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Historische und geographische Excurse zu Tac. Ann. I, 55, 57, 58 ...

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die Rücksichtslosi^eit, mit der Varus römische Provinzialverwaltung in Germanien ein-<br />

Bufiihren <strong>und</strong> die eigene Habsucht <strong>zu</strong> befriedigen suchte, als Friedenswohlthat für sein<br />

Volk erschienen wäre. Die Herzlosigkeit, mit der Segestes in Rom den Triumph mit-<br />

ansehen konnte, bei welchem seine eigenen Kinder aufgeführt wurden (Strabo VII, 1, 4),<br />

berechtigt <strong>zu</strong> der <strong>Ann</strong>ahme, dass er, wenn auch nicht aus Hass gegen sein Vaterland<br />

(ann. I, <strong>58</strong>), doch auch nicht aus Liebe <strong>zu</strong> demselben, sondern aus Selbstsuchl um die<br />

Gunst des Römers warb. Er gehörte zwar <strong>zu</strong> den proceres (ann. I, <strong>55</strong>), nicht bloss als<br />

nobilis, sondern auch, wenn gleich Vellej. II. 118 ihn nur virum clari nominis nennt, als<br />

einer der principes (ann. I, <strong>55</strong>. Flor. II, 30) oder Bezirksvorstände, der auch eine Ge-<br />

folgschaft <strong>und</strong> grösseren Gr<strong>und</strong>besitz gehabt <strong>zu</strong> haben scheint *). Dem Armin war er<br />

im Frieden nicht untergeordnet (ann. I, <strong>55</strong>. <strong>58</strong>) ; allein Eifersucht über die Auszeichnung,<br />

die von Seiten des Varus jenem <strong>zu</strong> Theil wurde, <strong>und</strong> der Wunsch, mit römischer Hilfe<br />

<strong>und</strong> unter römischem Schutze selbst an die Spitze des ganzen Cheruskervolkes <strong>zu</strong> ge-<br />

langen, mag ihn <strong>zu</strong> dem Verrathe bestimmt haben (vgl. ann. I, 59. extr.). Doch die<br />

Verblendung des Varus vereitelte seine Hoffnungen. Als der Sturm losbrach, sah er sich<br />

durch den consensus gentis in den Krieg hineingezogen ; sein Sohn Segim<strong>und</strong>, der in Ära<br />

Ubiorum von den Römern ein Priesterthum angenommen, zerriss die Priesterbinde <strong>und</strong><br />

floh in die Heimat (ann. I, <strong>57</strong>). Weil aber Segestes nur gezwungen an dem Kampfe<br />

gegen die Römer theilgenommen, blieb er der fortdauernden nationalen Bewegung im<br />

Herzen fern, <strong>zu</strong>mal da Armin nach dem über Varus errungenen Siege allgemein als Retter<br />

der germanischen Freiheit geehrt wurde <strong>und</strong> durch seinen begeisterten Kampfesmuth,<br />

seine ungewöhnliche Geisteskraft <strong>und</strong> die entschiedene Feindschaft gegen alles Römische<br />

mehr <strong>und</strong> mehr bei dem ganzen Volke einen Einfluss gewann, der nicht bloss die übrigen<br />

principes in Schatten stellte, sondern auch befürchten liess, es könnte dem Armin, wenn<br />

er bei den unzweifelhaft bevorstehenden neuen Kämpfen mit den Römern wieder <strong>zu</strong>m<br />

dux erwählt werde, <strong>zu</strong>letzt die Gründung eines Stammkönigthums gelingen. Der Hass<br />

gegen Armin wurde in Segestes durch Privatverhältnisse noch gesteigert: seine einem<br />

andern verlobte Tochter wurde von Armin entführt, <strong>und</strong> dieser war so »der verhasste<br />

Eidam eines ohnehin feindlich gesinnten Schwiegervaters« ^).<br />

') Als G«rinaincu8 im J. 15 ii. Chr. dem Segestes za Hilfe kam, wurde derselbe magna cnm propin-<br />

quorum et clientium manu befreit. <strong>Tac</strong>. I, <strong>57</strong>. Manche, wie Wai^z dent. Verf. I, 100, 3, Horkek die Ge-<br />

schichtschreiber der dent. Urzeit I, 710, sind geneigt, die clientes des Segestes <strong>und</strong> die <strong>Tac</strong>. II, 45. XII, .30<br />

genanoteu für die comites <strong>zu</strong> halten, von denen <strong>Tac</strong>. Germ. c. 13. 14 spricht; entschieden erklärt »ich dafür<br />

Daniels I, 341. Bethmaun-Hollweg S. <strong>58</strong> vermatbet, dass sie eine den spätem Ministerialen ähnliche Umgebung<br />

des Fürsten bildeten. Köpke findet S. 20 darin keine comites , sondern Freigelassene , wenn man wolle, Mini-<br />

sterialen, womit aber S. 24 im Widerspruch <strong>zu</strong> stehen scheint. Nach Thudlchum S. 17 können es Freigelassene<br />

oder sonstige Diener sein, wie auch Parteigenossen, die sich den Vornehmen angeschlossen, unter ihren Schutz<br />

begeben haben. Dahn nimmt I, 59, 6 die in der Germania nicht gebrauchte Bezeichnung ganz allgemein, indem<br />

er sagt: ^<strong>Tac</strong>itus mag wohl den ganzen nächsten Anhang darunter verstehen, ohne scharfe Unterscheidung, ob<br />

durch (Jefolgschaft, Freilassung, Laudleihe begründet."<br />

'^) Eine Aenderung der handschriftlichen Lesart: Gener iuvisns inimicl soceri erscheint uns onnöthig.<br />

Nipperdey beginnt mit >gener einen neuen Satz <strong>und</strong> liest: Gener invisus, inimicus soceri; es könne inimici<br />

soceri nicht als Genitiv gefasst werden wegen der dann entstehenden Tautologie. Allein die Tautologie ver-<br />

schwindet, wenn mit Weissenborn (N. Jahrb. für Phil, <strong>und</strong> Päd. 1848. Bd. 52. S. 52) <strong>und</strong> Bezzenberger (s. den

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