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Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon

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nünftige) Seele weniger als die Aristotelische tabula rasa ist, da Alexander jegliche Assozia-<br />

tionen von individueller Seelensubstantialität vermeiden möchte. Vielmehr handelt es sich bei<br />

dem passiven Intellekt um den „unwritten aspect of the tablet“, um die „disposition [in the ta-<br />

blet] for being written upon.“ 210 Es ist die aktive Vernunft als Formgeber, die sich der passi-<br />

ven Vernunft als der Materie ‚einschreibt’. Die Gegenpartei hingegen behauptet, daß die<br />

Formen gewissermaßen ‚eingewickelt’ in der Materie seien <strong>und</strong> auf Gr<strong>und</strong> eines äußeren An-<br />

lasses zur Erscheinung bzw. Auswicklung kämen. Der Formgeber wird in diesem Modell zum<br />

bloßen „Signalgeber“ 211 . <strong>Maimon</strong> argumentiert in diesem Zusammenhang für die Lehre vom<br />

aktiven Intellekt (<strong>Weltseele</strong>), der, um <strong>Maimon</strong>ides ein weiteres Mal zu zitieren, dadurch be-<br />

wiesen wird, „daß unser Denken aus dem Vermögen zur Wirklichkeit übergeht, sowie auch<br />

dadurch, daß die Formen der werdenden <strong>und</strong> vergehenden Dinge vorhanden sind.“ 212 Hierfür<br />

diskutiert <strong>Maimon</strong> zunächst die Positionen Lockes <strong>und</strong> Leibniz’ in der Streitfrage um die an-<br />

geborenen Begriffe, um anschließend die jeweiligen Positionen zur Frage nach dem Verhält-<br />

nis von Leib <strong>und</strong> Seele zu diskutieren. 213 <strong>Maimon</strong>s Argumentationsziel ist es zu zeigen, daß<br />

sowohl Locke als auch Leibniz in dieser Frage mit der Lehre von der <strong>Weltseele</strong> ‚vereinbar’<br />

seien. 214 Der Untersuchung <strong>und</strong> Diskussion der zahlreichen Implikationen, die eine solche<br />

210 Zit. nach Davidson (1984), 176.<br />

211 Bloch (1985), 500. Man kann diese Position mit Platons Wiedererinnerungslehre in Verbindung bringen oder<br />

aber wie Bloch diese Lehre auf Aristoteles zurückführen <strong>und</strong> als „Aristotelische Linke“ bezeichnen, vgl. hierzu<br />

Bloch (1985), 493: „Diese Linie also, vom Aristotelischen Materie-Form-Begriff her, <strong>und</strong> ihr Effekt: die Aufhebung<br />

der göttlichen Potenz selber in der aktiven Potentialität der Materie: das vorzüglich ist der Weg der Aristotelischen<br />

Linken, mit Avicenna als nachantikem Merk- <strong>und</strong> Wendepunkt.“<br />

212 <strong>Maimon</strong>ides (1995), 2. Buch, 4. Kapitel, 46.<br />

213 Vgl. <strong>Weltseele</strong>, 80: „Ich bemerke aber, daß diese Streitigkeit zwischen Locke <strong>und</strong> Leibniz über die angebohrnen<br />

Begriffe <strong>und</strong> Wahrheiten, eine andere Streitigkeit über das Wesen von Seele <strong>und</strong> Körper, <strong>und</strong> ihr Verhältniß<br />

zueinander, zum Gr<strong>und</strong>e hat“. Auch Cassirer sieht diese Debatten (Zeugungslehre, Lehre von den angeborenen<br />

Begriffe <strong>und</strong> Leib-Seele-Problem) miteinander verb<strong>und</strong>en: „Kehren wir nunmehr zu den metaphysischen Problemen<br />

zurück, so sehen wir, wie durch die Gr<strong>und</strong>legung der Biologie zugleich die Hauptfrage nach dem Verhältnis<br />

von Leib <strong>und</strong> Seele in eine neue Beleuchtung gerückt wird.“ (Cassirer [2001], 558; ferner: 558-563)<br />

214 Schlette (1993) behauptet im Hinblick auf <strong>Maimon</strong>s <strong>Weltseele</strong>nkonzeption: „Historisch ist hier zweifellos<br />

manches unklar“. (179) Es wird sich jedoch herausstellen, daß <strong>Maimon</strong>s <strong>Weltseele</strong>ndebatte wesentlich gegen<br />

Leibniz konzipiert ist, d.h. sich auf Äußerungen <strong>und</strong> Argumente Leibniz’ beruft, die dieser gegen die Lehre von<br />

der <strong>Weltseele</strong> vorbringt. Wie noch ersichtlich wird, identifiziert Leibniz die <strong>Weltseele</strong> der peripatetischen Schule<br />

(aktiver Intellekt) mit Platons <strong>und</strong> der stoischen Auffassung von der <strong>Weltseele</strong>, um im Anschluß daran zu zeigen,<br />

daß seine Monadologie die Unhaltbarkeit der Lehre von der <strong>Weltseele</strong> beweise. Leibniz unterscheidet weiterhin<br />

zwischen der <strong>Weltseele</strong> als Gott (Aristotelisch interpretiert wäre eine solche Position die Alexanders von Aphrodisias)<br />

<strong>und</strong> der <strong>Weltseele</strong> als eine von Gott geschaffene Substanz (beispielsweise Avicenna, der behauptete, der<br />

aktive Intellekt sei die zehnte Emanation Gottes): „Mehrere gingen sogar soweit zu glauben, Gott sei diese Welt-<br />

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