Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon
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[sei], die ihr den sittlichen Tod“ 304 androhe. Der Schwärmer ist „bloß ein mißgeleiteter<br />
Wahrheitsforscher“ 305 , der anstatt mir dem <strong>Verstand</strong> <strong>und</strong> der Vernunft mit der Einbildungs-<br />
kraft forsche. 306 Wenn <strong>Maimon</strong> also die „Realität einer <strong>Weltseele</strong>“ (<strong>Weltseele</strong>, 48) vorurteils-<br />
frei prüfen will, wie er dies eingangs der <strong>Weltseele</strong> ankündigt, dann versteht sich dies als Eh-<br />
renrettung der „mißgeleiteten Wahrheitsforscher“ wie den mittelalterlichen Aristotelikern (ak-<br />
tiver Intellekt), Bruno <strong>und</strong> Spinoza. <strong>Maimon</strong> gibt in der <strong>Weltseele</strong> selbst Auskunft darüber,<br />
warum er die Lehre von der <strong>Weltseele</strong> bearbeite. Er wolle sich an einer vorurteilsfreien Prü-<br />
fung der Lehre von der <strong>Weltseele</strong> versuchen – angeregt durch die Lektüre von Blumenbachs<br />
Über den Bildungstrieb –, da die Ablehnung der <strong>Weltseele</strong> durch zahlreiche Philosophen sich<br />
nicht aus einer kritischen <strong>und</strong> eingehenden Prüfung, sondern aus der „Schwäche des mensch-<br />
lichen Geistes“ (<strong>Weltseele</strong>, 47) folge. Nach <strong>Maimon</strong> zeige diese Schwäche, daß „Meinungen<br />
auf Systeme auf fremden Glauben“ angenommen oder verworfen werden, um „auf diese Au-<br />
torität Jahrh<strong>und</strong>erte lang zu bauen“ (<strong>Weltseele</strong>, 47). Wie bereits gesehen ist Leibniz’ <strong>und</strong><br />
Mendelssohns Ablehnung der <strong>Weltseele</strong> als Opportunismus zu verstehen. <strong>Maimon</strong>s Diskussi-<br />
on der <strong>Weltseele</strong> ist jedoch nicht nur vor dem Hintergr<strong>und</strong> des Spinoza-Streites zwischen<br />
Friedrich Heinrich Jacobi <strong>und</strong> Mendelssohn 307 <strong>und</strong> der allgemeinen Spinoza-Debatte im 17.<br />
<strong>und</strong> 18. Jahrh<strong>und</strong>ert zu verstehen, sondern auch als Stellungnahme zu Anschuldigungen des<br />
Berliner Kreises um Mendelssohn 308 : Einen persönlichen Gr<strong>und</strong> für <strong>Maimon</strong>s Rehabilitierung<br />
der Lehre von der <strong>Weltseele</strong> läßt eine Episode aus der Lebensgeschichte erkennen. Um seine<br />
Berliner Fre<strong>und</strong>e von ihm „abwendig“ zu machen, so <strong>Maimon</strong>, wurde in Umlauf gebracht,<br />
304 Mendelssohn (1979), 83.<br />
305 <strong>Maimon</strong> (1793 b), 118; siehe auch 143 f.: „So äußern sich auch die Krankheiten der niedern Seelenkräfte in<br />
derjenigen Würkungsart unseres Erkenntnißvermögens, die sich auf bestimmte Objekte bezieht. Die Krankheiten<br />
der höheren Seelenkräfte aber äußern sich hauptsächlich in dem Trieb unseres Erkenntnißvermögens, das seiner<br />
Natur nach unbestimmbare zu bestimmen. Von dieser Art ist die Schwärmerei. Diese ist der Trieb der produktiven<br />
Einbildungskraft, Gegenstände, die der <strong>Verstand</strong> nach Erfahrungsgesetzen für unbestimmbar erklärt, zu<br />
bestimmen.“<br />
306 Vgl. hierzu Gideon Freudenthal (2004 a).<br />
307 Zu diesem Streit vergleiche vor allem Altmann (1973), 603-653, 671-712.<br />
308 Zum Verhältnis von <strong>Maimon</strong> zum Berliner Kreis um Mendelssohn siehe Altmann (1973), 362 f.<br />
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