Missbräuchliche Baueinsprachen - Walker Späh, Carmen
Missbräuchliche Baueinsprachen - Walker Späh, Carmen
Missbräuchliche Baueinsprachen - Walker Späh, Carmen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
28<br />
„Es kann der frömmste nicht in Frieden leben,<br />
wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“<br />
Friedrich Schiller (1759-1805)<br />
Wer baut, der kann<br />
etwas erzählen<br />
Wo führt der Weg der Einsprachen hin?<br />
Die Baueinsprache gilt als das erste Baurisiko<br />
und ist vielleicht auch das grösste. Von Kanton zu<br />
Kanton verschieden gehandhabt, hat die Baueinsprache<br />
schon so manchen Bauherrn ruiniert und<br />
dies kantonsübergreifend. Grundsätzlich haben<br />
<strong>Baueinsprachen</strong> und Rekurse ihren legitimen<br />
Platz, um berechtigte Interessen geltend zu machen.<br />
Fatal wird’s dann, wenn Missbrauch betrieben<br />
wird.<br />
Irgendwo in der Zentralschwyz, ein kleines, nicht ganz ver<br />
träumtes Dorf in Seenähe im vergangen Jahr. Eine ruhige<br />
Strasse, etwas abseits gelegen, ein Ort, den man wohl als<br />
Idylle bezeichnen kann. Erst kürzlich konnten hier einige<br />
Einfamilienhäuser erstellt werden.<br />
Zwei Bauherren, ein Architekt und zwei Grundstücke mit<br />
Blick auf See und Berge in eben jener ruhigen Strasse. Die<br />
Baugespanne wurde errichtet standen ihre Zeit ab, die Baubewilligungen<br />
wurden erteilt und der Baubeginn erfolgte. Viel<br />
Freude herrschte bei allen Beteiligten. Die Bauten kommen<br />
gut voran, regelmässig kam der Geometer vorbei, um den Bau<br />
zu überprüfen. Und im Sommer konnten dann Aufrichte gefeiert<br />
werden. Die Nachbarn wurden eingeladen. Die neuen<br />
Hausbesitzer gaben sich Mühe und luden zu Musik und Tanz<br />
ein. Es war ein voller Erfolg, die letzen gingen, als der Morgen<br />
graute. Und alle waren zufrieden und eine neues und gutes<br />
Verhältnis mit der Nachbarschaft für die Zukunft aufgegleist.<br />
So dachten die Neuankömmlinge.<br />
Aber: Erstens kommt es anders und<br />
zweiten als man denkt!<br />
Einen Tag vor Heilig Abend erliess die Gemeinde einen Baustopp<br />
für alle Bauten. Jeder einzelne der lieben Nachbarn
Bei missbräuchlichen<br />
Einsprachen sollen Bauherren<br />
entschädigt werden<br />
Wer bauen will, muss unter Umständen einen langen Atem<br />
haben. <strong>Baueinsprachen</strong> und Rekurse haben schon so<br />
manchen Bau verzögert oder gar verunmöglicht. Auch<br />
wenn sie ein noch so grosses Ärgernis für die Bauherren<br />
sind, ist gegen <strong>Baueinsprachen</strong> oder<br />
Rekurse grundsätzlich nichts einzuwenden.<br />
Sie haben eine gesetzliche<br />
und rechtsstaatliche Legitimität, um<br />
berechtigte Schutzinteressen geltend<br />
zu machen.<br />
Aber leider kommen auch querulatorische<br />
oder gar erpresserische Einsprachen<br />
und Rekurse immer wieder<br />
vor. Sei es aus finanziellen Interessen<br />
– Rückzug für eine Entschädigung –<br />
oder auch aus reiner Boshaftigkeit. Die<br />
Folge sind langwierige Verfahren, un<br />
Franco Albanese war<br />
Initiant der Motion. gerechtfertigte Verzögerungen, welche<br />
zu beträchtlichem volkswirtschaftlichen<br />
Schaden führen können. Hier gilt es, die Bauherren<br />
besser vor Missbräuchen zu schützen. Helfen kann dabei<br />
eine spürbare Parteientschädigung zulasten der Rekurrenten.<br />
Der Zürcher Kantonsrat Franco Albanese (CVP) reichte deshalb<br />
zusammen mit den Kantonsräten Max Clerici (FDP)<br />
und Gregor Rutz (SVP), zur „Vermeidung missbräuchlicher<br />
und querulatorischer <strong>Baueinsprachen</strong> und Rekurse“, eine<br />
Motion ein. Damit soll der Regierungsrat beauftragt werden,<br />
das Verwaltungsrechtspflegegesetz (§17 Abs. 2) dahingehend<br />
zu ändern, dass bei bös oder mutwilligen<br />
Einsprachen die unterliegende Partei zur vollen Entschädigung<br />
zu verpflichtet ist.<br />
Franco Albanese fordert, dass zwischen den Interessen,<br />
die einander entgegenstehen können, ein rechtmäßiger<br />
Ausgleich gefunden wird, der die Lage der Bauherrin<br />
berücksichtigt, ohne die Geltendmachung berechtigter<br />
Rechtschutzinteressen anderer Parteien zu vereiteln.<br />
hatte Baueinsprache eingereicht. Schlichtungen schlugen<br />
fehl, zumal das Geld, welches die Bauherren für einen Rückzug<br />
der Einsprache anboten, nicht hoch genug war.<br />
Also mussten neue Baueingaben eingereicht und Bewilligungen<br />
erteilt werden. Mit entsprechendem Aufwand und Kosten.<br />
Schliesslich wurde ein zweites Mal eine Baubewilligung<br />
erteilt, nun nach den Vorgaben der Nachbarn. Von der neuen<br />
Ausschreibung hat die Gemeinde nun die Anpassungen als<br />
genehmigungsfähig eingestuft. Ausschreibungsdauer einen<br />
POLITIK<br />
Was meinen Politiker mit<br />
Baubranchen-Hintergrund dazu?<br />
Josef Wiederkehr<br />
Kantonsrat CVP Kt. Zürich und Bauunternehmer<br />
Es ist wirklich so, dass man beim Bauen unter Umständen<br />
einen langen Atem haben muss. Als Unternehmer<br />
aus der Bau und Immobilienbranche<br />
spreche ich diesbezüglich aus Erfahrung. <strong>Baueinsprachen</strong><br />
und Rekurse können bisweilen viel Zeit in Anspruch nehmen und zu<br />
schwerwiegenden und kostspieligen Bauverzögerungen führen. Verfolgt ein<br />
zur Einsprache Berechtigter damit legitime Interessen, so gilt es dies zu akzeptieren.<br />
Dies ist jedoch nicht immer der Fall. Leider sind oft auch querulatorische<br />
oder gar erpresserische Einsprachen und Rekurse zu beobachten.<br />
Diese unberechtigten und boshaften Einsprachen müssen unterbunden werden.<br />
Aus Sicht der Praxis kann ich sagen, der Vorstoss von Franco Albanese<br />
setzt genau am richtigen Hebel an, er schützt Bauherren vor Missbräuchen<br />
und führt so zu mehr Gerechtigkeit.<br />
<strong>Carmen</strong> <strong>Walker</strong> <strong>Späh</strong><br />
Kantonsrätin FDP Kt. Zürich und selbständige<br />
Bauanwältin<br />
Die Bundesverfassung garantiert zwar in Art. 26<br />
das Grundeigentum. In Tat und Wahrheit ist die<br />
Nutzung des Eigentums in der Schweiz heute<br />
durch ein engmaschiges, komplexes und zum Teil<br />
überreguliertes Baurecht stark eingeschränkt. Dabei gilt es zwischen im<br />
öffentlichen Interesse (zum Beispiel im Interesse des Ortbildschutz, des<br />
Lärmschutzes, der Wohnhygiene oder aus feuerpolizeilichen Belangen) erlassenen<br />
„öffentlichem“ Baurecht und dem „privatem Baurecht“, welches die<br />
rechtlichen Beziehungen der privaten Baubeteiligten untereinander regelt,<br />
zu unterscheiden. Wenn wir von missbräuchlichen Rekursen reden, so geht<br />
es jeweils ums öffentliche Baurecht.<br />
Bei einem nachbarlichen Baurekurs wird deshalb vorgebracht, dass<br />
das Eigentum durch das Projekt beeinträchtigt und in seinem Wert geschmälert<br />
werde oder dass man in seiner Benutzung neu gehindert sei. Die Palette<br />
der vorgetragenen Rügen, die dabei erhoben werden können, ist aufgrund der<br />
Regulierungsdichte im öffentlichen Baurecht entsprechend breit.<br />
Es ist deshalb sehr schwierig nachzuweisen, dass ein Rekurs in<br />
missbräuchlicher Absicht erhoben wurde. Hinzu kommt, dass ein versierter<br />
Bauanwalt/in genau weiss, welche Rügen er erheben muss, damit auf ein<br />
Rechtsmittel eingetreten wird. Nur in seltenen Fällen kommen überrissene<br />
Forderungen für einen Rekursrückzug ans Tageslicht. Das ist zum Beispiel<br />
laut Bundesgericht dann der Fall, wenn ein krasses Missverhältnis zwischen<br />
der Entschädigung und dem zu duldenden Nachteil besteht.<br />
Allerdings sind wirklich missbräuchliche Rekurse und vor allem<br />
überrissene finanzielle Forderungen eine Minderheit. Die Mehrheit will nicht<br />
einfach Geld vom Bauherrn, sondern sie verlangt eine bessere Rücksichtnahme<br />
des Bauprojekts auf ihre eigene Liegenschaft.<br />
Die Zürcher Motion geht für mich in die richtige Richtung. Indem bei<br />
bös oder mutwilligen Rekursen (was aber zuerst noch zu beweisen sein<br />
wird!) die vollen Kosten geschuldet sind, überlegt man es sich doppelt, ob<br />
man wirklich gute Gründe für einen Rekurs hat. Heute haben die an die Gegenpartei<br />
zu leistenden Prozessentschädigungen mehr symbolischen Charakter<br />
und decken die vollen Kosten, die dem Bauherrn entstanden sind, nie.<br />
Ein verstärktes Kostenbewusstsein auch in öfffentlichrechtlichen Verfahren<br />
ist daher zu begrüssen.<br />
29
POLITIK<br />
30<br />
Lothar Ziörjen<br />
Präsident und Nationalrat BDP Kt. Zürich und<br />
Architekt<br />
Als Architekt und Politiker kenne ich die Probleme<br />
betreffend missbräuchliche Einsprachen aus der<br />
Praxis und habe deshalb auch grosses Verständnis<br />
für das Anliegen in der Motion. Auf den ersten Blick überzeugt die Idee<br />
mit der Ergänzung im Verwaltungsrechtspflegegesetz (§17 Abs. 2). Bauherrschaften<br />
die querulatorischen oder erpresserischen Einsprachen hilflos gegenüberstehen,<br />
sollte man sicher eine Möglichkeit bieten können, dieses<br />
Risiko zu minimieren, bzw. sich schadlos zu halten. Bei einer näheren Betrachtung<br />
der Motion darf aber nicht darüber hinweggesehen werden, dass<br />
es für die Bauherrschaften kostspielig und fast unmöglich ist zu beweisen,<br />
dass Einsprechende dies missbräuchlich machen, denn solche Vorhaben<br />
sind einfach zu vertuschen.<br />
Toni Bortoluzzi<br />
Nationalrat SVP Kt. Zürich und Schreiner<br />
Es ist ärgerlich wenn Bauwillige durch Einsprachen<br />
und eine wohlgepflegte Bau – Rechtsmittelindustrie<br />
in ihren Bemühungen eine Baute zu<br />
realisieren, Jahre auf einen abschliessenden Entscheid<br />
warten müssen. Noch gravierender ist es<br />
mitansehen zu müssen wie in solchen Fällen plötzlich Rekurse durch Rückzug<br />
entfallen. Als ehemaliges Mitglied einer Baubewilligungs Behörde und<br />
Gemeindepräsident war es für mich unverständlich, dass sich ein Verband<br />
nachweislich und Private vermutlich durch finanzielle Abgeltungen vom eigenen<br />
Baurekurs zurückzogen. Die Anliegen der Rekurrierenden erscheinen<br />
damit in einem anderen Licht und vermögen einer ernsthaften Prüfung nicht<br />
Stand zu halten. Es ist überfällig solchen Missbräuchen einen Riegel zu<br />
schieben.<br />
Hans Killer<br />
Nationalrat SVP Kt. Aargau und<br />
Tiefbauunternehmer<br />
Einsprachen, die nur aus dem Grund, eine Abgeltung<br />
zu erhalten, eingereicht werden, sind absolut<br />
verwerflich. So etwas ist anzuprangern. Die<br />
Frage, die wir uns zunächst aber stellen müssen,<br />
lautet: Ab wann sind Einsprachen verwerflich?<br />
Eine klare Definition ist notwendig. Wessen Einsprache ist berechtigt, beziehungsweise<br />
wer verfolgt ein schützenswürdiges Interesse mit seiner Einsprache.<br />
Denn die Einsprache an sich ist nicht in Frage zu stellen!<br />
Wir müssen uns auch im Klaren darüber sein, dass eine Definition nicht einfach<br />
zu finden ist. Ab wann ist eine Voraussetzung nicht mehr gegeben und<br />
wer soll dann entscheiden, ob der Bau nur verzögert werden sollte oder ob<br />
die Einsprache gedacht war, um eine Abgeltung zu erhalten.<br />
Es muss demnach eine Möglichkeit geschaffen werden, die Grenzen zwischen<br />
einer rein trölerischen und einer legitimierten Einsprache klar ziehen<br />
zu können. Es muss genau zu erkennen sein, wo das schutzwürdige Interesse<br />
aufhört.<br />
Monat. Die Zeit verstrich und am letzten Tag der Einsprachefrist<br />
erfolgte – man ahnt es – eine Einsprache. Derzeit ist<br />
noch nicht bekannt, wann und ob die Arbeiten wieder aufgenommen<br />
werden.<br />
Viel Freude herrscht nun bei den Bauherren nicht mehr. Die<br />
Lust auf eine solche Nachbarschaft ist allen vergangen, wenn<br />
man im teueren Hotel wohnen muss oder behelfsmässig<br />
irgendwo untergekommen ist.<br />
Einer der Bauherren äusserte sich zu seiner derzeitigen Situation:<br />
„Ich wollte hier mein Lebenswerk aufbauen. Nach dem<br />
wirklich harmonischen Richtfest bin ich nun wie vor den Kopf<br />
geschlagen. Seelisch und körperlich bin ich ein anderer<br />
Mensch geworden. Und dies meine ich nicht im positiven<br />
Sinne. Und finanziell weiss ich nicht, wie es weiter gehen wird.“<br />
Im Kanton Zürich haben kürzlich drei Kantonsräte eine Motion<br />
zur „Vermeidung missbräuchlicher und querulatorischer<br />
<strong>Baueinsprachen</strong> und Rekurse“, eine Motion eingereicht<br />
(siehe Kasten). Ziel ist es, dass bei bös oder mutwilligen<br />
Einsprachen die unterliegende Partei zur vollen Entschädigung<br />
des Bauherren zu verpflichten ist. Das Problem kennt,<br />
wie gesagt, keine Kantonsgrenzen. (gu)<br />
Was nützt die schönste Aussicht, wenn in<br />
der Nachbarschaft Finsternis herrscht?