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Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon

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phie <strong>Maimon</strong>s hervorgeht, daß ihn zahlreiche andere jüdische (<strong>und</strong> über diese islamische) Au-<br />

toren beeinflußt haben. Genuin Aristotelische Lehren werden gleichfalls mit neuplatonischem<br />

Gedankengut angereichert. Das zentrale Lehrstück, welches sowohl der <strong>Weltseele</strong> als auch<br />

dem unendlichen <strong>Verstand</strong> als Vorbild dient, ist die Lehre vom aktiven <strong>und</strong> passiven Intellekt.<br />

Diese auf Aristoteles’ Unterscheidung von passiver Materie (dynamis) <strong>und</strong> aktiver Form<br />

(energeia) sowie seinen Gattungsrealismus zurückgehende Lehre kann gewissermaßen als ro-<br />

ter Faden für die Betrachtung von <strong>Weltseele</strong> <strong>und</strong> unendlichem <strong>Verstand</strong> dienen: Es wird sich<br />

zeigen, daß die <strong>Weltseele</strong> wie auch der unendliche <strong>Verstand</strong> dieselbe argumentative Funktion<br />

erfüllen, nämlich die ‚mittelalterliche Perspektive’ des Objektiv-Allgemeinen gegen die ‚neu-<br />

zeitliche bzw. moderne Perspektive’ des Subjektiv-Individuellen zu behaupten. Dabei ist die<br />

<strong>Weltseele</strong> in erster Linie gegen Leibniz’ „Metaphysik des Individuums“ 31 gerichtet. <strong>Maimon</strong><br />

erneuert in der <strong>Weltseele</strong>ndebatte Argumente der von Leibniz als Monopsychismus 32 be-<br />

zeichneten <strong>und</strong> bekämpften Lehre, indem vom „Nus-Prinzip des Aristoteles“ her das Indivi-<br />

duelle <strong>und</strong> Einzelne aufzulösen <strong>und</strong> „in ein umfassendes Prinzip des allgemeinen Seelen-<br />

seins“ 33 zu integrieren bestrebt wird. Um <strong>Maimon</strong>s Position in dieser Debatte als mittelalter-<br />

lich zu kennzeichnen, sei auf eine so weite Definition wie die Burckhardts verwiesen, nach<br />

dem das Mittelalter dadurch charakterisiert werden kann, daß der mittelalterliche Mensch sich<br />

nur „als Rasse, Volk, Partei, Korporation, Familie oder sonst in irgend einer Form des Allge-<br />

meinen“ 34 erkannte. Der Mensch, so Heimsoeth weiter, hält sich „vielmehr überall ans Gat-<br />

31 Heimsoeth (1958), 193.<br />

32 Der bekannteste Vertreter des Monopsychismus oder der Einseelenlehre im Mittelalter ist Averroes. Daß<br />

<strong>Maimon</strong>ides’ Lehre gleichfalls als Monopsychismus zu identifzieren sei, ist Renan (1866), 145 f., Weiß (1923),<br />

CIX sowie Ivry (Ms.) zu entnehmen.<br />

33 Heimsoeth (1958), 179.<br />

34 Burckhardt (1994), 161: „Im Mittelalter lagen die beiden Seiten des Bewusstseins – nach der Welt hin <strong>und</strong><br />

nach dem Innern des Menschen selbst – wie unter einem gemeinsamen Schleier träumend oder halbwach. Der<br />

Schleier war gewoben aus Glauben, Kindesbefangenheit <strong>und</strong> Wahn; durch ihn hindurchgesehen erschienen Welt<br />

<strong>und</strong> Geschichte w<strong>und</strong>ersam gefärbt, der Mensch aber erkannte sich nur als Rasse, Volk, Partei, Korporation,<br />

Familie oder sonst in irgend einer Form des Allgemeinen. In Italien zuerst verweht dieser Schleier in die Lüfte;<br />

es erwacht eine objektive Betrachtung <strong>und</strong> Behandlung des Staates <strong>und</strong> der sämtlichen Dinge dieser Welt überhaupt;<br />

daneben aber erhebt sich mit voller Macht das Subjektive; der Mensch wird geistiges Individuum <strong>und</strong> erkennt<br />

sich als solches.“ Eine Kritik dieser Standardinterpretation geben beispielsweise Cassirer (1994), I, 78 sowie<br />

van Dülmen (2002), 9 <strong>und</strong> 15. Van Dülmen zeichnet weiterhin ein differenziertes Bild der „Entdeckung des<br />

Individuums“ für den Zeitraum 1500 bis 1800. Für den vorliegenden Zusammenhang ist es jedoch unerheblich,<br />

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