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Sprungantworten von Füllstandsregelstrecken - Technik

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Fachbereich<br />

Naturwissenschaftliche <strong>Technik</strong><br />

Labor „Regelungstechnik“<br />

Prof. Dr. G. Kleemann Standort Ostfriesland<br />

Dipl.-Ing. V. Braun<br />

Dipl.-Ing. A. Härtel Emden, 03.03.2003<br />

Lehrmaterial zum Praktikum Regelungstechnik<br />

Füllstandsstrecken<br />

Prof. Dr.-Ing. Gerhard Kleemann<br />

Telefon: (04921)807-1519 / Telefax: (04921)807-88-1519<br />

e-mail: kleemann@nwt.fho-emden.de<br />

homepage: http://spot.fho-emden.de/hp/kleemann/kleemann.html


FH Emden Regelungstechnik Prof. Dr. G. Kleemann<br />

Fachbereich T Lehrmaterial Praktikum Seite 2 <strong>von</strong> 9<br />

<strong>Sprungantworten</strong> <strong>von</strong> <strong>Füllstandsregelstrecken</strong><br />

Das Verhalten <strong>von</strong> Füllstands-Regelstrecken hängt maßgeblich da<strong>von</strong> ab, welches<br />

Prinzip für den Abfluß aus der Regelstrecke benutzt wird:<br />

h(t)<br />

mzu(t)<br />

H(t)<br />

Prinzip 1:<br />

Der Abfluß erfolgt über eine Pumpe. Der Volumenstrom am Ausgang ist damit konstant<br />

und nicht <strong>von</strong> der Höhe des Flüssigkeitsstandes abhängig.<br />

Der Füllstand bleibt nur konstant, wenn der Zulauf und der Ablauf gleich groß sind.<br />

Im Falle einer positiven sprungförmigen Störung des Zulaufs nimmt der Stand linear<br />

mit der Zeit zu. Es kommt zum Überlaufen des Behälters.<br />

Im Falle einer negativen sprungförmigen Störung des Zulaufs nimmt der Stand linear<br />

mit der Zeit ab. Es kommt zum Leerlaufen des Behälters.<br />

Das Überlaufen oder Leerlaufen des Behälters ist auch durch ein größeres Volumen<br />

des Behälters nicht zu verhindern.<br />

Die verschiedenen Fälle sind im Bild 1 dargestellt (notebook: fuell_var1).<br />

material_fuell_03-04-05.doc<br />

Hmax<br />

Ho<br />

mab(t)


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Fachbereich T Lehrmaterial Praktikum Seite 3 <strong>von</strong> 9<br />

Bild 1: <strong>Sprungantworten</strong> einer Füllstandsregelstrecke mit konstantem Ablauf<br />

Es handelt sich um eine Regelstrecke ohne Ausgleich. Sie wird als I-Strecke<br />

bezeichnet.<br />

Prinzip 2:<br />

Der Abfluß ist als freier Ablauf gestaltet und hängt damit <strong>von</strong> der Höhe des Flüssigkeitsstandes<br />

ab.<br />

Modell für die Berechnung des Abflusses:<br />

• reibungsfreie Strömung ohne Rückstau gegen Atmosphäre<br />

• Querschnitt des Behälters: A<br />

• Querschnitt des Auslaufes: a<br />

• Voraussetzung: a


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Fachbereich T Lehrmaterial Praktikum Seite 4 <strong>von</strong> 9<br />

Auslaufgeschwindigkeit nach Toricelli:<br />

v( t)<br />

= 2 • g • H(<br />

t)<br />

(1)<br />

Gesamtmasse der Flüssigkeit im Behälter:<br />

M( t)<br />

= ρ • A • H(<br />

t)<br />

(2)<br />

Ablaufende Masse:<br />

mab( t)<br />

= ρ • a • 2 • g • H(<br />

t)<br />

(3)<br />

Massenbilanz:<br />

•<br />

M( t)<br />

= mzu(<br />

t)<br />

−<br />

Daraus folgt:<br />

ρ •<br />

material_fuell_03-04-05.doc<br />

•<br />

mab(<br />

t)<br />

A • H(<br />

t)<br />

= mzu(<br />

t)<br />

− ρ • a • 2 • g • H(<br />

t)<br />

Mit der Zusammenfassung der konstanten Größen zu k1, k2 und k3 und der Bezeichnung<br />

des Zulaufes mit dem Symbol des Einganges der Regelstrecke y(t) entsteht<br />

die nichtlineare DGL:<br />

d<br />

k1• H(<br />

t)<br />

+ k2<br />

• H(<br />

t)<br />

= k3<br />

• y(<br />

t)<br />

(6)<br />

dt<br />

Prinzip 2, Variante 1: Linearisierung des Streckenverhaltens in der Umgebung<br />

des Arbeitspunktes<br />

Für die Beschreibung des Streckenverhaltens in der Nähe des Betriebspunktes Ho<br />

wird die Wurzelfunktion in eine Taylorreihe entwickelt:<br />

H(<br />

t)<br />

H(<br />

t)<br />

− Ho<br />

= Ho +<br />

(7)<br />

2 • Ho<br />

Aus der Zeichnung ergibt sich:<br />

H(t) = Ho + h(t) (8)<br />

(4)<br />

(5)


FH Emden Regelungstechnik Prof. Dr. G. Kleemann<br />

Fachbereich T Lehrmaterial Praktikum Seite 5 <strong>von</strong> 9<br />

Die Ableitung <strong>von</strong> H(t) ergibt:<br />

d<br />

H(<br />

t)<br />

dt<br />

material_fuell_03-04-05.doc<br />

d<br />

d<br />

= [ h(<br />

t)<br />

+ Ho]<br />

= h(<br />

t)<br />

(9)<br />

dt<br />

dt<br />

Die Gleichungen (7), (8) und (9) werden in Gln. (6) eingesetzt und die Konstanten<br />

wieder entsprechend zusammengefasst. Es ergibt sich eine lineare DGL erster Ordnung:<br />

d<br />

c1• h(<br />

t)<br />

+ c2<br />

• h(<br />

t)<br />

= c3<br />

∗ y(<br />

t)<br />

(10)<br />

dt<br />

Diese Gleichung entspricht <strong>von</strong> der Form her der DGL einer P-T1-Strecke. Die<br />

Sprungantwort verläuft also in der Umgebung des Arbeitspunktes entsprechend der<br />

Lösung der DGL der P-T1-Strecke nach einer e-Funktion.<br />

Bleibt die sprungförmige Störung am Eingang innerhalb <strong>von</strong> durch die Parameter der<br />

Strecke festgelegten Grenzen, ergibt sich eine neuer Stand unterhalb des maximalen<br />

Füllstandes.<br />

Größere positive Störungen am Eingang führen zum Überlaufen des Behälters. Bei<br />

größeren negativen Störungen läuft der Behälter leer. Das Überlaufen oder Leerlaufen<br />

ist durch einen größeren Durchmesser des Behälters nicht zu verhindern. Das<br />

Erreichen der Grenzen des Regelbereiches dauert nur länger. In Abhängigkeit vom<br />

Füllstand zum Zeitpunkt der Störung kann das Über-oder Leerlaufen durch einen höheren<br />

Behälter verhindert werden.<br />

Die Linearisierung gilt nur in der Umgebung des Arbeitspunktes. Je nach Stand Ho<br />

zu Beginn der Störung kann Überlaufen oder Leerlaufen evtl. nicht durch die Näherungsgleichung<br />

beschrieben werden.<br />

Prinzip 2, Variante 2: Annahme linearen Verhaltens im gesamten Regelbereich<br />

In der Praktikumsanleitung ist ein linearer Zusammenhang zwischen dem Flüssigkeitsstand<br />

H(t) und dem Ablauf nach der folgenden Gleichung (11) angenommen:<br />

Vab / Vab,max = H(t) / Hmax (11)<br />

Es wird also vereinfachend angenommen, das der lineare Zusammenhang im gesamten<br />

Bereich der Regelgröße gültig ist.<br />

Der Zulauf wird nach der Gleichung (12) berechnet:, wobei die Größe y den Öffnungsgrad<br />

des Ventils im Zulauf kennzeichnet (Stellgröße):<br />

Vzu/Vzumax=y(t)/ymax (12)


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Fachbereich T Lehrmaterial Praktikum Seite 6 <strong>von</strong> 9<br />

Für die Beispielrechnung werden folgende Annahmen getroffen:<br />

• Der maximale Stand beträgt 5 m. Beim maximalen Stand fließt ein Volumenstrom<br />

<strong>von</strong> 0,3 m 3 /h ab.<br />

• Beim Stand <strong>von</strong> 3 m ergibt sich ein Ablauf <strong>von</strong> 0,18 m 3 /h.<br />

• Es wird ein maximaler Zulauf <strong>von</strong> 1 m 3 /h angenommen. Das entspricht einem<br />

Öffnungsgrad des Ventils <strong>von</strong> ymax = 1.<br />

Vzumax 1 m 3 /h<br />

Vabmax 0,3 m 3 /h<br />

Hmax 5 m<br />

Ho 3 m<br />

ymax 1<br />

y(t) 0,18<br />

Bei einem Stand <strong>von</strong> 3 m und einem Zulauf <strong>von</strong> 0,18 m 3 /h verändert sich der Stand<br />

nicht. Das entspricht einem Öffnungsgrad des Ventils <strong>von</strong> y(t) <strong>von</strong> 0,18.<br />

Mit diesen Annahmen kann die vereinfachte DGL hergeleitet werden:<br />

d<br />

Vzumax<br />

Vabmax<br />

A • H(<br />

t)<br />

= Vzu − Vab = • y(<br />

t)<br />

− • H(<br />

t)<br />

(13)<br />

dt<br />

y max Hmax<br />

d<br />

A • H(<br />

t)<br />

+ ka • H(<br />

t)<br />

= ke • y(<br />

t)<br />

(14)<br />

dt<br />

Zur Stellgröße muss am Eingang der Strecke noch die Störgröße z(t) addiert werde,<br />

so dass die folgende DGL entsteht:<br />

d<br />

A • H(<br />

t)<br />

+ ka • H(<br />

t)<br />

= ke • y(<br />

t)<br />

+ z(<br />

t)<br />

(15)<br />

dt<br />

material_fuell_03-04-05.doc


FH Emden Regelungstechnik Prof. Dr. G. Kleemann<br />

Fachbereich T Lehrmaterial Praktikum Seite 7 <strong>von</strong> 9<br />

Für die Gleichung (15) ergeben sich folgende Lösungen (s. Bild 2):<br />

Fall 1 (schwarz)<br />

Die Störung beträgt z(t) = 0, der Stand bleibt bei 3 m.<br />

Fall 2 (blau)<br />

Die Störung beträgt z(t) = 0,12 m 3 /h, der Stand steigt an und erreicht asymtotisch<br />

den Maximalwert <strong>von</strong> 5 m.<br />

Fall 3 (rot, gestrichelt)<br />

Die Störung beträgt z(t) = 0,3 m 3 /h, der Stand steigt an, der Behälter läuft nach 8,5 s<br />

über.<br />

Fall 4 (blau, gestrichelt)<br />

Die Störung beträgt z(t) = –0,15 m 3 /h, der Behälter läuft nicht ganz leer. Es stellt sich<br />

ein Gleichgewicht zwischen Zulauf und Ablauf auf einem niedrigen Wert für den<br />

Stand ein.<br />

Fall 5 (rot)<br />

Die Störung beträgt z(t) = 0,3 m 3 /h, Vergrößerung des Behälters durch Verdoppelung<br />

der Fläche, der Behälter läuft nach 17,0 s über.<br />

Die verschiedenen Fälle sind im Bild 2 dargestellt (notebook: fuell_var2).<br />

Prinzip 2, Variante 3: Lösung der Original - Differentialgleichung<br />

Wenn der Verlauf der Ausgangsgröße nach einer sprungförmigen Störung am Eingang<br />

nicht durch die linearisierte Gleichung, sondern durch die exakte Differentialgleichung<br />

(1) beschrieben wird, ergeben sich <strong>von</strong> der Kurvenform her die gleichen<br />

Aussagen.<br />

Die verschiedenen Fälle bei sprungförmiger Störung am Eingang (Erreichung eines<br />

stabilen Wertes am Maximalwert, Überlauf, Leerlauf, Überlauf auch bei größerem<br />

Behälter) sind im Bild 3 dargestellt (notebook: fuell-var3).<br />

Die Zahlenwerte sind nicht mit dem linearisierten Fall vergleichbar. Durch die Art der<br />

Linearisierung fließt beim Ruheniveau <strong>von</strong> ho = 3 m ein anderer Volumenstrom aus,<br />

als mit der exakten Gleichung berechnet wird. Das liegt daran, daß die Linearisierung<br />

nicht nur in der Umgebung des Arbeitspunktes vorgenommen wurde, sondern für<br />

den gesamten Regelbereich.<br />

material_fuell_03-04-05.doc


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Fachbereich T Lehrmaterial Praktikum Seite 8 <strong>von</strong> 9<br />

Bild 2:<br />

Sprungantwort einer Füllstandsregelstrecke<br />

Annahme: Ablauf linear abhängig vom Stand im gesamten Regelbereich<br />

Bild 3:<br />

Sprungantwort der Füllstandsregelstrecke<br />

Ablauf abhängig <strong>von</strong> der Quadratwurzel des Standes<br />

material_fuell_03-04-05.doc


FH Emden Regelungstechnik Prof. Dr. G. Kleemann<br />

Fachbereich T Lehrmaterial Praktikum Seite 9 <strong>von</strong> 9<br />

Schlußfolgerung:<br />

Regelstrecken werden in der Literatur in proportionale Regelstrecken mit Ausgleich<br />

und integrierende Regelstrecken ohne Ausgleich eingeteilt. Als zusätzliches<br />

Merkmal wird die Ordnung der beschreibenden Differentialgleichung angegeben,<br />

die auf eine entsprechende Anzahl <strong>von</strong> Zeitverzögerungen hinweist.<br />

<strong>Füllstandsregelstrecken</strong> werden häufig pauschal den integralen Regelstrecken<br />

zugeordnet.<br />

Wie die Ausführungen zeigen, tritt bei <strong>Füllstandsregelstrecken</strong>, bei denen der<br />

Ablauf nach dem Prinzip 2 (Variante 1 oder 2) erfolgt, in der Umgebung des Arbeitspunktes<br />

ein Übertragungsverhalten ein, das nach der Differentialgleichung<br />

1. Ordnung dem einer P-T1-Strecke entspricht.<br />

In Abhängigkeit <strong>von</strong> den Parametern der Strecke und der Größe der Störung<br />

kann ein stabiler Endwert innerhalb des Regelbereiches erreicht werden (Ausgleich).<br />

Der Endwert kann aber auch außerhalb des Regelbereiches liegen (Überlauf<br />

oder Leerlauf, kein Ausgleich).<br />

Es handelt sich also im Normalfall um eine P-T1-Regelstrecke ohne Ausgleich<br />

und nur im Sonderfall um eine P-T1 Strecke mit Ausgleich.<br />

<strong>Füllstandsregelstrecken</strong> dürfen deshalb nicht pauschal als I-Strecken bezeichnet<br />

werden.<br />

Die Aussagen gelten sinngemäß auch für eine aus zwei hintereinandergeschalteten<br />

<strong>Füllstandsregelstrecken</strong> gebildete Füllstandsregelstrecke 2. Ordnung.<br />

Literatur:<br />

/1/ Schlitt, H.:<br />

Regelungstechnik<br />

Vogel-Buchverlag Würzburg<br />

material_fuell_03-04-05.doc

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