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Pflicht zur familienbezogenen Nutzung OVG NW, Beschl. v

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Gericht: Oberverwaltungsgericht für das<br />

Land Nordrhein-Westfalen 10.<br />

Senat<br />

Entscheidungsdatum: 17.09.2008<br />

Aktenzeichen: 10 A 2634/07<br />

Dokumenttyp: <strong>Beschl</strong>uss<br />

Leitsatz<br />

- 1 -<br />

Quelle:<br />

Normen: § 35 Abs<br />

4 S 1 Nr 2<br />

BauGB, § 35<br />

Abs 5 S 4<br />

BauGB, § 36<br />

Abs 1 VwVfG<br />

<strong>NW</strong><br />

Erfolglose Anfechtung einer Auflage zu einer Baugenehmigung;<br />

(hier: <strong>Pflicht</strong> <strong>zur</strong> künftigen <strong>familienbezogenen</strong> <strong>Nutzung</strong>)<br />

Langtext<br />

Um einen Missbrauch der Begünstigungsregelung des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB zu<br />

verhindern, kann einer Baugenehmigung für ein Ersatzgebäude im Außenbereich nach<br />

§ 35 Abs. 5 Satz 4 BauGB eine Auflage beigefügt werden, wonach das neu errichtete<br />

Wohngebäude ausschließlich für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümer oder seiner<br />

Familie genutzt werden darf. Die Auflage steht unter dem Vorbehalt einer Überprüfung bei einer<br />

unvorhergesehenen wesentlichen Änderung der tatsächlichen Umstände.(Rn.8)<br />

Fundstellen<br />

BauR 2009, 80-81 (Leitsatz und Gründe)<br />

Info BRS 2008, Nr 6, 7-9 (Leitsatz und Gründe)<br />

ZfBR 2009, 155-156 (Leitsatz und Gründe)<br />

UPR 2009, 113-114 (Leitsatz und Gründe)<br />

weitere Fundstellen<br />

DVBl 2008, 1522 (Leitsatz)<br />

BauR 2009, 287 (Leitsatz)<br />

Verfahrensgang<br />

vorgehend VG Gelsenkirchen, 10. August 2007, Az: 10 K 3176/05<br />

Diese Entscheidung wird zitiert<br />

Literaturnachweise<br />

Olaf Bischopink, BauR 2009, 65-67 (Entscheidungsbesprechung)<br />

Tenor<br />

Gründe<br />

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts<br />

Gelsenkirchen vom 10. August 2007 wird abgelehnt. Der Kläger trägt die Kosten des<br />

Zulassungsverfahrens.<br />

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.<br />

1 Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.


2 1. Aus den im Zulassungsantrag dargelegten Gründen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel<br />

an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1<br />

VwGO).<br />

3 Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage gegen die Auflage Nr. 2 zu der dem Kläger<br />

erteilten Baugenehmigung vom 21. Dezember 2004 für die Errichtung eines Wohnhauses mit<br />

Garage als Ersatzgebäude auf dem im Außenbereich gelegenen Grundstück I. Straße 65<br />

in E. -I1. zu Recht abgewiesen. Die Auflage mit dem Inhalt, "die auf dem Baugrundstück<br />

geplanten zwei Wohneinheiten sind zukünftig ausschließlich vom Eigentümer selbst bzw.<br />

dessen Familienangehörigen zu nutzen (§ 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und 5 BauGB i.V.m. § 35 Abs. 5<br />

Satz 4 BauGB)", ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.<br />

4 Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Beifügung einer Nebenbestimmung<br />

diesen Inhalts nach § 36 Abs. 1 VwVfG NRW grundsätzlich möglich ist, da sie durch die<br />

Bestimmung des § 35 Abs. 5 Satz 4 BauGB zugelassen ist.<br />

5 Nach § 35 Abs. 5 Satz 4 BauGB soll die Baugenehmigungsbehörde in den Fällen des Absatzes<br />

4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des<br />

Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird. Die Forderung des Gesetzgebers nach<br />

einer besonderen Sicherung einer zweckentsprechenden <strong>Nutzung</strong> ist vor dem Hintergrund<br />

zu sehen, dass die von § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB erfassten Vorhaben wegen ihrer fehlenden<br />

Privilegierung gemäß § 35 Abs. 1 BauGB ohne die Begünstigungsregelung nach § 35 Abs. 2<br />

und 3 BauGB zu beurteilen wären und danach im Regelfall im Außenbereich nicht zugelassen<br />

werden könnten. Mit § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB hat der Gesetzgeber, um einerseits Änderungen<br />

im Zusammenhang mit vorhandenen baulichen Anlagen im Außenbereich zu ermöglichen,<br />

andererseits aber den Außenbereich von einer Bebauung möglichst frei zu halten, ein<br />

differenziertes und abschließendes System von Einzelregelungen geschaffen, dass nicht durch<br />

Analogien oder die Kombination der verschiedenen Nummern beliebig erweiterbar ist.<br />

6 Vgl. BVerwG, <strong>Beschl</strong>uss vom 29. September 1987 - 4 B 191.87 -, BRS 47 Nr. 81; Urteil vom 12.<br />

März 1998 - 4 C 10.97 -, BRS 60 Nr. 98.<br />

7 Ein Vorhaben ist daher nur dann nach § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB in der Form begünstigt, dass<br />

ihm bestimmte, in der Vorschrift näher benannte öffentliche Belange nicht entgegengehalten<br />

werden können, wenn es sämtliche Voraussetzungen einer der dort geregelten Alternativen<br />

erfüllt.<br />

8 Die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohnhauses an gleicher Stelle ist nach § 35 Abs. 4 Satz<br />

1 Nr. 2 BauGB - abgesehen von dem Vorliegen der übrigen Genehmigungsvoraussetzungen -<br />

nur dann zulässig, wenn das vorhandene Gebäude seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst<br />

genutzt wird und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für<br />

den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird (§ 35 Abs. 4 Satz<br />

1 Nr. 2 Buchst. c und d BauGB). Mit diesen einschränkenden Voraussetzungen soll verhindert<br />

werden, dass sich kapitalkräftige Investoren in den Außenbereich "einkaufen", indem sie ältere<br />

Gebäude in schlechtem Bauzustand aufkaufen und durch Neubauten für Nutzer ersetzen, die<br />

nicht schon selbst seit längerem im Außenbereich ansässig sind, sondern den Außenbereich als<br />

neue Wohnumgebung für sich erst erschließen wollen.<br />

9 Vgl. BVerwG, <strong>Beschl</strong>uss vom 10. Oktober 2005 - 4 B 60.05 -, BRS 69 Nr. 114; Urteil vom 13.<br />

März 1981 - 4 C 2.78 -, BRS 38 Nr. 98; <strong>OVG</strong> NRW, <strong>Beschl</strong>uss vom 13. Februar 2004 - 10 A<br />

4715/02 -, BRS 67 Nr. 111; s.a. Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/<br />

10 Krautzberger, BauGB, Kommentar, Stand: 1. Februar 2008, § 35 Rn. 131, 150; Dürr in:<br />

Brügelmann, Kommentar zum BauGB, Stand: April 2008, § 35 Rn. 137.<br />

11 Während eine frühere Eigennutzung tatsächlich nachweisbar ist, handelt es sich bei der<br />

künftigen Eigenbedarfsnutzung des Ersatzgebäudes um eine Prognoseentscheidung. Tatsachen<br />

rechtfertigen die Annahme einer <strong>familienbezogenen</strong> <strong>Nutzung</strong>, wenn dies nach Lage der<br />

Dinge angenommen werden kann und keine erkennbaren Umstände dagegen sprechen.<br />

Besteht begründeter Verdacht, dass der Neubau veräußert oder an familienfremde Personen<br />

vermietet werden soll, ist es Sache des Bauherrn darzutun, dass er das Gebäude für den<br />

Eigenbedarf bzw. für seine Familie benutzen wird. Kann im Zeitpunkt der Erteilung der<br />

Baugenehmigung eine positive Prognose getroffen werden, liegen die Voraussetzungen<br />

- 2 -


für die Erteilung der Genehmigung vor. Konnte zunächst eine familienbezogene <strong>Nutzung</strong><br />

angenommen werden und entfällt diese später, wird dadurch die Genehmigung nach § 35<br />

Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB nicht nachträglich rechtswidrig. Mit Rücksicht auf die erhebliche<br />

Bedeutung des Außenbereichsschutzes hat es der Gesetzgeber aber für erforderlich<br />

gehalten, der Baugenehmigungsbehörde mit § 35 Abs. 5 Satz 4 BauGB im Sinne einer "Soll-<br />

Verpflichtung" aufzugeben, Sicherstellungen vorzunehmen, um die nach § 35 Abs. 4 Satz 1<br />

BauGB genehmigten Vorhaben von einer anderen <strong>Nutzung</strong> auszuschließen.<br />

12 Vgl. Söfker, a.a.O., § 35 Rn. 167.<br />

13 Mit dieser Sicherung, die z.B. durch eine Nebenbestimmung erfolgen kann, soll verhindert<br />

werden, das die gesetzlichen Erleichterungsmöglichkeiten missbräuchlich ausgenutzt werden.<br />

14 Vgl. Roeser in: Berliner Kommentar zum BauGB, Stand: Juli 2007, § 35 Rn. 129; s.a. Rieger in:<br />

Schrödter, BauGB, Kommentar, 7. Aufl. 2006, § 35 Rn. 163.<br />

15 Diesen Vorgaben entspricht die hier der Baugenehmigung vom 21. Dezember 2004 beigefügte<br />

Auflage, dass die zwei Wohneinheiten künftig ausschließlich vom Eigentümer selbst bzw.<br />

dessen Familienangehörigen zu nutzen sind. Entgegen der von dem Kläger vertretenen<br />

Ansicht ist die Formulierung der Auflage nicht zu beanstanden. Sie folgt aus dem Wortlaut<br />

der - in der Nebenbestimmung sogar ausdrücklich angeführten - gesetzlichen Regelung.<br />

Hieraus ergibt sich, dass die Wohneinheiten nur durch den "bisherigen" Eigentümer bzw.<br />

dessen Familienangehörigen genutzt werden dürfen. Eine Auslegung, die - wie von dem<br />

Verwaltungsgericht angenommen - auf den "jeweiligen" Eigentümer abstellt, lässt sich aus<br />

dem Wortlaut der Auflage nicht herleiten und widerspricht ihrem Sinn und Zweck. Eine <strong>Nutzung</strong><br />

durch einen anderen als den bisherigen Eigentümer bzw. dessen Familienangehörigen stellt<br />

eine genehmigungspflichtige (bzw. in Nordrhein-Westfalen gemäß § 2 Nr. 4 Buchst. c des<br />

Ersten Gesetzes zum Bürokratieabbau vom 13. März 2007 ÄGV. NRW. 2007 S. 133Ü derzeit nur<br />

anzeigepflichtige) <strong>Nutzung</strong>sänderung dar.<br />

16 Vgl. Söfker, a.a.O., § 35 Rn. 167; Rieger, a.a.O., § 35 Rn. 163.<br />

17 Durch eine Sicherung nach § 35 Abs. 5 Satz 4 BauGB kann allerdings nicht verhindert werden,<br />

dass sich die tatsächlichen Verhältnisse nach Aufnahme der <strong>Nutzung</strong> durch die Berechtigten<br />

ändern. Auf Dauer können vom Eigentümer nicht beeinflussbare Umstände eintreten, die eine<br />

Eigennutzung unmöglich machen. Nach längerer Eigennutzung wird man es daher hinnehmen<br />

müssen, dass das Wohngebäude in andere Hände übergeht und nicht etwa wegen fehlender<br />

Eigennutzung abzubrechen ist.<br />

18 Vgl. Rieger, a.a.O., § 35 Rn. 164; ähnlich Dürr, a.a.O., § 35 Rn. 174; Roeser, a.a.O., § 35 Rn. 129;<br />

s. <strong>zur</strong> Problematik schon Weyreuther, Bauen im Außenbereich, 1979, S. 424 ff.<br />

19 Die einer Baugenehmigung beigefügte Nebenbestimmung kann daher nur auf die Verhältnisse<br />

zum Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung und eine überschaubaren Zukunft abstellen.<br />

Sie steht unter dem immanenten Vorbehalt, dass die maßgeblichen Verhältnisse sich nicht<br />

wesentlich ändern.<br />

20 Vgl. Dürr, a.a.O., § 35 Rn. 174 a.<br />

21 Tritt später eine unvorhergesehene wesentliche Änderung der tatsächlichen Umstände ein,<br />

kann ein Anspruch darauf bestehen, dass die Nebenbestimmung aufgehoben wird.<br />

22 2. Die Rechtssache weist keine grundsätzliche Bedeutung (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2<br />

Nr. 3 VwGO) auf. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn für die Entscheidung<br />

des Verwaltungsgerichts eine bisher nicht abschließend geklärte und klärungsbedürftige<br />

Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung war, die auch im Berufungsverfahren<br />

entscheidungserheblich wäre. Für die Beantwortung der von dem Kläger aufgeworfenen Frage,<br />

23 ob es bei einer nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB erteilten Baugenehmigung <strong>zur</strong> Errichtung<br />

eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle zulässig ist, die <strong>Nutzung</strong> durch den<br />

bisherigen Eigentümer oder dessen Familie nach § 35 Abs. 5 Satz 4 BauGB durch eine<br />

Nebenbestimmung zu sichern,<br />

- 3 -


24 bedarf es nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens, da sich die Frage - wie oben<br />

ausgeführt - ohne weiteres im bejahenden Sinne beantworten lässt.<br />

25 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.<br />

26 Die Streitwertentscheidung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.<br />

27 Dieser <strong>Beschl</strong>uss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO. Mit der Ablehnung des<br />

Zulassungsantrags ist das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, § 124 a Abs. 5 Satz 4<br />

VwGO.<br />

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