Das deutsche - Mabuse Verlag
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Jörg Carlsson ist den kurzen Moment<br />
der Verwirrung offenbar gewohnt, den<br />
sein schwedischer Name auslöst. „Ich bin<br />
Deutscher. Den Namen habe ich von<br />
meinem Urgroßvater.“ Dieser war – sieht<br />
man von einigen Ferienaufenthalten mit<br />
der Familie im Norden ab – die einzige<br />
Anknüpfung nach Schweden, als der jetzt<br />
41-jährige Facharzt für innere Medizin<br />
/Kardiologie 2003 in die Ostseestadt Kalmar<br />
im südschwedischen Småland übersiedelte.<br />
Aus Småland hatte sich im 19.<br />
Jahrhundert sein Urgroßvater auf den<br />
Weg in die entgegengesetzte Richtung gemacht.<br />
„Ich musste an ihn denken“, sagt<br />
Jörg Carlsson, als er im Oktober 2003 auf<br />
Flucht vor dem<br />
<strong>deutsche</strong>n<br />
Deutsche Ärzte in<br />
Schweden<br />
Reinhard Wolff<br />
dem Fährschiff von Travemünde nach<br />
Trelleborg an Deck stand und aufs Meer<br />
blickte: „Er wanderte aus, weil er zu wenig<br />
hatte. Ich hatte zu viel.“<br />
„Gewissermassen war ich auf dem typischen<br />
Weg zu einer Chefarztposition<br />
in einem <strong>deutsche</strong>n Krankenhaus.“ <strong>Das</strong>s<br />
so einer alles hinwirft und auswandert,<br />
darauf habe es im Wesentlichen zwei Arten<br />
von Reaktionen gegeben. Eine Minderheit:<br />
Toll, ihr traut euch etwas. Die<br />
Mehrheit: Unglauben. Was Jörg Carlsson<br />
nicht verwunderte: „Klar. Kurz vor<br />
der Höhe der Karriere wirft ein leitender<br />
Oberarzt mit 7.000 Euro netto alles hin,<br />
siedelt nach Schweden um. Zu weniger<br />
ÄRZTE-MIGRATION<br />
Chefarztunwesen<br />
Chefarztunwesen<br />
Ärztliche Beine in Schweden.<br />
Man beachte die Äskulap-Anmutung<br />
des Taus.<br />
Foto: Helmstetter, Ulli/allOver<br />
„Wie beschissen ich in Deutschland<br />
von manchen Vorgesetzten behandelt<br />
wurde, ist mir hier erst richtig klar<br />
geworden. Es tut unendlich gut, diese<br />
ganzen Kränkungen und seelischen<br />
Misshandlungen hinter sich zu haben,<br />
nichts fürchten zu müssen und einfach<br />
nur als Arzt zu arbeiten. Herrlich!“<br />
So beschreibt Christian Ludicke,<br />
ein <strong>deutsche</strong>r Arzt, der nach Schweden<br />
ausgewandert ist, seine Gefühle.<br />
Reinhard Wolff über das Arbeiten<br />
als Arzt hier und dort.<br />
DR. MED. MABUSE 154 · MÄRZ/APRIL 2005 45
ÄRZTE-MIGRATION<br />
Geld, mehr Steuern und keinen Chefarztchancen<br />
im <strong>deutsche</strong>n Sinne.“ Der<br />
Chef hat zunächst nur den Kopf geschüttelt,<br />
später seinen Sekretärinnen<br />
mit Abmahnung gedroht, falls sie überhaupt<br />
noch mit ihm kommunizierten:<br />
„Tolle Blüten des <strong>deutsche</strong>n Chefarztunwesens.“<br />
Dieses „Chefarztunwesen“ war auch<br />
einer der Hauptgründe<br />
für seinen<br />
Schritt: „<strong>Das</strong> ist eine<br />
Krankheit an sich,<br />
die selbst gestandene<br />
ältere Mitarbeiter<br />
zum Schwitzen<br />
bringt. Kontraproduktiv.<br />
Lächerlich.“<br />
Andere Gründe: „Der Eindruck, dass<br />
man am Tag 14 Stunden schuften muss,<br />
dass die <strong>deutsche</strong>n Patienten eine unendliche<br />
Anspruchshaltung haben, und dass<br />
das System trotz Geldmassen nicht eigentlich<br />
die ‚Volksgesundheit‘ weiterbringt.“<br />
Gemobbt und ausgebrannt<br />
Auch für Christian Ludicke war ein<br />
wesentlicher Beweggrund für seinen<br />
Sprung nach Schweden beruflicher Frust<br />
über die starken Hierarchien: „Man<br />
kann auch sagen: Ich war gemobbt und<br />
Arztsein in Zahlen<br />
»„<strong>Das</strong> <strong>deutsche</strong><br />
Chefarztunwesen ist eine<br />
Krankheit an sich.<br />
Kontraproduktiv.<br />
Lächerlich.“<br />
Zahlen*<br />
Durchschnittliche Arbeitszeit in<br />
Stunden/Woche:<br />
Irland 64, Österreich 63, Frankreich<br />
62, Deutschland 62, Schweiz 60, England<br />
60, Belgien 59, Niederlande 58,<br />
Italien 56, Island 55, Spanien 46,<br />
Dänemark 46, Norwegen 45, Portugal<br />
41, Finnland 41, Schweden 38<br />
Arbeitszeit, die für Besprechungen,<br />
Forschung und Unterricht verwendet<br />
werden, in Prozent:<br />
Schweden 18, Island 11, Portugal 11,<br />
Dänemark 8, Finnland 8, Spanien 8,<br />
Deutschland 8, Belgien 7, Niederlande<br />
7, England 6, Frankreich 6,<br />
Norwegen 6, Schweiz 6, Österreich 5,<br />
Irland 3, Italien 3<br />
46 DR. MED. MABUSE 154 · MÄRZ/APRIL 2005<br />
ausgebrannt.“ Er ist 34 Jahre alt, Facharzt<br />
für Allgemeinmedizin, hat in Heidelberg<br />
und Mannheim studiert und<br />
promoviert. Knapp zwei Jahre war er am<br />
Gesundheitsamt Darmstadt im Bereich<br />
HIV/Aids-Prävention, Hygiene in Arztpraxen<br />
und Amtsärztlicher Dienst. In<br />
der Nähe seines Heimatortes bot sich<br />
keine Möglichkeit an, sich durch Praxiseinstieg<br />
oder Übernahmeniederzulassen.<br />
„Eine Praxisneugründung<br />
erschien<br />
mir zu unsicher, zumal<br />
die zuständige<br />
Kassenärztliche Vereinigung<br />
dies ganz offen<br />
auch nicht wollte.<br />
Dann kam natürlich auch Abenteuerlust<br />
hinzu. Ich war im Studium bereits im<br />
Ausland und hatte die Erfahrungen als<br />
enorme persönliche und berufliche Bereicherung<br />
erlebt.“<br />
Christian Ludicke arbeitet nun als Allgemeinarzt<br />
im „Vårdcentrum Ulricehamn“,<br />
dem ambulanten Gesundheitsvorsorgezentrum,<br />
das es in jeder schwedischen<br />
Kleinstadt gibt.<br />
In Kalmar, Hauptort der Provinz „Kalmar<br />
Län“, gibt es ein „richtiges“ Krankenhaus<br />
mit 450 Betten. Hier wird auch<br />
die invasive Kardiologie für 240.000<br />
Zufriedenheit mit der Arbeit (maximale<br />
Punktzahl 5)<br />
Schweden 3,63, Deutschland 3,28,<br />
England 3,06<br />
Anzahl der Patientenkontakte pro<br />
Allgemeinarzt und Tag:<br />
Deutschland 50, Österreich 48, Spanien<br />
39, England 34, Niederlande 32,<br />
Schweiz 31, Irland 30, Italien 26, Dänemark<br />
24, Portugal 20, Norwegen 19,<br />
Finnland 19, Belgien 17, Island 17,<br />
Frankreich 16, Schweden 16<br />
Internetlinks<br />
Sammlung praktischer Tips zum<br />
Thema Arbeit in Schweden:<br />
http://www.m-andresen.org/sweden<br />
Erfahrungsbericht eines nach Schweden<br />
ausgewanderten <strong>deutsche</strong>n Arztes:<br />
http://www.mbhessen.de/aktuell/vrosen.htm<br />
* Aus der schwedischen Fachzeitschrift<br />
„Dagens Medicin“ vom 26.5.2004<br />
EinwohnerInnen betrieben. Niedergelassene<br />
Kardiologen existieren nicht.<br />
Fünf bis sieben Oberärzte arbeiten als<br />
Kardiologen weitgehend unabhängig.<br />
Jörg Carlsson ist für das Katheterlabor<br />
verantwortlich: „600 PTCA, 1200 Katheteruntersuchungen,<br />
Nachbetreuung.<br />
Insofern also eine leitende Funktion“,<br />
die er nach einigem Suchen fand.<br />
Zunächst war er in Bonn bei der Stelle<br />
des Arbeitsamtes für Vermittlung ins<br />
Ausland, dann besuchte er Informationsveranstaltungen.<br />
2000 eine Reise durch<br />
Schweden mit dem Besuch verschiedener<br />
Krankenhäuser. „Letztlich war Kalmar<br />
jedoch ein Zufall. Kalmar kannten<br />
wir von Urlauben. Also habe ich eine email<br />
ans Krankenhaus geschrieben. Ohne<br />
Anzeige, ohne Kenntnisse der Gegebenheiten.<br />
Und: Bingo. Man suchte seit<br />
längerer Zeit einen invasiven Kardiologen,<br />
der Ballonerweiterungen von<br />
Kranzgefässen durchführen kann.“<br />
40 Stunden mit Stechuhr<br />
Als solcherart gefragter Spezialist<br />
konnte Jörg Carlsson einen Bruttolohn<br />
von monatlich rund 7.200 Euro plus Bereitschaftsdienst<br />
aushandeln. Verallgemeinern<br />
könne man das nicht. Normal<br />
seien eher 5.500 Euro. Netto bleiben<br />
ihm mit 5.000 bis 5300 Euro etwa 20 bis<br />
30 Prozent weniger als in Deutschland.<br />
Christian Ludicke kommt netto etwa<br />
auf 2.300 Euro. „Mehr habe ich in<br />
Deutschland auch nicht verdient, aber<br />
als Niedergelassener wäre es sicher<br />
mehr. Dafür habe ich hier keinerlei<br />
wirtschaftliches Risiko zu tragen.“ Er<br />
gilt zur Zeit noch als Ausbildungsarzt,<br />
weil sein Facharzt nicht ohne eine Komplettierungsphase<br />
anerkannt wird. Ende<br />
2006 werde er mit dieser Komplettierung<br />
fertig sein. „Was ich dann verdienen<br />
werde, ist Verhandlungssache.“<br />
Die Arbeitszeit beträgt genau 40<br />
Stunden. Jede Minute mehr wird mit<br />
Stechuhr erfasst und mit Geld oder<br />
Freizeit ausgeglichen. Im Gesundheitszentrum<br />
Ulricehamn trifft Christian<br />
Ludicke arbeitstäglich maximal 25 Patienten.<br />
Für fest eingeplante Patienten<br />
hat er je 30 Minuten, für Akutfälle 20<br />
Minuten Zeit. „In dieser Zeit passiert<br />
aber auch viel. Alle Patienten werden<br />
gründlich körperlich untersucht. Dann<br />
muss noch ein ausführliches Journal<br />
diktiert und eventuell weitere Formulare,<br />
Krankschreibung, Überweisung ausgefüllt<br />
werden. Krankschreibungen sind
erheblich zeitaufwändiger als in<br />
Deutschland.“ Vier- bis sechsmal im<br />
Monat ist Bereitschaftsdienst. „Man geht<br />
mit dem Handy nach Hause, wird aber<br />
praktisch nie angerufen. <strong>Das</strong> ist ein wesentlicher<br />
Unterschied zum <strong>deutsche</strong>n<br />
Notdienst und sehr angenehm. Ich muss<br />
eigentlich nur bei unerwartet Verstorbenen<br />
den Tod feststellen und eventuell<br />
mal eine Zwangseinweisung schreiben.<br />
Beides ist in sechs Monaten erst einmal<br />
vorgekommen.“ Zu verdanken sei dies<br />
dem schwedischen System mit kompetenten<br />
Krankenschwestern, die den eigentlichen<br />
Notdienstjob machten. „Und<br />
dann ist man hier viel restriktiver. Wer<br />
wirklich ernst krank ist, soll die Ambulanz<br />
rufen und ins Krankenhaus fahren.<br />
Wer nicht ernst krank ist, soll eben am<br />
nächsten Arbeitstag im Vårdcentrum anrufen.“<br />
Keine endlose Anspruchshaltung<br />
Überhaupt benennen die meisten<br />
<strong>deutsche</strong>n Ärzte grundlegende Unterschiede<br />
zwischen <strong>deutsche</strong>n und schwedischen<br />
PatientInnen. Jörg Carlsson:<br />
„Eine endlose Anspruchshaltung wie in<br />
Deutschland gibt es nicht. Man ist<br />
grundsätzlich dankbar. Man droht auch<br />
seinen Ärzten nicht wie in Deutschland<br />
mit anderen Ärzten, Presse, Rechtsanwälten.“<br />
Den SchwedInnen wurde lange<br />
nachgesagt, ein schwer zu übertreffendes<br />
Grundvertrauen in alles Staatliche und<br />
deshalb auch das staatliche Gesundheitssystem<br />
zu haben. <strong>Das</strong><br />
hat sich sicherlich<br />
geändert, doch Christian<br />
Ludicke ist ein<br />
„regelrechter Einstellungsunterschied<br />
dem Patienten gegenüber“<br />
aufgefallen:<br />
„Mein Eindruck ist,<br />
dass hier der Patient<br />
als Kunde erheblich<br />
hinter den <strong>deutsche</strong>n Verhältnissen<br />
zurückhängt. Und es kann mir ja auch<br />
egal sein, ob der Patient zufrieden ist.<br />
Mein Gehalt kriege ich auch so. Andererseits<br />
wird der Patient so auch vor rein<br />
wirtschaftlich motivierten übertriebenen<br />
oder völlig unnötigen Untersuchungen<br />
und Behandlungen geschützt. Hier kann<br />
und muss ich nicht versuchen, noch den<br />
»Die Diskussion<br />
mit dem Pflegepersonal<br />
findet auf „deutlich<br />
höherem Niveau“ statt.<br />
ÄRZTE-MIGRATION<br />
letzten Euro aus einem Privatpatienten<br />
rauszuquetschen.“ Jörg Carlsson stimmt<br />
zu: „Keine Medizin des Geldes wegen!<br />
Wie viele schwachsinnige Untersuchungen<br />
werden in Deutschland gemacht,<br />
‚nur‘ weil einer sich eine goldene Nase<br />
damit verdient.“<br />
Auf der Positivliste für Schweden ganz<br />
oben das Thema<br />
Hierarchie. Für Jörg<br />
Carlsson entfaltete<br />
sich erst nach den<br />
ersten Erfahrungen<br />
mit dem schwedischenGesundheitssystem<br />
der ganze<br />
Anachronismus der<br />
Hierarchie in <strong>deutsche</strong>nKrankenhäusern:<br />
„Die ist wirklich unglaublich. Und<br />
dabei muss man wissen, dass ich ja recht<br />
weit oben stand und durch meine wissenschaftliche<br />
Karriere und auch persönlich<br />
ganz gefestigt war. Trotzdem: unglaublich.<br />
Wenn man hier so auftreten<br />
würde, wäre man nach kürzester Zeit<br />
isoliert, wäre absolut unmöglich geworden.“<br />
Auch die Diskussion mit dem<br />
DR. MED. MABUSE 154 · MÄRZ/APRIL 2005 47
ÄRZTE-MIGRATION<br />
Pflegepersonal sei anders, finde auf<br />
„deutlich höherem Niveau statt“: „Hier<br />
gibt es eben Krankenschwestern, die betreiben<br />
Literaturrecherchen zu Themen<br />
und befragen einen. Es ist ein mehr kollegiales<br />
Verhältnis.“<br />
Der Nachteil sei eine gewisse Trägheit<br />
des Systems. Nichts werde ohne Diskussionen<br />
und oft langwierige Sitzungen<br />
entschieden. „Damit habe ich es als<br />
Deutscher manchmal sehr schwer, wenn<br />
ich meine, dass ich ‚Recht habe‘. Ohne<br />
Diskussion geht nichts. Ohne Einbeziehung<br />
der sehr kompetenten Krankenschwestern<br />
geht ebenfalls nichts. Wenig<br />
geht sofort. Außer man macht es selbst.<br />
<strong>Das</strong> System ist gründlich, prinzipiell gut,<br />
aber langsam.“<br />
Christian Ludicke hat alles in allem<br />
nicht mehr Bürokratie erlebt als in einer<br />
<strong>deutsche</strong>n Allgemeinpraxis. Und zeitweiser<br />
Frust werde allemal ausgeglichen<br />
durch die deutlich geringere Hierarchie.<br />
„Der private Preis<br />
war höher als gedacht“<br />
Zwischen 1.500 und 1.900 ausländische<br />
ÄrztInnen jährlich haben in den<br />
letzten vier Jahren von der Sozialbehörde<br />
48 DR. MED. MABUSE 154 · MÄRZ/APRIL 2005<br />
„Socialstyrelsen“ eine Genehmigung für<br />
die Aufnahme einer Tätigkeit in Schweden<br />
erhalten – für ÄrztInnen aus EU-<br />
Ländern ist diese „Legitimation“ die einzig<br />
notwendige Formalität. Davon jeweils<br />
130 bis 150 – zusätzlich rund 30<br />
Zahnärzte – aus Deutschland, es gibt<br />
also nicht gerade eine Auswanderungswelle.<br />
In welchem Umfang Schwedens<br />
Gesundheitsversorgung aber mittlerweile<br />
von solchen Importen abhängig ist,<br />
wird dadurch deutlich, dass 53 Prozent<br />
aller neu legitimierten Ärzte im vergangenen<br />
Jahr eine ausländische Ausbildung<br />
hatten.<br />
Zahlen dazu, wie viele längerfristig im<br />
Land bleiben, gibt es nicht. Die Sprache<br />
ist offenbar eine recht niedrige Hürde.<br />
Drei Monate Intensivsprachkurs werden<br />
normalerweise vom Arbeitgeber finanziert.<br />
<strong>Das</strong> reicht für den Alltag. Christian<br />
Ludicke: „In bestimmten Situationen<br />
kann ich mich aber schon erheblich<br />
sprachbehindert fühlen. Gerade bei<br />
schwierigen, psychisch kranken oder<br />
aufgeregten Patienten komme ich mir<br />
manchmal richtig hilflos vor. Und auch<br />
wenn es Probleme mit einer Behörde<br />
gibt, steht man schnell ganz dumm da.“<br />
Viel ernster als zunächst erwartet ist<br />
ein anderes Alltagsproblem. Ludicke:<br />
„Ich arbeite und habe dadurch meine<br />
Kontakte. Meine Frau hat in Deutschland<br />
gearbeitet, hier ist aber kein Job für<br />
sie zu finden. Meine Frau ist ein sehr positiver<br />
Mensch und siehts gelassen, anders<br />
wären wir wahrscheinlich schon<br />
wieder weg.“ Jörg Carlsson hat ähnliche<br />
Erfahrungen gemacht. Für ihn selbst<br />
und seine Kinder hat sich über Beruf<br />
bzw. Schule die schwedische Gesellschaft<br />
zumindest ein Stück weit geöffnet. Nicht<br />
für seine Frau: „Sie will wieder zurück.“<br />
Die Frage nach dem Ja oder Nein des<br />
Wiedermachens wird daher auch zwiespältig<br />
beantwortet. Unter beruflicher<br />
Hinsicht: Jederzeit. „Aber“, so Christian<br />
Ludicke, „der private Preis war bislang<br />
höher als gedacht.“<br />
AUTOR<br />
Reinhard Wolff<br />
geb. 1948, ist Journalist und<br />
lebt seit 1991 in Schweden.