Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon
Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon
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die averroistischen Aristoteliker <strong>und</strong> Giordano Bruno, auch wird auf die Kabbala 290 verwie-<br />
sen. Die Schädlichkeit dieses Monopsychismus liegt nun vor allem in der Leugnung der indi-<br />
viduellen Seelenunsterblichkeit. Im folgenden seien exemplarisch einige Autoren genannt,<br />
welche eine solche Position vertreten haben, um <strong>Maimon</strong>s Leibniz-Kritik vor diesem Hinter-<br />
gr<strong>und</strong> besser verstehen zu können. Pierre Bayle gibt in seinem Historischen <strong>und</strong> Kritischen<br />
Wörterbuch in den Artikeln zu Averroes, Bruno <strong>und</strong> Spinoza die treffende Zusammenfassung<br />
für eine solche Auffassung. Averroes ist nach Bayle der „Erfinder einer sehr abgeschmackten<br />
Meynung, welche der christlichen Rechtgläubigkeit sehr zuwider ist“, nämlich der Meinung,<br />
„daß es einen Geist giebt, welcher, ohne sich zu vermehren, alle einzelne Personen des<br />
menschl[ichen]. Geschlechts belebet, in so fern sie die Verrichtungen der vernünftigen Seele<br />
ausüben.“ 291 Die Gottlosigkeit besteht darin, wie bereits gesehen, daß die Sterblichkeit der<br />
Seele behauptet wird: Die Lehre des Averroes, so Bayle, „ist gottlos, weil sie Anlaß zu glau-<br />
ben giebt, daß die Seele, welche eigentlich die Forme [sic] der Menschen ist, mit dem Körper<br />
sten ist es, daß er [i.e. Spinoza; F.E.] fast von allen für einen erklärten Gottesläugner ausgeschrien worden, da<br />
doch, wie ich bereits mehrmals bemerkt habe, keiner diesen Vorwurf weniger verdient, als der Pantheist, der nur<br />
allzuviel Gott glaubet. [...] Der Pantheismus ist so viele tausend Jahre die herrschende Religion <strong>und</strong> Philosophie<br />
in der Welt gewesen, ohne daß es jemand eingefallen wäre, ihn für Gottesläugnung zu erklären, <strong>und</strong> selbst in der<br />
christlichen Kirche ist er nie ganz ausgestorben, wie aus der großen Menge Theosophen, Mystiker u.s.f. erhellet.“<br />
Adelung fährt fort, daß es daher „eine sehr unphilosophische Verunglimpfung ist, wenn Wolf behauptet, der<br />
Spinozismus hebe alle Religion auf.“ (Adelung [1787], 321) Vgl. hierzu auch GW I, 154: „Es ist unbegreiflich<br />
wie man das spinozistische System zum atheistischen machen können? da sie doch einander gerade entgegengesetzt<br />
sind. In diesem wird das Daseyn Gottes, in jenem aber das Daseyn der Welt geleugnet. Es müßte also eher<br />
das akosmische System heißen.“ Vgl. hierzu ferner Melamed (2004), 78 f.<br />
290 Vgl. beispielsweise Wachter (1994), 98, 167. Bei Leibniz (1996 b) heißt es hierzu: „Spinoza habe die alte hebräische<br />
Kabbale erneuert“ (40). Vgl. auch Popkin (1992), 386: „In the first history of the Jews ever written after<br />
Josephus, the French Huguenot Jacques Basnage wrote, ‘There is among the Jews a third opinion about the Creation,<br />
which Spinoza has reduced to a System. In truth that Jew had borrow’d the fo<strong>und</strong>ation of his Iniquity from<br />
the Rabbis of his Nation, who were known to him; rather than the Chineses, or the Heathen Philosophers. He has<br />
never cited the Cabalists as his Vouchers, because that Man was so extreamly jealous of the immortality of his<br />
Name, that he designed to pass for an Original, and an Inventor of his Opinions.’“ <strong>Maimon</strong>s behauptet in der Lebensgeschichte<br />
ebenfalls, die Kabbala sei erweiterter Spinozismus (GW I, 141; vgl. hierzu <strong>Maimon</strong>s Darstellung<br />
der Kabbala, GW I, 126-149) Altmann kommentiert <strong>Maimon</strong>s Position folgendermaßen: „Wenn daher <strong>Salomon</strong><br />
<strong>Maimon</strong> davon sprach, daß die Kabbala nichts anderes sei als ein erweiterter Spinozismus, so wiederholte er in<br />
bloß umgekehrter Form, was Jacobi unter dem Einfluß van Helmonts, Wachters <strong>und</strong> Leibniz’ gesagt hatte.“<br />
(Altmann [1971], 30) Zum Verhältnis <strong>Maimon</strong>s zur Kabbala vgl. Schulte (1999) <strong>und</strong> Schulte (2002), 33-35.<br />
291 Bayle (1741), 390. Weiterhin behauptet Averroes nach Bayle, „der <strong>Verstand</strong> aller Menschen [sei] ein einziger,<br />
<strong>und</strong> eben dasselbe Wesen.“ (391). Auch auf die von <strong>Maimon</strong> zitierte Aristotelische Auffassung von Form<br />
<strong>und</strong> Materie entdeckt Bayle bei Averroes: „daß nach der angenommenen Meynung dieses Philosophen, die Vermehrung<br />
der einzelnen Dinge keinen andern Gr<strong>und</strong> haben konnte; als die Materie, woraus folgen mußte, daß nur<br />
ein <strong>Verstand</strong> seyn könne, weil er nach dem Aristoteles von der Materie abgesondert <strong>und</strong> unterschieden ist.“<br />
(Bayle [1741], 391)<br />
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