Marktplatz
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<strong>Marktplatz</strong><br />
Hofsteig<br />
ausgabe Juni 2010<br />
es soll nicHt protzig sein<br />
umbau der raiba am hofsteig<br />
scHulwelt in bewegung<br />
Zur neueröffnung der Volksschule Mähdle<br />
Von kindern und leHrern, Von eltern und unterHaltung<br />
3 schuldirektorinnen im interview<br />
nicHt scHlecHter als früHer<br />
Drei Wolfurter lehrlinsgausbildner über ihre Erfahrungen<br />
Handwerk<br />
Vorschau Wolfurter herbstmarkt<br />
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Geschäfte unterstützen umweltfreundliches Einkaufsverhalten<br />
Kontakt: wirtschaft.wolfurt@gmx.at<br />
Wirtschaft Wolfurt
Wir bauen für Sie um.<br />
Das sanierungsbedürftige Gebäude der Raiffeisenbank am Hofsteig in Wolfurt wird erneuert. Wir sehen<br />
es als Verpflichtung, gerade in turbulenteren Zeiten unsere regionale Wirtschaft mit Aufträgen zu unterstützen.<br />
Daneben bringt die Gebäudesanierung einen niedrigen Energieverbrauch, einen Beitrag zur ge-<br />
meindebaulichen Entwicklung und mehr Komfort für unsere Kunden. Bis zum Abschluss der Sanierungsarbeiten<br />
freuen wir uns, Sie in unseren Ausweichlokalen betreuen zu dürfen. www.hofsteigbank.at<br />
Schaltergeschäft/Kundenbetreuung<br />
Ehemaliges Café Hofsteig<br />
Kirchstraße 33, Wolfurt<br />
Architektur: architekturwerk THE EDGE christoph kalb gmbh<br />
Visualisierung: architekturwerk THE EDGE – Thomas Knapp<br />
Verwaltung/Kundenbetreuung/Vorstand<br />
Gewerbepark Wolfurt<br />
Achstraße 42, Wolfurt
Es soll nicht ProtZiG sEin<br />
t: Mh | f: christoPh Kalb architEKturWErK thE EDGE<br />
MpH: Mitten in der wirtschaftskrise baut die<br />
raiffeisenbank am Hofsteig ihr gebäude um –<br />
investiert werden 4,5 bis 4,8 Millionen euro –<br />
warum?<br />
Jürgen adami: Zum einen war der umbau geplant, bevor<br />
die Krise kam, zum anderen haben wir diese Pläne<br />
bewusst nicht verschoben. Vorarlberg ist von der Krise<br />
zum Glück nur am rande betroffen. Etwa hat auch<br />
das land durch die althaussanierungsförderungen den<br />
handwerkern sehr geholfen. Wir wollten als regionale<br />
bank ein Zeichen setzen, dass wir uns trauen, einen<br />
umbau zu gestalten. Ein Großteil der Wertschöpfung<br />
des umbaus bleibt in der region. Wir signalisieren damit<br />
auch ein gewisses Maß an stärke, zeigen damit: Wir<br />
haben das Geld nicht verzockt, sondern möchten es für<br />
ein regionales Projekt einsetzen. Gerade in der Krise.<br />
und der dritte Grund: Das alte Gebäude war energietechnisch<br />
nicht auf dem letzten stand – es hat auf gut<br />
Deutsch aus allen löchern gepfiffen.<br />
MpH: es gibt sicher stimmen, die meinen: „so,<br />
da sieht man es wieder – die bank hat in diesen<br />
zeiten geld für einen solchen umbau.“<br />
Ja: ressentiments gibt es gerade in Zeiten wie diesen<br />
immer wieder, und das ist verständlich. Wenn man<br />
über spekulationen hört und darüber, was gewisse<br />
bankmanager verdienen. aber ich glaube wir haben ein<br />
gelungenes Werk, wir protzen nicht – es ist klein aber<br />
fein geworden. Wir hören auch viele positive Meldungen,<br />
die sagen, es ist wichtig, ein Zeichen zu setzen<br />
und arbeitsplätze durch investitionen zu sichern. Wir<br />
sind eine regionale bank, keine investmentbank – das<br />
Geld, das wir von unseren Kunden bekommen, wird in<br />
der region investiert. Wir heben uns klar ab von der<br />
„Zockerpartie“ bei investmentbanken. aber natürlich<br />
können wir uns von der Gesamtentwicklung nicht ganz<br />
abschotten. Wir sind berechenbar, weil wir versuchen,<br />
eine langfristige strategie zu fahren. Wir haben auch<br />
unsere förderungen für die Wolfurter Vereine nicht<br />
gekürzt – jedes Jahr fließen rund 130.000 Euro in die<br />
Vereine.<br />
MpH: was waren die ziele beim umbau?<br />
Ja: Zunächst sollte der umbau das Gebäude energetisch<br />
wesentlich verbessern. Wir möchten Verantwortung<br />
für die nächste Generation übernehmen und haben fast<br />
Passivhausstandard erreicht, mit 17 bis 18 kW pro Quadratmeter.<br />
Wir haben kontrollierte be- und Entlüftung.<br />
MarKtPlatZHofsteig 2 | 3
Wir haben nur noch eine Wärmepumpe, heizen nicht<br />
mehr mit Öl, nicht mehr mit Gas, nutzen die abwärme<br />
der Menschen. Wir nutzen natürliches licht und dort,<br />
wo noch künstliches licht nötig ist, werden energiesparende<br />
leuchtmittel verwendet. und eine deutliche<br />
Erhöhung der serviceleistung für unsere Kunden.<br />
MpH: und wie muss eine bank auf die kunden<br />
wirken?<br />
Ja: Es soll nicht protzig sein, sondern einfach,<br />
schlicht. Gerade im Dorfkern soll die architektur<br />
auch was hergeben. Deshalb haben wir einen geladenen<br />
architekturwettbewerb gemacht – wir, also die<br />
raiffeisenbank am hofsteig und Erwin Mohr – damals<br />
noch bürgermeister - bildeten die Jury – gewonnen<br />
hat christoph Kalb mit seinem büro architekturwerk.<br />
Etwa die fassade mit dem dunklen schiefer repräsentiert<br />
für mich Konstanz, beständigkeit. Es gibt viel<br />
licht im raum, es ist leicht geworden, es ist einfach<br />
geworden, es ist nicht protzig geworden – es ist eine<br />
„gfreute Gschicht“.<br />
MpH: Mussten die pläne bei der zentrale der<br />
raiffeisen eingereicht werden?<br />
Ja: nein, die einzelnen banken sind auch hier aufgrund<br />
der genossenschaftlichen struktur bei raiffeisen selbst-<br />
ständig – Gott sei dank muss ich sagen – da gibt es keine<br />
Vorgaben. Es zahlt auch jede raiffeisenbank – jede<br />
Genossenschaft – das Gebäude selbst.<br />
MpH: gab es wünsche seitens der kunden?<br />
Ja: Das ist schwierig, viele Wünsche zu berücksichtigen<br />
– es gibt banken, die haben ein Kaffee ins Gebäude<br />
integriert (etwa die raiffeisenbank Kornmarktstraße<br />
in bregenz – anm.d.red), andere haben Geschäfte<br />
ins haus geholt, um die Kundenfrequenz zu steigern.<br />
Das haben wir uns am anfang zwar überlegt, aber<br />
schlussendlich bewusst nicht gemacht. Wir wollen bei<br />
unserer Kernkompetenz bleiben – und das ist nunmal<br />
das bankgeschäft. Wir haben auch klassische schaltertresen,<br />
vorne der Kunde, dahinter unser Mitarbeiter.<br />
Erfahrungen in anderen banken haben gezeigt, dass<br />
die Kunden frei im raum stehende Pulte nicht goutieren.<br />
MpH: Vielleicht eine etwas nostalgische frage –<br />
gibt es das rohrpostsystem noch?<br />
Ja: (schmunzelt) Das gibt es nach wie vor – vom dritten<br />
stock bis ins Erdgeschoss. Der Geldverkehr wird<br />
zwar nicht mehr über rohrpost abgewickelt, aber für<br />
akten benutzen wir sie. Das hat keine nostalgiegründe<br />
– das ist ein praktisches transportmittel.
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MarKtPlatZHofsteig 4 | 5
schulWElt in bEWEGunG<br />
ende Mai wurde das neue gebäude der Volksschule Mähdle mit einem „tag der offenen tür“ gebührend<br />
gefeiert. „<strong>Marktplatz</strong> Hofsteig“ wollte wissen, ob bei der sanierung auch auf die lernwelt<br />
der kinder geachtet wurde.<br />
t & f: bb<br />
schule verändert sich. Die lernwelt der Kinder ist in<br />
den letzten Jahren immer komplexer und anspruchsvoller<br />
geworden. Der altbekannte frontalunterricht,<br />
bei dem der lehrer vorne steht und spricht und die<br />
Kinder in ihren bänken sitzen und zuhören, ist nicht<br />
mehr zeitgemäß und würde auch gar nicht mehr funktionieren.<br />
nicht erst seit gestern wissen Pädagogen,<br />
dass Kinder leichter lernen, wenn sie ihrem natürlichen<br />
bedürfnis nach abwechslung und bewegung nachgehen<br />
können. Deshalb gehören selbstständiges lernen,<br />
arbeit in Gruppen und vielfältiges lernmaterial (zb: legematerial,<br />
lernspiele, computer, …) zu einer modernen<br />
schule dazu.<br />
Das lehrerteam der Volksschule Mähdle war erleichtert,<br />
als es hieß: 2009 beginnt die schulsanierung. Das<br />
Gebäude, das in den 70er Jahren erbaut wurde, war für<br />
das heutige lernumfeld nicht mehr geeignet, die Möglichkeiten<br />
waren begrenzt. architekt Gerhard Zweier<br />
bezog die lehrer in die Planungsphase mit ein. Die<br />
Wünsche gingen in richtung: Platz für Kleingruppen,<br />
Platz für lernmaterial, das sich die Kinder selbst holen<br />
können, mehr ruhe.<br />
Die neue schindelfassade wirkt einladend, der Pausenplatz<br />
bietet nicht nur bei schönwetter vielfältige<br />
spielmöglichkeiten, und das dominante Eingangstor<br />
lässt keinen Zweifel, durch welche tür man die schule<br />
betreten soll. aber wie sieht das innenleben der neuen<br />
„Mähdle“ aus?<br />
das innenleben<br />
beim alten Gebäude musste man einige stufen hinaufsteigen,<br />
um in die aula und weiter in die Klassen zu<br />
gelangen. Jetzt geht man zuerst abwärts – selbstverständlich<br />
barrierefrei – öffnet die Eingangstüre und<br />
steht in der Garderobe.<br />
Direktorin silvia benzer erklärt den hintergedanken:<br />
„uns lag daran, den lärm aus dem schulbetrieb zu nehmen.<br />
Gerade das umziehen am Morgen brachte große<br />
unruhe ins schulgebäude. Zudem wollten wir in den<br />
stockwerken mehr Platz für die lernumgebung schaffen.<br />
Eine Zentralgarderobe im Keller schien die ideale<br />
lösung.“<br />
Wenn die schüler die erste treppe nach oben steigen,<br />
ist ihnen schon völlig klar: Jetzt beginnt das lernen.<br />
Dort, wo früher die Garderobenbänke vor den Klassen<br />
waren, befindet sich das „lernatelier“: ein regal mit<br />
Wannen voller lernmittel. alles ist übersichtlich sortiert,<br />
nach unterrichtsfach und schwierigkeitsgrad angeschrieben.<br />
auf großen tischen im Gang können die<br />
Materialien ausgebreitet und damit gearbeitet werden.<br />
interessant: Die tische sind für ein arbeiten im stehen<br />
gedacht. höhenverstellbare stühle dienen den müden<br />
schülern als alternative, aber die meisten genießen die<br />
abwechslung zum sitzen im Klassenzimmer.<br />
Durch das Glasfenster in der Klassentüre erhascht man<br />
einen blick in die Klasse. auch die Eltern haben gerade<br />
am schulanfang die chance genutzt, ihr Kind beim lernen<br />
zu beobachten. hauptsächlich dient das eingelassene<br />
Glas dazu, den Kontakt zwischen lernbereich im<br />
Gang und der Klasse herzustellen. Das Klassenzimmer<br />
selbst wirkt ausgesprochen ordentlich und einladend.<br />
Die schultaschen werden in einem fach unter dem<br />
fenster versorgt. Jedes Kind hat ein eigenes fach, in<br />
dem auch eine schublade für die Mal- und bastelsachen<br />
angebracht ist. aufräumen ist für die Kinder viel leichter<br />
– etwas, das den Prinzipien des selbsttätigen lernens<br />
entgegenkommt. Einen Wehmutstropfen gibt es<br />
dennoch. Der architekt hat auf genügend stauraum für<br />
die lehrer vergessen. Material wie Papierreste, Jahreszeitenschmuck,<br />
nicht verwendetes lernmaterial muss<br />
wohl zu hause einen Platz finden.
in den kleinen Zusatzräumen, die hinten an jedes<br />
Klassenzimmer angeschlossen sind, befinden sich die<br />
lern-computer, eine zusätzliche tafel und ein tisch.<br />
Diese räume sind gerade für die integrationsklassen<br />
unverzichtbar. Von den 153 Kindern, die im schuljahr<br />
2009/10 die schule besuchen, haben 19 einen erhöhten<br />
förderbedarf. Das bedeutet, dass diese Kinder<br />
entweder in der sonderschule oder aber integrativ in<br />
der regelschule unterrichtet werden können. Die Eltern<br />
dieser Kinder haben sich für die integrative form<br />
entschieden. Die Volksschule Mähdle kommt diesem<br />
Wunsch schon seit knapp zehn Jahren entgegen. in den<br />
derzeit acht integrationsklassen unterrichtet für einige<br />
stunden ein sogenannter stützlehrer/eine stützlehrerin<br />
zusätzlich zur Klassenlehrerin (es sind tatsächlich nur<br />
frauen – deshalb ist hier nur die weibliche form angeführt).<br />
Was sowohl lehrer als auch schüler an der neuen schule<br />
genießen, ist der gesunkene lärmpegel in schule,<br />
Klassen und turnsaal. Dank einer speziellen Dämmung<br />
der Decken, werden Geräusche gedämpft.<br />
umbau – endlich geschafft<br />
Die Zeit des umbaus war für alle eine belastung. Die<br />
haupt-bauarbeiten wurden in den extra verlängerten<br />
sommerferien durchgeführt: in nur elf Wochen. lehrer,<br />
schüler und Eltern waren sehr kompromissbereit, als<br />
es darum ging, die „freien“ unterrichtstage während<br />
des schuljahres wieder einzuholen. aber nicht zuletzt<br />
die schüler waren unglaublich froh, als die bauphase<br />
endlich vorbei war. so lange keinen turnsaal zu haben,<br />
der lärm und Dreck im Gebäude, zu warten bis der<br />
spielplatz endlich eröffnet wurde: Das alles verlangte<br />
viel Geduld.<br />
Dass bei der sanierung darauf geachtet wurde, das<br />
Gebäude auf Passivhaus-standard zu bringen, ist vor<br />
allem der Gemeinde Wolfurt anzurechnen. sie akzeptierte<br />
auch eine Kostenerhöhung von 3 auf 4 Millionen<br />
Euro. solaranlage, Wasser-Wärmepumpe, spezielle Wärmedämmung<br />
und ein spezielles lüftungssystem – all<br />
das half, den Energiebedarf des Gebäudes um 79% zu<br />
verringern.<br />
noch funktioniert nicht alles reibungslos. Die ostseitigen<br />
Klassen heizen sich durch die frühlingssonne zu<br />
stark auf, die Klassenlehrer sind schon gespannt, wie<br />
viel Wärme erst die sommersonne bringen wird. und<br />
die fenster der schule dürfen nicht dekoriert werden.<br />
Gegenstände am Glas führen zu sprüngen, sogar auf<br />
dem fensterbrett führt die Dekoration zu einer un-<br />
MarKtPlatZHofsteig 6 | 7
gleichmäßigen Erwärmung des fensters. unverständnis<br />
ist bei den lehrern zu spüren. sie warten darauf,<br />
dass die firma diese Dinge möglichst schnell behebt.<br />
Denn was ist eine schule ohne bunt geschmückte fenster?<br />
insgesamt überwiegt bei lehrern und schülern die freude<br />
über die neue schule. Ein modernes, kindgerechtes<br />
und selbstständiges lernen ist leichter geworden. Die<br />
schule wirkt heimeliger und einladender als früher. am<br />
beispiel der Volksschule Mähdle kann man sehen, was<br />
für positive auswirkungen eine durchdachte architektur<br />
auf Menschen haben kann.<br />
Die alte schule bot 30 Jahre raum für lehren und lernen.<br />
Was in den kommenden 30 Jahren auf die Volksschule<br />
Mähdle zukommen wird, weiß niemand. für die<br />
denkbaren Eventualitäten scheint sie jedoch gut gerüstet<br />
zu sein.<br />
Was gefällt dir an der neuen schule?<br />
„D’tafel – ma ka zwei teile uffi und abe schüba.“<br />
(Moritz Graf)<br />
Kannst du dich noch erinnern, wie es vorher<br />
ausgesehen hat?<br />
„Vorher isch d’schual grau und orange gsi.<br />
D’fenster im turnsaal hon tropft und d’computer<br />
sind alt gsi. Jätz isch d’schual viel heller und<br />
schö.“ (Michael bertel)<br />
Gehst du jetzt lieber in die schule als vorher?<br />
„Jo. Dia hella farba sen so schö. und des lernmaterial<br />
macht spaß.” (rosa Wischniewski)<br />
Wie ist der neue turnsaal?<br />
„Er isch im sommer nömma so warm wia dr alte.<br />
und im Winter isch der weiche, warme boda fein.<br />
und leiser isch as o.“ (Melike Kalkan)
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MarKtPlatZHofsteig 8 | 9
Von KinDErn unD lEhrErn, Vo<br />
wie steht es um die bildung in unserem land, wo sind die knackpunkte?<br />
was für eine rolle spielen die Medien im dreieck kind, eltern, schule.<br />
und: war es früher wirklich besser? <strong>Marktplatz</strong> Hofsteig hat sich mit den<br />
direktoren der wolfurter schulen getroffen. silvia benzer von der Volksschule<br />
Mähdle, bernd dragosits von der Volksschule bütze und norbert<br />
Moosbrugger von der Vorarlberger Mittelschule wolfurt..<br />
t: Mh<br />
MpH: zu beginn ein zitat: „die studenten brauchen<br />
Jahre, nicht nur um nachzuholen, was ihnen<br />
eine schule nicht mehr mitgibt (…), sondern um<br />
denken und arbeiten zu lernen, was die alte enge<br />
lateinschule ihnen mitgab.“ aus welchem Jahr<br />
stammt dieses zitat?<br />
bd: Wenn sie so provokant fragen: Entweder sehr alt<br />
– anfang des letzten Jahrhunderts oder ganz jung. (sb<br />
und nM nicken)<br />
MpH: gesagt hat es ulrich von wilamowitz-Moellendorff,<br />
ein deutscher professor für klassische<br />
philologie, und zwar im Jahr 1928. offenbar sind<br />
ressentiments gegen die schule nichts neues.<br />
bd: Die anforderungen an die schule haben sich einfach<br />
geändert. Die Vermittlung von grundlegenden<br />
Kulturtechniken, das, was früher die aufgabe der schule<br />
war, ist in richtung Erziehung verschoben worden.<br />
Wir müssen sehr viele – ich sage jetzt mal Defizite aufarbeiten,<br />
die in familiensituationen begründet liegen,<br />
die anders sind als früher. Vermittlung von Werten, von<br />
Grundfähigkeiten wie höflichkeit oder Pünktlichkeit.<br />
MpH: wünschen sie sich als direktoren die früheren<br />
Verhältnisse zurück?<br />
sb: Die gesellschaftlichen Veränderungen spüren wir in<br />
den schulen und Kindergärten ganz enorm. Wie Druckstellen.<br />
Das system muss sich dahingehend ändern,<br />
dass nicht nur mehr noten und fachwissen zählen,<br />
sondern auch selbstorganisation und lernen-Können.<br />
MpH: Haben das schüler früher mitgebracht?<br />
sb: Meiner ansicht nach schon, aber die herausforderungen<br />
sind auch andere geworden – das vernetzte<br />
Denken ist heute mehr gefragt denn je. aus der flut<br />
an Wissen das für mich Wichtige herausfinden ist heute<br />
besonders wichtig.<br />
bd: Was ich in der Vs sehr stark merke, ist eine Verunsicherung<br />
von vielen Eltern in der Erziehungsarbeit,<br />
wie habe ich meine rolle als Mutter oder Vater wahrzunehmen.<br />
Eine Zeit lang wollte man der große bruder<br />
oder die freundin vom Kind sein und nicht die autoritätsperson<br />
– da musste die schule sehr viel auffangen<br />
und muss es teilweise immer noch.<br />
in punkto Wissensvermittlung hab ich´s mit der Kollegin<br />
– wir haben es mit anderen Kindern zu tun als<br />
früher, die mit anderen Medien aufwachsen, die oft<br />
eine sehr kurze Konzentrationsspanne haben, weil sie<br />
zwischen sMs, Email, Playstation, fernsehen und Video<br />
hin und her wechseln – das auch können müssen in ihrer<br />
Welt – aber das bedingt eine andere unterrichtsmethodik<br />
– ich muss auf diese umstände eingehen, weil<br />
ich mit 30 Jahre alten Methoden nicht weiterkomme.<br />
Der frontale unterricht wird zurückgedrängt, es wird<br />
offener unterricht angeboten. Die Kinder übernehmen<br />
eigene aufgaben und selbstverantwortung.<br />
Die Pädagogik muss sich der realen gesellschaftlichen<br />
situation auf eine gewisse art anpassen.<br />
nM: Der spruch „früher in der guten alten lateinschule<br />
war alles besser“ ist schnell dahingesagt. aber wenn<br />
man nachfragt, sind es die gleichen, die sich beschweren,<br />
dass sie damals Watschen bekommen haben. Diese<br />
Diskussion bleibt an der oberfläche, weil man Vergangenes<br />
gerne glorifiziert. aber zu glauben, heute ist<br />
schule schlechter, weil sie mehr erziehen muss als früher,<br />
halte ich für einen schmarren. Mit dem Zitat kann<br />
ich nichts anfangen. ich glaube auch nicht, dass man<br />
der schule immer mehr auflädt. Wir sind ein Dienstleister,<br />
bekommen die Kinder für eine gewisse Zeitspanne<br />
– das hat man irgendwann den bauern abgerungen,
n EltErn unD untErhaltunG<br />
im interview:<br />
silvia benzer, Vs Mähdle<br />
bernd Dragosits, Vs bütze<br />
norbert Moosbrugger, Ms Wolfurt<br />
dass sie ihre Kinder hergeben für die schule, das ist ja<br />
nicht selbstverständlich. Wir sind Dienstleister für den<br />
staat und die Gesellschaft und bringen den Kindern bestimmte<br />
Dinge bei. Die inhalte und Methoden müssen<br />
sich natürlich ändern. Wenn die Kinder kommen – im<br />
übertragenen sinne nackt – sind sie gar nicht so anders<br />
als früher, sie kommen aber schnell in eine veränderte<br />
Welt, die sie dann auch anders prägt. Das ist nicht gut<br />
oder schlecht – wir müssen darauf reagieren. auch der<br />
Gesetzgeber muss das – nur da ist leider eine Zweidrittelmehrheit<br />
vonnöten und das heißt: reformen hinken<br />
der realität immer dreißig Jahre hinterher.<br />
sb: für mich hat sich das schon extrem verschoben.<br />
bildungsauftrag und Erziehungsauftrag waren immer<br />
schon in der schule. früher war bildung sicher 80%,<br />
heute aber gerade mal geschätzte 60%.<br />
bd: in den meisten fällen drüber ...<br />
sb: Dazu kommt, dass die Kinder einer ersten Klasse<br />
nur mehr biologisch gleich alt sind. Die homogenität<br />
eines Jahrganges wie es früher einmal war, gibt es<br />
nicht mehr. Das ist die herausforderung, der unterschiedlichkeit<br />
der Kinder zu entsprechen.<br />
nM: Das möchte ich dick unterstreichen – es gibt auch<br />
Kinder, die wesentlich weiter sind als Kinder früher –<br />
die früher gefördert werden, die früher mit büchern<br />
vertraut gemacht werden, die eine gewisse bessere<br />
gesundheitliche Konstitution haben, weil gewisse<br />
schädliche Einflüsse nicht mehr da sind. Da geht die<br />
Gesellschaft auseinander – wir haben Kinder, die können<br />
lesen und schreiben, wenn sie in die Volksschule<br />
kommen und wir haben welche, die können es nach<br />
der vierten Klasse noch nicht.<br />
bd: Die frühförderung ist immens wichtig – das be-<br />
stätigt jede untersuchung – der Kindergarten ist die<br />
meist- unterschätzte bildungseinrichtung. Wenn die<br />
Kinder in die Volksschule kommen, ist schon ganz<br />
viel passiert, das wir nicht mehr beeinflussen können.<br />
Der Erziehungsauftrag wird von vielen Eltern abgegeben<br />
an die schule. und ich verwehre mich, dass ich<br />
Kinder erziehe – und zwar ausschließlich erziehe, weil<br />
ich denke, das ist der ureigenste auftrag der familie.<br />
Wenn die familie das nicht mehr kann, dann wird die<br />
schule einspringen. aber das kann nicht zum normalfall<br />
werden.<br />
nM: Ein Grund für diese situation ist, dass es früher<br />
mehr Geschwister gab, die quasi miterzogen haben.<br />
als Eltern von einem Einzelkind kann ich verschieden<br />
reagieren – ich kann es mehrmals pro Woche in eine<br />
spielgruppe bringen, man kann sich unter Eltern absprechen<br />
und die Kinder einmal dort und einmal dort<br />
zusammenbringen. Kinder, die statt der lebendigen<br />
Miterzieher fernseher und Playstation haben – da meine<br />
ich, dass Erziehung in die hose geht.<br />
bd: Wir sprechen von einer Generation, in der es viele<br />
allein erziehende Mütter gibt, die arbeiten gehen müssen,<br />
um sich über Wasser zu halten, in der oft kein Vater<br />
da ist.<br />
Von laissez faire bis strenge gibt es alle Empfehlungen<br />
für die Kindererziehung – die Verunsicherung geht so<br />
weit, dass keine Grenzen mehr gesetzt werden. und<br />
das müssen wir dann in der schule den Kindern beibringen.<br />
sie müssen strukturen bekommen. ich sage<br />
das den Eltern auch immer: Es gibt Grenzen, die einzuhalten<br />
sind, in der Gruppe ebenso wie gegenüber<br />
autoritätspersonen. Weit weg davon, dass sie alles tun<br />
sollen, was man ihnen sagt – wir wollen Kinder, die<br />
ein eigenes selbstbewusstsein entwickeln, sich auch<br />
trauen, nein zu sagen oder nachzufragen, aber nicht<br />
Kinder, denen man alles durch gehen lässt.<br />
MarKtPlatZHofsteig 10 | 11
MpH: wenn die kinder nicht mehr zusammen<br />
kommen – müsste dann nicht der staat dafür sorge<br />
tragen, dass sie es tun? ein extrembeispiel:<br />
in der ddr war es – auch aufgrund der ansicht,<br />
dass frauen einer erwerbsarbeit nachgehen sollen,<br />
üblich – die kinder sehr schnell nach der<br />
geburt in kinderkrippen zu geben. die kinderbetreuungseinrichtungen<br />
waren von sechs uhr<br />
früh bis sieben uhr abends geöffnet.<br />
nM: Es ist für mich nicht staatsaufgabe, die Kinder zusammen<br />
zu bringen, aber es ist aufgabe des staates,<br />
das zu ermöglichen. Das sind zwei verschiedene Paar<br />
schuhe. Damals musste man einfach. Da bin ich strikt<br />
dagegen, dass der staat so in die Erziehung eingreift.<br />
aber der staat – und der staat sind ja wir alle – soll<br />
eine Möglichkeit bieten, dass die Kinder zusammen<br />
kommen. und das kommt jetzt langsam auch bei uns –<br />
etwa Kindergarten für Dreijährige usw.<br />
bd: so viel staat wie nötig. Etwa, wenn es sich eine<br />
familie nicht leisten kann, dass das Kind adäquat über<br />
Mittag betreut wird. Dann ist mir lieber, das Kind ist<br />
in der schule - und wir bieten qualitativ hochwertige<br />
Mittags- und hausaufgabenbetreuung an, als das Kind<br />
sitzt zu hause allein vor dem fernseher. Da sehe ich es<br />
als klare Pflicht des staates an, Möglichkeiten zu schaffen.<br />
Wo ein bedürfnis da ist, muss man reagieren. Es<br />
wird immer welche geben, die es eigentlich nicht brauchen,<br />
aber es aus bequemlichkeit in anspruch nehmen<br />
- das soll so sein, da will ich nicht werten.<br />
nM: Das verlangt auch unser Wirtschaftssystem. Wenn<br />
beide Elternteile arbeiten, braucht es einen ort, an dem<br />
die Kinder in einer beziehung drin sind.<br />
bd: und zwar betreut von fachleuten, ausgebildetem<br />
Personal. Ebenso muss das schulgebäude - die architektur<br />
darauf reagieren. beim bau vieler schulen wurden<br />
solche anforderungen nicht berücksichtigt. bei<br />
uns in der Vs bütze stehen konkrete umbau- und sanierungspläne<br />
an, weil die Klassen dem heutigen unterricht<br />
ebenso wenig gerecht werden, wie das Gebäude<br />
der schülerbetreuung.<br />
sb: auch hier spielt eine rolle, dass immer mehr in die<br />
schule verlagert wird, die Kinder brauchen bewegung,<br />
wir machen Zahnprophylaxe, Gesundheitsvorsorge,<br />
und, und, und. Wir stecken jetzt in einem gesellschaftlichen<br />
Wandel, und wir als schule sollen das mit veralteten<br />
strukturen auffangen – das ist die Zwickmühle.<br />
nM: auch vom Zahltag her...<br />
bd: Wir haben ein Kastensystem im bildungswesen<br />
sb: Ein ansatz wäre hier für mich die gemeinsame<br />
ausbildung aller Pädagogen. Es haben sich nun endlich<br />
auch die begriffe geändert: Es heißt nun Kindergartenpädagogin<br />
und nicht mehr „tante“ – das ist behaftet mit<br />
dem Klischee „ein bisschen spielen mit den Kindern“.<br />
Das stimmt einfach nicht mehr – der Kindergarten ist<br />
eine bildungseinrichtung. Er legt das fundament. Das<br />
geht von bezahlung über räumlichkeiten bis zum ansehen<br />
– da leben wir in einer verkehrten Welt.<br />
nM: in den Kindergarten müssen die bestausgebildeten,<br />
bestbezahlten und motiviertesten leute.<br />
sb: Ein weiteres thema ist leistungsbereitschaft – ein<br />
Wort, das man nicht unbedingt gerne hört. „Wenn du<br />
das nicht magst, musst du das nicht tun“, ist nicht<br />
wirklich zielführend. noch zum Kindergarten: Diese<br />
institution ist vom ansehen her die schwächste aller<br />
bildungsinstitutionen.<br />
bd: ich habe gute Kontakte zur Wirtschaft und weiß,<br />
dass man – auch wenn man etwas nicht gleich kann<br />
– lernen muss, dran zu bleiben, es noch mal zu probieren,<br />
dass man aus Misserfolgen lernen kann. und das<br />
war eine zeitlang gar nicht modern – diese Prinzipien<br />
in der schule zu vermitteln. unsere firmen brauchen<br />
Menschen, die eine gewisse frustrationstoleranz mitbringen,<br />
die Motivation und Einsatzwillen mitbringen.<br />
Dann ist es auch nicht so wichtig, ob das mit der rechtschreibung<br />
zu 100 oder nur zu 80% klappt. Es ist ebenso<br />
eine der Verpflichtung, der schule klar zu machen,<br />
dass es im weiteren leben anforderungen gibt und<br />
nicht alles spaß und tollerei ist. Der Punkt ist mir in<br />
den letzten Jahren im Magen gelegen – auch zwischen<br />
den lehrern wird darüber heiß diskutiert.<br />
MpH: zum thema leistungsbereitschaft – wirken<br />
da fernsehshows wie starmania, „deuschland<br />
sucht den superstar“, „germanies next top Model“<br />
nicht auf eine gewisse weise motivierend?<br />
nM: Es gibt ja für alles Mögliche shows – ich glaube,<br />
das, was die Wirtschaft braucht von jungen Menschen<br />
und das, was sie ihnen vorgaukelt über Produkte und<br />
Werbung, sehr auseinanderklafft. auf der einen seite<br />
wird über die Medien eine Welt propagiert, wo es heißt:<br />
alles freiwillig, alles lustig, alles lässig. Das schmeißt<br />
ihr weg und kauft was neues. Die andere Welt ist die<br />
realität, wo es heißt: Du musst hineinbuckeln, du bekommst<br />
7 Euro in der stunde und kannst einen scheißjob<br />
machen und so weiter.<br />
bd: Wenn wir die shows ansprechen – da möchte ich<br />
einen weiteren Punkt anbringen, den wir in der schule<br />
vermitteln müssen – selbsteinschätzung. ich erlebe
Eltern, die den fehler machen, das Kind zum superstar<br />
zu machen: Das Kind kann alles, es wird für alles<br />
gelobt. Das führt dazu, dass die Kinder sich nicht<br />
einschätzen können. Es geht darum, auch einmal zu<br />
sagen: Das klappt noch nicht so gut, da setzen wir uns<br />
gemeinsam hin und üben das Ganze. aber du bist jetzt<br />
nicht der superstar – wie viele shows bauen darauf auf,<br />
dass sich Menschen, die sich selbst nicht einschätzen<br />
können, vor einer riesigen Menge blamieren.<br />
MpH: ist sich blamieren dann sogar „cool“?<br />
sb: cool nicht, sondern einfach egal – es spielt keine<br />
rolle.<br />
MpH: sind lehrer gezwungen, den unterricht<br />
zum event werden zu lassen? zur unterhaltung?<br />
bd: Würde ich so nicht sagen. Die aufmerksamkeitsspanne<br />
der Kinder ist kürzer geworden, darauf muss<br />
ich reagieren. Man kann nicht mehr eine stunde lang<br />
ein thema durchziehen. Das geht vielleicht bei einem<br />
fächerübergreifenden Projekt, aber ich sehe den lehrer<br />
nicht als jemanden, der den modernen Medien quasi<br />
nachhechelt und dann in der Klasse sMs an die schüler<br />
verschickt. Wir binden Pcs dort ein, wo es sinnvoll ist.<br />
auch den Kindern ist wichtig, dass es bereiche gibt, wo<br />
es ruhig ist - dass der unterricht nicht im Wettbewerb<br />
steht zu Playstation und anderen sachen.<br />
nM: also ich glaube, dass es zwei wesentliche Motive<br />
gibt, zu lernen. Das eine ist, dass man einen fehler<br />
gemacht hat und den nicht mehr machen will. aus fehlern<br />
lernt man. Das ist bei uns zu wenig ausgebildet.<br />
fehler sind nach wie vor oft böse und werden rot angestrichen.<br />
Das zweite ist: Kinder lernen über beziehungen<br />
zu Menschen. Die ganze technik wird nie das<br />
ersetzen können, was ein lehrer für ein Kind bedeutet.<br />
aber wenn ein Kind im fernsehen lernt, Menschen sind<br />
dann interessant, wenn sie 1000 Punkte machen oder<br />
das und das können, dann haben sie ein falsches bild<br />
von beziehung. Da glaube ich, dass wir Erwachsene<br />
ihnen manchmal auch nicht immer die gescheitesten<br />
sachen vormachen.<br />
beziehungsarbeit ist heute in der schule viel wichtiger<br />
als früher, ich glaube aber, dass die Kinder auch mehr<br />
lernen als früher.<br />
sb: ich glaube, dass durch die shows was falsches vorgegaukelt<br />
wird, je extravaganter ich mich gebe, je frecher<br />
ich bin, je blöder ich tue, umso mehr bin ich der<br />
King. und das stimmt einfach nicht.<br />
nM: spätestens beim ersten bewerbungsgespräch wird<br />
das klar.<br />
sb: und das Geheimnis ist, diese beziehung zwischen<br />
Kind und lehrer herzustellen. Dass der lehrer sagt: „ich<br />
nehme dich so, wie du bist, und wir gehen gemeinsam<br />
ein stück.“ und das Kind merkt, es muss sich nicht aufführen,<br />
um beachtet zu werden.<br />
nM: Der lehrer muss selbst auch einen gesunden Ehrgeiz<br />
und leistungsbereitschaft haben, ihm darf nicht<br />
alles egal sein. ich will, dass lehrer Vorbilder sind.<br />
bd: Wir müssen authentisch sein.<br />
sb: und darum ist show eben das falsche. Das durchschauen<br />
die Kinder sehr schnell.<br />
Den zweiten teil des interviews lesen sie in der kommenden ausgabe<br />
von <strong>Marktplatz</strong> hofsteig.<br />
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MarKtPlatZHofsteig 12 | 13
nicht schlEchtEr als frühEr<br />
drei wolfurter lehrlinsgausbildner über ihre erfahrungen mit der Jugend von heute<br />
t & f: rr<br />
bereits 500 Jahre vor christi Geburt beklagte der berühmte<br />
Philosoph sokrates den Verfall der Jugend von<br />
damals: „Die Jugend von heute liebt den luxus, hat<br />
schlechte Manieren und verachtet die autorität. sie<br />
widersprechen ihren Eltern, legen die beine übereinander<br />
und tyrannisieren ihre lehrer.“ Etwas später beklagte<br />
sich auch aristoteles: „ich habe überhaupt keine<br />
hoffnung mehr in die Zukunft unseres landes, wenn<br />
einmal unsere Jugend die Männer von morgen stellt.<br />
unsere Jugend ist unerträglich, unverantwortlich und<br />
entsetzlich anzusehen.“ Die Klage vom Verfall der Jugend<br />
ist absolut nichts neues. Das allein beweist Gegnern<br />
dieser theorie, dass die Jugend eben nicht immer<br />
schlimmer werde.<br />
Wie es derzeit wirklich um die Jugend – insbesondere<br />
um die arbeitende Wolfurter Jugend – bestellt ist, lässt<br />
sich am besten „an der front“ recherchieren: nämlich<br />
in den vielen kleinen und großen unternehmen der<br />
Gemeinde, die sich dieser Jugend annehmen und sie<br />
für einen beruf ausbilden. beim Gespräch mit drei lehrlingsausbildnern<br />
kristallisiert sich ein durchaus differenziertes<br />
bild heraus.<br />
friseurlehre im „Hairdesign“<br />
Die friseurin Mirjana Mesarek beispielsweise bildet lehrlinge<br />
aus, seit es ihr Geschäft „hairDesign“ gibt. in ihrem<br />
fünf frauen starken team sind zwei lehrlinge immer fixer<br />
bestandteil. nach der lehre haben sie die Möglichkeit<br />
im betrieb zu bleiben. „ich finde, man sollte jungen<br />
Menschen auch eine chance geben, dass sie sich weiterentwickeln<br />
und sich fortbilden können, deshalb bilde ich<br />
immer wieder lehrlinge aus“, erklärt die junge chefin.<br />
erwartungen an eine junge friseurin<br />
Von einer angehenden friseurin erwartet sich Mirjana<br />
Mesarek „dass sie gute und respektvolle umgangsformen<br />
mit Menschen hat. Ein lehrling kann ja erstmal<br />
nichts, aber wenn er von zu hause aus gute Manieren<br />
mitbekommt, dann ist das schon mal etwas. Ein lehrling<br />
darf auf keinen fall frech sein, und es sollte ihm<br />
nicht alles egal sein.“ Das sei nämlich leider oft der fall,<br />
erklärt die friseurin. Die Jugend werde nicht einfacher,<br />
teilweise fehle ihnen der respekt vor anderen, und das<br />
habe mit der Gesellschaft zu tun, so die friseurin.<br />
schwierig ist das Menschliche<br />
Probleme, die es zu bewältigen gebe, hätten meistens<br />
mit der menschlichen seite des berufes zu tun. „für einen<br />
lehrling ist der Einstieg ins berufsleben schwierig.<br />
Wenn man in der schule einmal einen schlechten tag<br />
hat, dann hängt man einfach einen tag lang durch.<br />
aber bei uns geht das nicht. Das ist am anfang sehr<br />
schwierig zu vermitteln. Eine Kundin kann nichts dafür,<br />
dass man heute vielleicht gerade einen schlechten tag<br />
hat. Dazu kommt dann auch noch eine gewisse Gleichgültigkeit.<br />
Dinge wie „freundlich sein“ und „nett sein“<br />
sind anscheinend nicht so einfach zu lernen, vor allem,<br />
wenn das zu hause auch nicht praktiziert wird. für<br />
viele Jugendliche sind „bitte“ und „Danke“ tatsächlich<br />
fremdwörter. Da hat man das Gefühl, dass es an elementaren<br />
sachen fehlt. natürlich gibt es auch immer<br />
ausnahmen, aber ich glaube, großteils geht es in diese<br />
richtung.“<br />
Jeder tag ist eine bereicherung<br />
trotzdem erlebt Mirjana Mesarek auch viele schöne<br />
Momente mit ihren lehrlingen in ihrem Geschäft. Jeder<br />
tag sei für sie eine bereicherung. „Wenn eine Kundin<br />
zufrieden hinaus läuft, dann ist das schon eine bereicherung.<br />
ich finde, wir haben einen schönen Job. Man<br />
kann kreativ sein und kriegt viel lob. Wenn ein lehrmädchen<br />
ein lob bekommt, dann ist es wirklich das<br />
schönste, wenn sie nachher strahlt. Eigen fleiß macht<br />
Preis – das ist einfach so. Es hängt alles mit dem eigenen<br />
Wollen zusammen“, ist die chefin überzeugt.
Mit einem freundlichen lächeln: Kim Giesinger von friseurin Mirjana<br />
MarKtPlatZHofsteig 14 | 15
spar-Markt-leiter Markus Greber legt Wert auf Engagement<br />
einzelhandelskaufmann im spar-Markt<br />
Ähnlich schätzt auch Markus Greber vom spar-Markt<br />
unterlinden die derzeitige situation mit lehrlingen ein.<br />
Er selbst bildet seit drei Jahren lehrlinge aus. Derzeit<br />
arbeiten zwei in seinem laden, insgesamt hat der betrieb<br />
sieben Mitarbeiter. „in meiner situation als selbstständiger<br />
braucht man einfach lehrlinge. bei der momentanen<br />
Preispolitik kann man so einen laden gar<br />
nicht führen, wenn man nur ausgelernte Kräfte hat,<br />
und zwar rein aus Kostengründen. letztes Jahr haben<br />
viele Jugendliche bei mir „geschnuppert“, aber von<br />
zehn hätte ich höchstens zwei haben wollen. Viele Jugendliche,<br />
die sich bewerben, sind schlampig. Du gibst<br />
ihnen eine aufgabe, die sie erledigen, und dann stehen<br />
sie mit den händen im hosensack da. Da kommt kein<br />
selbstengagement. ich glaube, dass man die Kinder<br />
früher daheim mehr eingespannt hat, und dass sie so<br />
das arbeiten gelernt haben. heutzutage geht viel davon<br />
allein schon wegen dem computer verloren. Die<br />
Eltern haben keine Zeit mehr, und die Kinder sitzen nur<br />
vor dem computer. Vielfach sind sie dann so unselbstständig,<br />
weil man ihnen zuhause zu wenig zeigt.“<br />
Hausverstand muss sein<br />
Ein Jugendlicher, der sich bei ihm um eine lehrstelle<br />
bewerbe, müsse auf jeden fall hausverstand haben.
Er müsse grundlegende sachen verstehen, etwa dass<br />
man auch mal nachfrage, wenn man nicht weiter wisse.<br />
„außerdem muss Engagement gezeigt werden, und<br />
das auftreten sowie die Kleidung müssen stimmen“,<br />
erklärt Markus Greber.<br />
selbstständiges arbeiten ist das ziel<br />
„schön ist es, wenn sie selbstständig anfangen zu arbeiten.<br />
am anfang muss ich ihnen einen Zettel geben,<br />
auf dem genau steht, was alles zu erledigen ist, und<br />
darüberhinaus tun sie meistens nichts. später machen<br />
sie viel von selber. lehrlinge estimieren es, wenn man<br />
ihnen genaue Verantwortungen überträgt. lässt man<br />
sie bloß wie in einer fabrik arbeiten, dann sinkt die Motivation<br />
sehr schnell auf null.“<br />
überzogene Vorstellungen<br />
Die familiäre atmosphäre in seinem betrieb bringe ein<br />
positives und persönliches arbeitsklima mit sich, meint<br />
Markus Greber. „so können sich die lehrlinge mit dem<br />
Geschäft auch ein bisschen identifizieren. in einem großen<br />
Geschäft ist man ja doch nur eine nummer.“ Der<br />
lehrherr ist sich sicher, dass es eigentlich nicht schwierig<br />
ist, gute lehrlinge zu finden, aber viele hätten leider<br />
total überzogene Vorstellungen: „speziell im Einzelhandel<br />
glauben sie, dass sie schon freitagnachmittag frei<br />
haben können und dabei auch noch einen bombenzahltag<br />
verdienen. ich glaube, da wird ihnen von der heutigen<br />
Gesellschaft auch oft etwas vorgegaukelt.“<br />
sanitär- und klimatechniker bei fa. lukas<br />
Etwas andere Erfahrungen hat der lehrlingsbeauftragte<br />
richard rumpold mit den Jugendlichen gemacht, die<br />
sich bei der firma lukas bewerben. Die heizungs- und<br />
sanitärfirma beschäftigt insgesamt an die 40 Mitarbeiter<br />
und derzeit 10 lehrlinge, ab september sogar 12.<br />
Die firma lukas engagiert sich sehr, wenn es um die<br />
ausbildung der lehrlinge geht, dafür wurde der betrieb<br />
auch als „ausgezeichneter lehrbetrieb“ gewürdigt. Der<br />
beruf (eine Doppellehre), der hier gelernt werden kann,<br />
nennt sich „sanitär- und Klimatechniker“. Die ausbildung<br />
dauert vier Jahre. Es handelt sich dabei um einen<br />
typischen Männerberuf; Mädchen bewerben sich<br />
kaum, vor allem weil es ein körperlich sehr anstrengender<br />
beruf ist.<br />
lehrlinge waren früher anders<br />
richard rumpold arbeitet schon lange für die firma lukas,<br />
seit vier Jahren ist er lehrlingsbeauftragter. „Was<br />
ich so beobachte, ist, dass die lehrlinge früher schon<br />
anders waren als heute. ich kann zwar nur sagen, wie<br />
ich früher war – und so lange ist das noch nicht her –<br />
aber die Zeiten sind einfach anders geworden. Die Kinder<br />
haben heute mehr Möglichkeiten. Manchmal ist es<br />
dann zwar so, dass das Pflichtbewusstsein nicht mehr<br />
so da ist und dass sie Dinge sehr locker und leger nehmen.<br />
auf der anderen seite sind sie heutzutage viel offener<br />
und nicht mehr so scheu und zurückhaltend wie<br />
früher. teilweise kippt es dann vielleicht sogar schon<br />
ins freche hinein. aber das kommt eben auch sehr auf<br />
das Elternhaus an.“<br />
Man muss sie ernst nehmen<br />
Markus Greber findet nicht, dass die Jugend oder die<br />
lehrlinge heutzutage schlechter sind als früher. Es<br />
komme immer drauf an, wie man mit ihnen umgehe,<br />
so der lehrlingsbeauftragte: „Man muss sie ernst nehmen.<br />
Darauf stehen sie. Wenn sie sich ernst genommen<br />
fühlen, dann verhalten sie ein bisschen anders. Die<br />
teenager heutezutage fragen nach, bevor sie etwas<br />
tun. sie sind offener und selbstständiger. Wobei ihnen<br />
oft auch viele sachen gleichgültig sind. Ein thema bei<br />
uns ist etwa die stundenschreiberei. bei uns läuft das<br />
mittels strichcode und laserstift. aber teilweise fehlen<br />
ihre stunden. Das wird jede Woche abgelegt und der<br />
ganzen belegschaft mitgeteilt. Wenn stunden fehlen,<br />
muss man sie nachtragen, aber das ist denen oft einfach<br />
egal. Das ist doch seltsam – das sind ihre eigenen<br />
stunden, die sie nicht schreiben, das heißt, sie haben<br />
offiziell diese stunden nicht gearbeitet. Da fragt man<br />
sich schon, woher das kommt. sonst sind sie immer<br />
so klug, aber wenn es um ihre eigenen stunden geht,<br />
dann ist ihnen das egal.“<br />
stress mit der pubertät<br />
Was Probleme mit lehrlingen und Jugendlichen angehe,<br />
so seien diese meist pubertärer natur. „Wenn ein<br />
lehrling stress mit seiner freundin hat, oder wenn seine<br />
freundin sogar schluss macht, kann das gleich ausarten.<br />
Der sitzt dann unkonzentriert in der schule und<br />
bringt auf einmal drei fünfer nach hause und bleibt<br />
zuletzt noch sitzen, obwohl er nachhilfe bekommt und<br />
es eigentlich gekonnt hätte. Meistens sind das lehrlinge<br />
im zweiten oder dritten lehrjahr, da erwischt sie die<br />
Pubertät voll. besser wird es normalerweise spätestens<br />
im vierten lehrjahr, wenn sie 18 oder 19 Jahre alt sind.<br />
im ersten Jahr geht es meistens auch noch recht gut,<br />
weil sie von der schule noch sehr geprägt sind. aber im<br />
zweiten, dritten lehrjahr hängt es ihnen einfach durch.<br />
Danach fangen sie sich wieder.“<br />
guter arbeiter, schlechter schüler<br />
interessant ist, dass viele lehrlinge zwar gute arbeiter<br />
seien, aber mit der schule rein gar nichts anfangen können<br />
und sich dementsprechend schwer tun. „sie wissen<br />
auf der baustelle ganz genau, wo dieses und jenes rohr<br />
hingehört, aber wenn sie dasselbe in der schule berechnen<br />
sollten, dann funktioniert es nicht. ich glaube, es<br />
gibt eben immer solche, die lieber arbeiten und solche,<br />
die lieber denken“, resümiert richard rumpold. beson-<br />
MarKtPlatZHofsteig 16 | 17
ausbildner richard rumpold,<br />
lehrlinge angelika bickel und anna stadelmann<br />
der firma lukas –<br />
ausgezeichneter lehrbetrieb<br />
ders stolz ist er, wenn ein lehrling seinen abschluss<br />
macht, vielleicht sogar mit auszeichnung. oder wenn<br />
ein schulisch schlechter lehrling durch intensives lernen<br />
und geförderte nachhilfe die schule schafft, auch<br />
wenn´s nur mit der note Vier sei. „Das ist schon etwas<br />
tolles, wenn aus ihnen gute leute werden.“<br />
die Jugend ist nicht dem untergang geweiht<br />
ob bei Mirjana Mesarek, im spar-Markt von Markus<br />
Greber oder in der firma lukas, alle drei betriebe machen<br />
sich ihre Gedanken über den richtigen umgang<br />
mit lehrlingen und darüber, wie man sie noch besser<br />
anleiten könnte. sie nehmen alle gerne lehrlinge zu<br />
sich in die ausbildung und versuchen diese auch nach<br />
der lehre zu behalten. natürlich müssen die Jugendlichen<br />
in den Wolfurter betrieben immer noch „viel dazu<br />
lernen“, und sie haben alle ihre fehler und unebenheiten<br />
– aber wer hat das eigentlich nicht? Gewünscht wären<br />
hier und da noch etwas mehr selbstengagement,<br />
respekt und weniger Gleichgültigkeit. Generell wird<br />
jedoch die offene, freundliche und lockere art der heutigen<br />
Jugend weitgehend geschätzt.
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wolfurter Herbstmarkt, sonntag, 3. oktober<br />
Der traditionelle Wolfurter herbstmarkt findet am<br />
sonntag, den 3. oktober statt. auch heuer ist wieder<br />
ein buntes rahmenprogramm geplant: frühschoppen,<br />
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an verschiedenen stellen des Marktes spielen wird.<br />
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freuen uns auf ihre teilnahme.<br />
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Ziel der aktion ist es, einen anreiz zu schaffen, seine<br />
besorgungen möglichst umweltfreundlich und im eigenen<br />
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den teilnehmerbetrieben per rad, zu fuß oder mit<br />
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