Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon
Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon
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Der aktive Intellekt hatte folglich in der mittelalterlichen islamischen Philosophie wesentlich<br />
zwei Rollen zu übernehmen: die Ursache der menschlichen <strong>Verstand</strong>eserkenntnis 85 sowie die<br />
Ursache der Existenz sämtlicher Lebewesen. 86 <strong>Maimon</strong>ides Lehre vom aktiven Intellekt 87 ist<br />
im wesentlichen von der islamischen Philosophie, besonders von Avicennas Modell des Ver-<br />
standes beeinflußt. <strong>Maimon</strong>ides geht von der Unterscheidung von Form <strong>und</strong> Materie bzw. dy-<br />
namis <strong>und</strong> energeia 88 aus <strong>und</strong> verbindet diese mit der Aristotelischen Ursachenlehre. Der<br />
Übergang von der Möglichkeit zur Aktualität setzt bereits bewegende Aktualität voraus: 89<br />
„Wenn etwas aus dem Möglichen zum Wirklichen übergeht, wird dies durch etwas außer ihm<br />
bewirkt, <strong>und</strong> zwar muß dies notwendig außer ihm sein.“ 90 Dies trifft nun bekanntlich auf alle<br />
sublunaren Substanzen zu. 91 <strong>Maimon</strong>ides folgt hierin den islamischen Vorbildern, denn auch<br />
nach ihm wird die aktive Vernunft dadurch bewiesen,<br />
85<br />
Allgemein sei verwiesen auf Davidson (1992), Fakhry (2004) <strong>und</strong> Walzer (1974) sowie auf die Studien zu einzelnen<br />
Autoren: Ivry (1999), Ivry (2002), Hyman (1999) <strong>und</strong> Heath (1992), 55-66.<br />
86<br />
Allgemein hierzu siehe wiederum Davidson (1992) <strong>und</strong> Fakhry (2004), sowie zu den einzelnen Autoren Genequand<br />
(1984), Renan (1866), 108-111, Heath (1992), 37 f. sowie Gad Freudenthal (1993), (2002), (2000). Der<br />
aktive Intellekt erfüllt damit im islamischen <strong>und</strong> jüdischen mittelalterlichen Kontext zwei Funktionen: „The Active<br />
Intellect as a Cause of Human Thought“ (Davidson [1992], 18-28) sowie „The Active Intellect as a Cause of<br />
Existence“. (Davidson [1992], 29-33). Nach Davidson kulminiert diese Lehre bei Avicenna: „The active intellect<br />
reached its culmination in Avicenna, who saw it as the direct cause of all, or virtually all, existence and theoretical<br />
thought in the sublunar world, as, in effect, the vicar of God on earth.“ (Davidson [1992], 5)<br />
87<br />
Vgl. hierzu Altmann (1987), Diesendruck (1927), Davidson (2005), Davidson (1992), 200-207, Pines (1963),<br />
Scheyer (1845) <strong>und</strong> Weiß (1923).<br />
88<br />
Vgl. <strong>Maimon</strong>ides (1995), 2. Buch, 24. philosophischer Leitssatz, 15: „Das dem Vermögen nach Bestehende<br />
muß notwendig einen Stoff besitzen, denn das Mögliche ist immer in dem Stoffe.“ Siehe auch <strong>Maimon</strong>ides<br />
(1995), 1. Buch, 28. Kapitel, 82 f.: „weil die Materie, wie du weißt, stets nur empfängt <strong>und</strong> ihrer Natur gemäß<br />
leidend ist, während ihr die Tätigkeit nur als Akzidens zukommt, ebenso wie die Form vermöge ihres Wesens<br />
immer tätig ist <strong>und</strong> nur durch Zufall leidend sein kann, wie in den Büchern der Physik erläutert wird. [...] Da jedoch<br />
der durchsichtige Körper aller dieser Farben entbehrt, nimmt er sie alle, eine nach der anderen, in sich auf<br />
<strong>und</strong> gleicht in dieser Hinsicht der ersten Materie, welche, wenn man sie nach ihrem wahren Wesen betrachtet, aller<br />
Formen ermangelt, <strong>und</strong> deshalb alle Formen nacheinander annimmt.“<br />
89<br />
Vgl. die folgenden philosophischen Leitsätze (<strong>Maimon</strong>ides [1995], 2. Buch): „5. Jede Bewegung ist Veränderung<br />
<strong>und</strong> Übergang aus der Möglichkeit zur Wirklichkeit“ (5); „17. Alles Bewegte muß notwendig einen Beweger<br />
haben, entweder außer ihm, wie z.B. der Stein, den eine Hand bewegt, oder in ihm, wie die Lebewesen, die<br />
aus Bewegendem <strong>und</strong> Bewegtem zusammengesetzt sind. Somit muß das Bewegte, nämlich der Körper, wenn er<br />
stirbt, <strong>und</strong> das Bewegende, nämlich die Seele, aufhört, augenblicklich so bleiben, wie es ist, jedoch ohne Bewegung.<br />
Da aber das im Bewegten vorhandene Bewegende verborgen <strong>und</strong> durch die Sinne nicht wahrnehmbar ist,<br />
so glaubt man, daß das Lebewesen sich ohne Beweger bewegt, <strong>und</strong> man nennt daher das, welches ein Bewegendes<br />
in sich hat, ein von selbst Bewegtes, d.h. die bewegende Kraft des von selbst Bewegten ist in seiner ganzen<br />
Substanz vorhanden.“ (11 f.)<br />
90<br />
<strong>Maimon</strong>ides (1995), 2. Buch, 18. Philosophischer Leitsatz, 12.<br />
91<br />
<strong>Maimon</strong>ides (1995), 2. Buch, 25. philosophischer Leitsatz, 15 f.: „Die Ursachen des zusammengesetzten Einzelwesens<br />
sind der Stoff <strong>und</strong> die Form, die ohne einen Urheber, nämlich ohne einen Beweger, nicht denkbar<br />
sind, der das zugr<strong>und</strong>e liegende Ding bewegte, bis es vorbereitet war, die Form anzunehmen, <strong>und</strong> zwar ist derjenige,<br />
der den Stoff eines Einzeldinges bereitet, der nächste (unmittelbare Beweger). Daraus ergibt sich die Notwendigkeit,<br />
nach der Bewegung, nach dem Bewegenden <strong>und</strong> nach dem Bewegten zu forschen.“<br />
29