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Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon

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„Andere weniger von Aristoteles abhängigen Autoren kamen sogar zur Annahme einer<br />

gleichsam den Ozean aller individuellen Seelen bildenden <strong>Weltseele</strong> <strong>und</strong> glaubten, sie allein<br />

habe eine Dauerexistenz, während die individuellen Seelen entstehen <strong>und</strong> vergehen. Wie die<br />

Tropfen sich vom Ozean loslösen, so entstehen nach dieser Ansicht die Seelen der Lebewesen,<br />

bis sie einen Körper zur Beseelung finden; sie sterben bei der Wiedervereinigung mit<br />

dem Ozean der Seelen, wenn der Körper zerstört wird, wie die Flüsse sich im Meere verlieren.<br />

Mehrere gingen sogar soweit zu glauben, Gott sei diese <strong>Weltseele</strong>, während andere sie für<br />

untergeordnet <strong>und</strong> erschaffen hielten. Diese schlechte Lehre ist sehr alt <strong>und</strong> geeignet, die Laien<br />

zu verblenden.“ 255<br />

Leibniz führt weiterhin aus, daß sich diese Lehre „in den schönen Versen Vergils (Aeneis, VI,<br />

724)“ 256 finde: „Principio coelum ac terram camposque liquentes / Lucentemque globum Lu-<br />

nae Titaniaque astra / Spiritus intus alit, totamque infusa per artus / Mens agitat molem, et<br />

magno se corpore miscet. / Inde hominum pecudumque genus vitaeque volantum.“ 257 Diese<br />

im Zusammenhang mit der Lehre von der <strong>Weltseele</strong> oft zitierten Verse taucht bei <strong>Maimon</strong> an<br />

zwei Stellen auf, die sich mit der <strong>Weltseele</strong> befassen. In seinem Artikel „Über das Vorherse-<br />

hungsvermögen“ befaßt sich <strong>Maimon</strong> mit <strong>Maimon</strong>ides’ Ausführungen zur Prophetie. Zu-<br />

nächst kündigt <strong>Maimon</strong> an, er werde die betreffenden Stellen zur Prophetie aus <strong>Maimon</strong>ides<br />

Führer der Unschlüssigen übersetzen, da er „nirgends etwas vernünftigeres über diese Mate-<br />

rie gef<strong>und</strong>en habe“ 258 . Zuletzt werde er, so seine Ankündigung, „noch eine kritische Untersu-<br />

chung über die <strong>Weltseele</strong> hinzufügen.“ 259 Diese Untersuchung findet sich zwar nicht in besag-<br />

tem Artikel, jedoch kann der Kommentar <strong>Maimon</strong>s zu <strong>Maimon</strong>ides’ Begriff „Ausfluß“ 260 als<br />

255 Leibniz (1996 b), 39.<br />

256 Zu diesem Vergil-Zitat, das eine prominente Stelle in der Geschichte der Lehre von der <strong>Weltseele</strong> einnimmt,<br />

siehe Schlette (1993): „Eine weitere Quelle, auf die man sich ‚im Mittelalter’ im Zusammenhang mit dem <strong>Weltseele</strong>-Thema<br />

berief, ist Vergils Aeneis; oft zitierte man die Zeilen VI, 726 f.“ (129). Zu Vergils Lehre, wie sie<br />

sich in diesen Versen ausdrückt, siehe Thornton (1997): „The whole cosmos or universe is one body alive in<br />

every part through the breath and mind that pervade it. [...] Here the cosmos is one, its unity being that of a living<br />

organism.“ (35) Nicht nur Leibniz <strong>und</strong> <strong>Maimon</strong> gebrauchen dieses Zitat. Es findet sich gleichfalls in der von Jacobi<br />

(als Appendix der zweiten Auflage seines „Spinoza-Büchleins“) übersetzten <strong>und</strong> <strong>Maimon</strong> kommentierten<br />

Schrift Giordano Brunos Von der Ursache, dem Prinzip <strong>und</strong> dem Einen sowie in Bayles Wörterbuch (Artikel<br />

„Averroes“; siehe Bayle [1974], 394). Ebenfalls verwendet es Cudworth zur Charakterisierung der plastic force<br />

(Cudworth [1845], 264).<br />

257 In der Übersetzung, die <strong>Maimon</strong> in „Über das Vorhersehungsvermögen“ beifügt, lauten die betreffenden Verse:<br />

„Erstlich nährt den Himmel, die Erd’ <strong>und</strong> die heitern Gefilde, / Und die leuchtende Kugel des Monds, <strong>und</strong> Titanische<br />

Sterne / Innen ein Geist; <strong>und</strong>, durch alle Theile gegossen, regieret / Eine Seele das Ganze, dem großen<br />

Körper sich mischend! / Daher das Menschengeschlecht, <strong>und</strong> das Leben der Thier’ <strong>und</strong> der Vögel.“<br />

258 GW III, 278.<br />

259 GW III, 278.<br />

260 GW III, 290.<br />

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