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Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon

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Auch muß <strong>Maimon</strong>s Auffassung von der <strong>Weltseele</strong> von den Ausführungen Herders 194 , des<br />

Sturm <strong>und</strong> Drang 195 sowie der romantischen Naturphilosophie 196 abgegrenzt werden. <strong>Maimon</strong><br />

teilt weder das Interesse an naturphilosophischen Spekulationen im Anschluß an Kants Orga-<br />

nismus-Begriff noch das Primat von Gefühl <strong>und</strong> Individualität. Im Gegenteil, es ist gerade die<br />

Opposition zu einer positiven Bewertung des Begriff des Individuums, welche <strong>Maimon</strong>s Dis-<br />

kussion der <strong>Weltseele</strong> bestimmt. Vielmehr als an physiologischen Theorien oder naturphilo-<br />

sophischen Betrachtungen ist die <strong>Weltseele</strong>ndebatte am Primat des Allgemeinen oder Gat-<br />

tungsbegriffes orientiert. Dies zeigt neben der Bearbeitung naturphilosophischer Themen sei-<br />

ne Publikationstätigkeit im Magazin zur Erfahrungsseelenk<strong>und</strong>e, wo die <strong>Weltseele</strong> an zahlrei-<br />

chen Stellen <strong>und</strong> in verschiedenen Kontexten auftaucht. Basierend auf der Distinktion der<br />

Leibniz-Wollfschen Schultradition von unterem <strong>und</strong> oberem Erkenntnisvermögen 197 heißt es<br />

bei <strong>Maimon</strong> im Hinblick auf den psychologischen Krankheitsbegriff:<br />

„Eben so kann die Erfahrungsseelenk<strong>und</strong>e in die gemeine <strong>und</strong> höhere Erfahrungsseelenk<strong>und</strong>e<br />

eingetheilt werden. Der Gegenstand jener sind die niedern; der Gegenstand dieser aber die<br />

höheren Seelenkräfte; die an sich keinen Krankheiten unterworfen seyn können, wohl aber<br />

vermittelst der Krankheiten der niedern Seelenkräfte.“ 198<br />

194 Vgl. Herder (1966), 5. Buch, §§ 2-3, 133-138 sowie Herder (1994), wo Herder von der „Urkraft aller Kräfte,<br />

[der] Seele aller Seelen“ (710) spricht <strong>und</strong> diese mit der Zeugungslehre in Verbindung bringt: „In der Generation<br />

allein liegt das W<strong>und</strong>er einer eingepflanzten, einwohnenden Macht der Gottheit, die sich, wenn ich so kühn reden<br />

darf, in das Wesen jeder Organisation gleichsam selbst beschränkt hat <strong>und</strong> in diesem Wesen nach ewigen<br />

Gesetzen unverrückt <strong>und</strong> unwandelbar, wie die Gottheit allein wirken kann, wirket.“ (Herder [1994], 712) Vgl.<br />

hierzu Schwarz (1915), 58.<br />

195 Zum Sturm <strong>und</strong> Drang vgl. Korff (1966), I, 104: „Hatte die Aufklärung nur die Welt als Welt erkannt, so<br />

glaubte die Goethezeit die Welt als den Ausdruck eines Weltgeistes, <strong>und</strong> zwar jenes ‚Welt- <strong>und</strong> Tatengenius’ zu<br />

erkennen, der mit magischer Gewalt sogleich von Faust beschworen wurde.“ Wenn dieser Genius in Zusammenhang<br />

mit dem „Naturgefühl“ (Korff [1966], II, 14) sowie der „Individualität“ (Korf [1966], II, 19) gebracht wird,<br />

dann ergibt sich bereits die Differenz zu <strong>Maimon</strong>s Rationalismus <strong>und</strong> seiner Affinität zur „generischen Präformation“.<br />

196 Vgl. Frank/Zanetti (1996): „Die Organismus-Theorie bildet [...] das Herzstück der ‚Analytik der teleologischen<br />

Urteilskraft’; <strong>und</strong> wenn Kant diesen Begriff einführt, gibt er der romantischen Naturphilosophie gleichsam<br />

die Losung.“ (1270) Siehe weiterhin Breidbach (1999), XXXII-XXXIV.<br />

197 Zum unteren Erkenntnisvermögen siehe beispielsweise Baumgarten (2004), §§ 382-395, 115-143 <strong>und</strong> zum<br />

oberen Baumgarten (2004), § 426, 143-145. Daß <strong>Maimon</strong> mit Baumgartens Metaphysik bzw. der deutschen<br />

Übertragung Meiers vertraut war, geht aus seinem Versuch hervor (<strong>Maimon</strong> [2004], XVI Anm. <strong>und</strong> 257.<br />

198 <strong>Maimon</strong> (1793 b), 143. Siehe ferner GW III, 251, GW IV, 612 f. sowie <strong>Maimon</strong> (1793 b), 126: „Die Seelenges<strong>und</strong>heit<br />

bestehet in der ungehinderten Würksamkeit der höheren Seelenkräfte <strong>und</strong> des freien Willens. Die<br />

Seelenkrankheit, in der durch unrichtigen Gebrauch der niedern Seelenkräfte, gehinderten Würksamkeit derselben.<br />

Die Kurmethode der Seelenkrankheit bestehet in der Wiederherstellung dieses richtigen Gebrauchs“. Zur<br />

Seelenkrankheit gehört gleichfalls die Schwärmerei, die im folgenden Kapitel noch eingehender untersucht wird.<br />

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