Zur Umsetzung der EMRK in der Schweiz - Hydepark
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He<strong>in</strong>z Aemisegger, <strong>Zur</strong> <strong>Umsetzung</strong> <strong>der</strong> <strong>EMRK</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>, <strong>in</strong>: Jusletter 20. Juli 2009<br />
<strong>EMRK</strong> vere<strong>in</strong>bar, <strong>der</strong> Bevölkerung unter Verwendung des<br />
Todes-Symbols des Sensemanns zu erklären, die Schäd<br />
lichkeit des Mikrowellenofens sei wissenschaftlich bewie<br />
sen, ohne sich auf den umstrittenen Charakter <strong>der</strong> Frage zu<br />
beziehen. 177<br />
4.4.2 Fall Vere<strong>in</strong> gegen Tierfabriken (VgT)<br />
[Rz 86) Der Fall wurde vorn unter Ziffer 2.3.2 im Zusammen·<br />
hang mit <strong>der</strong> Revision bereits behandelt. Der VgT wollte im<br />
Januar 1994 e<strong>in</strong>en Fernsehspot ausstrahlen lassen, <strong>der</strong> auf<br />
die «tierquälerische Nutztierhaltung» aufmerksam machen<br />
und für e<strong>in</strong>e Reduktion des Fleischkonsums werben sollte.<br />
Dies wurde ihm gestützt auf Art. 18 Abs. 5 des Radio- und<br />
Fernsehgesetzes,'7. das politische Werbung ausdrücklich<br />
untersagt, verboten. Das Bundesgericht schützte dieses Ver<br />
bot mit Urteil vom 20. August 1997.'79 Der EGMR hielt die<br />
Gründe für den E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> die Me<strong>in</strong>ungsäusserungsfreiheit<br />
für unzureichend und das Ausstrahlungsverbot des Spots für<br />
unverhältnismässig.'·o<br />
[Rz 87] Auch bei diesem e<strong>in</strong>stimmig gefällten Urteil des<br />
EGMR handelt es sich um e<strong>in</strong> Grundsatzurteil, dem nach<br />
wie vor grosse Bedeutung zukommt.'·' Das Bundesgericht<br />
än<strong>der</strong>te <strong>in</strong> <strong>der</strong> Folge denn auch se<strong>in</strong>e bisherige, im Ur<br />
teil VgT vom 20. August 1997'·2 bestätigte und vom EGMR<br />
beanstandete Praxis <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Urteil vom 26. Januar 2005<br />
betreffend das <strong>Schweiz</strong>er Fernsehen DRS (SF DRS).'83 Im<br />
November und Dezember 2003 strahlte SF DRS im Rah<br />
men e<strong>in</strong>er breit angelegten Kampagne <strong>der</strong> «Allianz gegen<br />
Werbeverbote» verschiedene Werbespots aus. Gegen den<br />
«Stopp-Werbeverbote»·Spol gelangten die Stiftung für Konsumentenschutz<br />
und e<strong>in</strong>e Privatperson an die Unabhängige<br />
Beschwerde<strong>in</strong>stanz für Radio und Fernsehen. Diese verne<strong>in</strong><br />
te unter Bezugnahme auf das VgT-Urteil des EGMR vom 28.<br />
Juni 2001, dass <strong>der</strong> beanstandete Spot gegen Programmbestimmungen<br />
und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e das Verbot <strong>der</strong> politischen<br />
Werbung am Fernsehen (Art. 18 Abs. 5 RTVG) verstosse.<br />
Das Bundesgericht erklärt im genannten Urteil vom 26. Janu·<br />
ar 2005, es sei bisher davon ausgegangen, dass das Verbot<br />
von Art. 18 Abs. 5 RTVG zum Schutz des politischen Prozesses<br />
und zur Wahrung e<strong>in</strong>es möglichst chancengleichen<br />
Wettstreits <strong>der</strong> Informationen, Me<strong>in</strong>ungen und Ideen generell<br />
gelte; nur so lasse sich vermeiden, dass sich gewisse Un<br />
177 Nichtzulassungsentscheid des EGM RHertel V/rich gegen <strong>Schweiz</strong> vom 17.<br />
Januar 2002.<br />
"" Bundesgesetz vom 21. Juni 1991 über Radio und Fernsehen, RTVG, heule:<br />
Bundesgesetz vom 24. März 2006 über Radio und Fernsehen SR 784.40.<br />
"9 BGE 12311402 (2A.330/1996 vom 20. August 1997).<br />
110 Urteil des EGMR Vere<strong>in</strong> gegen Tierlabriken (VgT) gegen <strong>Schweiz</strong> vom 28.<br />
Juni 2001.<br />
", Vgl. Urleil des EGMR TV Vesl AS & Rogaland Pens/onis/parti gegen Nor·<br />
wegen vom 11. Dezember 2008.<br />
112 BGE 12311402 (2A.330/1996 vom 20. August 1997).<br />
"' Urteil 2A.303/2004 vom 26. Januar 2005.<br />
21<br />
ternehmen, Verbände, Parteien o<strong>der</strong> Personen <strong>in</strong> den das<br />
Publikum nachhaltiger als an<strong>der</strong>e Kommunikationsmittel be<br />
e<strong>in</strong>flussenden elektronischen Medien e<strong>in</strong>en Publizitätsvorteil<br />
verschaffen und e<strong>in</strong>en massgeblichen E<strong>in</strong>fluss auf die politische<br />
Me<strong>in</strong>ungsbildung gew<strong>in</strong>nen könnten. Zwar sei e<strong>in</strong> Verbot<br />
politischer Werbung zum Schutz <strong>der</strong> Unabhängigkeit <strong>der</strong><br />
Veranstalter und des demokratischen Me<strong>in</strong>ungsbildungsprozesses<br />
nicht grundsätzlich konventionswidrig (EGMR-Urteil<br />
LS. VgT vom 28. Juni 2001, Ziff. 59-62), doch müsse sich<br />
<strong>der</strong> damit verbundene E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> die Me<strong>in</strong>ungsäusserungsfreiheit<br />
des Betroffenen zusätzlich jeweils im E<strong>in</strong>zelfall als<br />
verhällnismässig und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er demokratischen Gesellschaft<br />
notwendig erweisen (EGMR-Urteil LS. VgT vom 28. Juni<br />
2001, Ziff. 63-79). Die Beschränkung habe im konkreten Fall<br />
e<strong>in</strong>em «dr<strong>in</strong>genden sozialen Bedürfnis» zu entsprechen und<br />
auf «relevanten und ausreichenden» Gründen zu beruhen<br />
(EGMR-Urteil LS. VgT vom 28. Juni 2001, Ziff. 75).'64 Bis zu<br />
e<strong>in</strong>er Neuregelung durch den Gesetzgeber sei das Verbot<br />
auf das im S<strong>in</strong>ne des erwähnten VgT-Entscheides des EGMR<br />
Erfor<strong>der</strong>liche zu beschränken. Der umstrittene Spot verletze<br />
vor diesem H<strong>in</strong>tergrund Art. 18 Abs. 5 RTVG nicht '65<br />
4.4.3 Fall Stoll<br />
[Rz 88] Der Journalist Mart<strong>in</strong> Stoll wurde im Kanton Zürich<br />
wegen Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen<br />
zu e<strong>in</strong>er Busse von 800 Franken verurteilt. Er hatte 1997 <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> «SonntagsZeitung» Auszüge aus e<strong>in</strong>em vertraulichen<br />
Papier des damaligen <strong>Schweiz</strong>er USA-Botschafters Carlo<br />
Jagmetti betreffend die Lösung des Streits um die nachrich<br />
tenlosen jüdischen Vermögen publiziert. Das Bundesgericht<br />
hat die Verurteilung bestätigt.'·· Nach e<strong>in</strong>em mit vier zu drei<br />
Stimmen gefällten Urteil e<strong>in</strong>er Kammer des EGMR vom 25.<br />
April 2006 hat diese Verurteilung das Recht auf freie Me<strong>in</strong>ungsäusserung<br />
verletzt.'·7 Die von <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> angerufene<br />
Grosse Kammer des EGMR hielt dafür, die Vertraulichkeit diplomatischer<br />
Noten sei zwar äusserst wichtig aber dennoch<br />
nicht um jeden Preis zu schützen. Im vorliegenden Fall habe<br />
die Veröffentlichung des Berichts des Botschafters jedoch<br />
mit Blick auf den heiklen Zeitpunkt des Ersche<strong>in</strong>ens <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Presse den Interessen <strong>der</strong> schweizerischen Behörden grossen<br />
Schaden zufügen können. Mart<strong>in</strong> Stoll habe den Artikel<br />
nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Absicht verfasst, die Öffentlichkeit zu <strong>in</strong>formieren.<br />
Vielmehr habe er aus dem Bericht des Botschafters unnö<br />
tigerweise e<strong>in</strong> Skandalobjekt gemacht. Der Journalist habe<br />
wissen müssen, dass se<strong>in</strong> Artikel geeignet gewesen sei, beim<br />
Leser den falschen E<strong>in</strong>druck zu erwecken, <strong>der</strong> Botschafter<br />
verfolge antisemitische Ziele. Das habe zweifellos zur kurz<br />
nach <strong>der</strong> Publikation erfolgten Demission des Botschafters<br />
"' Urteil 2A.303/2004 vom 26. Januar 2005 E. 3.1.<br />
'" Urleil 2A.30312004 vom 26. Januar 2005 E 4.<br />
186 BGE 126 IV 236 (65.425/2000 vom 5. Dezember 2000); EuGRZ 2001 S.<br />
416.<br />
187 Urteil des EGMR Sto/l gegen <strong>Schweiz</strong> vom 25. April 2006.