Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon
Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon
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Zunächst behauptet <strong>Maimon</strong>, daß Leibniz die Lehre von der prästabilierten Harmonie als exo-<br />
terische Lehre vortrage, „um dadurch dem Verdacht des Spinozismus auszuweichen.“ (Welt-<br />
seele, 81) Die prästabilierte Harmonie sei von Leibniz als „eine zufällige äussere“ (<strong>Weltseele</strong>,<br />
82) Harmonie von Körper <strong>und</strong> Seele, von Form <strong>und</strong> Materie konzipiert. Um ihren esoteri-<br />
schen Gehalt jedoch freizulegen, müsse diese Harmonie als „eine wesentliche innere Harmo-<br />
nie“ (<strong>Weltseele</strong>, 82) aufgefaßt werden, „die nicht blos von einer Willkür, sondern von einem<br />
Willen, der in der Natur der Objekte selbst seinen Gr<strong>und</strong> hat, abhängt“ (<strong>Weltseele</strong>, 82). Mai-<br />
mons Versuch, Leibniz im Sinne der <strong>Weltseele</strong> zu interpretieren beginnt zunächst durchaus<br />
im Einklang mit Leibniz’ exoterischer Lehre. Die menschliche Seele, so <strong>Maimon</strong>, ist eine<br />
„eingeschränkte Vorstellungskraft“, welche als Spiegel die Welt – „ob gleich nicht mit einer-<br />
ley Grad der Klarheit <strong>und</strong> Deutlichkeit“ (<strong>Weltseele</strong>, 82) – abbilde. Der dunklen <strong>und</strong> verworre-<br />
nen Vorstellungen machen das aus, was menschlicher Körper genannt wird, während die kla-<br />
ren <strong>und</strong> deutlichen Vorstellungen die Seele darstellen würden: „Man siehet aus dieser Erklä-<br />
rung, daß Seele <strong>und</strong> Körper eine <strong>und</strong> eben dieselbe Substanz in verschiedenen Graden der<br />
Vollkommenheit bedeutet.“ (<strong>Weltseele</strong>, 82 f.) Soweit folgt <strong>Maimon</strong> der offiziellen Lehre<br />
Leibniz’. <strong>Maimon</strong>s eigentliches Erklärungsziel ist allerdings erst erreicht, wenn er darlegen<br />
kann, daß nicht nur Seele <strong>und</strong> Körper eine <strong>und</strong> eben dieselbe Substanz ausmachen, sondern<br />
daß es nur eine einzige Substanz gibt. Erst eine solche Lesart würde aus der prästabilierten<br />
Harmonie eine „Harmonie der Identität“ (<strong>Weltseele</strong>, 87) machen, welche nicht nur aus Seele<br />
<strong>und</strong> Körper eine Substanz macht, sondern nur eine Seele als einzige Substanz (Monopsychis-<br />
mus) erklärt. Diese Harmonie der Identität würde nicht nur die Harmonie von individueller<br />
Seele <strong>und</strong> Körper erklären, sondern darüber hinaus auch die Harmonie zwischen den indivi-<br />
duellen Seelen. Die Harmonie der Identität ist dementsprechend eine Harmonie<br />
„zwischen zween Wesen [...], die nur dem Grade der Vollständigkeit nach von einander verschieden<br />
sind, <strong>und</strong> daß der Mensch im Ganzen genommen eine einzige Vorstellungskraft ist,<br />
die sich auf das ganze Universum beziehet. Das Deutliche in dieser Vorstellung ist ein Prädi-<br />
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