Zur Umsetzung der EMRK in der Schweiz - Hydepark
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He<strong>in</strong>z Aemisegger, <strong>Zur</strong> <strong>Umsetzung</strong> <strong>der</strong> <strong>EMRK</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>, <strong>in</strong>: Jusletler 20. Juli 2009<br />
den Urteilen Gör;: gegen die Türkei und Milatova gegen Tsche<br />
chien 151 sche<strong>in</strong>t <strong>der</strong> Gerichtshof <strong>in</strong> absoluter Weise nicht nur<br />
die Zustellung sämtlicher e<strong>in</strong>gegangener Vernehmlassungen<br />
von Ämtern, Gegenparteien usw. an alle Verfahrenspartei<br />
en zu verlangen, son<strong>der</strong>n zusätzlich den ausdrücklichen<br />
H<strong>in</strong>weis, die betreffenden Parteien hätten nun Gelegenheit,<br />
dazu Stellung zu nehmen, wenn sie dies für nötig erachte<br />
ten. Die Erfahrung zeigt, dass dies namentlich bei Anwälten<br />
oft Druck erzeugt, e<strong>in</strong>e weitere Stellungnahme e<strong>in</strong>zureichen,<br />
selbst wenn dazu ke<strong>in</strong>e Veranlassung besteht. Dadurch wird<br />
das Verfahren oft unnötig verlängert und die E<strong>in</strong>haltung des<br />
ebenfalls zum fairen Verfahren gehörenden Anspruchs auf<br />
Beurteilung <strong>in</strong>nert angemessener Frist erschwert.<br />
[Rz 73] Das Bundesgericht führt nach Art. 102 Abs. 3 BGG<br />
nur ausnahmsweise e<strong>in</strong>en zweiten Schriftenwechsel durch.<br />
Ausser <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>en Fällen (z.B. bei Haftbeschwerden,<br />
letztes Wort des Inhaftierten) verzichtet es regelmässig auch<br />
darauf, neue E<strong>in</strong>gaben den Verfahrensbeteiligten mit e<strong>in</strong>er<br />
förmlichen E<strong>in</strong>ladung zur Vernehmlassung zuzustellen. Viel<br />
mehr übermittelt es solche Schriftstücke den Parteien ohne<br />
ausdrücklichen H<strong>in</strong>weis auf allfällige weitere Äusserungs<br />
möglichkeiten zur (biossen) Kenntnisnahme <strong>in</strong> <strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ung,<br />
diese könnten - soweit sie es für erfor<strong>der</strong>lich halten - unauf<br />
gefor<strong>der</strong>t nochmals Stellung nehmen. Geschieht dies nicht<br />
umgehend, wird Verzicht auf die Replik angenommen, wobei<br />
das Bundesgericht während e<strong>in</strong>er angemessenen Zeit zu<br />
wartet, bevor es das Urteil fällt.,52 E<strong>in</strong>e weitere Möglichkeit,<br />
das Verfahren beför<strong>der</strong>lich abzuschliessen, besteht dar<strong>in</strong>,<br />
<strong>der</strong> im Prozess unterliegenden Partei das letzte Wort e<strong>in</strong>zu<br />
räumen. 153 Die genannten Probleme treten grundsätzlich nur<br />
auf, wenn die Sachverhaltsermitllung nicht mündlich, son<br />
<strong>der</strong>n schriftlich erfolgt.<br />
4.2.5 Beschleunigungsgebot - Feststellung von dessen<br />
Verletzung im Innerstaatlichen Verfahren<br />
[Rz 74] Zum fairen Verfahren gehört die Erledigung e<strong>in</strong>es<br />
Verfahrens <strong>in</strong>nert angemessener bzw. kurzer Frist (Art. 29<br />
Abs. 1 und Art. 31 I. BV, Art. 5 Ziff. 3 und 4 <strong>EMRK</strong>).'54 Erfolgt<br />
die Feststellung <strong>der</strong> Verletzung dieses Anspruchs und damit<br />
<strong>der</strong> <strong>EMRK</strong> <strong>in</strong> den Erwägungen e<strong>in</strong>es kantonalen o<strong>der</strong> bun<br />
desgerichtlichen Urteils, so schliesst dies e<strong>in</strong>e Verurteilung<br />
<strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> durch dem EGMR wegen Verletzung <strong>der</strong> ent<br />
sprechenden <strong>EMRK</strong>-Vorschriften <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis nicht aus.'55<br />
pub I. <strong>in</strong>: Plädoyer 6/2005 S. 82.<br />
," Siehe BGE 131 147.<br />
'51 UrteiI1C_153/2007 vom 6. Dezember 2007 E. 2 (Geme<strong>in</strong>de Wetzikon).<br />
'53 UrteiI1C_153!2007 vom 6. Dezember 2007 E. 2.2 (Geme<strong>in</strong>de Wetzikon).<br />
'5' Vgl. z.B. BGE 132 121 11. E. 4.1 S. 271.; 124 1139; UrteiI1B_175/2008 vom<br />
5. August 2008 E. 4.<br />
'55 Urteil des EGMR McHugo gegen <strong>Schweiz</strong> vom 21. September 2006 (VPB<br />
70.113) betreffend das Urteil des Bundesgerichts 1P.142/1999 vom 24.<br />
Juni 1999; Urteil des EGMR Munari gegen <strong>Schweiz</strong> vom 12. Juli 2005<br />
(VPB 69.137) betreffend das Urteil des Bundesgerichts 1P. 315/2001 vom<br />
18<br />
S<strong>in</strong>nvollerweise sollte jedoch e<strong>in</strong>e solche <strong>EMRK</strong>-Widrigkeit<br />
im eigenen Land rechtskräftig behoben und sanktioniert wer<br />
den können.'56<br />
4.2.5.1 Fall McHugo<br />
[Rz 75] Im Fall McHugo'57 stellte das Zuger Obergericht <strong>in</strong> sei<br />
nem Strafurteil <strong>in</strong> klarer Weise e<strong>in</strong>e Verletzung des Beschleu<br />
nigungsgebots fest. In <strong>der</strong> Folge focht <strong>der</strong> Beschwerdeführer<br />
dieses kantonale Urteil beim Bundesgericht an und rügte die<br />
kantonale Regelung <strong>der</strong> Kosten und Entschädigungsfragen.<br />
Um e<strong>in</strong>e Verurteilung durch den EGMR zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, hätte<br />
das Bundesgericht die Verletzung von Art. 6 Zifl. 1 <strong>EMRK</strong><br />
möglicherweise <strong>in</strong> Erweiterung des Streitgegenstandes von<br />
Amtes wegen im Dispositiv feststellen, diesen Umstand bei<br />
den Kostenfolgen ausdrücklich berücksichtigen und e<strong>in</strong>e Ge<br />
nugtuung'56 zusprechen müssen, obwohl dies so nicht bean<br />
tragt war. Nach Art. 107 Abs. 1 BGG darf das Bundesgericht<br />
zwar nicht über die Begehren <strong>der</strong> Parteien h<strong>in</strong>ausgehen. E<strong>in</strong><br />
reformatorischer Entscheid zur Herstellung des verfassungs<br />
und konventionskonformen Zustands ist jedoch nach Art. 107<br />
Abs.2 BGG grundsätzlich zulässig.<br />
4.2.5.2Fall Munari<br />
[Rz 76] Im Fall Munari'59 hat das Bundesgericht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Straf<br />
verfahren e<strong>in</strong>e Verletzung von Art. 6 Zifl. 1 <strong>EMRK</strong> festgestellt,<br />
weil e<strong>in</strong>e Behandlungsdauer von fast zehn Jahren für e<strong>in</strong>en<br />
nicht beson<strong>der</strong>s komplexen Fall den Anfor<strong>der</strong>ungen an e<strong>in</strong>e<br />
angemessene Verfahrensdauer nicht genügt. Es hat den Fall<br />
zur umgehenden Behandlung an die zuständige Tess<strong>in</strong>er<br />
Strafverfolgungsbehörde zurückgewiesen. Diese wurde erst<br />
nach Ablauf von rund e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>halb Jahren im gebotenen S<strong>in</strong>n<br />
tätig. E<strong>in</strong> während dieser Zeit vom Beschwerdeführer beim<br />
Bundesgericht e<strong>in</strong>gereichtes Erläuterungsgesuch zum bun<br />
desgerichtlichen Urteil blieb erfolglos. Das Bundesgericht<br />
hätte die später erfolgte Verurteilung durch den EGMR wohl<br />
nur verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n können, wenn es das Erläuterungsgesuch als<br />
Beschwerde wegen Rechtsverweigerung o<strong>der</strong> Rechtsverzö<br />
gerung (vgl. den heutigen Art. 94 BGG) aufgefasst und e<strong>in</strong>en<br />
materiellen Entscheid sowohl <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sache als auch h<strong>in</strong>sicht<br />
lich <strong>der</strong> Feststellung <strong>der</strong> <strong>EMRK</strong>-Verletzung und <strong>der</strong>en Folgen<br />
erlassen hätte.'60<br />
20 Juni 2001; vgl. Urteil des Bundesgerichts 1B_165/2009 vom 30. Juni<br />
2009.<br />
156 Vgl. vorn Zift. 3.1.<br />
'57 Vgl. Fn. 156 und vorne Zilt. 3.3.1.<br />
'58 Gerechte Entschädigung im S<strong>in</strong>ne von Arl. 41 <strong>EMRK</strong>.<br />
'58 Vgl. Fn. 156 und vorne Zilt. 3.3.3.<br />
"0 BGE 102 Ib 231 E. 2b S. 238; MADELEINE CAMPRUBI, Kommentar zum Bundesgesetz<br />
über das Verwaltungsverfahren, Zürich/SI. Gallen 2008 zu Art. 61<br />
N. 9 S. 722.