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Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon

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gegangen wird. 223 Wie <strong>Maimon</strong> so sieht auch Leibniz das Hauptargument, das für oder gegen<br />

die Lehre von der <strong>Weltseele</strong> spricht, in der Frage nach der Entstehung <strong>und</strong> dem Vergehen der<br />

einzelnen Formen oder Seelen:<br />

„Einer der einleuchtendsten Gründe, die man gegen die Einzelseelen angeführt hat, ist die<br />

Verlegenheit, in der man sich betreffs ihres Ursprungs befindet. Die Schulphilosophen haben<br />

über den Ursprung der Formen, worunter sie die Seelen einbegreifen, lang <strong>und</strong> breit gestritten.“<br />

224<br />

Die Entwicklung der Formen ist nach Leibniz jedoch nicht durch einen transzendenten Form-<br />

geber <strong>und</strong> der passiven, leidenden <strong>und</strong> aufnahmefähigen Materie zu erklären, sondern jegliche<br />

Entwicklung ist für Leibniz eine Auswicklung des im Keim bereits Vorhandenen. Als Anhän-<br />

ger der Evolutionstheorie ist Leibniz Anhänger der „individuellen Präformation“ 225 . Und wie<br />

sich <strong>Maimon</strong> auf die neueste Theorie über den Ursprung der Formen berufen kann, beruft sich<br />

Leibniz auf die Forschung seiner Zeit, die durch mikroskopische Untersuchungen die Leibni-<br />

zische These von der Entwicklung als Auswicklung zu bestätigen scheint: 226<br />

„Die Erfahrungen der neuesten Zeit bringen uns zu der Überzeugung, daß die Seelen <strong>und</strong><br />

selbst die Tiere stets, wenngleich nur in winziger Größe, existiert haben, <strong>und</strong> daß die Zeugung<br />

nur eine Art Auseinanderfaltung <strong>und</strong> Vergrößerung ist. Auf diese Weise schwinden dann alle<br />

Schwierigkeiten betreffs der Zeugung der Seelen <strong>und</strong> Formen.“ 227<br />

Die mikroskopische Forschung Malpighis, Leeuwenhoeks <strong>und</strong> Swammerdams 228 bestätigen<br />

Leibniz’ Annahme, „daß die Tiere keineswegs erst in dem Zeitpunkt, den man gewöhnlich als<br />

223<br />

Zur allgemeinen Hinführung auf die Verbindung von Biologie <strong>und</strong> Metaphysik bei Leibniz sei verwiesen auf<br />

Cassirer (1998), 366-373 sowie Cassirer (2001), 538-564.<br />

224<br />

Leibniz (1966), 52.<br />

225<br />

Kant (2001), § 81, 344 [AA V, 423].<br />

226<br />

Für den Zusammenhang mit den angeborenen Begriffen siehe Weyand (1972), 550 f.: „Für Leibniz, der ‚evolutio’<br />

<strong>und</strong> ‚involutio’ neben ‚développement’ <strong>und</strong> ‚enveloppement’ als ‚Lieblingswörter’ braucht, gehört<br />

E[ntwicklung]. in den Zusammenhang, in dem Ideen <strong>und</strong> Wahrheiten der Seele als Neigungen Dispositionen,<br />

Habitualitäten angeboren sind, so daß sie bei gegebenem Anlaß <strong>und</strong> Anstoß hervortreten. ‚Entwickeln’ (développer)<br />

bedeutet, daß diese unbewußten Vorstellungen deutlicher werden“.<br />

227<br />

Leibniz (1966), 53.<br />

228<br />

Vgl. Cassirers Kommentar zu dieser Stelle: „Leibniz beruft sich hier auf die neuen mikroskopischen Beobachtungen,<br />

die insbesondere durch Malpighi, Leeuwenhoek <strong>und</strong> Swammerdam angestellt worden waren. In seiner<br />

‚Anatome plantarum’ vom J. 1675 vertrat Malpighi zuerst die Anschauung, daß alle organischen Körper sich aus<br />

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