reform; Dietrich Kämper, La<br />
stangetta – eine Instrumentalkomposition Gaspars van Weerbeke?; Hans Klotz, Über den originalen<br />
Aufbau eines Scharf von 1637; Ernst Klusen, Singen als soziales Handeln: Einzelfallstudie:<br />
„Das Singen liegt mir im Sinn“; Siegfried Kross, von „roten“ und anderen Brahms-Festen;<br />
Josef Kuckertz, Der südindische Raga Kharmas; Harald Kümmerling, Ut a corporeis ad incorporea<br />
transeamus; Helmut Moog, Zum Stande der Erforschung des Musikerlebens zwischen<br />
dem sechsten und zehnten Lebensjahr; Klaus Wolfgang Niemöller, Zur Qualifizierung und<br />
Differenzierung der Intervalle in der deutschen Musiktheorie des 16. Jahrhunderts; Frits Noske,<br />
Verdi’s ’Macbeth’: Romanticism or Realism?; Walter Piel, Der Bau von Musikinstrumenten mit<br />
Schulkindern: Bemerkungen zur Quellenlage in Deutschland; Nancy B. Reich, Louise Reichardt;<br />
Rudolf Reuter, Zur Baugeschichte der Orgeln des Escorial; Martin Ruhnke, Musikalischrhetorische<br />
Figuren und ihre musikalische Qualität; Hans Schmidt, Gregorianik – Legende oder<br />
Wahrheit?; Udo Sirker, Joseph Sauveurs musikakustische Untersuchungen: Ein Beitrag zu experimentellen<br />
Forschungen um 1700; Joseph Smits van Waesberghe, „Wer so himmlisch mehrstimmig<br />
singen will …“; Martin Staehelin, Bemerkungen zum geistigen Umkreis und zu den<br />
Quellen des Sebastian Virdung; Günter Thomas, Haydn-Anekdoten; Hubert Unverricht, Die<br />
Dasia-Notation und ihre Interpretation; Horst Walter, Haydns Schüler am Esterházyschen Hof;<br />
Grete Wehmeyer, Die Kunst der Fingerfertigkeit und die kapitalistische Arbeitsideologie<br />
MusiCologne<br />
www.MusiCologne.eu
Leo Witoszynskyj<br />
Über den Umgang mit Konflikten II<br />
Die erste Folge dieses Beitrags ist erschienen in <strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>-ONLINE <strong>XXIX</strong>/<strong>2007</strong>/1. Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Erlaubnis des Musikverlags DOBLINGER, Wien<br />
Eine polyrhythmische Stelle erhält umso größere Klarheit, je bewusster die unterschiedliche Metrik der<br />
einzelnen Stimmen erfasst und wiedergegeben wird. Wenn dann noch dazu die einzelnen Stimmen in unterschiedlichen<br />
Taktarten gehalten sind, wie dies häufig in Couranten der Fall ist – als Beispiele seien genannt:<br />
de Visée d-Moll, Bach BWV 995 1 –, dann wird auch hier der Interpret zum Simultandolmetscher.<br />
Als solcher muss er auf zwei oder gar mehr musikalischen Sprachebenen zugleich denken und dies seine<br />
sprechenden Finger sagen lassen. Es erübrigt sich, daran zu erinnern, dass sie dabei sehr differenziert artikulieren<br />
müssen.<br />
De Visée: Suite, Courante, d-Moll<br />
Joh. S. Bach: Suite, Courante, BWV 995<br />
Die rhythmische Komplexität ist auch ein besonderes Merkmal vieler Kompositionen aus dem lateinamerikanischen<br />
Kulturraum. 6/8- und 3/4-Takte werden miteinander verflochten und erhalten durch Hemiolenbildungen<br />
changierende Schwerpunkte. Für dieses Genre möchte ich als signifikantes Beispiel die Danza<br />
negra aus der Suite venezolana von Antonio Lauro anführen. In diesem tänzerischen Satz sorgt der<br />
Klangfuß des Amphibrachys (T – T) als bestimmendes rhythmisches Element der melodischen Linie für<br />
zusätzlichen Reiz.<br />
Antonio Lauro: Suite venezolana, Danza negra © 1963 by Broekmans & Van Poppel<br />
Nicht ganz einfach zu beantworten ist die Frage, wo geatmet werden soll, wenn der<br />
letzte Ton einer Stimme leicht ist, die andere hingegen an derselben Stelle mit einem Auftakt einsetzt,<br />
wie dies z. B. in der Loure BWV 1006a beim Übergang vom 2. zum 3. Takt der Fall ist. Zur Lösung dieses<br />
polymetrischen Konflikts empfehle ich, erst vor der nächsten Eins zu atmen, zuvor aber den Auftakt in<br />
der Unterstimme mit einem kleinen Akzent zu versehen. Der Atem an dieser Stelle kommt dann sowohl<br />
der folgenden Subdominante wie dem notwendigen Lagenwechsel zugute. Andernfalls erhält die letzte<br />
Note der Oberstimme, ob man will oder nicht, eine unangemessene Bedeutung.<br />
Joh. S. Bach: Loure, BWV 1006a<br />
Solange es sich um Komplementärrhythmen handelt, bei denen zwar die Schwerpunkte verschoben sind,<br />
die Achtel aber einander ergänzen, halten sich die Schwierigkeiten in Grenzen. Ungleich schwieriger ist<br />
dann schon die Ausführung von Drei gegen Vier, eines Konfliktrhythmus. Da bedarf es schon einer starken<br />
Vorstellungskraft für beide Rhythmen, wie dies z. B. bei Restless in Brittens Nocturnal unumgänglich<br />
ist.<br />
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Benjamin Britten: Nocturnal, Restless © 1964 by Faber & Faber, London<br />
Die Vorstellung allein wäre aber hier nicht ausreichend, denn auch die Finger müssen ungewohntes Neuland<br />
betreten. Erfolgreich kann dies nur gelingen, wenn der Fingersatz mit den rhythmischen Anforderungen<br />
Schritt hält, – weil auch der Rhythmus „auf Klang-Füssen einhergehet“!<br />
Nicht zu kurz kommen darf dabei die mentale Seite. Sie bedarf einer speziellen Vorbereitung und Schulung,<br />
damit die beiden Metren als individuelle rhythmische Größen erkennbar werden. Eine präzise Wiedergabe<br />
beider Rhythmen wird dann erreicht, wenn man zunächst die Viertel in Sechzehntel einteilt, also<br />
auf den gleichen Nenner bringt. Für die Melodiestimme ist dann das Resultat ein Habanera-Rhythmus der<br />
ersten zwei Viertel, ergänzt durch den lombardischen Rhythmus des dritten Viertels. Wer mit der ungarischen<br />
Sprache vertraut ist, wird sofort verstehen, wie dieser kombinierte Kollektivrhythmus klingen soll,<br />
und diesen auch ganz natürlich skandieren.<br />
Nun möchte ich einen Konflikt zur Sprache bringen, der als solcher oft gar nicht erkannt<br />
wird, der jedoch die Ausführung aus eben diesem Grund empfindlich stören kann. Dies passiert immer<br />
dann, wenn musikalische Struktur und Fingersatz nicht zusammengehen. Am Beispiel der chromatischen<br />
Tonleiter habe ich das bereits zu erklären versucht. Zur Vertiefung des Problembewusstseins möchte<br />
ich ein anders gelagertes Beispiel anführen. Im 3. Satz der Sonata classica von Uhl bildet in den Takten 37<br />
bis 40 ein verminderter Dreiklang die Basslinie.<br />
Alfred Uhl: Sonata classica, 3. Satz © 1969 by Schott Music International, Mainz<br />
Der musikalische Duktus deutet auf Trochäen hin, das Muster welchen Fingersatzes auch immer macht jedoch<br />
jambische Schritte erforderlich. Nun gibt es drei Möglichkeiten:<br />
1) Diesen Konflikt zu ignorieren und am Problem weiter zu kiefeln – das hieße, Herakles hätte schon vor<br />
dem Scheideweg kehrtgemacht.<br />
2) Die musikalische Struktur umzudeuten und dem jambischen Fingersatz unterzuordnen – dies wäre das<br />
Ei des Kolumbus schlechthin, aber ein bisschen brutal. 2<br />
3) Den Konflikt zu erkennen und den Reiz in dessen Austragung zu finden – also listenreich wie Odysseus<br />
zu sein. Die Synthese zweier konträrer Elemente zeichnet sich dann bei der Wiedergabe dieser Stelle<br />
durch besondere Spannung aus. Die Spannung ist der Preis für dieses Abenteuer. Oder ist sie nicht doch<br />
eher der Lohn, ein kalkuliertes Risiko?<br />
Ein Konflikt kann auch bei bloßer Einstimmigkeit in der Behandlung einer melodischen Linie auftreten.<br />
Mit einem solchen haben wir es zu tun, wenn der Melodie ein immanenter Rhythmus innewohnt<br />
und/oder wenn es zu einer Phrasenverschränkung kommt. Vom Ende des 4. Taktes der Loure ließe sich<br />
beides behaupten. Die letzten beiden Noten, e und gis’, haben auch eine rhythmische Funktion, sie bilden<br />
einen für die Loure so charakteristischen Auftakt. Dies bedeutet jedoch, dass das unbetonte e – Teil<br />
eines Durchgangs – in seiner Eigenschaft als Teil eines Auftaktes eine Betonung erfahren muss. Dabei<br />
kommt es zu einer Diärese, dem Zusammentreffen zweier betonter Noten, zweier Hebungen, wie wir sie<br />
vom Pentameter her kennen. 3 (Notenbeispiel s. S. 174)<br />
Wenn schon eine einzelne Linie so viel an Konfliktstoff in sich birgt, um wie viel mehr erst müssen harmonische<br />
Fortschreitungen für Konflikte sorgen! Die Grundzüge der Harmonielehre muss ich allerdings<br />
als schon bekannt voraussetzen. Auch werde ich nicht über die Spannungsverhältnisse der Harmonien zueinander<br />
im Sinne ihrer Wertigkeit als Funktionsträger sprechen, sondern über ihr Verhältnis zu anderen<br />
musikalischen Parametern.<br />
Allgemein bekannt sollte das Verhältnis der Dominante zur Tonika sein: Die Auflösung erfolgt nach einem<br />
– ohnehin gitarreimmanenten – Decrescendo. Dennoch bin ich immer wieder überrascht, wie oft gegen<br />
diese elementare Regel verstoßen wird! Die Existenz dieser Grundregel beruht doch auf dem Wechselspiel<br />
von Spannung und Entspannung, einem musikalischen Naturgesetz. Eine Umdeutung durch den Interpre-
ten kann nur auf Unkenntnis oder Willkür beruhen. Allerdings – bisweilen möchte ein Komponist Hörgewohnheiten<br />
aufbrechen und schreibt dann ganz bewusst „gegen den Strich gebürstet“. Beethoven war für<br />
diese antithetische Schreibweise bekannt – manche seiner Zeitgenossen hätten lieber gesagt: berüchtigt<br />
– und hatte mit ihr andere Komponisten beeinflusst. Was Beethoven ein vitales Ausdrucksbedürfnis war,<br />
ist allerdings bei anderen nur zu oft zum modischen Gag verkommen.<br />
Giuliani geht mit solchen Überraschungseffekten sparsam um. In der Schlussgruppe der Durchführung des<br />
1. Satzes seiner Sonata op. 15 ist jedoch der Einfluss Beethovens deutlich zu merken: Neben dem E des<br />
zerlegten E-Dur-Akkordes steht ein Sforzato, beim F des alterierten Akkordes hingegen ein Pianissimo.<br />
Dabei ist der Takt zu wiederholen,<br />
gleichsam um jene Absicht zu bekräftigen, die durch die dynamischen Vortragsbezeichnungen bekundet<br />
wird. Diesen Effekt muss der Interpret in seinem Vortrag freilich überzeugend bringen.<br />
Mauro Giuliani: Sonata, op. 15, 1. Satz<br />
Abgesehen von solchen beabsichtigten Abweichungen steht das Dominante-Tonika-Verhältnis nicht selten<br />
in Konflikt mit dem metrischen Ordnungsprinzip von Schwer und Leicht. Innerhalb einer Viertaktgruppe<br />
kommt dem ersten und dem dritten Takt ein größeres Gewicht zu als dem zweiten und vierten. Nun<br />
kommt es jedoch immer wieder vor, dass der Dominante der leichte Takt zugedacht ist, sie aber ihre Auflösung<br />
zur Tonika im schweren Takt findet.<br />
Dieser Konflikt stellt an den Interpreten hohe Anforderungen, denn er muss das eine spüren und das andere<br />
tun: Die Spannung der Dominante spüren, diese aber trotzdem leicht nehmen. Die Behandlung der<br />
Tonika erfolgt dann mit umgekehrten Vorzeichen: Entspannung spüren und die Tonika dennoch schwer<br />
nehmen.<br />
Wiederum muss der Interpret den Simultandolmetscher abgeben, der in der einen Sprache denkt und in<br />
der anderen spricht. Diese Zweisprachigkeit bewährt sich dort, wo solche harmonische Kräfteverhältnisse<br />
herrschen wie in Präludium und Gavotte I BWV 995 sowie in der Gavotte en Rondeaux BWV 1006a. Wer<br />
unter diesem Aspekt an die Lösung eines solchen Konfliktes herangeht, dem kann dieser Hinweis ein Sesam-öffne-dich<br />
zu einem neuen Verständnis dieser und ähnlicher Werke werden.<br />
Joh. S. Bach: Gavotte I, BWV 995<br />
Joh. S. Bach: Gavotte en Rondeaux, BWV 1006<br />
Immer wieder gerät das an Spannungen ohnehin nicht arme harmonische Gefüge auch in Konflikt mit der<br />
melodischen Entwicklung. Am Beispiel der Sarabande möchte ich dies näher erläutern: Auf der Eins steht<br />
ein Vorhaltsakkord, der auf der Zwei seine Auflösung finden soll. Nehmen wir einmal an, das Stück stünde<br />
in D-Dur und der Vorhalt läge in der Melodiestimme, dann sollte eine Auflösung vom g’ zum fis’ hin erfolgen,<br />
denn die beiden Akkorde stehen ja zueinander in einem Spannungsverhältnis. Diesem Erfordernis<br />
widersetzt sich jedoch ein anderes: Es ist die schwere Zwei, jenes unverwechselbare Merkmal einer (französischen)<br />
Sarabande, und wiederum stehen wir vor einer Konfliktsituation!<br />
Die Lösung dieses Konfliktes zähle ich zur Hohen Schule der Interpretationskunst: Mit mechanischen Mitteln<br />
ist diese Aufgabe allerdings ebenso wenig lösbar wie die Quadratur des Kreises, sehr wohl aber ist sie<br />
es mit künstlerischen Mitteln. Dieselbe Stelle, auf zwei Instrumenten problemlos spielbar, kann sich bei<br />
der Ausführung auf einem Instrument als unerwartet schwierig erweisen. Auch wenn man den Klang<br />
zweier Instrumente noch so gut im Ohr hat, will es nicht so recht gelingen, diesen Klang auf e i n e m<br />
Instrument zu reproduzieren. Was tun? War zuvor von einem Mittel der Dynamik die Rede, wie man einen<br />
Konflikt löst, rate ich nun, es mit dem Mittel der Artikulation zu versuchen.<br />
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Wir haben uns doch schon ein Wissen über die komplizierte Beziehung von Längen und Kürzen, Hebungen<br />
und Senkungen zueinander angeeignet. Wenn es sich als schwierig erweist, den Vorhalt in einem<br />
Decrescendo aufzulösen, damit Schwer und Leicht wahrnehmbar werden, und wenn der Puls des Rhythmus<br />
eine Agogik nicht so recht zulassen will, dann machen wir es doch wie die alten Griechen: Längen<br />
und Kürzen aufeinander folgen lassen. Wird nämlich im Fall der Sarabande die erste Note kürzer artikuliert<br />
als es einer Vorhaltsnote zustünde, kommt Spannung auf. Die Entspannung, die Auflösung, folgt auf<br />
den Fuß – genauer gesagt auf einen Klangfuß namens Jambus. Die Auflösung verträgt nun sogar einen<br />
kleinen Akzent, denn sie ist ja Länge und Schwere zugleich. Ein treffenderes Beispiel als die letzten vier<br />
Takte vor dem D-Dur-Teil der Bachschen Chaconne wird sich kaum finden lassen. 4<br />
Joh. S. Bach: Chaconne (Bearb.: L. Witoszynskyj)<br />
Zur Hohen Schule der Interpretationskunst gehört auch der Umgang mit der Polydynamik.<br />
Während spätestens ab Sor der Verlauf der einzelnen Stimmen sehr klar notiert ist und daher schon das<br />
Notenbild dem Interpreten aussagekräftige Informationen über die Wertigkeit von Stimmen liefert, entsteht<br />
sehr oft Unklarheit über die Zuordnung eines Tones zu einer Stimme bei intabulierten Werken. Beim<br />
Transkribieren muss thematisches Material erst richtig gedeutet und von „ortlosen Stimmen“ – den Füllstimmen<br />
– innerhalb einer „<strong>Gitarre</strong>partitur“ geschieden werden. 5<br />
Vergleichbaren Problemen begegnen wir auch in vielen Werken Bachs. Für Stellen, deren Notation nur eine<br />
Stimme ausweist, bei deren Ausführung aber zwei Stimmen zeitversetzt erklingen, haben sich die Termini<br />
technici immanente Polyphonie oder Scheinpolyphonie eingebürgert. Zutreffender wäre wohl, von<br />
einer vereinfachten Notation einer realen Polyphonie zu sprechen.<br />
Häufig sind in der <strong>Gitarre</strong>literatur Stellen anzutreffen, bei denen die eine – die liegende – Stimme durch<br />
Tonrepetitionen auszuführen ist, während die andere sich aufwärts oder abwärts bewegt. Dabei gibt es<br />
zwei Möglichkeiten: Entweder sind die Tonrepetitionen nachzuschlagen oder die sich bewegende Stimme.<br />
Die erste Möglichkeit erscheint auf den ersten Blick problemlos. Auf den zweiten Blick stellt sich jedoch<br />
heraus, dass wir es mit Synkopen zu tun haben. Will man den Charakter der Synkope als rhythmischen<br />
Kontrapunkt verständlich machen, reicht bloßes Nachschlagen nicht aus – und schon gar nicht für jene<br />
Stimme, die sich bewegt. Hier sollte der Hinweis genügen, dass es sich weniger um ein Nachschlagen als<br />
um ein Vorziehen handelt. Dabei sind natürlich eine Anschlagstechnik, die mit Tirando und Apoyando<br />
differenziert umzugehen weiß, und – nicht zuletzt – eine ausgeprägte Artikulationskultur unentbehrliche<br />
Helfer.<br />
Der springende Punkt aber ist, dass darüber hinaus diese beiden Stimmen auch eine unterschiedliche dynamische<br />
Gewichtung erfahren müssen. Dies gilt auch dort, wo die Füllstimme aus Akkordzerlegungen<br />
besteht. Da sich auch noch Giuliani jener vereinfachten Notation bediente, welche Haupt- und Nebenstimmen<br />
unterschiedslos unter einem Notenbalken zusammenfasst, bedarf es schon einer gewissen Erfahrung,<br />
wenn man eine Unterscheidung treffen muss. Was zweistimmig notiert ist, kann in Wahrheit<br />
drei- oder gar vierstimmig sein! Wie überhaupt im Leben, bedarf der Mensch auch in der Musik der Fähigkeit,<br />
Wesentliches von Unwesentlichem – den Weizen von der Spreu – zu unterscheiden.<br />
Nur dann kann ein Interpret diese Art von Polyphonie plastisch gestalten, wenn er die einzelnen Stimmen<br />
auch dynamisch unterschiedlich behandelt. Ebenso erweist es sich von großem Nutzen, sich jede der<br />
Stimmen einmal gesondert vorzunehmen, ehe man dann alle zu einem neuen Ganzen zusammenfügt.<br />
Mag die Vorstellungskraft bei der dynamischen Gestaltung auch noch so groß sein, wollen bei der Ausführung<br />
die Finger dennoch nicht so recht mitmachen. Nicht etwa deshalb, weil die Vorstellungskraft zu<br />
schwach wäre, sondern weil die Finger etwas tun müssen, wozu sie nicht erzogen wurden. In einem solchen<br />
Fall ist die behavioristische Methode der Einübung zielführend: Die Unabhängigkeit der Finger bedarf<br />
einer Schulung im Sinne von repetitio est mater studiorum. Frei übersetzt bedeutet dies: Übung<br />
macht den Meister. Will man z. B. eine Stelle wie in Rodrigos Invocación y danza nach den Vorstellungen<br />
des Komponisten realisieren, muss man zuerst genau lesen: Im 9. Takt steht für die Bassstimme ein f, für<br />
die Sextolen (eigentlich zwei Triolen) der Oberstimme ein p. Spätestens bei der Zweiunddreißigstelnote<br />
des Basses in Takt 11 entdeckt man, wie schwer diese Unabhängigkeit in der dynamischen Behandlung zu<br />
erreichen ist. Daher sollten die Finger zunächst durch entsprechende Vorübungen auf solche dynamischen<br />
Konflikte vorbereitet werden.
Joaquín Rodrigo: Invocación y danza © Copyright 1973 by E.F.M. Technisonor<br />
Das größte Problem bei der Behandlung polydynamischer Stellen besteht sehr häufig aber lediglich darin,<br />
dass die vom Komponisten geforderte Differenzierung zu wenig beachtet wird oder dass die technischen<br />
Schwierigkeiten die musikalischen überwiegen. Dabei denke ich im ersten Fall z. B. an den 1. Satz in Ginasteras<br />
Sonata. Für den zweiten ließen sich Restless und Marchlike aus Brittens Nocturnal anführen. Diese<br />
beiden Werke setzen auch voraus, dass der Interpret über eine große Skala dynamischer Abstufungen<br />
verfügen kann – von einem ppp bis zum fff. Diese Vortragsbezeichnungen zu beachten sollte eigentlich<br />
eine Selbstverständlichkeit sein.<br />
In diesem Kontext möchte ich eine Möglichkeit beschreiben, die bisher dankenswerterweise von menschenfreundlichen<br />
Komponisten stets außer Acht gelassen wurde: Vom Interpreten zu verlangen, in einer<br />
Stimme ein Crescendo aufzubauen, während gleichzeitig in der anderen ein Decrescendo erfolgen soll.<br />
Ein solches Verlangen ist zwar denkmöglich und könnte sogar einen interessanten Effekt erbringen, ihm<br />
jedoch auf einem Instrument nachzukommen ist so gut wie unmöglich. Allzu erfindungsfreudige Komponisten<br />
möchte ich noch darauf aufmerksam machen, dass eine gleichzeitige Ausführung eines Accelerando<br />
in einer Stimme und eines Rallentando in der anderen überhaupt nur mit Hilfe eines Wunders bewirkt<br />
werden könnte.<br />
Vieles von dem Gesagten lässt sich in Analogie auch über Konfliktsituationen in der Artikulation sagen.<br />
Schon aufgrund der unterschiedlichen Schwingungsfrequenzen ist es erforderlich, in den einzelnen<br />
Stimmlagen auch unterschiedlich zu artikulieren: In einem zweistimmigen Satz heben sich dann die beiden<br />
Stimmen besser gegeneinander ab.<br />
Dieses musikalische Anliegen auf der <strong>Gitarre</strong> zu erfüllen ist allerdings um ein Vielfaches schwieriger als<br />
auf einem Klavier, doch es ist erfüllbar, es bedarf keines Wunders von außen. Bei der Artikulation ist es<br />
weniger die mechanische Einübung, die näher ans Ziel heranführt, als die Imagination, die Vorstellungskraft.<br />
Selbstverständlich muss der technische Vorgang, wie man ein Legato, ein Portato oder Staccato<br />
spielt, beherrscht werden. Ein Schauspieler erwirbt eine gute Technik für sein Sprechwerkzeug, den<br />
Mund, indem er Sprechübungen bis hin zum Zungenbrecher trainiert. Beherrschen die Muskeln einmal eine<br />
Sprechtechnik und sind sie auf eine klare Artikulation konditioniert, folgen sie bereitwillig den gestalterischen<br />
Impulsen.<br />
Solche kleine Wunder, die die Muskeln vollbringen, kommen dann von innen. An einem kleinen Experiment<br />
kann überprüft werden, wie stark die Imagination des Spielers auf die Tongebung wirkt: Man schlage<br />
mit dem Daumen die sechs leeren Saiten der <strong>Gitarre</strong> nacheinander zuerst mit der Vorstellung eines Legato<br />
an und dann mit der eines Staccato. Ist die Vorstellung stark genug, ist es keine Selbsttäuschung,<br />
wenn man meint, zwei verschiedene Versionen gespielt zu haben. Denn auch der Zuhörer, der mit geschlossenen<br />
Augen dieses Experiment mitmacht, wird einen Unterschied registrieren. Die starke Imagination<br />
steuert nämlich auf wunderbare Weise die Muskeln. Über Impulse, die eher dem Kleinhirn als dem<br />
Großhirn entstammen, verändern die Muskeln die Geschwindigkeit der Attacke und den Anschlagswinkel<br />
des Fingers. Wieso? Selbst kleine Kinder wissen schon, wie man sich einem Schlafenden zu nähern hat:<br />
Auf Zehenspitzen, um ihn nicht zu wecken, oder auf den Fersen, um auf sich aufmerksam zu machen.<br />
Dies alles geschieht ohne nachzudenken, ohne Schulung, ohne Übung.<br />
Wie wichtig die Imagination für die Tongebung ist, wissen am allerbesten die Pianisten. So, wie Gott<br />
einstens den prächtigen Pfau bei der Vergabe schöner Stimmen übersehen haben muss, scheint Ihm der<br />
gleiche Lapsus bei der Verteilung von Farbpaletten an Musiker passiert zu sein – Pianisten müssen sich<br />
seither mit Schwarz-Weiß begnügen. Doch vielleicht hat Er ihnen damals zum Trost ins Ohr geflüstert:<br />
„Ich habe euch statt dessen mit Phantasie bedacht. Diese soll euch und eure Zuhörer entschädigen.<br />
Macht reichlich Gebrauch von ihr!“<br />
Wenn Klavierspiel, wie Pianisten selbst es sagen, einem Schwarzweißfilm gleich die Zeit durchläuft, dann<br />
lässt sich der Orchesterklang mit Laufbildern in Farbe, mit Kolossalgemälden vergleichen. Ist nicht die<br />
<strong>Gitarre</strong> ein kleines Orchester? Ihre Farbpalette gewährt dem Interpreten einen schier unerschöpflichen<br />
Reichtum an Möglichkeiten zur individuellen Gestaltung. Die Beantwortung der Frage, wann, wo und wie<br />
diese Möglichkeiten der Polychromie genutzt werden sollen, ist jedoch nicht nur vom persönlichen Ermessen<br />
abhängig. Eine Orientierung an der Aufführungspraxis verschiedener Zeitepochen ist unerlässlich.<br />
In der Kunst des Registrierens haben die Organisten die allergrößte Erfahrung, mit ihrem Spiel können<br />
sie Gitarristen wertvolle Anregungen bieten, sie inspirieren.<br />
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Nicht alles, was sich Komponisten vielleicht wünschen, ist auch technisch ausführbar. Es liegt in der Natur<br />
der Sache, dass eine Hand nicht gleichzeitig am Steg und über dem Griffbrett spielen kann. Manche<br />
Komponisten haben allzu penibel die Stellen bezeichnet, an denen angeschlagen werden soll. Eine solche<br />
Einengung des Spielraums im eigentlichen Wortsinn kann die Spielfreude bis zur Lähmung herabsetzen.<br />
Komponisten sollten die Phantasie des Spielers eher durch Hinweise auf bestimmte Farben oder Klänge,<br />
auf sinnliche Eindrücke überhaupt stimulieren, als einen Kataster der Anschlagsstellen einzurichten. Diese<br />
Empfehlung jedoch gleich in den Rang einer Regel zu heben, schiene mir wiederum zu weit zu gehen. Im<br />
Zweifel ziehe ich jedoch einen Hinweis auf den erwünschten Klang vor, hieße er grell, sanft, hämmernd<br />
oder ironisch, um nur einiges zu nennen.<br />
Eine Konfliktsituation noch möchte ich beschreiben, die ihrem Wesen nach der <strong>Gitarre</strong> eigentlich fremd<br />
ist. Es handelt sich um jenen Konflikt, der entsteht, wenn einer Stimme, in der Regel der Oberstimme,<br />
viel agogische Freiheit zusteht, während der anderen die Gestaltung eines pulsierenden Rhythmus zukommt<br />
– wir haben einen Konflikt zwischen Agogik und Motorik. Hätten Gitarristen nicht einst ihre Vorliebe<br />
für die Musik von Domenico Scarlatti entdeckt, müsste ich hier kein Wort verlieren. Dabei geht es<br />
mir gar nicht um den exorbitanten technischen Schwierigkeitsgrad, den Gitarristen in ihrer Begeisterung<br />
in Kauf zu nehmen bereit sind, wenn sie Scarlattis Cembalowerke für <strong>Gitarre</strong> einrichten. Die entscheidende<br />
Frage ist für mich die, ob es auf einer <strong>Gitarre</strong> überhaupt möglich ist, diese beiden genannten Parameter<br />
miteinander zu verbinden. Was schon zwei von einander unabhängigen Händen nicht so ohneweiters<br />
auf einem Tasteninstrument gelingen will und auch nicht allen Spielern gelingt, erweist sich auf der<br />
<strong>Gitarre</strong> als echte Aporie, als eine schier ausweglose Situation: Entweder muss der Bass dem agogisch geführten<br />
Diskant nachgeben, dann ist die rhythmische Komponente defekt, oder es wird der Diskant an<br />
die Schläge des Basses angeglichen, dann ist die Freiheit beschnitten, es handelt sich dann um eine Art<br />
musikalischer Selbstfesselung.<br />
Wer mit einer solchen Kompromisslösung leben kann, möge sich weiter der Illusion hingeben, dass er<br />
Scarlatti spielt. Mir ist der Preis – und ich habe Grund zur Annahme, auch Scarlatti wäre er es –, zu hoch.<br />
Denn damit geht der Musik jene Dialektik von Freiheit und Ordnung verloren, die ihren unwiderstehlichen<br />
Reiz erst ausmacht.<br />
Dabei ließe sich dieses Problem so einfach lösen! Ohne seine Vorliebe für Scarlatti aufgeben zu müssen,<br />
bräuchte man lediglich die Stimmen auf zwei <strong>Gitarre</strong>n aufzuteilen. Für beide Spieler stellen sich dann jene<br />
Bedingungen ein, die ein frisches, spontanes Musizieren ermöglichen, das ihnen selbst Freude bereitet.<br />
Dann kann auch der Zuhörer Scarlatti vom Feinsten zu hören bekommen – cantabile e ritmico.<br />
Schneealm bei Neuberg a. d. Mürz, August 1983: Der Autor mit Tsuguo Sekiguchi und Berndt Horvath.<br />
Privatarchiv des Autors.<br />
1 Die Notation im 3/2-Takt lässt auf den ersten Blick nicht die Hemiolenbildungen in der Oberstimme erkennen, der 3/4-Takt der<br />
Schlusstakte beider Teile ist dafür leicht auszumachen.<br />
2 Die Frage, ob man ein Ei zum Stehen bringen könne, soll Kolumbus auf folgende Art beantwortet haben: Er drückte dessen Spitze<br />
ein.<br />
3 Der Pentameter kommt nur in Verbindung mit dem Hexameter vor. Dieser Zweizeiler heißt Distichon, das folgende poetische<br />
Schulbeispiel stammt von Schiller: Im Hexameter steigt des Springquells flüssige Säule; Im Pentameter drauf fällt sie melodisch<br />
herab. Zwischen drauf und fällt vermisst man geradezu einen Beistrich, doch wäre er grammatikalisch falsch. Erst mittels einer be<br />
wusst eingesetztenDiärese, einer kurzen Zäsur, erhält dieses Versmaß seine beabsichtigte Wirkung. Ein Atem an dieser<br />
Stelle würde es jedoch dieser Wirkung berauben! Ähnliches lässt sich über die Ausführung einer valeur ajoutée sagen.<br />
4 Dieser Satz aus BWV 1004 ist im Sarabandenrhythmus gehalten. Dieser Rhythmus sollte durchgehend – auch bei der Ausführung<br />
bloß linearer Variationen – spürbar bleiben. Nur wenn ein solcher, nicht notierter, immanenter Rhythmus vom Interpreten imagi<br />
niert wird, erhält dieser Satz einen inneren Zusammenhalt; dann gewinnen auch agogische Freiheiten eine neue Qualität.<br />
5 Der Terminus „ortlose Stimme“ wurde von Heinrich Besseler geprägt. Leo Schrade bezeichnet damit das unmotivierte Auftreten<br />
und Verschwinden einer Stimme. In: Publikationen älterer Musik II, ed. Theodor Kroyer (Leipzig 1927) XII
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Wenn Sie Ihrer Anzeige ein Foto des zu<br />
verkaufenden oder gesuchten Objektes<br />
beigeben wollen, berechnen wir dafür<br />
eine Aufwandsentschädigung von<br />
EURO 10,00 pro Foto.<br />
Fotos werden einspaltig in Farbe in<br />
den Anzeigentext eingebracht. Die Bilder<br />
schicken Sie uns bitte als TIFF<br />
oder JPG im Anhang<br />
Ihrer Anzeige per Email.<br />
Im Internet sind Kleinanzeigen für<br />
jeden einsehbar (also nicht nur für<br />
Abonnenten), und zwar unter<br />
www.Verkaufe<strong>Gitarre</strong>.de<br />
Dort sind die Anzeigen für<br />
mindestens zwei Monate zu sehen. Die<br />
Seite www.Verkaufe<strong>Gitarre</strong>.de wird<br />
ständig aktualisiert.<br />
<strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>-ONLINE <strong>XXIX</strong>/<strong>2007</strong> <strong>Nº</strong> 3 47
eminare - Festivals - Wettbewerbe<br />
<strong>Gitarre</strong>nfestival Siatensprünge Bad Aibling<br />
Termin: 06.11.<strong>2007</strong>-24.11.<strong>2007</strong><br />
AIB-KUR GmbH & Co KG, <strong>Gitarre</strong>nfestival Bad Aibling, Wilhelm-Leibl-<br />
Platz 3, D-83943 Bad Aibling<br />
Tel: 08061-9 08 00<br />
Fax: 08061-93 71 56<br />
eMail: info@aib-kur.de<br />
Internet: www.aib-kur.de<br />
✰✰<br />
Concours International Robert J. Vidal<br />
Termin: 08.11.<strong>2007</strong>-10.11.<strong>2007</strong><br />
Nach Robert J. Vidal, dem Gründer und Leiter des legendären Wettbewerbs<br />
von Radio France, ist dieser neue Wettewerb benannt.<br />
Concours International de Guitare „Robert-Jean Vidal“, Conservatoire<br />
Municipal de Musique, 20, rue Saint-Mathias, F-16300 Barbezieux Saint<br />
Hilaire<br />
Internet: www.concours-robert-j-vidal.com<br />
10. Internationale <strong>Gitarre</strong>ntage Wetzlar<br />
Termin: 10.11.<strong>2007</strong>-11.11.<strong>2007</strong><br />
Ulf Borcherding, Phoenixstr. 35, D-35578 Wetzlar<br />
Tel: 06441-25813<br />
Fax: 06441-25813<br />
eMail: UlfBorcherding@t-online.de<br />
Internet: www.graphodata.de/gitarrentage<br />
Workhop <strong>Gitarre</strong><br />
Termin: 10.11.<strong>2007</strong>-11.11.<strong>2007</strong><br />
Gerad Handrick und Thomas Offermann stehen für diesen Workshop als<br />
Dozenten zur Verfügung<br />
Hochschule für Musik und Theater Rostock, Beim Katharinenstift 8, D-<br />
18055 Rostock<br />
Tel: 0381-5108-0<br />
Fax: 0381-5108-101<br />
eMail: mailto:hmt@hmt-rostock.de<br />
Internet: www.hmt-rostock.de<br />
Bergischs <strong>Gitarre</strong>nfestival in Remscheid 2008<br />
Termin: 02.01.2008-06.01.2008<br />
Costas Cotsiolis - <strong>Gitarre</strong>, Meisterkurs<br />
Thomas Koch - <strong>Gitarre</strong>, Meisterkurs<br />
Gerd-Michael Dausend - <strong>Gitarre</strong>, Seminare, Workshops<br />
Prof. Alfred Eickholt - <strong>Gitarre</strong>, Seminare, Workshops<br />
Prof. Hans-Michael Koch - <strong>Gitarre</strong>, <strong>Laute</strong>, Vihuela, Histor. Musizierpraxis<br />
Prof. Dieter Kreidler - <strong>Gitarre</strong>, Ensembleleitung, Ensemblespiel<br />
Volker Höh - <strong>Gitarre</strong><br />
Thomas Fellow / Stephan Bormann - E-<strong>Gitarre</strong>, Jazz, Meisterkurs<br />
Michael Borner - E-<strong>Gitarre</strong>, <strong>Gitarre</strong>, Studiopraxis, Improvisation, Harmonielehre<br />
Bert Fastenrath - E-<strong>Gitarre</strong>, Bandproben, Workshops<br />
Peter Fischer - E-<strong>Gitarre</strong>, Bandproben, Equipment<br />
Janes Klemencic - Blues-Harp<br />
Rolf Fahlenbock - Bass, Bandproben, Arrangements<br />
Peter Even - Percussion, Bandproben, Arrangements<br />
Akademie Remscheid für musische Bildung und Medienerziehung e.V.,<br />
Küppelstein 34, D-42857 Remscheid<br />
Internet: www.akademieremscheid.de<br />
New York Guitar Festival<br />
Termin: 12.01.2008-07.02.2008<br />
Programme stehen noch nicht fest oder werden noch nicht mitgeteilt.<br />
Die Konzerte finden in der Carnegie Hall und anderen Lokalitäten statt.<br />
<strong>Gitarre</strong>(n) aller Art!<br />
New York Guitar Festival<br />
48 <strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>-ONLINE <strong>XXIX</strong>/<strong>2007</strong> <strong>Nº</strong> 3<br />
Internet: www.newyorkguitarfestival.org#http://www.newyorkguitarfestival.org#<br />
8. <strong>Gitarre</strong>nfestival Gevelsberg<br />
Termin: 14.03.2008-21.03.2008<br />
Musikschule der Stadt Gevelsberg, Dagmar Tewes, Lindengrabenstraße<br />
18, D-58285 Gevelsberg<br />
Tel: 02332-28 51<br />
Fax: 02332-8 21 71<br />
eMail: webmaster@gitarrenfestival-gevelsberg.de<br />
Internet: www.gitarrenfestival-gevelsberg.de<br />
✰✰<br />
8. Internationaler Kompositionswettbewerb Alessandria<br />
Termin: 11.06.2008-<br />
Kompositionen für zwei oder drei <strong>Gitarre</strong>n werden 2008 bewertet. Einsendeschluss<br />
ist der 31. März 2008. Preisgelder: € 8. 000 ,—<br />
Comitato Promotore del Concorso di Chitarra Classica Michele Pittaluga,<br />
Piazza Garibaldi, 16, I-15100 Alessandria<br />
Tel: +39-0131-25.12.07/25.31.70<br />
Fax: +39-0131-23.55.07<br />
eMail: concorso@pittaluga.org<br />
Internet: www.pittaluga.org<br />
✰✰<br />
Liechtensteinische <strong>Gitarre</strong>ntage LiGiTa<br />
Termin: 05.07.2008-12.07.2008<br />
LiGiTa, <strong>Gitarre</strong>nzirkel, Eichenstraße 697, FL-9492 Eschen<br />
eMail: office@ligita.li<br />
Internet: www.ligita.li<br />
Aspen Music Festival<br />
Termin: 18.07.2008-17.08.2008<br />
Traditionell gibt Sahron Isbin in Aspen ihre Mesterkurse für das Fach<br />
<strong>Gitarre</strong>. Achtung: Aspen ist mondän, teuer ... und wunderschön!<br />
Tel: 001-970-925 32 54<br />
Internet: www.aspenmusicfestival.com<br />
✰✰<br />
Internationale <strong>Gitarre</strong>nfestspiele Nürtingen 2008<br />
Termin: 25.07.2008-02.08.2008<br />
Programnm steht noch nicht fest, wohl aber die Termine. Bitte übers<br />
Internet aktualisieren!<br />
Internationale <strong>Gitarre</strong>nfestspiele Nürtingen, c/o Stefanie Kobras, Am<br />
Winacker 3, D-84 646 Bad Tölz<br />
Tel: 08041-7 95 40 50<br />
Fax: 08041-7 95 40 51<br />
eMail: stefanie.kobras@gitarre-nuertingen.de<br />
Internet: www.gitarre-nuertingen.de<br />
17. Internationales <strong>Gitarre</strong>n-Symposium Haus Villigst (Iserlohn)<br />
Termin: 03.08.2008-10.08.2008<br />
Thomas Kirchhoff, Amadeus Guitar Duo, Oestricher Str. 39b, D-58638<br />
Iserlohn<br />
Tel: 02371-56 07 07 / 0173-2 09 56 85<br />
Fax: 02371-56 07 07<br />
eMail: info@amadeusduo.de<br />
Internet: www.amadeusduo.de / www.guitarsymposium.de /<br />
www.kavanagh.de<br />
Internationales <strong>Gitarre</strong>nfestival Hersbruck<br />
Termin: 15.08.2008-23.08.2008<br />
Verein zur Förderung des, Internationalen <strong>Gitarre</strong>nfestivals e.V., Im<br />
Bärenwinkel 18, D-91217 Hersbruck<br />
eMail: info@gitarre-hersbruck.de<br />
Internet: www.gitarre-hersbruck.de
MA_0003_05 · 05/06c<br />
Vollständig?<br />
Ein Veranstaltungskalender wie unserer kann nicht vollständig sein. Aber man kann sich um möglichste<br />
Perfektion bemühen. Dieses Bemühen war bei <strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong> immer angesagt – und ist jetzt, im<br />
Zeitalter der grenzenlosen elektronischen Kommunikation auch fast erreichbar … wenn Sie mitarbeit-<br />
en! Auf Konzerttermine haben wir in dieser Ausgabe noch verzichtet – ab der nächsten sind sie aber<br />
auch in GITARRE & LAUTE ONLINE vertreten!<br />
Sie, die Veranstalter von Konzerten, Wettbewerben, Kursen und Seminaren sind aufgerufen, Ihre Dates<br />
möglichst früh an <strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong> ONLINE zu schicken, damit sie in den Terminkalender eingearbeitet<br />
werden können. In diesem Jahr, <strong>2007</strong>, erscheint die Zeitschrift jeden Monat, danach wird sie wie<br />
früher alle zwei Monate herauskommen – und immer wieder durch Newsletters aktualisiert. Und diese<br />
Newsletters enthalten vornehmlich Updates von Konzertterminen und andere Veranstaltungshinweise.<br />
Also: Nichts wie ran! Schließlich wollen Sie auch nicht in leeren Sälen spielen!<br />
Die Maßstäbe für Dates-Veröffentlichungen haben sich geändert: Es werden nicht mehr vollständige<br />
Wettbewerbsregeln etc. abgedruckt, sondern nur noch Eckdaten und Links zu den Angaben im Inter-<br />
net. Das ist zuverlässiger und der Hinweis „Alle Angaben sind ohne Gewähr“ wie bei den Lottozahlen,<br />
erübrigt sich damit fast. Auf jeden Fall können Fehler seitens der Veranstalter nicht mehr übernommen<br />
und neue in viel kleineren Maß produziert werden. Und dass Sie, als Leser einer ONLINE-Zeitschrift,<br />
Zugang zum Internet haben, wissen wir schließlich!<br />
Konzerttermine und Angaben zu Festivals und Wettbewerben werden ständig akualisiert!<br />
Bitte schicken Sie Meldungen oder Änderungen an:<br />
dates@gitarre-und-laute.de<br />
Neuerscheinungen für <strong>Gitarre</strong><br />
Manuel M. Ponce<br />
Guitar Works<br />
Urtextausgabe<br />
Herausgegeben von Tilman Hoppstock<br />
Inhalt: Thème varié et Finale – Sonata clásica –<br />
Sonate Romantique – Sonatina<br />
64 Seiten, geheftet<br />
ISMN M-001-14018-8 (GA 544) · € 13,95<br />
Endlich liegt eine Urtextausgabe dieser Werke<br />
vor, die zum Standardrepertoire des 20. Jahrhunderts<br />
zählen. Ein interessantes Vorwort und<br />
ein ausführlicher kritischer Bericht geben<br />
Auskunft über die Quellenlage und die daraus<br />
resultierenden Entscheidungen des Herausgebers.<br />
Die Originalfassungen von „Thème varié et Finale“<br />
und „Sonatina“ wurden von dem Herausgeber<br />
auf der CD „Manual Ponce: Variations & Sonatas“<br />
(erschienen bei Signum) eingespielt.<br />
Olli Mustonen<br />
Jehkin livana<br />
Sonaatti kitaralle/Sonata for Guitar<br />
16 Seiten, geheftet<br />
ISMN M-001-13893-2 (GA 543) · € 12,95<br />
Mustonens Sonate für <strong>Gitarre</strong> entführt in die sagenhafte<br />
Welt finnischer Mythen und Epen, als tapfere<br />
Helden die Geschicke des Nordlands führten und<br />
ein Volk von Zauberern die endlosen Wälder durchstreifte.<br />
Benannt ist die Sonate nach Jehkin Iivana. Iivana<br />
(1843-1911) war einer der letzten großen Vertreter<br />
des traditionsreichen Runengesangs und ein Meister<br />
im Spiel der Kantele. Faszinierend lässt Mustonen<br />
den Klang des finnischen Nationalinstruments von<br />
der <strong>Gitarre</strong> nachempfinden und schafft eine Atmosphäre,<br />
die den Zauber mythischer Welten greifbar<br />
nahe erscheinen lässt.<br />
<strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>-ONLINE <strong>XXIX</strong>/<strong>2007</strong> <strong>Nº</strong> 3 49