Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon
Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon
Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Maimon</strong>s Konzeption des unendlichen <strong>Verstand</strong>es, durch den die Frage quid juris beantwortet<br />
werden soll, kann als pantheistische Interpretation von Alexanders Gleichsetzung von göttli-<br />
chem <strong>Verstand</strong> der Aristotelischen Metaphysik <strong>und</strong> aktivem Intellekt aus Über die Seele in-<br />
terpretiert werden. Dabei ergibt sich eine bemerkenswerte Konsequenz für <strong>Maimon</strong>s Auffas-<br />
sung von Kants Bewußtseinstheorie: Das Bewußtsein tritt an die Stelle des passiven Verstan-<br />
des, wobei <strong>Maimon</strong> das Verhältnis von Bewußtsein (endlichem oder passivem <strong>Verstand</strong>) <strong>und</strong><br />
Realität (unendlichem oder aktivem <strong>Verstand</strong>) als antinomisches Verhältnis begreift. Die<br />
Aufhebung dieser Antinomie ist eine Idee der theoretischen Vernunft, welche in einem unend-<br />
lichen Annäherungsprozeß besteht.<br />
4.1. Synthesis <strong>und</strong> Subsumtion in der transzendentalen Deduktion<br />
In der transzendentalen Deduktion 345 versucht Kant zu erweisen, „wie sich Begriffe a priori<br />
auf Gegenstände beziehen können“ (A 85/B 117) 346 . Damit soll die Möglichkeit von gegen-<br />
ständlicher Erkenntnis überhaupt dargelegt werden, welche Kant als Synthesis von reinen<br />
<strong>Verstand</strong>esbegriffen <strong>und</strong> Anschauung versteht. 347 Das Beweisziel der Deduktion kann jedoch<br />
345 In der folgenden Darstellung der transzendentalen Deduktion wird im wesentlichen auf die B-Deduktion rekurriert.<br />
Im Mittelpunkt steht dabei <strong>Maimon</strong>s Auffassung der Deduktion. Es ist nicht intendiert, die Problematik<br />
der transzendentalen Deduktion in der Philosophie Kants zu beleuchten. Einen „kritische[n] Forschungsbericht“<br />
zur B-Deduktion liefert Baumanns (1991) <strong>und</strong> Baumanns (1992). Daß <strong>Maimon</strong> sich sowohl auf die erste (A) wie<br />
auf die zweite (B) Auflage der Kritik der reinen Vernunft bezieht, ergibt sich aus einer Analyse betreffender<br />
Stellen im Versuch (siehe hierzu die „Anmerkungen des Herausgebers“ im Versuch, 253-277).<br />
346 Siehe A 50/B 74: „Anschauung <strong>und</strong> Begriffe machen also die Elemente aller unsrer Erkenntnis aus, so daß<br />
weder Begriffe, ohne ihnen auf einige Art korrespondierende Anschauung, noch Anschauung ohne Begriffe, ein<br />
Erkenntnis abgeben können.“ Vgl. auch Heidegger (1987), 133: „die Beziehung des Denkens auf den Gegenstand<br />
<strong>und</strong> damit auf die Anschauung steht in Frage.“ Dieter Henrich weist auf die zentrale Bedeutung von Kants<br />
transzdentaler Deduktion hin: „Die transzendentale Deduktion der Kategorien ist das Kernstück der Kritik der<br />
reinen Vernunft. In ihm sind ihre beiden wichtigsten Beweise vereinigt: der von der Möglichkeit einer systematischen<br />
Erfahrungserkenntnis <strong>und</strong> der von der Unmöglichkeit einer Erkenntnis jenseits der Grenzen der Erfahrung.“<br />
(Henrich [1973], 90)<br />
347 Siehe A 19/B 33: „Auf welche Art <strong>und</strong> durch welche Mittel sich auch immer eine Erkenntnis auf Gegenstände<br />
beziehen mag, so ist doch diejenige, wodurch sie sich auf dieselbe unmittelbar bezieht <strong>und</strong> worauf alles Denken<br />
als Mittel abzweckt, die Anschauung.“ Vgl. hierzu Zöller (1984), 36: „Die elementare Gegenstandsgegebenheit<br />
durch Anschauung ließe sich als Kants These von der Unhintergehbarkeit der Anschauung bezeichnen. Für<br />
den erkennenden Gegenstandsbezug ist Anschauung unverzichtbar.“ Siehe ferner Heidegger (1951), 29: „Für alles<br />
Verständnis der Kritik der reinen Vernunft muß man sich gleichsam einhämmern: Erkennen ist primär Anschauen.“<br />
93