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Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon

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(3) Für <strong>Maimon</strong> sind daher die Produkte der Einbildungskraft als Täuschungen 536 <strong>und</strong> als Fik-<br />

tionen 537 zu bezeichnen. Wahnwitz, Aberglauben <strong>und</strong> Schwärmerei sind allesamt auf die Wir-<br />

kung der Einbildungskraft zurückzuführen. 538 Dies deshalb, weil die Einbildungskraft nicht<br />

nach objektiven, sondern nach den subjektiven Gesetzen verfährt. 539 Die Einbildungskraft ist<br />

das Vermögen alles Sinnlichen, Subjektiven <strong>und</strong> des Individuellen:<br />

„Nur individuell, so wie die Sinne es wahrgenommen haben, kann sie etwas darstellen, oder<br />

das was in der Natur zerstreut anzutreffen ist, in ein Bild zusammen fassen, das heißt Erdichten,<br />

(das Erdichten der Ideale ist nicht bloß Wirkung der Einbildungskraft, sondern dieser <strong>und</strong><br />

der Beurtheilungskraft zugleich) <strong>und</strong> bei allen Abstrahiren kann die Einbildungskraft dennoch<br />

nicht das Allgemeine rein vom individuellen Körperlichen darstellen. Die Einbildungskraft<br />

kann daher nicht ein Maaßstab der allgemeingültigen Wahrheit seyn.“ 540<br />

Nach Fichte hingegen kann deshalb weder ein bloß psychologisches Phänomen 541 sein, noch<br />

ursprünglich täuschen. Die Einbildungskraft im Verständnis Fichtes ist die Bedingung der<br />

Möglichkeit von Bewußtsein überhaupt. Und da das Bewußtsein absolute Evidenz besitzt <strong>und</strong><br />

unhintergehbar ist, muß auch die es ermöglichende Bedingung Realität besitzen:<br />

„Wir haben anderwärts 542 gesehen, daß dasjenige nicht Täuschung zu nennen sei, was den<br />

Gesetzen des vernünftigen Wesens angemessen ist, <strong>und</strong> nach denselben schlechthin notwen-<br />

536<br />

GW III, 146: „Die Täuschung [...] beruhet [...] auf der Association der Einbildungskraft, <strong>und</strong> ist uns mit den<br />

Thieren gemein“<br />

537<br />

GW III, 60: „Fiktion (Erdichtung) ist in der allgemeinsten Bedeutung eine Operation der Einbildungskraft,<br />

wodurch eine nicht objektiv nothwendige Einheit im Mannigfaltigen eines Objekts hervorgebracht wird.“<br />

538<br />

GW III, 180: „daß der Wahnwitz die Obermacht der Einbildungskraft über den <strong>Verstand</strong> zum Gr<strong>und</strong>e hat“<br />

Zum Aberglauben schreibt <strong>Maimon</strong>: „Aberglauben, heißt: eine subjektive Verknüpfung der Vorstellungen in der<br />

Einildungskraft, für eine Realverknüpfung der Dinge selbst im <strong>Verstand</strong>e, zu halten.“ (GW III, 25) Wie bereits<br />

gesehen, ist die Schwärmerei ebenfalls auf die Einbildungskraft zurückzuführen: „Die Schwärmerei ist ein Trieb<br />

der produktiven Einbildungskraft (das Dichtungsvermögen,)“. (GW IV, 613)<br />

539<br />

Vgl. hierzu Versuch, 17 [ 19 f.], 55 [92 f.], 74, [127], 76 [129], 78 [133], 17 [19].<br />

540<br />

GW I, 379. Bei dieser Passage handelt es sich um eine Übersetzung <strong>Maimon</strong>s, welche einem Exkurs im Führer<br />

der Unschlüssigen über die Einbildungskraft entnommen ist. Siehe <strong>Maimon</strong>ides [1995], 2. Buch, 73. Kapitel,<br />

Anmerkung, 347-349.<br />

541<br />

Widmann weist deshalb darauf hin, daß das Wort Einbildungskraft „ohne allen psychologisierenden Beiklang<br />

ganz nüchtern sagen [will]: Es handelt sich um eine Kraft, die in die Bewußtheit hinein ein Bild erschafft <strong>und</strong><br />

dies dort auch erhält. Später gebrauchte Fichte dafür auch den Ausdruck ‚Bildekraft‘“. (Widmann (1982), S.106)<br />

542<br />

Siehe GA I, 2; 368 f.: „Es wird demnach hier gelehrt, daß alle Realität — es versteht sich für uns, wie es denn<br />

in einem System der Transcendental-Philosophie nicht anders verstanden werden soll — bloß durch die Einbildungskraft<br />

hervorgebracht werde. Einer der grösten Denker unsers Zeitalters, der, so viel ich einsehe, das gleiche<br />

lehrt, nennt dies eine Täuschung durch die Einbildungskraft. Aber jeder Täuschung muß sich Wahrheit entgegensetzen,<br />

jede Täuschung muß sich vermeiden lassen. Wenn denn nun aber erwiesen wird, wie es im gegenwärtigen<br />

Systeme erwiesen werden soll, daß auf jene Handlung der Einbildungskraft die Möglichkeit unsers Be-<br />

150

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