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Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon

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men noch nicht verwirklichte, sondern ‚mögliche’ Vernunft oder noch unbestimmtes Erken-<br />

nen“. 62<br />

Im Anschluß an diese kurze <strong>und</strong> vieldiskutierte Passage 63 zur aktiven <strong>und</strong> passiven Vernunft<br />

können folgende Probleme festgemacht werden: 1) Handelt es sich bei dem aktiven Intellekt<br />

um eine immanente oder transzendente Entität? 64 2) Bei einer transzendenten Interpretation<br />

stellt sich weiterhin die Frage, ob der aktive Intellekt eine von Gott erschaffene Substanz oder<br />

Gott selbst sei. 3) Weiterhin kann nach dem passiven <strong>Verstand</strong> gefragt werden: Ist dieser vom<br />

aktiven <strong>Verstand</strong> wesentlich verschieden? Ist dieser eine individuelle Substanz oder eine blo-<br />

ße körperliche Disposition? In welchem Verhältnis steht die aktive zur passiven Vernunft?<br />

Die sich an Aristoteles anschließende Diskussion dieser Fragen wurde wesentlich von zwei<br />

frühen griechischen Aristoteles-Kommentatoren beeinflußt: Alexander von Aphrodisias 65 <strong>und</strong><br />

Themistius 66 . Alexander identifiziert den aktiven Intellekt mit dem unbewegten Beweger der<br />

Metaphysik des Aristoteles 67 , da beide durch die Charakteristika von Abwesenheit von Mate-<br />

rie, Leidensunfähigkeit <strong>und</strong> Unvermischtheit ausgezeichnet seien. Der aktive Intellekt ist da-<br />

her transzendent <strong>und</strong> mit dem <strong>Verstand</strong> Gottes identisch. Die Wirkursächlichkeit des aktiven<br />

<strong>Verstand</strong>es wird dadurch auf die Welt ausgeweitet. Der passive Intellekt 68 , eine „simple dis-<br />

position innée à recevoir les formes intelligibles“ 69 , ist nach Alexander ein Vermögen des<br />

Körpers <strong>und</strong> mit diesem sterblich. 70 Themistius auf der anderen Seite wendet sich gegen die<br />

62 Oeing-Hanhoff (1976), 434.<br />

63 Moraux (1942), 63: „Dans l’oeuvre d’Aristote, il n’est sans doute aucun passage qui ait suscité autant interprétations<br />

que les deux chapitres du de Anima consacrés à la pensée humaine.“<br />

64 Die Frage wird bis heute kontrovers diskutiert. Man siehe hierzu die Debatte zwischen Brentano (immanent)<br />

in Brentano (1967), Brentano (1980) <strong>und</strong> Zeller (transzendent) in Zeller (1879), 568-595. Einen Überblick liefert<br />

Seidl (1971), 113-136 sowie Davidson (1992), 13.<br />

65 Vgl. Hamelin (1953), 29-37, Zeller (1880), 796-798, Renan (1866), 128 f., Schroeder/Todd (1990), 1-30,<br />

Feldman (1984), 72 f.<br />

66 Siehe Hamelin (1953), 38-43, Feldman (1984), 73, Schroeder/Todd (1990), 31-44.<br />

67 Alexander verbindet die betreffenden Stellen in Über die Seele mit dem 6. <strong>und</strong> 7. Kapitel des 12. Buches der<br />

Metaphysik (vgl. Moraux [1942], 93f.).<br />

68 Dieser wird auch auch hylischer oder materialer <strong>Verstand</strong> genannt, siehe Moraux (1942), 69.<br />

69 Moraux (1942), 69.<br />

70 Unsterblichkeit kommt allein dem sogenannten erworbenen Intellekt zu, d.h. dem Teil des menschlichen <strong>Verstand</strong>es,<br />

welcher vom aktiven Intellekt von der Möglichkeit in die Wirklichkeit überführt wurde.<br />

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