Der Göttinger Katalog Didaktischer Modelle

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13.09.2013 Aufrufe

die sich auch umfangreicheres Wissen allein und in höchst organisierter Weise angeeignet haben, man denke etwa an den Troja-Forscher Heinrich SCHLIEMANN, der auf diese Weise eine Vielzahl von Fremdsprachen erlernte. Es gibt auch Beispiele, daß sich Gruppen von Personen selbständig und ohne Anleitung eines professionellen Lehrers neues Wissen aneignen; solche Beispiele sind Gruppen von Forschern, Amateure, die in Vereinen organisiert sind, aber auch Jugendliche in jenen afrikanischen Stämmen, in denen es üblich ist, daß das für die Initiation notwendige Wissen in der Gruppe Gleichaltriger erlernt wird, die sich in die Einsamkeit zurückzieht ("Buschschule " ). Eine Entkoppelung unseres Begriffs von Unterricht von der Vorstellung, daß dieser immer die Idee eines professionellen Lehrers beinhalte, ist jedoch nicht nur historisch unzutreffend; sie entspricht auch zunehmend nicht mehr unserer Wirklichkeit, wenn man bedenkt, auf welche verschiedenartige Weise Kinder, Jugendliche und Erwachsene sich das Wissen, über das sie tatsächlich verfügen, aneignen. Ein Unterrichtsbegriff jedoch, der auch das selbsttätige, selbstorganisierte Lernen mit umfaßt, beschränkt sich nicht nur auf das Lernen "von etwas", sondern er bezieht das "Lernen des Lernens" notwendigerweise mit ein. Auch dies ist keine radikal neue Erkenntnis. Bereits 1807 hat Wilhelm v. HUMBOLDT diesen Gedanken in seinem "Königsberger Schulplan" ausgesprochen und genau diese Formel vom "Lernen des Lernens" geprägt. Damit eng verbunden ist die Notwendigkeit, den neuen Unterrichtsbegriff so zu definieren, daß er schulische und außerschulische Formen organisierter Lerntätigkeit umfaßt. Wenn man den Begriff Schule im engeren Sinne von Institutionen auffaßt, die zum Zwecke 22

der Organisation von Lernen bestimmter Art und bestimmten Inhalts eingerichtet wurden, wenn man also nicht den Schulbegriff selbst erweitert ("Die Armee ist die Schule der Nation " , "Das Leben ist die beste Schule " etc.), dann ist nicht nur für unseren Kulturbereich offenkundig, daß organisiertes Lernen zunehmend mehr außerhalb von Schulen stattfindet. Man denke zum einen an die Vielfalt der von den Massenmedien organisierten Lehrgänge ("Telekolleg", "Funkkolleg " ), aber auch an jene längeren oder kürzeren "Lektionen", die in den verschiedensten Beratungssituationen erteilt werden, auf Baumärkten, beim Steuerberater, in der Erziehungs- und Eheberatung und anderswo. Und man denke schließlich an die vielfältigen Formen von Freizeittätigkeiten, die in hohem Maße nicht in Schulen erlernt werden, auch wenn es dafür spezielle Schulen gibt: Angefangen vom Tanzen und Surfen bis hin zum Reisen und Spielen. Das Argument, daß in Schulen solche Lernprozesse regelmäßig effektiver, ökonomischer oder gründlicher vermittelt werden, außerhalb von Schulen hingegen nur ineffektiv und oberflächlich, wird wohl kaum jemand vortragen, der einmal die durchschnittlichen Früchte eines neunjährigen Fremdsprachenkurses mit dem Lernerfolg vergleicht, den jemand vorweisen kann, der ein Vierteljahr im betreffenden Land gelebt und sich dabei systematisch um eine selbständige Aneignung der Sprache bemüht hat. Daß man bei dem Wort Unterricht nicht mehr nur an Kinder und Jugendliche, sondern auch an Erwachsene denken sollte, müßte im Laufe der Entwicklung unseres Bildungswesens Allgemeingut geworden sein. Wenn nahezu ein Viertel der jungen Erwachsenen Hochschulen besucht, wenn es in nahezu jeder Kleinstadt bereits eine Volkshochschule gibt, und wenn jeder größere 23

die sich auch umfangreicheres Wissen allein und in höchst<br />

organisierter Weise angeeignet haben, man denke etwa an<br />

den Troja-Forscher Heinrich SCHLIEMANN, der auf diese<br />

Weise eine Vielzahl von Fremdsprachen erlernte. Es gibt<br />

auch Beispiele, daß sich Gruppen von Personen<br />

selbständig und ohne Anleitung eines professionellen<br />

Lehrers neues Wissen aneignen; solche Beispiele sind<br />

Gruppen von Forschern, Amateure, die in Vereinen<br />

organisiert sind, aber auch Jugendliche in jenen<br />

afrikanischen Stämmen, in denen es üblich ist, daß das<br />

für die Initiation notwendige Wissen in der Gruppe<br />

Gleichaltriger erlernt wird, die sich in die Einsamkeit<br />

zurückzieht ("Buschschule " ). Eine Entkoppelung unseres<br />

Begriffs von Unterricht von der Vorstellung, daß dieser<br />

immer die Idee eines professionellen Lehrers beinhalte,<br />

ist jedoch nicht nur historisch unzutreffend; sie<br />

entspricht auch zunehmend nicht mehr unserer<br />

Wirklichkeit, wenn man bedenkt, auf welche<br />

verschiedenartige Weise Kinder, Jugendliche und<br />

Erwachsene sich das Wissen, über das sie tatsächlich<br />

verfügen, aneignen. Ein Unterrichtsbegriff jedoch, der<br />

auch das selbsttätige, selbstorganisierte Lernen mit<br />

umfaßt, beschränkt sich nicht nur auf das Lernen "von<br />

etwas", sondern er bezieht das "Lernen des Lernens"<br />

notwendigerweise mit ein. Auch dies ist keine radikal<br />

neue Erkenntnis. Bereits 1807 hat Wilhelm v. HUMBOLDT<br />

diesen Gedanken in seinem "Königsberger Schulplan"<br />

ausgesprochen und genau diese Formel vom "Lernen des<br />

Lernens" geprägt.<br />

Damit eng verbunden ist die Notwendigkeit, den neuen<br />

Unterrichtsbegriff so zu definieren, daß er schulische<br />

und außerschulische Formen organisierter Lerntätigkeit<br />

umfaßt. Wenn man den Begriff Schule im engeren Sinne von<br />

Institutionen auffaßt, die zum Zwecke<br />

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