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Leseprobe als PDF - Kritzelkunst

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Detlef Klewer<br />

DIE KINDER DER NACHT<br />

Vampire in Film und Literatur<br />

Mit einem Vorwort von Brian Lumley und einer Einführung von Ingrid Pitt<br />

378 Seiten<br />

ISBN 978-3-631-56604-6<br />

Preis: 48,- Euro<br />

Erschienen Juli 2007 im Peter Lang Verlag - www.peterlang.de<br />

Gewinner des VIRUS AWARDS 2007 - Kategorie: Bestes Fachbuch des Jahres<br />

<strong>Leseprobe</strong> (Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist<br />

urheberrechtlich geschützt)<br />

SYNPHONIEN DES GRAUENS - Ein erster Rundgang<br />

Seine brennenden Augen starrten mich an. Ich spürte seinen<br />

fauligen Atem in meinem Nacken, <strong>als</strong> er sich auf mich stürzte.<br />

Verzweifelt wehrte ich mich und wir rangen miteinander, bis er bei<br />

den ersten Sonnenstrahlen von mir ablassen musste. Er floh und ich<br />

verfolgte ihn. Was ich sah entsetzte mich zutiefst - mich, der ich<br />

schon alle Gräuel des Krieges gesehen hatte - er verschwand in<br />

einem Grab. Es war ein Vampyr!<br />

Die alten Männer des kleinen Dorfes Medvegia in Serbien lachten,<br />

schüttelten die ergrauten Köpfe und winkten gelangweilt ab. Aber<br />

verstohlen bekreuzigten sie sich auch vorsichtshalber, denn man<br />

konnte ja nicht wissen, ob diese phantastische Geschichte, die ihnen<br />

ihr Nachbar Arnod (Arnold) Paole nun schon so oft erzählt hatte,<br />

nicht doch etwas Wahres enthielt. Seit der Soldat 1699 von einem<br />

Feldzug im türkisch besetzten Teil Serbiens zurückgekehrt war,<br />

schilderte er ihnen immer wieder in düstersten Farben sein<br />

schlimmstes Kriegserlebnis - die grauenvolle Begegnung mit einem Untoten. In Gossowa musste er<br />

schließlich dessen Grab entdecken und - um diesem Dämon zu entkommen - eine zauberkundige Hexe<br />

um Rat fragen. Auf ihre Anweisung hin habe er von der Graberde gegessen, sich voller Widerwillen und<br />

Ekel mit Vampirblut eingerieben und - trotz lähmender Angst - das Grab des Widergängers zerstört. Nur<br />

kurze Zeit später fanden seine schaurigen Erzählungen ein unerwartetes und jähes Ende: Während der<br />

Ernte stürzt Paole von einem Heuwagen und bricht sich das Genick.<br />

Paole ist gerade einmal vor 20 Tagen in einem schlecht zusammengezimmerten Holzsarg unter die Erde<br />

befördert worden, da schrecken drei nun folgende mysteriöse Todesfälle die Bewohner des verschlafenen<br />

Dorfes auf. Als ein viertes Todesopfer kurz vor dem Dahinscheiden von Grauen geschüttelt davon<br />

berichtet, den verstorbenen Paole lebend vor seinem Totenbett gesehen zu haben, blicken sich die<br />

Dorfbewohner schaudernd an - und erinnern sich der unheimlichen Geschichten des Paole.<br />

Der Regiments-Feldscher Johannes Fluchinger (Flukinger) berichtet später sachlich: "Um nun dieses Übel<br />

einzustellen, haben sie auf Einrathen ihres Hadnacks, welcher schon vorhin bey dergleichen<br />

Begebenheiten gewesen, diesen Arnod Paole in beyläuffig 40 Tage nach seinem Tod ausgegraben, und<br />

gefunden, dass er gantz vollkommen und unverwesen sey, auch ihm das frische Blut zu denen Augen,<br />

Nasen, Mund und Ohren herausgeflossen, das Hemd, Übertuch und Truhe ganz blutig gewesen, die alte<br />

Nägel an Händen und Füßen samt der Haut abgefallen, und dargegen neue andere gewachsen sind,<br />

weilen sie nun daraus ersehen, dass er ein würcklicher Vampyr sey, so haben sie demselben nach ihrer<br />

Gewohnheit einen Pfahl durchs Herz geschlagen, wobey er einen wohlvernehmlichen Geächzer gethan,<br />

und ein häuffiges Geblüt von sich gelassen."<br />

Fluchinger und seine beiden Gehilfen Sigl und Baumgart wurden 1732, <strong>als</strong>o fünf Jahre nach der<br />

Ausgrabung des Paole, vom militärischen Oberkommando in das Dorf Medvegia geschickt, um dort eine<br />

Reihe erneuter Vampirvorfälle zu untersuchen, die den kleinen Ort nunmehr heimzusuchen schienen:<br />

Denn wie sich jetzt herausstellte war mit dem "zweiten Tod" des Arnod Paole und seiner vier Opfer die<br />

mutmaßliche "Vampirepedemie" keineswegs beendet. 17 verdächtige Folgefälle wurden aktenkundig,<br />

darunter 5 Kleinkinder, alle akribisch von Fluchinger katalogisiert. Die verschreckten Dorfbewohner<br />

hatten auch gleich eine einleuchtende Erklärung parat: Paole habe vor seiner Pfählung nicht nur das Blut<br />

von Menschen, sondern auch das von Tieren getrunken. Von diesem, jetzt mit dem Übel des<br />

Vampirismus verseuchten Fleisch hätten die späteren Opfer gegessen und seien auf diese Weise -<br />

ungewollt, aber unvermeidlich - ebenfalls infiziert worden. Dass für die Epidemie tatsächlich Tiere<br />

verantwortlich sein könnten, ist gar nicht unwahrscheinlich - nur wird es kaum der Biss eines Vampirs<br />

gewesen sein, der die Tiere infizierte, sondern eine ansteckende Erkrankung wie zum Beispiel Milzbrand.<br />

Der Gerichtsmediziner Christian Reich führt aus: "Das Fleisch ist infektiös, wenn es nicht gut<br />

durchgebraten wird...der Genuss kann zum Tode führen."<br />

Die Königlich Preußische Societät derer Wissenschaften, die von König Friedrich Wilhelm I. 1732 mit der


Untersuchung und Einschätzung des Falles beauftragt wurde, kam mit aller zur Gebote stehenden<br />

wissenschaftlichen Rationalität zu dem Schluss: "Es lasset sich auch aus der Ausgrabung und denen an<br />

dieses Paole Cörper befundenen Blute, Nägeln an Händen und Füssen, auch dem bey Durchschlagung<br />

des Pfahls durchs Herz angemercktem Geröchzer oder Laute, auff die Vampyrschaft kein bündiger Schluß<br />

machen, massen denn die erstern Phänomena ihre natürlichen Ursachen haben, das Geröchzer und der<br />

Laut aber wegen der in der Cavität des Hertzens annoch befindlichen ausgebrichenen Lufft geschehen<br />

seyn kann."<br />

Kein "echter" Fall von Vampirismus <strong>als</strong>o - die gelehrten Männer des Königreichs waren sich einig.<br />

Dennoch war der Fall Paoles so spektakulär, dass noch 1754 ein gewisser Weitenkampf in seinem Buch<br />

Gedanken über wichtige Wahrheiten aus der Vernunft und Religion ausführliche Überlegungen anstellte<br />

und zu der Schlussfolgerung gelangte, Paole habe vermutlich eine Seuche eingeschleppt. Die ängstlichen<br />

Dorfbewohner glaubten indes weiter fest an ein übernatürliches Wirken...<br />

...Wer oder was ist nun ein Vampir? Eine mögliche Erklärung bietet das umfassende Pierers<br />

Konversationslexikon das in Band 12 aus dem Jahre 1893 mit angemessener Sachlichkeit konstatiert:<br />

"Vampir: besonders in slawischen Landen nach dem Volksglauben gespenstische Wesen, die den<br />

Lebenden das Blut aussagen und töten, besonders aber umgehende Seelen, die wegen mangelhaft<br />

erfüllter Bestattungs-Bräuche (Offenlassen der Augen usw.) die Ihrigen aufsuchen und unter<br />

Krankheitserscheinungen umbringen. Man wehrt sich gegen Vampire durch Pfählung der Leichen." Aber<br />

hinter diesen Ausführungen ist ein guter Anteil Aberglauben zu spüren. Wenden wir uns <strong>als</strong>o gleich einem<br />

Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens von 1934 zu, wo bereits feine Unterschiede gemacht<br />

werden und unter dem Stichwort "Nachzehrer" folgendes zu lesen ist: "Als Vampir möchte ich…nur die<br />

Klasse von Wiedergängern bezeichnen, von denen ausdrücklich gesagt wird, dass sie den Lebenden das<br />

Blut aussaugen. Somit trenne ich davon die lebenden Vampire, die oft schon im Volksglauben mit Hexen,<br />

Werwolf und ähnlichen Wesen vermischt werden, ferner Wiedergänger, die die Lebenden plagen, krank<br />

machen und direkt töten, solche die zu den Frauen zurückkehren und mit ihnen Kinder zeugen,<br />

Wiedergänger, die das Vieh melken oder töten oder die Menschen nur <strong>als</strong> Spuk schrecken." Oder wenden<br />

wir uns noch spezieller dem 1972 erschienenen The Natural History of the Vampire. Hier unterteilt<br />

Anthony Masters die Erscheinung des Vampirs in zwei Kategorien: "Der Geist einer toten Person (oder<br />

eines Dämons) ist die Erste und die zweite ist ein Leichnam, wieder erweckt mit seinem eigenen Willen<br />

oder dem eines Dämonen, der zurückkehrt um sich am Leben der Menschen zu vergreifen, ihnen das<br />

Blut auszusaugen oder ihnen ein lebenswichtiges Organ zu entfernen, um seine eigene Lebenskraft zu<br />

erhalten." Man sieht <strong>als</strong>o, es ist nicht einfach den Vampir <strong>als</strong> Wesen exakt einzugrenzen.<br />

Obwohl der thematische Schwerpunkt dieses Buches in erster Linie auf den "imaginären<br />

Zelluloidvampiren" liegen soll, denen Regisseure wie Tod Browning, Terence Fisher oder Francis Ford<br />

Coppola ihren unverwechselbaren Stempel aufgedrückt haben, so möchte ich es daher keinesfalls<br />

versäumen, zumindest einige Bezüge zu realen Hintergründen herzustellen, um den "Untoten" mit seinen<br />

- je nach kulturellem Hintergrund - erstaunlich wandlungsfähigen Gesichtern darzustellen...<br />

...Seine Prägung erlangte der Vampir im Laufe der Zeit immer weniger durch die ängstlich geflüsterten<br />

Geschichten über blutrünstige und rachsüchtige Götter. Es waren mehr und mehr die schriftlich<br />

niedergelegten und öffentlich diskutierten Fälle menschlichen Blutsaugertums, die dem Bild des Vampirs<br />

schließlich seine heutige Gestalt gaben. Im Rahmen dieser Entwicklung bestimmten auch nicht immer<br />

nur die unschuldigen Opfer einer Massenhysterie wie Arnod Paole oder - ganz ähnlich - Peter Plogojewitz,<br />

die Vorstellungen der Menschen, sondern monströse Persönlichkeiten wie Vlad Tepes, Giles de Rais oder<br />

die mordende ungarische "Blutgräfin" Elizabeth (Erzebeth) Bathory - die zahlreiche Mädchen regelrecht<br />

abschlachten ließ und die man daraufhin 1611 bis zu ihrem Tode im Jahre 1614 lebendig in ihrem<br />

Schloss einkerkerte. Natürlich spielen auch jene persönlichkeitsdeformierten Mörder unserer eigenen Zeit<br />

eine Rolle, die - scheinbar ohne jegliche menschliche Regung - zu blutgierigen Bestien mutieren.<br />

Terry Wallin war gerade 22 Jahre jung <strong>als</strong> sie an einem kalten Wintertag im Januar 1978 unversehens<br />

auf eines dieser Ungeheuer in Menschengestalt traf. Der Mörder zerfetzte ihr den Unterleib und trank ihr<br />

Blut, das er zuvor sorgfältig in Joghurtbechern auffing. Als die Polizei endlich den Schlupfwinkel des<br />

Psychopathen ausfindig gemacht hatte, bot sich ihr ein ekelerregender Anblick: Im Kühlschrank befanden<br />

sich blutige Teller mit zerkleinerten Organteilen, in einer Schüssel klebte augenscheinlich menschliche<br />

Gehirnmasse und in einem Mixer ... Blut.<br />

Der "Vampir von Sacramento" - wie man kurz darauf in allen Blättern der Tagespresse lesen konnte -<br />

hatte einen menschlichen Namen: Richard Trenton Chase. Glanzloses, strähniges, braunes Haar,<br />

tiefliegende trübe Augen und ein dünner, ausgemergelter Körper kennzeichneten ihn. "Keine Pupillen,<br />

nur schwarze Flecken, der Mann hatte den bösen Blick" schilderte der Psychologe und Profiler Robert K.<br />

Ressler - der beauftragt wurde ein Täterprofil zu erstellen - seine persönliche Begegnung mit Chase in<br />

der Todeszelle. Schon im Jahre 1976 war Chase vorübergehend in einer geschlossenen psychiatrischen<br />

Anstalt untergebracht worden, weil er - analog Bram Stokers Romanfigur "Renfield" - Vögel fing, ihnen<br />

den Kopf abbiss und ihr Blut trank: "Dracula" nannte ihn deshalb das abgehärtete Pflegepersonal<br />

fortan...<br />

...Ob antike Sagen, abergläubische Legenden, Bram Stoker, Voltaire, Karl Marx oder Montague Summers<br />

- ob Friedrich Nietzsche, Johann Wolfgang von Goethe, Stephen King oder Poppy Z. Brite - ob archaische<br />

Überlieferungen, wissenschaftliche Untersuchungen, neuzeitliche Fiktion oder das Täterprofil eines<br />

Massenmörders - der "Vampir" stellt eine der schrecklichsten, aber gleichzeitig schillerndsten legendären


und übernatürlichen Erscheinungen dar. Tatsächlich begründet er eine der ältesten schaurigen Mythen<br />

der Menschheit: Bereits auf einem babylonischen Siegel findet sich etwa 1700 v.Chr. eine der frühesten<br />

Abbildungen des Ritus einer "Vampirpfählung"...<br />

So mythisch-phantasievoll er in der Überlieferung erscheint und so real er während der Vampirhysterie<br />

im habsburgischen Reich des 18.Jahrhunderts oder in der Gestalt von Serienkillern daherkam, so<br />

facettenreich ist - wie wir in diesem ersten kleinen Einblick gesehen haben - das Erscheinungsbild der<br />

Vampire und ihrer Artverwandten in der ganzen Welt, auch wenn sich dank einer - meist - einfallslosen<br />

Medienindustrie inzwischen eine bedauerliche Stereotypisierung seiner Darstellung breit gemacht hat.<br />

Eine Untersuchung hat gar ergeben, dass 70% aller literarischen Vampire Aristokraten sind. Heute<br />

verbindet man mit dem Begriff des Vampirs, wie bereits erwähnt, leider allzu oft nur noch den<br />

bluttrinkenden Serienkiller oder das Klischee des zähnefletschenden Filmunholds im schwarzen Umhang,<br />

der ausschließlich auf das Blut möglichst erotisch wirkender Frauen spezialisiert ist...<br />

... Der Vampir hat sich <strong>als</strong>o <strong>als</strong> feste Größe in der Kultur und Subkultur etabliert. Er ist allgegenwärtig. Er<br />

ist es spätestens seit William Polidoris Erzählung "The Vampyre" <strong>als</strong> Romanfigur - von den gefeierten<br />

Bravourstücken literarischen Könnens einer Anne Rice - bis hin zu den eher simpel gestrickten<br />

Groschenromanen eines Jason Dark. Der Vampir existiert <strong>als</strong> Comicwesen - eingefangen vom subtilen<br />

Können eines Jon J. Muth mit seinen atmosphärischen Aquarellen - bis zu den zweidimensionalen<br />

Actionbildern eines Gene Colan in den Marvel-Comics Tomb of Dracula. Dracula singt von Udo Lindenberg<br />

verfasste Texte in dem gleichnamigen Musical "Dracula", wird zum Hörspielmittelpunkt in<br />

Billigproduktionen fürs Kinderzimmer und inspiriert Musikkomponisten. Seit dem Beginn des<br />

18.Jahrhunderts ist der Vampir Hauptdarsteller zahlloser Theaterstücke - und wird in unserer Zeit gar <strong>als</strong><br />

Werbeträger für Waschmittel, Zahnpasta oder alkoholische Getränke ge- bzw. missbraucht.<br />

Kaum ein anderer Dämon oder eine andere Alptraumgestalt genießt den Bekanntheitsgrad des Vampirs -<br />

und seine unbestritten berühmteste Personifizierung ist der durch Bram Stoker zum ewigen Leben<br />

erweckte "Graf Dracula". Ironischerweise entstand diese unsterblich gewordene Erzählung der<br />

Gruselliteratur sozusagen aufgrund eines "feuchten Traumes" eines aller Wahrscheinlichkeit nach in<br />

sexueller Hinsicht höchst frustrierten Mannes: Man stelle sich vor, wie der athletische Ire Stoker im März<br />

1890 nachts - von unerfüllten erotischen Phantasien heimgesucht - aufschreckt und schwer atmend nach<br />

einem Stück Papier sucht, um schweißgebadet hastig zu notieren: "Junger Mann geht aus - trifft<br />

Mädchen, das ihn nicht auf den Mund, sondern (höchst sinnlich) auf den H<strong>als</strong> küssen will. Alter Graf geht<br />

voller Wut und teuflischer Wildheit dazwischen. Dieser Mann gehört mir." Zwar ist eine homoerotische<br />

Neigung Stokers nicht belegt, jedoch wurde später in psychoanalytisch ausgerichteten Interpretationen<br />

seiner Romanvorlage auch in dieser Hinsicht heftig gemunkelt.<br />

Doch diese nächtliche "Ejakulation der Kreativität" war so fruchtbar, dass sie die Geburtsstunde des<br />

erfolgreichsten und publikumswirksamsten Ungeheuers der nächsten Jahrzehnte wurde. "Dracula" betrat<br />

1897 die literarische Bühne und feierte in zahlreichen Theaterproduktionen und Zelluloidwerken immer<br />

wieder seine Auferstehung. Damit avancierte er zur generationsübergreifenden Kultfigur gepflegten<br />

Schauderns. Reisegesellschaften karren seit Öffnung des "eisernen Vorhangs" ganze Busladungen<br />

gruselhungriger Touristen durch die Karpaten, damit sie die "Origin<strong>als</strong>chauplätze" des Stoker-Romans<br />

besichtigen können. Dracula <strong>als</strong> historische Figur und lukrative Einnahmequelle, von der Florence Stoker,<br />

die Witwe des früh verstorbenen Schöpfers, sicher gerne profitiert hätte. Inzwischen ist die Figur des<br />

Vampirs Dracula eine Institution. Ihm ist deshalb auch ein gesondertes Kapitel dieses Buches<br />

gewidmet...<br />

BRAM STOKERS DRACULA, von Francis Ford Coppola mit dem grandiosen Pomp einer Opernaufführung -<br />

immer hart an der Kitschgrenze - inszeniert und zum Kultspektakel avanciert, zeigt Dracula <strong>als</strong><br />

liebeskranken Monarchen, den (wie einst bei der Geschichte um "die Schöne und die Bestie") die Liebe zu<br />

seiner anscheinend reinkarnierten Prinzessin schließlich um seine untote Existenz bringt. Damit steht er<br />

allerdings in direktem Widerspruch zu Stokers Romanfigur...<br />

...Doch spätestens seit INTERVIEW WITH A VAMPIRE gilt es im Vampirfilm sogar <strong>als</strong> schick, in der<br />

Darstellung der Persönlichkeit des Vampirs zu differenzieren. Als Neil Jordans Romanverfilmung der<br />

Bestseller-Vorlage von Anne Rice (um den vor Selbstmitleid "zerfließenden" Untoten Louis) am 11.<br />

November 1994 in die amerikanischen Kinos kam, drängten sich die zahlenden Zuschauer massenhaft<br />

vor den Kassen. Nach nur zehn Tagen hatte dieser Film seine Herstellungskosten in Höhe von 60<br />

Millionen $ wieder eingespielt. Oprah Winfrey, Amerikas tonangebende "Plaudertasche" und Liebling des<br />

fernsehsüchtigen Mittelstand-Amerikaners, sorgte für zusätzliche Publicity, indem sie - angeblich entsetzt<br />

über die Grausamkeit der Handlung, sowie der Darstellung des "Kindervampirs" Claudia - aus einer<br />

Premierenvorstellung stürzte. Und natürlich hatte in dieser Zeit im Land der unbegrenzten Möglichkeiten<br />

und Psychopathen auch schon ein offenbar geistig verwirrter Fan in San Francisco nach dem Kinobesuch<br />

seine Freundin niedergestochen - um ihr Blut zu trinken. Ein Spektakel-Ereignis <strong>als</strong>o für die<br />

Kassenstatistiker Hollywoods, die den Film rasch in die Hitliste derjenigen Filme aufnehmen konnten, die<br />

am schnellsten Geld einbrachten. Und Geld bestimmte natürlich immer wieder die Produktion von<br />

Vampirfilmen, die hier im Folgenden der Vergessenheit ihrer Kinogrüfte entrissen werden sollen...<br />

...Ich heiße Sie willkommen...

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