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Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon

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unity with or in [or of] something that is enormously, if not infinitely, greater than the empiri-<br />

cal self” 329 . Diese allgemeine Beschreibung der Mystik wird von Idel anhand von drei histori-<br />

schen Typen differenziert: der Aristotelischen, der neuplatonischen <strong>und</strong> der hermetischen 330 .<br />

Während die hermetische Tradition in vorliegendem Zusammenhang vernachlässigt werden<br />

kann, so läßt sich bei <strong>Maimon</strong> Kenntnis der neuplatonischen mystischen Tradition der Kabba-<br />

la <strong>und</strong> dem Chassidismus 331 nachweisen. Nach <strong>Maimon</strong> ist jedoch die richtig verstandene<br />

unio mystica keine Erfahrung der niederen Erkenntnisvermögen 332 , sondern ein Ideal des hö-<br />

heren Erkenntnisvermögens, womit <strong>Maimon</strong> wiederum Aristotelisches Erbe antritt: Das<br />

Einswerden muß als „intellectual union“ 333 beschrieben werden, so daß diese Form der My-<br />

stik als rationalistische Mystik bezeichnet werden kann. 334 Daß <strong>Maimon</strong> eine solche Position<br />

329 Zaehner (1960), 5.<br />

330 Idel 1988, 39.<br />

331 Vgl. GW I, 207-242. Zu <strong>Maimon</strong>s Darstellung der chassidischen Auffassung der „Selbstzernichtung“ siehe<br />

GW I, 208, 210 sowie 223: „Die Selbstzernichtung vor Gott ist nur alsdann gegründet, wenn das Erkenntnißvermögen<br />

so sehr mit seinem Gegenstande (der Größe des Gegenstandes wegen) beschäftigt ist, daß der Mensch<br />

dadurch gleichsam außer sich, bloß im Gegenstande existiert.“ Nach <strong>Maimon</strong> findet die wahre unio mystica nur<br />

im Erkenntnisvermögen statt, d.h. die einzige von <strong>Maimon</strong> akzeptierte Form der Mystik ist nicht die neuplatonische,<br />

sondern die rationalistische Mystik Aristotelischer Provenienz. Vgl. hierzu Gideon Freudenthal (2004), 97<br />

sowie Gideon Freudenthal (Ms. b). Zum Begriff der Selbstvernichtung vor Gott bzw. des Entwerdens siehe<br />

Schimmel (1995): „Die richtige Bedeutung von fanā ist eines der Kontrovers-Themen beim Studium des Sufismus.<br />

Das deutsche mittelalterliche Wort ‚Entwerden’ ist seiner Bedeutung näher als Worte wie ‚Vernichtung’,<br />

‚Zunichtewerden’, ‚Verschwinden’, weil es das Gegenteil von ‚Werden’ ist. [...] Fanā ist in seinen Anfängen ein<br />

ethischer Begriff: der Mensch entwird seinen Eigenschaften, indem er Gottes Eigenschaften annimmt.“ (207) Im<br />

Sinne der Aristotelischen rationalistisch-mystischen Tradition interpretiert Merlan (1955) auch den Begriff des<br />

Einfältigwerdens bei Meister Eckehart: „‚Mensch, werde einfältig!’ Wie schön klingen sie, die Worte, wie tief<br />

berührt uns der Ausdruck der ‚Einfältigkeit’ bei Eckhart! Aber was heißt er nun eigentlich? Kaum ist ein Zweifel<br />

möglich, wenn wir an die Unizität des aktiven Intellekts denken. Einfältig werden heißt alles abstreifen, was dem<br />

individuellen Menschen eigen ist, so daß er von der einzigen Menschlichkeit, die allen Menschen gemein ist, besessen<br />

werden kann. Das heißt einfältig werden; das heißt im Eckhartschen Mystizismus Christentum anziehen.<br />

In dieser Absorption des Menschen durch das Menschliche liegt sein Heil. [...] Der Mensch, der einfältig wird,<br />

ist von anderen Menschen nicht verschieden. [...] Und weil es einfältig ist, ist es ein- <strong>und</strong> dasselbe in allen Menschen.“<br />

(561)<br />

332 Als Erfahrungen des niederen Erkenntnisvermögens werden in diesem Zusammenhang alle nicht-intellektuellen<br />

mystischen Erfahrungen verstanden (wie beispielsweise die meditative Praxis).<br />

333 Idel (1988), 39: „Aristotelian terminology primarily provided concepts for what was called intellectual union.<br />

According to Aristotelian epistemology, during the act of cognition the knower and the known, or the intellect<br />

and the intelligible, are one; this is true of both human and divine acts of intellection. It is only logical to suppose<br />

that the act of intellection wherein God is the object of the human intellect amounts to what is known as mystical<br />

union. […] unitive notions of intellection (union with the Active Intellect or with God) discussed by such Jewish<br />

and Arabic thinkers as <strong>Maimon</strong>ides, Samuel Ibn Tibbon, Abubaker ibn Bajja, and Averroës.”<br />

334 Siehe hierzu Merlan (1955): „Die visio beatifica wird als das Einswerden des aktiven <strong>und</strong> des passiven Intellekts<br />

dargestellt; dieses Einswerden wird auch Überformung des passiven durch den aktiven Intellekt genannt.“<br />

(546) Weiterhin heißt es bei Merlan (1955): „Anstatt der unio mystica des Menschen mit Gott haben wir vor uns<br />

eine Beschreibung der unio beider Intellekte.“ (547) Vgl. ferner Merlan (1963), 2, 19, 86; Renan (1866), 145 f.,<br />

179 f.; Fishbane (1994), 41 f.<br />

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