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Vorlesung Trinkwasserhygiene - Wasserlabor-goettingen.de

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Universitätsmedizin Göttingen<br />

<strong>Trinkwasserhygiene</strong> unter beson<strong>de</strong>rer<br />

Berücksichtigung mikrobiologischer Aspekte<br />

Abteilung Medizinische Mikrobiologie<br />

Dr.med. Dipl.Chem. Dipl-Ing.(FH) Ulrich S c h m e l z<br />

Humboldtallee 34A - 37073 Göttingen<br />

Tel.: 0551/39-4973 o<strong>de</strong>r 0175/9150334<br />

E-Mail: Ullischmelz@aol.com<br />

Glie<strong>de</strong>rung<br />

• Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r <strong>Trinkwasserhygiene</strong><br />

• Historischer Überblick<br />

• Erreger im Trinkwasser<br />

• Legionella pneumophila<br />

1<br />

2


Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r <strong>Trinkwasserhygiene</strong> und<br />

mikrobiologische Anfor<strong>de</strong>rungen an<br />

Trinkwasser<br />

Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Trinkwassermikrobiologie / Anfor<strong>de</strong>rungen<br />

Die Verfügbarkeit von Wasser als Trinkwasser ist in <strong>de</strong>r BRD und in an<strong>de</strong>ren<br />

Industriestaaten selbstverständlich.<br />

1,1 Mrd. Menschen:<br />

Keine Verfügbarkeit<br />

von Trinkwasser<br />

Wie aber gestaltet sich die Situation weltweit?<br />

2,4 Mrd. Menschen:<br />

Keine Abwasserentsorgung<br />

(Quer -<br />

ontaminationen!)<br />

3<br />

2,0 Mio. Kin<strong>de</strong>r:<br />

Sterben pro Jahr<br />

an aquatischen<br />

Erregern<br />

4


Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Trinkwassermikrobiologie / Anfor<strong>de</strong>rungen<br />

Trinkwasser ist im weitesten Sinne ein Lebensmittel, <strong>de</strong>ssen Beschaffenheit<br />

durch eine eigene Verordnung, die Trinkwasserverordnung, <strong>de</strong>finiert wird.<br />

Frei von Krankheitserregern: Mikrobiologische Parameter (Labor-Analytik)<br />

Rein, genußtauglich: Chemische Parameter (Labor-Analytik)<br />

Wasseraufbereitung +Verteilung: Allg. Regeln <strong>de</strong>r Technik (z.B. DVGW)<br />

Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Trinkwassermikrobiologie / Anfor<strong>de</strong>rungen<br />

Die regelmäßige „Pflichtuntersuchung“ sichert die chemische und<br />

mikrobiologische Qualität.<br />

Untersuchung durch akkreditierte Labore, wie in § 15, Abs.4 TrinkwV gefor<strong>de</strong>rt.<br />

Die Häufigkeit <strong>de</strong>r Untersuchungen und <strong>de</strong>r Umfang sind abhängig vom<br />

Entnahmevolumen (Anlage 4 TrinkwV).<br />

Chemische Parameter:<br />

• Technische Relevanz (z.B. Gesamthärte, Calcitlösekapazität, Sulfat, etc.)<br />

• Toxikologische Relevanz (z.B. Blei, Arsen, Cadmium, etc.)<br />

Mikrobiologische Parameter:<br />

• Orientieren<strong>de</strong> Einschätzung (z.B. Gesamtkeimzahl 20°C / 36°C)<br />

• Indikatorparameter (z.B. Coliforme Bakterien, E.coli, Clostridium perfr.)<br />

• Aquatische Parameter (z.B. Legionella sp., Pseudomonas sp.)<br />

5<br />

6


Historischer Überblick<br />

Historischer Überblick<br />

Trinkbares Wassers hat seit Menschenge<strong>de</strong>nken eine hervorgehobene<br />

Be<strong>de</strong>utung:<br />

Altertum; König David 1000 v.Chr.:<br />

• Psalm 23, Vers 1: Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er<br />

wei<strong>de</strong>t mich auf einer grünen Aue und führet mich zu frischem Wasser.<br />

Antike; Römisches Reich:<br />

• Bau <strong>de</strong>r „Cloaca Maxima“= Abwassersystem (Vermeidung von fäkalen<br />

Querkontaminationen) in Rom (ca. 100 v.Chr.)<br />

• Bau von Aquadukten als kontrollierte Trinkwasserleitungen (u.a. auch in<br />

<strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>s Limes bei Mainz „Eifelwasserleitung“ ca. 80n.Chr)<br />

• Verwendung von Trinkwasserleitungen in Gebäu<strong>de</strong>n (Blei)<br />

7<br />

8


Historischer Überblick<br />

Immer war das Wasser Grundstock <strong>de</strong>s Lebens und wur<strong>de</strong> als „übergeordnetes<br />

Lebensmittel“ betrachtet.<br />

• Wasserassoziierte Erkrankungen waren <strong>de</strong>shalb historisch immer mit<br />

Furcht und Fluch behaftet (Cholera, Typhus).<br />

• Der Kausalzusammenhang mit Erregern und <strong>de</strong>ren Übertragungsmodus<br />

war noch bis in das 19. Jhd. unklar.<br />

• Zeitlich und örtlich gehäufte Erkrankungsfälle (Epi<strong>de</strong>mien) sind seit <strong>de</strong>m<br />

Mittelalter bis in die Neuzeit belegt.<br />

• 1700-1750: mehrere Cholera-Epi<strong>de</strong>mien in Europa (aus Asien<br />

eingeschleppt): England 1745: „Gui<strong>de</strong> me O thou greet re<strong>de</strong>emer“: 2.<br />

Strophe: „Open now the crystal fountain, whence the healing stream<br />

doth flow / Let the fire and cloudy pillar, lead me all my journey<br />

through…“<br />

• Die Dankbarkeit nach einer überstan<strong>de</strong>nen trinkwasservermittelten<br />

Epi<strong>de</strong>mie ist in <strong>de</strong>r Lyrik belegt und ist heute gegenwärtig.<br />

• 1892: Letzte große Cholera-Epi<strong>de</strong>mie in Deutschland<br />

Historischer Überblick<br />

Beispiel: Cholera-Epi<strong>de</strong>mie in Hamburg 1892.<br />

Cholera = Infektionserkrankung durch einen toxinbil<strong>de</strong>nen bakteriellen Erreger<br />

(Vibrio cholerae).<br />

Pathologischer Mechanismus: Nach erfolgter Infektion <strong>de</strong>s Dünndarms durch<br />

Trinken hochverunreinigten Wassers bil<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Erreger einen Giftstoff, <strong>de</strong>r<br />

Durchfälle verursacht.<br />

Übertragungsmechanismus: Fäkal-Oral<br />

Folge: Schwere Durchfälle, Wasserverlust, Elektrolytentgleisungen,<br />

Herzrhythmus- und Gerinnungsstörungen, oft letal<br />

Nachweis: Durch Kultur, biochemische Differenzierung und Erbsubstanznachweis<br />

<strong>de</strong>s Erregers.<br />

Erstbeschreibung und Nachweis durch Keimanzucht <strong>de</strong>s Erregers durch<br />

Robert Koch im Jahre 1892. Kommaförmiges Stäbchenbakterium<br />

9<br />

10


Historischer Überblick<br />

Beispiel: Cholera-Epi<strong>de</strong>mie in Hamburg 1892.<br />

Robert Koch, 1843-1910<br />

Studium <strong>de</strong>r Medizin, Promotion in Göttingen, Nobelpreis 1905, Aufklärung von<br />

Milzbrand, Tuberkulose, Cholera<br />

Historischer Überblick<br />

Beispiel: Cholera-Epi<strong>de</strong>mie in Hamburg 1892.<br />

Im Jahre 1892 wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Erreger vermutlich aus Russland nach Hamburg<br />

eingeschleppt.<br />

Erkrankungsfälle Sommer/Herbst 1892 ca. 16.956 Menschen, To<strong>de</strong>sfälle: 8.605<br />

Robert Koch aus Berlin suchte im August 1892 auf drängen <strong>de</strong>s Senats Hamburg<br />

auf.<br />

Statistische Auswertung <strong>de</strong>r Erkrankungsfälle:<br />

• Ca. 90 % auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>r freien Hansestadt (Regierung: Bürgerschaft)<br />

• Ca. 10 % auf <strong>de</strong>m Gebiet Altonas (Regierung: Preussen).<br />

Erklärung:<br />

Freie Hansestadt: Trinkwasser aus Brackwasser <strong>de</strong>r Elbe nach Sedimentation<br />

Altona: Sedimentation + Sandfiltration Suffiziente Erreger-Eliminierung<br />

11<br />

12


Lazarett<br />

Historischer Überblick<br />

Beispiel: Cholera-Epi<strong>de</strong>mie in Hamburg 1892.<br />

Massengrab<br />

überfüllte Apotheke<br />

Historischer Überblick<br />

Beispiel: Cholera-Epi<strong>de</strong>mie in Hamburg 1892.<br />

13<br />

14


Historischer Überblick<br />

Beispiel: Cholera-Epi<strong>de</strong>mie in Hamburg 1892.<br />

Folge: Flächen<strong>de</strong>cken<strong>de</strong> Einführung <strong>de</strong>r Sandfiltration auf im Gebiet <strong>de</strong>r freien<br />

Hansestadt.<br />

Dieser Fall zeigt die letzte große trinkwasservermittelte Epi<strong>de</strong>mie in Deutschland.<br />

Er bereitet <strong>de</strong>n Beginn für die flächen<strong>de</strong>cken<strong>de</strong> Einführung einer kontrollierten<br />

Trinkwasser-Aufbereitung und eines Kontroll- und Überwachungssystems.<br />

Der Fall beschreibt damit <strong>de</strong>n Beginn <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Wasserwissenschaft mit <strong>de</strong>m<br />

Zweck, hygienisch einwandfreies Trinkwasser je<strong>de</strong>rmann zur Verfügung zu stellen.<br />

Robert Koch 1893:<br />

Von Trinkwasser darf im keinem Fall mehr ein Infektionsrisiko ausgehen!<br />

Historischer Überblick<br />

Beispiel: Cholera-Epi<strong>de</strong>mie in Hamburg 1892.<br />

Bau <strong>de</strong>r Hamburger Sandfiltration, 1892<br />

15<br />

16


Erregerklassen:<br />

• Viren<br />

• Bakterien<br />

• Pilze<br />

• Parasiten<br />

Erreger im Trinkwasser<br />

Erreger im Trinkwasser<br />

Deutschland: Bakterielle Erreger vornehmlich von Relevanz.<br />

Subtropische Län<strong>de</strong>r: Zusätzlich auch Viren (z.B. Hepatitis-A) und Parasiten (z.B.<br />

Erreger <strong>de</strong>r Flußblindheit = Dracunculus mediensis).<br />

Grundsätzlich:<br />

Die meisten Erreger sind niedrig-pathogen, es sind hohe Dosen von z.T. über 1<br />

Mio. Keime / mL Wasser erfor<strong>de</strong>rlich, um eine Infektion auszulösen.<br />

Wenige Erreger sind hoch-pathogen: z.B. Salmonella typhi o<strong>de</strong>r Noroviren<br />

17<br />

18


Herkunft <strong>de</strong>s Trinkwassers:<br />

• Oberflächenwasser:<br />

Erreger im Trinkwasser<br />

• Grundwasser (Brunnen o<strong>de</strong>r Quelle)<br />

• Offenes Oberflächenwasser (Talsperren)<br />

• Uferfiltrat<br />

• Tiefenwasser:<br />

• Juveniles Wassers aus entwicklungsgeschichtlich<br />

alten Gesteinsschichten.<br />

Trinkwassergewinnung in Deutschland: Vornehmlich Oberflächenwasser<br />

Oberflächenwasser = Bestandteil <strong>de</strong>r belebten Umwelt; Mikroorganismen<br />

können hier auftreten; Trinkwasser ist nie steril.<br />

Welchen Wert aus Sicht <strong>de</strong>r Hygiene hat das Auftreten bestimmter<br />

Mikroorganismen im Oberflächenwasser ?<br />

Erreger im Trinkwasser<br />

Differenzierung <strong>de</strong>r in Deutschland relevanten Mikroorganismen im<br />

Trinkwasser:<br />

• Umweltassoziierte Mikroorganismen, z.B.<br />

• Nitrosomonas sp. / Nitrobacter sp.<br />

• Clostridium sp.<br />

• Coliforme Bakterien <strong>de</strong>r Umwelt<br />

• Aquatische Mikroorganismen, z.B.<br />

• Pseudomonas sp.<br />

• Legionella sp.<br />

• Fäkale Mikroorganismen, z.B.<br />

• Citrobacter<br />

• Escherischia coli<br />

• Coliforme Bakterien <strong>de</strong>s Darmtraktes<br />

19<br />

20


Legionella pneumophila<br />

Ein oft verkanntes Bakterium mit beson<strong>de</strong>rer klinischer<br />

Relevanz<br />

Darstellung <strong>de</strong>s Erregers und <strong>de</strong>ssen<br />

Eigenschaften<br />

21<br />

22


Erreger und Eigenschaften<br />

• Bakterieller Erreger, Erstbeschreibung 1977<br />

• Morphologie:<br />

• Stäbchenform, ca. 1-3 µm Länge; gramnegatives Verhalten<br />

• Lange Generationszeit; ca. 4 Stun<strong>de</strong>n !<br />

• Vgl.: Salmonella enterica: 20 Minuten<br />

• Natürlicher Standort:<br />

• Biofilm auf mineralischen Oberflächen in Flüssen und Seen<br />

• Übertragungsmodus:<br />

• Aerogen; Infektion durch Inhalation eines erregerhaltigen Aerosols<br />

Erreger und Eigenschaften<br />

• Keimproliferation in <strong>de</strong>r Umwelt:<br />

• Intrazellulär; Amöben (Einzeller) in Biofilmen als Wirte<br />

23<br />

Proliferation von<br />

Legionellen in<br />

Acanthamöben (a)<br />

und <strong>de</strong>ren Cysten<br />

(b) Quelle:<br />

Dt.Ärzteblatt(2006); 106;<br />

1294-1300<br />

• Daher: nutritiv empfindlicher Keim; Defekt in <strong>de</strong>r<br />

Cysteinbiosynthese; Cystein muß extern zugeführt wer<strong>de</strong>n.<br />

• Kein Wachstum auf Vollmedien (Casoagar, Blutagar)<br />

• Mäßiges bis gutes Wachstum auf Spezialagar (GVPC).<br />

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Erreger und Eigenschaften<br />

• GVPC-Agar – Spezialagar für die kulturelle Anzucht von Legionellen<br />

• Glycin – Vancomycin – Polymyxin B – Cycloheximid – Agar<br />

• pH: 6,9<br />

• Enthält zusätzlich Hefeextrakt und Aktivkohle<br />

• Inkubationszeit im Brutschrank: 10 Tage bei 36°C<br />

Links: GVPC-Agar mit Legionellen<br />

in Kultur (Wachstum nachw eisbar )<br />

Rechts: Vollblut-Agar mit<br />

Legionellen in Kultur (kein<br />

Wachstum nachw eisbar )<br />

Gesamtbefund: V.a. Legionella sp.<br />

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