Jazz-Improvisation und Management - IDS Scheer
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In einer Welle führend zu sein, ist nur dann ausreichend für eine längere Karriere, wenn dieser Stil zeitlich stabil ist. Jeder<br />
neuen Welle lediglich nachzulaufen, genügt nicht, da sich dann bereits andere Künstler, die die Welle kreiert haben, etabliert<br />
haben.<br />
In der Hightech-Welt ist die Fähigkeit, sich neuen Technologiewellen zu öffnen <strong>und</strong> mitzugestalten, Voraussetzung für ein<br />
längerfristiges Überleben der Unternehmen. Unternehmen, die lediglich in einer Technologiewelle führend waren <strong>und</strong><br />
dann die nächste verschlafen haben, sind trotz hoher Erfolge wieder vom Markt verschw<strong>und</strong>en. Dem Softwarehaus SAP<br />
AG ist es dagegen gelungen, durch ihre Produkte R/1, R/2, R/3 <strong>und</strong> mySAP.com in vier Technologiewellen mit führend zu<br />
sein. Ein Unternehmen wie Digital Equipment, einst zweitgrößter Hardwarehersteller der Welt, hatte zwar die Welle von<br />
vernetzten Kleincomputern angeführt, dann aber die Welle von standardisierten Betriebssystemen, Datenbanksystemen<br />
<strong>und</strong> Netzwerken übersehen <strong>und</strong> wurde später von dem Unternehmen Compaq aufgekauft.<br />
6 Wettbewerb <strong>und</strong> Kreativität<br />
Der zwischen <strong>Jazz</strong>-Musikern bestehende sportliche Wettbewerb ist ein weiterer treibender Faktor für Engagement <strong>und</strong><br />
Inspiration in der Musik. Zum Teil wird der Wettbewerb regelrecht in einer Band installiert. Bei Count Basie waren z. B.<br />
jeweils Vertreter unterschiedlicher Stilrichtungen bei den Tenor-Saxofonisten engagiert, die sich bei den Soli intensive<br />
„Schlachten“ (Tenor-Battles) lieferten, wer der beste, d. h. einfallsreichste <strong>und</strong> ausdrucksstärkste Musiker sei. Schüler<br />
des Tenor-Saxofonisten Colman Hawkins vertraten die sonore, vibratoreiche Spielweise, während Lester Young selbst<br />
<strong>und</strong> seine Schüler eher die zurückhaltende Spielweise bevorzugten. Am Anfang waren so Hershel Evans <strong>und</strong> Lester<br />
Young die installierten Kombattanten, später Frank Foster <strong>und</strong> Frank Wess. Auch in dem berühmten Miles Davis-Sextett<br />
waren mit Cannonball Adderley, einer dem Blues verb<strong>und</strong>enen Saxofonspieler, <strong>und</strong> John Coltrane mit seiner moderneren<br />
Spielweise zwei Gegenpole engagiert.<br />
In Jam Sessions können sich die Musiker gegenseitig anheizen <strong>und</strong> so zu wahren Höhenflügen inspirieren. Auch in dem<br />
Spielen sogenannter „Vierer“, d. h. es werden abwechselnd jeweils vier Takte eines Chorus gespielt, versuchen die<br />
Musiker sich gegenseitig zu übertrumpfen. In den Konzerttourneen des Impresarius Norman Grantz „<strong>Jazz</strong> at the philharmonic“<br />
(JATP) wurden die Musiker so zusammengestellt, dass gerade die Battles herausragende Höhepunkte dieser<br />
Konzerte waren. Dieser Wettbewerb ist nicht zerstörerisch, sondern dient jeweils zur gegenseitigen Inspiration: Es werden<br />
dabei auch Ideen des anderen aufgenommen <strong>und</strong> bei der eigenen <strong>Improvisation</strong> eingeb<strong>und</strong>en, so dass eine hohe<br />
Kommunikation besteht.<br />
Auch in einem <strong>Management</strong>team muss nicht immer wohlgefällige Harmonie herrschen, sondern auch hier kann Wett -<br />
bewerb die Leistung des Teams steigern. Er darf aber nicht zerstörerisch sein, indem ein Einzelner sich auf Kosten der<br />
anderen Teammitglieder übermäßig profilieren will. Konzeptionelle Meinungsverschiedenheiten <strong>und</strong> unterschiedliche<br />
Temperamente können dagegen die Kreativität für neue Strategien fördern. Treiber <strong>und</strong> Bewahrer in einem Team können<br />
zu riskante Manöver abmildern <strong>und</strong> gleichzeitig die Gefahr zum Erstarren verhindern.<br />
7 Das Richtige liegt neben dem Falschen<br />
ARIS Expert Paper<br />
In einer <strong>Improvisation</strong> kann es vorkommen, dass ein falschklingender Ton gespielt wird. Ein falscher Ton heißt, dass der<br />
Ton in dem augenblicklichen harmonischen Zusammenhang nicht wohlgefällig klingt. Nun gilt die Regel, dass die nächstliegenden<br />
Töne, also die jeweils um einen Halbton erhöhten oder erniedrigten Töne, bei dem harmonischen Zusammen -<br />
hang als „richtig“ klingend empf<strong>und</strong>en werden. Wenn es dem Spieler also gelingt, sobald er den „falschen“ Ton hört,<br />
sofort den daneben liegenden Ton zu spielen, dann fällt das einem Zuhörer kaum auf, da der falsche Ton zu einem Durch -<br />
gangston reduziert wird <strong>und</strong> die Betonung auf den wohlklingenden Ton gelegt wird.<br />
Auch bei den oben angeführten Beispielen der USA-Markteinführung des Unternehmens Honda <strong>und</strong> der R/3-Entwicklung<br />
des Softwarehauses SAP AG lag die richtige Strategie direkt neben der „falschen“.<br />
Wenn das Hondateam sich aus den USA zurückgezogen hätte, nachdem der ursprüngliche Plan, schwere Motorräder auf<br />
dem Markt einzuführen, misslungen war, wäre der anschließende Markterfolg mit Leichtmotorrädern ausgeblieben. Es<br />
war richtig, dass das Unternehmen die USA als Auslandsmarkt erkannt hatte, nur das Produkt lag einen „Halbton“ neben<br />
dem zunächst geplanten.<br />
Auch das R/3-Entwicklungsteam hätte sich zurückziehen können, nachdem die ursprünglich geplante Lösung technisch<br />
nicht umsetzbar war. Aber auch hier lag die richtige Lösung direkt neben der falschen. Es war richtig, eine neue Software<br />
für dezentrale Rechnersysteme zu entwickeln, nur war die proprietäre AS 400-Plattform falsch <strong>und</strong> die danebenliegende<br />
Lösung mit UNIX-Betriebssystem <strong>und</strong> weiteren neutralen Standards war die richtige Wahl.<br />
Diese Erkenntnisse besagen, dass ein vermeintlicher Misserfolg noch lange nicht endgültig sein muss, sondern sehr<br />
genau auf seine Ursachen analysiert werden sollte <strong>und</strong> danebenliegende Varianten sorgfältig geprüft werden müssen,<br />
um unter ihnen die Perle in der Muschel zu finden.<br />
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