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Sonderdruck - molitor schuh und sport

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5/2013 www.ostechnik.de<br />

Biomechanik<br />

Das Human Performance Laboratory, Calgary<br />

Wirkung ohne Nachweis? Studien zu sensomotorischen Einlagen<br />

Das „Kniekonzept“: Einlagen bei Kniebeschwerden<br />

<strong>Sonderdruck</strong><br />

Offizielles Organ des<br />

Zentralverbandes Ges<strong>und</strong>heitshandwerk<br />

Orthopädie<strong>schuh</strong>technik<br />

<strong>und</strong> des<br />

Internationalen Verbandes<br />

der Orthopädie<strong>schuh</strong>techniker


M E D I Z I N & T E C H N I K<br />

Dirk Molitor:<br />

Das „Kniekonzept“<br />

Ein analytisches Verfahren zum Nachweis der<br />

Wirkungsweise von Einlagen bei Kniebeschwerden.<br />

Zusammenfassung:<br />

Ein oft erwähnter <strong>und</strong> von Orthopäden<br />

vertretener Behandlungsansatz bei Kniebeschwerden<br />

ist die Unterstützung der<br />

Fußstatik durch eine Einlagenversorgung.<br />

Das „Kniekonzept“ stellt ein Verfahren<br />

dar, das die Wirkung der Einlage über den<br />

Quadrizepswinkel (Q-Winkel) mess- <strong>und</strong><br />

damit überprüfbarbar macht.<br />

Das „Kniekonzept“ beinhaltet eine<br />

funktionelle Analyse der Kniebewegung<br />

unter Belastung auf dem Laufband <strong>und</strong><br />

darauf folgend eine Einlagenversorgung,<br />

die gezielt zur Schmerzentlastung auf die<br />

Kniekinematik einwirkt. Die Idee dazu ist<br />

im Rahmen meiner täglichen Arbeit am<br />

Pa tienten entstanden.<br />

Der Schwerpunkt meiner Versorgung<br />

unterliegt seit 15 Jahren der funktionellen<br />

Betrachtungsweise. Mit der zur Verfügung<br />

stehenden Technik konnte dieser<br />

mir wichtige Aspekt bisher nicht anwendungsorientiert<br />

realisiert werden. Eine<br />

speziell für das „Kniekonzept“ entwickelte<br />

Software ermöglicht nun in einer Test-<br />

Retest-Analyse den kontrollierten Einfluss<br />

der Einlagenversorgung auf den Q-<br />

Winkel. Meine Erfahrung an 187 Personen<br />

hat gezeigt, dass eine gewollte Q-Winkel-<br />

Veränderung positiven Einfluss auf das<br />

jeweilige Schmerzbild hat.<br />

Anschrift des Verfassers:<br />

OSM Dirk Molitor<br />

Schuh + Sport Molitor GmbH<br />

Belmer Straße 34/36<br />

49084 Osnabrück<br />

E-Mail: info@<strong>molitor</strong>-os.de<br />

46 Orthopädie<strong>schuh</strong>technik 5/2013<br />

Etwa 50 Prozent der Bevölkerung<br />

geben gewöhnlich an, im vergangenen<br />

Monat mindestens eine<br />

Woche lang an Schmerzen des Bewegungsapparates<br />

gelitten zu haben.<br />

Laut Bevölkerungserhebungen sind<br />

Rückenschmerzen die häufigsten lokal<br />

begrenzten Schmerzen; bei Erwachsenen<br />

im jüngeren <strong>und</strong> mittleren Alter,<br />

bei älteren Menschen sind es Knie -<br />

schmerzen [1].“<br />

Meine Erfahrung zeigt, dass Knieprobleme<br />

auch bei jüngeren Menschen<br />

immer mehr zunehmen. Dabei sind die<br />

Beschwerdebilder häufig strukturell<br />

unspezifisch. Das MRT <strong>und</strong> das Röntgenbild<br />

gibt oftmals keine Auffälligkeiten<br />

preis. Eine Ursache der Beschwerde<br />

kann dann in der fehlerhaften<br />

Funktionalität liegen. In diesen<br />

Fällen ist es sinnvoll, die Steuerung<br />

der Beinachse zu untersuchen, um die<br />

beschwerdeerzeugende Bewegung am<br />

Knie zu identifizieren. Die Messung der<br />

Veränderung des Quadrizepswinkels<br />

(Q-Winkel, s. Abb. 2) über den Schrittverlauf<br />

macht deutlich, ob die Kniesteuerung<br />

im Wesentlichen vom<br />

Becken abwärts oder vom Fuß aufwärts<br />

beeinflusst wird. Ist der Einfluss<br />

primär fußaufwärts, kann über eine<br />

Einlagenversorgung interveniert <strong>und</strong><br />

dieser Einfluss zur objektiven Darstellung<br />

an der Q-Winkel-Veränderung gemessen<br />

werden.<br />

Die Veränderung des Q-Winkels vom<br />

unbelasteten zum belasteten Bein erweist<br />

sich als geeigneter Parameter zur<br />

Beurteilung der Kniesteuerung, da dieser<br />

Q-Winkel sowohl von der Bewegung<br />

am Hüftgelenk über den Oberschenkel<br />

als auch von der Rückfußbewegung<br />

über den Unterschenkel beeinflusst<br />

wird.<br />

Aufgr<strong>und</strong> meiner Erfahrung gehe ich<br />

im „Kniekonzept“ von folgender<br />

Gr<strong>und</strong> annahme aus. Vergrößert sich<br />

der Q-Winkel am beschwerdereichen<br />

Knie zur Stoßdämpfungsphase („loading<br />

response“), ist das Therapieziel<br />

zur Schmerzentlastung eine Verkleinerung<br />

dieses Winkels.<br />

Verkleinert sich der Q-Winkel am<br />

beschwerdereichen Knie zur Stoß -<br />

dämpfungsphase, ist das Therapieziel<br />

zur Schmerzentlastung eine Vergrößerung<br />

dieses Winkels.<br />

Zum Wirkungsnachweis der Einlage<br />

werden im „Kniekonzept“ zum einen<br />

Abfragen zur Schmerzentwicklung<br />

nach der visuellen Analogskala (VAS)<br />

durchgeführt. Zum anderen werden<br />

kinematische Kontrollmessungen<br />

(Lauf bandanalyse) absolviert. Die Kont -<br />

rollmessungen finden sechs Wochen<br />

nach der Auslieferung statt. Verglichen<br />

werden<br />

– die Barfußmessung,<br />

– die Einlagenversorgung im Neutral<strong>schuh</strong>,<br />

– die Barfußmessung im Neutral<strong>schuh</strong>.<br />

Die Gr<strong>und</strong>lagen<br />

Das „Kniekonzept“ fußt auf Gr<strong>und</strong>lagen<br />

<strong>und</strong> Arbeiten von:<br />

Kirsten Götz-Neumann<br />

Kirsten Götz-Neumann vermittelt die<br />

Unterteilung des Ganges in acht Phasen<br />

mit den entsprechenden Muskelaktivitäten<br />

<strong>und</strong> Gelenkbewegungen. Das<br />

„Kniekonzept“ fokussiert sich auf die<br />

ers te Phase, den Initialen Kontakt<br />

(„initial contact“), sowie die zweite<br />

Phase, die Stoßdämpfungsphase („loading<br />

response“). Das sind die Phasen<br />

des Gangzyklus’, in denen die höchste<br />

Muskelaktivität gefordert wird, da am<br />

unteren Sprunggelenk, am Knie <strong>und</strong> an<br />

der Hüfte starke Drehmomente ausgelöst<br />

werden. Das Kniegelenk spielt<br />

in dieser Phase eine wichtige Rolle für<br />

die benötigte dynamische Stabilität<br />

[2]. Diese zwei Phasen werden im<br />

„Kniekonzept“ übernommen.<br />

Wolfram Fischer<br />

Wolfram Fischer gilt für die Orthopädie<strong>schuh</strong>technik<br />

als Pionier der computerunterstützten<br />

Videoanalyse. Ne-


en der Visualisierung legt Fischer<br />

Wert auf graphische Darstellungen von<br />

Winkelverläufen <strong>und</strong> Bewegungsmus -<br />

tern. Er rechnet mit Winkelwerten <strong>und</strong><br />

relativiert die Bewegung mit den<br />

Standwerten [3]. Das „Kniekonzept“<br />

rechnet ebenfalls mit relativen Werten.<br />

Im „Kniekonzept“ wird das<br />

unbelas tete Bein mit dem belasteten<br />

Bein verglichen.<br />

Prof. Dr. Christopher M. Powers<br />

Prof. Christoper M. Powers beschreibt<br />

Schmerzsymptome am Knie als Folge<br />

von inadäquaten Rotations mechanis -<br />

men des Oberschenkels im Verhältnis<br />

zum Unterschenkel während der<br />

Stoßdämpfungsphase. Das Knie ist<br />

nach seiner Auffassung das „Opfer“<br />

zwischen Hüfte <strong>und</strong> Fuß. Er benutzt<br />

den Q-Winkel als Modell zur Darstellung<br />

von dem, was oberhalb <strong>und</strong> unterhalb<br />

passiert [4]. Powers beschreibt<br />

den Q-Winkel von der Spina iliaca anterior<br />

superior (SIAS) zur Tuberositas<br />

tibiae mit dem Scheitelpunkt in der<br />

Patellamitte [4]. „Das Kniekonzept“<br />

bewertet die Q-Winkel-Veränderungen<br />

unter Be rück sichtigung dieser Rotationsmechanismen<br />

(Abb. 2).<br />

Powers et al. 2008 beschreiben die<br />

Beziehung der Pronation des Fußes zu<br />

der Rotation von Tibia <strong>und</strong> Femur. Für<br />

das „Kniekonzept“ ist die Erkenntnis,<br />

dass eine Rückfußeversion nicht zwingend<br />

mit einer Tibiainnenrotation einhergeht,<br />

von besonderer Bedeutung.<br />

Die Bewegung am Schienbeinkopf unterliegt<br />

auch den Muskelzügen, die<br />

vom Becken abwärts kommend am<br />

Tibiakopf medial <strong>und</strong> lateral ansetzen.<br />

Powers macht beckenabwärts gerichtete<br />

Einflüsse für die Tibiabewegung verantwortlich<br />

[5]. Für das „Kniekonzept“<br />

gilt die Schlussfolgerung, dass, wenn<br />

die Tibiasteuerung nicht der Rückfußbewegung<br />

entspricht, dies auf muskuläre<br />

Einflüsse beckenabwärts<br />

schließen lässt.<br />

Dr. Jens Wippert<br />

Des Weiteren beschreibt Dr. Jens Wippert<br />

– als Vertreter des Spiraldynamik®-Konzepts<br />

– physiologische Fortbewegung<br />

als das Ergebnis einer spiralischen<br />

Verschraubung von Koordina -<br />

tionseinheiten. Es wird anatomisch<br />

begründet verdeutlicht, dass die<br />

Beinachse – <strong>und</strong> damit die Position<br />

des Knies – durch die Verschraubung<br />

vom Ober- zum Unterschenkel stabilisiert<br />

wird. Dabei ist die Vorfußpronati-<br />

1 Dirk Molitor<br />

führt sein<br />

Verfahren zur<br />

Analyse von<br />

Kniebeschwerden<br />

vor. (Foto:<br />

E. Parton, NOZ)<br />

on gegen die Supination der Ferse<br />

sowie die Außenrotation des Femurs<br />

gegen die Innenrotation der Tibia<br />

Voraussetzung für eine adäquate<br />

Verschraubung des Beines. Nach seinen<br />

Ausführungen gilt dieser Mechanismus<br />

als Garant für eine stabile<br />

Beinachse [6]. Das „Kniekonzept“<br />

berücksichtigt diese Erkenntnisse der<br />

bipolaren Einflüsse auf die Kniesteuerung.<br />

Prof. Andrzej Seyfried<br />

Prof. Andrzej Seyfried hat am Beispiel<br />

des sogenannten Pseudo-Valgus-Knies<br />

aufgezeigt, wie wichtig ein stabiler<br />

erster Fußstrahl für die Kniesteuerung<br />

ist. Seyfried hat in diesem Zusammenhang<br />

die Bedeutung des M. peroneus<br />

longus zur Schmerzentlastung an Fuß,<br />

Knie <strong>und</strong> Hüfte bei Rheumatikern beschrieben.<br />

Nach dem Aktivitätsgrad<br />

des M. peroneus longus hat er ein<br />

funktionelles Versorgungskonzept deklariert.<br />

Das „Kniekonzept“ greift diese<br />

Impulse für die einlagentechnische<br />

Versorgung auf [7].<br />

„Das Kniekonzept“<br />

Die Entwicklung des „Kniekonzeptes“<br />

ist vom B<strong>und</strong>esministerium für Wirtschaft<br />

<strong>und</strong> Technologie gefördert worden.<br />

1 Dem Verfahren zum Nachweis der<br />

Wirkungsweise von Einlagen ist eine<br />

Anmeldung zum Europapatent anhängig.<br />

Eine anschließende Bachelorarbeit<br />

der Fachhochschule Osnabrück [7]<br />

<strong>und</strong> meine eigenen Erfahrungen bei<br />

187 Probanden haben gezeigt, dass<br />

sich Q-Winkel <strong>und</strong> Schmerzen mit Einlagen<br />

beeinflussen lassen. 2<br />

M E D I Z I N & T E C H N I K<br />

Die Prozessbeschreibung<br />

Im Folgenden wird anhand eines ausgewählten<br />

Falls der Prozess der Analyse,<br />

der Versorgung <strong>und</strong> der Überprüfung<br />

im Rahmen des „Kniekonzeptes“<br />

beschrieben.<br />

Das Fallbeispiel<br />

Untersucht worden ist ein 21-jähriger<br />

männlicher Proband mit lateral-frontalen<br />

Schmerzen am rechten Knie (VAS<br />

5) in der Stoßdämpfungsphase. Das<br />

Knie hatte im MRT <strong>und</strong> im Röntgenbild<br />

keine Auffälligkeiten gezeigt.<br />

Physiologische Tests (Seyfried-Test)<br />

zeigten rechts eine Pronationseinschränkung<br />

im unteren Sprunggelenk<br />

<strong>und</strong> unter Belas tung eine Schwäche<br />

des M. peroneus longus auf.<br />

1 Entwicklungsprojekt zur Stärkung der Innovationskompetenz<br />

mittelständischer Unternehmen,<br />

Pro Inno II, Projekttitel: Entwicklung<br />

einer Schuhkonstruktion mit Fußbettung<br />

zur Reduktion von Kniebeschwerden<br />

beim Wandern, Teilprojekt Firma Schuhe<br />

<strong>und</strong> Sport Molitor GmbH, Orthopädie<strong>schuh</strong>technik:<br />

Einlagenentwicklung <strong>und</strong> Entwicklung<br />

der Versuchs- <strong>und</strong> Messeinrichtung,<br />

Projektzeitraum: 01.05.2007 bis<br />

31.10.2008.<br />

2 Molitor D.: Das Kniekonzept, ein analytisches<br />

Verfahren zum Nachweis der Wirkungsweise<br />

von Einlagen bei Kniebeschwerden,<br />

Vortrag: Weltkongress für Orthopädie<br />

<strong>und</strong> Reha Technik, Leipzig 2012.


M E D I Z I N & T E C H N I K<br />

Nach Markierung der Beinachse<br />

wurde das Gangbild unter Belastung<br />

auf dem Laufband analysiert. Gefilmt<br />

wurde von ventral, von dorsal <strong>und</strong> von<br />

sagittal mit drei lotrecht ausgerichteten<br />

Kameras (Abb. 1).<br />

Aufgezeichnet wird die Bewegung<br />

barfuß. Die Ganggeschwindigkeit ist<br />

individuell vom Probanden abhängig,<br />

<strong>und</strong> lag in diesem Fall bei 6 km/h.<br />

Gemessen werden:<br />

– der Quadrizepswinkel (Q-Winkel),<br />

– der Oberschenkeladduktionswinkel<br />

(OS-Winkel), wie er in Abb. 2 dargestellt<br />

ist,<br />

– der Patellasehnenwinkel (PS-Winkel),<br />

– die Tibiakopfsteuerung (Knie-Weg),<br />

– der Fersenbeinwinkel (FB-Winkel),<br />

– der Kniebeugewinkel (sagittaler<br />

Knie winkel).<br />

Die Software ermittelt die Durchschnittswerte<br />

von drei aufeinander -<br />

folgenden Schritten pro Seite. Danach<br />

werden die relativen Winkelveränderungen<br />

vom unbelasteten Bein zum<br />

belasteten Bein errechnet. Hier übernimmt<br />

das Knie in kurzer zeitlicher<br />

Folge die Aufgabe der Gewichtsübernahme<br />

<strong>und</strong> der Stoßdämpfung [2]. Die<br />

Veränderung der Körperwinkel wird<br />

48 Orthopädie<strong>schuh</strong>technik 5/2013<br />

über die Differenz der jeweiligen Winkelwerte<br />

der Stoßdämpfungsphase <strong>und</strong><br />

des Initialen Kontakts berechnet (Tabelle<br />

1).<br />

Die Differenz zwischen den Winkelwerten<br />

der Stoß dämpfungsphase <strong>und</strong><br />

des Initialen Kontakts zeigt beim rechten<br />

Bein:<br />

– Der Q-Winkel verkleinert sich (-1,2°),<br />

– der Oberschenkeladduktionswinkel<br />

(1,6°) zeigt Adduk tion,<br />

– der Patellasehnenwinkel (-2,8°) bildet<br />

den Haupteinfluss für die Q-Winkel-Veränderung.<br />

2 Der Quadrizepswinkel<br />

(Q-Winkel) ist ein zusammengesetzter<br />

Winkel.<br />

Q-Winkel = Oberschenkeladduktionswinkel<br />

+<br />

Patellasehnenwinkel.<br />

(Abkürzungen: SIAS:<br />

Spina iliaca anterior superior.<br />

PS-Winkel: Patellasehnenwinkel,<br />

OS-Winkel:<br />

Oberschenkeladduktionswinkel<br />

im Sinne des<br />

„Kniekonzepts“).<br />

Der besondere Wert des „Kniekonzeptes“<br />

liegt darin, die Q-Winkel-Veränderung,<br />

die Oberschenkeladduk -<br />

tionswinkel-Veränderung, die Patellasehnenwinkel-Veränderung,<br />

die Fersenbeinwinkel-Veränderung<br />

sowie den<br />

Knieweg darzustellen <strong>und</strong> diese in Verbindung<br />

zu bringen. Die Verknüpfung<br />

der Para meter verdeutlicht die Kniesteuerung<br />

<strong>und</strong> identifiziert den Pathomechanismus.<br />

Die Software ermittelt den Weg der<br />

rechten Tuberositas tibiae am Ende der<br />

Stoßdämpfungsphase (Abb. 3): Der<br />

3 Die Tibiakopfsteuerung<br />

im<br />

Schrittverlauf.<br />

Der Tibiakopf<br />

steuert lateral.


Schienbeinkopf bewegt sich nach lateral.<br />

Bei ausreichender Knieflexion (13°)<br />

<strong>und</strong> unter Berücksichtigung der Rotationsfähigkeit<br />

von Ober- <strong>und</strong> Unterschenkel<br />

[4] zeigt sich am schmerzhaften<br />

Knie eine Oberschenkel-Innenrotation<br />

in Verbindung mit einer Unterschenkel-Außenrotation.<br />

Die Differenz der Fersenbeinwinkel-<br />

Werte von Stoßdämpfungsphase <strong>und</strong><br />

Ini tialem Kontakt zeigen am rechten<br />

Rückfuß keine Eversion (Abb. 4). Der<br />

Rückfuß positioniert sich zur Stoß -<br />

dämpfungsphase sogar leicht inversiv.<br />

In vivo gibt es viele Bewegungs -<br />

variationen bezüglich darauf, wie sich<br />

der Oberschenkel zur Hüfte, der Oberschenkel<br />

zum Unterschenkel <strong>und</strong> der<br />

Unterschenkel zum Rückfuß verhält.<br />

Zu jeder Variation lässt sich der Haupt -<br />

einfluss (Hüfte oder Fuß) auf die Kniesteuerung<br />

ableiten.<br />

Bildet der Oberschenkeladduktionswinkel<br />

mathematisch den Hauptausschlag<br />

für die Q-Winkel-Veränderung,<br />

so wird das Knie hauptsächlich von der<br />

Hüfte abwärts beeinflusst.<br />

Bildet der Patellasehnenwinkel mathematisch<br />

den Hauptausschlag für<br />

die Q-Winkel-Veränderung, so kann<br />

noch nicht konkret behauptet werden,<br />

dass die Kniebewegung hauptsächlich<br />

vom Fuß aufwärts beeinflusst wird.<br />

Denn die Bewegung am Schienbeinkopf<br />

unterliegt auch den Muskelzügen,<br />

VAS 5 rechts lateral Werte<br />

Initialer Kontakt<br />

(IC)<br />

Stoßdämpfung<br />

(LR)<br />

links<br />

rechts<br />

links<br />

rechts<br />

die beckenabwärts kommend am<br />

Tibiakopf medial <strong>und</strong> lateral ansetzen<br />

[4].<br />

Das bekannte physiologische Modell<br />

nach Kapandji <strong>und</strong> Debrunner besagt,<br />

dass einer Rückfuß-Eversion eine<br />

Tibia-Innenrotation folgt, <strong>und</strong> umgekehrt<br />

einer Rückfuß-Inversion eine<br />

Tibia-Außenrotation folgt [8; 9]. Sollte<br />

von einer Fersen-Eversion auf eine<br />

Innenrotation der Tibia geschlossen<br />

werden, müsste sich der Tibiakopf<br />

nach medial bewegen. Nach diesem<br />

Plausibilitätsprinzip werden im Programm<br />

alle Bewegungsvariationen abgebildet<br />

<strong>und</strong> einem hauptverantwortlichen<br />

Pol zugeordnet.<br />

In diesem Beispiel konnten wir<br />

folglich feststellen, dass die Kniebewegung<br />

in der Stoßdämpfungsphase<br />

hauptsächlich vom Fuß aufwärts gesteuert<br />

wird. Die Zielstellung ist, über<br />

eine Einlagenversorgung – gegenläufig<br />

der aufgezeigten Bewegung – zu intervenieren.<br />

Die Einlage sollte somit vom<br />

Initialen Kontakt zur Stoßdämpfungsphase<br />

eine Q-Winkel-Vergrößerung<br />

herbeiführen, die Rückfuß-Inversion<br />

verhindern <strong>und</strong> die Pronation stärken.<br />

(Abb. 5)<br />

Die Einlage<br />

Die Einlage wird über einen individuellen,<br />

teilbelasteten Schaumabdruck gefertigt.<br />

Die Tibia ist beim Abdruck -<br />

verfahren vertikal zur Bodenfläche<br />

Q-Winkel 12,7°<br />

OS-Winkel 5,4°<br />

PS-Winkel 7,3°<br />

Q-Winkel 16,5°<br />

OS-Winkel 6,5°<br />

PS-Winkel 10,0° LR-IC<br />

Knie-Winkel sagittal 11,0<br />

Q-Winkel 11,4° -1,3<br />

OS-Winkel 6,6° 1,2<br />

PS-Winkel 4,9° -2,4<br />

Knie-Winkel sagittal 13,0<br />

Q-Winkel 15,3° -1,2<br />

OS-Winkel 8,1° 1,6<br />

PS-Winkel 7,2° -2,8<br />

Tabelle 1: Die Q-Winkel-Veränderung im Rechts-links-Vergleich. (Abkürzungen: OS-Winkel:<br />

Oberschenkeladduktionswinkel, PS-Winkel: Patellasehnenwinkel).<br />

M E D I Z I N & T E C H N I K<br />

ausgerichtet, die Fußachse ist beim<br />

Abdruckverfahren orthograd zur Tibia<br />

eingestellt. Durch das teilbelastete<br />

Abdruckverfahren unterliegt der Fuß<br />

keiner belastungsbedingten Deformität.<br />

Das Material der Einlage weist<br />

Formbeständigkeit auf. Die elastischen<br />

Polyadditionsschäume der Firma Ietec<br />

erfüllen diese Eigenschaften [10]. Die<br />

Einlage ist sehr flexibel <strong>und</strong> weist auch<br />

nach Dauereinsatz keine signifikanten<br />

Materialveränderungen auf. Diese Einlage<br />

(Knieeinlage) ist eine Schaleneinlage,<br />

die den Rückfuß bis zu den Mittelfußköpfchen<br />

umfasst.<br />

4 Der Rückfuß zeigt keine Eversion.<br />

5 Beispiel einer Plausibilitätskette.


M E D I Z I N & T E C H N I K<br />

6 Die „Knieeinlage“, mit Stimulationsmodul<br />

für den M. peroneus longus nach Prof. Seyfried.<br />

Je nach gewünschter Ausrichtung<br />

der Tibiasteuerung besteht die Möglichkeit,<br />

Keile in drei Millimeter Stärke,<br />

innen oder außen im Fersenbereich<br />

oder als klassische Außen- oder Innenranderhöhungen<br />

im Vorfußbereich, anzubringen.<br />

Ein weiteres Modul ist das Stimulationsmodul<br />

unter MFK 1 nach Prof.<br />

Seyfried [7]. Es initiiert einen Reiz zur<br />

Ansteuerung des M. peroneus longus<br />

(Abb. 6). Der Proband im Beispiel ist<br />

rechts mit diesem Stimulationsmodul<br />

versorgt worden. Nach dem Modell der<br />

Spiraldynamik® verhindert ein aktiver<br />

M. peroneus longus die Unterschenkel-<br />

Außenrotation <strong>und</strong> verschraubt den<br />

Vorfuß gegen den Rückfuß [6].<br />

Die Kontrolle<br />

Sechs Wochen nach Auslieferung der<br />

Einlage findet eine Kontrollmessung<br />

statt. Der aktuelle Schmerzfaktor wird<br />

mittels VAS-Skala dokumentiert. Gemessen<br />

wird von anterior im Neutral<strong>schuh</strong><br />

mit Einlage sowie im Neutral<strong>schuh</strong><br />

barfuß. Für jedes Video wird die<br />

Q-Winkel-Veränderung aus drei aufei -<br />

nanderfolgenden Schritten pro Seite<br />

mathematisch gemittelt. Um die Wirkung<br />

vom Fuß auf die gesamte<br />

Beinachse deutlich zu machen, wird<br />

die Q-Winkel-Veränderung mit Einlage<br />

der Q-Winkel-Veränderung ohne Einlage<br />

gegenübergestellt. Im Beispiel wurde<br />

die Q-Winkel-Vergrößerung erzielt<br />

(Tabelle 2).<br />

Ergebnis<br />

Im diesem Beispiel ist der Proband mit<br />

Einlagen versorgt worden, weil der<br />

Haupteinfluss zur Stoßdämpfungs -<br />

50 Orthopädie<strong>schuh</strong>technik 5/2013<br />

phase nach der „Kniekonzept“-Methode<br />

dem Fuß zugeschrieben wurde. Der<br />

Patient ist beschwerdefrei.<br />

Diskussion<br />

Im gezeigten Beispiel ist die Q-Winkel-<br />

Veränderung zur Stoßdämpfungsphase<br />

Auffälligkeiten untergeordnet, die<br />

schon vor dem Initalen Kontakt auftreten.<br />

Bei dem Probanden positioniert<br />

sich die Oberschenkelachse im Verhältnis<br />

zum Hüftgelenk schon vor dem<br />

Initialen Kontakt „pathologisch“ nach<br />

innen. Deutlich wird dies durch den<br />

auffälligen Patellasehnenwinkel (10°)<br />

beim Initialen Kontakt (Tabelle 1).<br />

In der Norm bleibt die Patella vor<br />

dem Initialen Kontakt gerade nach<br />

vorne orientiert <strong>und</strong> dreht auf keinen<br />

Fall nach innen [6]. Die Einlage kann<br />

nur wirken, sobald der Fuß Bodenkontakt<br />

hat. Zeigen sich vor dem Initialen<br />

Kontakt schon Pathomechanismen wie<br />

im Beispiel, schaffen diese die Voraussetzungen<br />

für den Q-Winkel in der<br />

Stoßdämpfungsphase.<br />

Zur Verbesserung des Initialen Kontaktes<br />

ist es deshalb wichtig, sich mit<br />

der Impulsmuskulatur <strong>und</strong> den Leitmuskeln<br />

<strong>und</strong> deren Antagonisten an<br />

Hüfte, Knie <strong>und</strong> Fuß zu befassen, die<br />

in der Terminalen Schwungphase die<br />

Bein achse positionieren [6]. Sind diese<br />

Muskeln therapiert, ist davon auszugehen,<br />

dass sich neue Eingangsverhältnisse<br />

ergeben, die die Q-Winkel-<br />

Veränderung beeinflussen.<br />

Auffällige Eingangsverhältnisse, die<br />

nachhaltig den Q-Winkel in der<br />

Stoßdämpfungsphase beeinflussen,<br />

sind:<br />

– Außen <strong>und</strong> Innenrotationsstellung<br />

von Ober- <strong>und</strong> Unterschenkel,<br />

– das Überkreuzen der Körpermitte,<br />

– die Vorfußlandung,<br />

– die Translation des Körperschwerpunktes<br />

zur Standbeinseite.<br />

Die Eingangsverhältnisse beim Ini -<br />

tialen Kontakt stehen in Abhängigkeit<br />

zur aktuellen physischen Verfassung<br />

des Probanden. Deshalb empfehle ich,<br />

die objektive Wirkungskontrolle der<br />

Einlagenversorgung direkt am Kontrolltag<br />

unter gleichen Vorrausetzungen<br />

vorzunehmen (im Neutral<strong>schuh</strong><br />

mit Einlage sowie im Neutral<strong>schuh</strong><br />

barfuß.) Die Software ermöglicht so<br />

eine Test-Retest-Analyse, um kontrollierten<br />

Einfluss über die Einlagenversorgung<br />

auf den Quadrizepswinkel zu<br />

nehmen. So kann auch die Wirkung<br />

modularer Ergänzungen (z.B. Innen<strong>und</strong><br />

Außenranderhöhungen) auf die<br />

Q-Winkel-Veränderung sofort geprüft<br />

werden.<br />

Die Korrelation zur Schmerzentlas -<br />

tung spricht für das in dieser Untersuchung<br />

genutzte Analyseverfahren <strong>und</strong><br />

lässt neue Möglichkeiten auch für weitere<br />

Studien zu.<br />

Studie wird in Kürze veröffentlicht<br />

In einem Zeitraum vom 01. September<br />

2009 bis zum 20. April 2012 wurden<br />

187 Probanden (n = 187) mit unspezifischem<br />

Knieschmerz konsekutiv unter<br />

Belastung auf dem Laufband analysiert.<br />

130 Probanden mit im Wesentli-<br />

Re: Pre Post Post-Pre<br />

VAS: VAS 5 VAS 0 -5<br />

Winkel-Veränderung: LR-IC LR-IC Post-Pre<br />

Q-Winkel -1,2 1,7 2,9<br />

Oberschenkeladduktionswinkel 1,6 2,7 1,1<br />

Patellasehnenwinkel -2,8 -1 1,8<br />

Tabelle 2 Vergleich Eingangsmessung (Pre) mit Ausgangsmessung (Post).<br />

(Abkürzungen: LR: Stoßdämpfungsphase, IC: Initialer Kontakt, VAS: Visuelle Analogskala)


chen vom Fuß aufwärts beeinflussten<br />

Kniebeschwerden wurden mit Einlagen<br />

versorgt (69,5%). 57 Probanden mit<br />

im Wesentlichen vom Becken abwärts<br />

beeinflussten Beschwerden wurde<br />

muskuläre Therapie empfohlen<br />

(30,5%). Von 130 Probanden (n = 130)<br />

sind 113 nach 6 Wochen zur Kontrollmessung<br />

erschienen (87%).<br />

Bei den 113 Kontrollprobanden<br />

wurde der Schmerzfaktor im Durchschnitt<br />

von 5,06 Punkten nach der visuell<br />

analogen Schmerzskala auf 1,68<br />

Punkte reduziert (Abb. 7).<br />

Nach Auswertung der gesammelten<br />

Datensätze <strong>und</strong> entsprechender statis -<br />

tischer Verfahren wird diese Studie<br />

voraussichtlich im Sommer 2013 erstmals<br />

veröffentlicht.<br />

In der Vergangenheit hat das Bef<strong>und</strong>en,<br />

Auswerten <strong>und</strong> Berichten viel<br />

Zeit benötigt. Seit Dezember 2012<br />

exis tiert das hier beschriebene, eigens<br />

auf das Kniekonzept zugeschnittene<br />

Computerprogramm 3 , welches nach eigenen<br />

Erfahrungen den Personaleinsatz<br />

um mindestens 40 Prozent reduziert.<br />

Danksagung<br />

Ich möchte mich herzlich bei Jürgen<br />

Stumpf <strong>und</strong> den Ietec-Partnern bedanken,<br />

die mir die Entwicklung <strong>und</strong> die<br />

Programmierung des Kniekonzeptes<br />

möglich gemacht haben. Weiterer Dank<br />

gilt Chefarzt Dr. Guido Hafer, Diplom<br />

Sportlehrer Marcus Trienen, Diplom<br />

Sportwissenschaftler Michael Jahn, B.<br />

Sc. Physiotherapie Anja Kage, Sportwissenschaftler<br />

Sarah Lang <strong>und</strong> Daniel<br />

Biber für die konstruktive Kritik <strong>und</strong><br />

Bewertung im Laufe der Entwicklungsgeschichte<br />

des Kniekonzeptes.<br />

8 Stoßdämpfungsphase bei der Eingangsmessung (Pre) barfuß, bei der Ausgangsmessung<br />

(Post) im Neutral<strong>schuh</strong> mit Einlage.<br />

7 Die „ pathologische“ Q-Winkel-Veränderung scheint mit den Schmerzen<br />

zu korrelieren.<br />

Literatur:<br />

M E D I Z I N & T E C H N I K<br />

1. The European Commission (2008): Health<br />

and Consumer Protection.http://ec.europa.eu/health/ph_information/dissemination/diseases/musculode.htm<br />

(Download<br />

am 30.06.08).<br />

2 Götz-Neumann K.: Gehen Verstehen, Thieme<br />

Verlag, 2003.<br />

3. Wolfram Fischer: Methodik der Bewegungsanalyse.<br />

Orthopädie<strong>schuh</strong>technik 7<br />

<strong>und</strong> 8/1994.<br />

4. Powers Ch.M.: The Influence of Altered<br />

Lower-Extremity Kinematics on Patellofemoral<br />

Joint Dysfunction: A Theoretical<br />

Perspective, Journal of Orthopaedic &<br />

Sports Physical Therapy, 11/2003.<br />

5. Powers et. al.: Relationship Between<br />

Foot Pronation and Rotation of the Tibia<br />

and Femur During Walking, Foot & Ankle<br />

International/Vol. 20, No. 8/1999.<br />

6. Wippert J.: Pathomechanik des Knies<br />

aus Sicht des Spiraldynamik-Konzepts,<br />

Orthopädietechnik, 4/2013.<br />

7. Seyfried A: Pathophysiologische Gr<strong>und</strong>lagen<br />

der Bewegungstherapie chronisch<br />

entzündlicher Gelenk- <strong>und</strong> Wirbelsäulenerkrankungen.<br />

Eular-Verlag, 1984.<br />

8. Kage A.: Effektivitätsstudie: Einlagen vs.<br />

Krafttraining bei Patienten mit langanhaltenden<br />

Knieproblemen – eine Pilot -<br />

studie, Bachelorarbeit Fachhochschule<br />

Osnabrück 2009.<br />

9. Kapandji: Funktionelle Anatomie der Gelenke,<br />

Bd.2 Untere Extremität, Enke Verlag,1999.<br />

10. Debrunner: Biomechanik des Fußes, Enke<br />

Verlag,1998.<br />

11. Michael Jahn: Prüfverfahren <strong>und</strong> Materialparameter<br />

für die Orthopädie<strong>schuh</strong>technik.<br />

<strong>Sonderdruck</strong> Orthopädie<strong>schuh</strong>technik<br />

11/2009.<br />

3 Vertrieb: Ietec Orthopädische Einlagen GmbH<br />

Produktion KG: M.A.S. Analysing-System, Movecontrol<br />

das Kniekonzept.<br />

Orthopädie<strong>schuh</strong>technik 5/2013<br />

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M E D I Z I N & T E C H N I K<br />

52 Orthopädie<strong>schuh</strong>technik 5/2013<br />

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