Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon
Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon
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Die höheren Seelenkräfte sind in ihrer Funktion analog zur <strong>Weltseele</strong> in der Debatte mit der<br />
Epigenesis- <strong>und</strong> Evolutionstheorie aufzufassen: Wie letztlich alle Formen der sublunaren<br />
Substanzen in der <strong>Weltseele</strong> gründen, so muß für „alle denkenden Wesen überhaupt einerlei<br />
<strong>Verstand</strong> <strong>und</strong> Vernunft“ 199 behauptet werden. Die niederen Seelenkräfte hingegen sind sinn-<br />
lich, unselbständig, stehen in direkter Verbindung mit dem Körper <strong>und</strong> konstituieren derart<br />
die Einheit des Individuums. Daher finden sich in <strong>Maimon</strong>s psychologischen Schriften An-<br />
griffe auf die petites perceptions, mit welchen Leibniz die These von den individuellen Sub-<br />
stanzen zu begründen versucht. 200 Dies wird im nächsten Kapitel ausreichend behandelt wer-<br />
den, genauso wie sich in <strong>Maimon</strong>s Interpretation die prästabilierte Harmonie Leibniz’ als<br />
Harmonie der Identität herausstellen wird. 201 Mit der These von der <strong>Weltseele</strong> im Kontext des<br />
Magazines glaubt <strong>Maimon</strong> weiterhin, die (para-)psychologischen Phänomene von Wahrträu-<br />
men, Telepathie 202 <strong>und</strong> Vorsehung 203 erklären zu können. 204<br />
<strong>Maimon</strong>s Behauptung, daß das „Generationssystem“, welches Blumenbach mit seinem Bil-<br />
dungstrieb vertrete, mit der „Idee einer <strong>Weltseele</strong> aufs genauste“ (<strong>Weltseele</strong>, 89) überein-<br />
stimme, hat sich nach eingehender Prüfung als falsch erwiesen. Wenn <strong>Maimon</strong> die These ver-<br />
tritt, daß ein Bildungstrieb „nicht ohne eine bildende Kraft gedacht werden“ kann, es aber der<br />
Vernunft gemäß sei, „nicht mehr als eine einzige Kraft von dieser Art, der Natur beyzulegen“<br />
(<strong>Weltseele</strong>, 90), dann läßt sich dies nicht mit der Lehrmeinung Blumenbachs in Einklang<br />
bringen. Auch zeigen die weiteren wenigen Betrachtungen <strong>Maimon</strong>s zu naturphilosophischen<br />
Themen im Zusammenhang mit der <strong>Weltseele</strong>, daß diese von <strong>Maimon</strong> in kein zwingendes<br />
Verhältnis zur <strong>Weltseele</strong> gebracht werden konnten. <strong>Maimon</strong>s <strong>Weltseele</strong> bzw. der Weltgeist<br />
199<br />
GW III, 251.<br />
200<br />
Siehe beispielsweise GW III, 465; <strong>Maimon</strong> (1793 a), 100 Anm. sowie <strong>Maimon</strong> (1793 b), 36 f. Anm.<br />
201<br />
Vgl. beispielsweise GW III, 456.<br />
202<br />
Vgl. GW IV, 592.<br />
203<br />
Siehe GW III, 276-298. Zum Problem der Vorhersehung im Magazin zur Erfahrungsseelenk<strong>und</strong>e vgl. Kim<br />
(2001), 44-97, von <strong>Maimon</strong> handeln die Seiten 86-93. Zur allgemeinen Problematik des Magazins siehe die dort<br />
angegebene Literatur.<br />
204<br />
Vgl. hierzu auch Bergman (1967), 286-297.<br />
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