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Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon

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vom Subjekt selbst konstruiert werden. Die objektive Gültigkeit der geometrischen Gegen-<br />

stände verdankt sich also der Tätigkeit des Selbstbewußtsein:<br />

„Der eingeschloßne Raum ist im Bewußtseyn, weil die Handlung des Einschliessens des<br />

Raumes im Bewußtseyn war – Aber die Gültigkeit dieser Folgerung setzt die Beantwortung<br />

einer noch höhern Frage voraus, nämlich der, [/] warum ist dasjenige im Bewußtseyn was ich<br />

hineingelegt habe? Auf diese Frage kann die Geometrie nicht antworten. Sie setzt die Beantwortung<br />

derselben aus der Wissenschaftslehre voraus. Im Bewußtseyn ist, was ich hineingelegt<br />

habe, weil ich ich bin.“ 514<br />

Fichte vertritt folglich nicht nur einen mathematischen, sondern auch einen epistemologischen<br />

Konstruktivismus. 515 Für Fichte ist es also die „EigenMacht“ 516 des Subjekts, welche die ob-<br />

jektive Gültigkeit der mathematischen Objekte wie auch die der (dem empirischen Ich entge-<br />

gengesetzten) Gegenstände verbürgt, indem diese als durch die Einbildungskraft ursprünglich<br />

produziert aufgefaßt werden. 517 Nach <strong>Maimon</strong> werden gleichfalls sämtliche Objekte des Be-<br />

wußtseins durch die Einbildungskraft produziert, die Frage ist allerdings dabei, ob die Einbil-<br />

dungskraft eine ursprünglich bildende Darstellungskraft (Konstruktivismus) oder aber eine<br />

abbildende Vorstellungskraft (Platonismus) ist? Fichte ist der ersten Meinung, <strong>Maimon</strong> der<br />

zweiten. 518 Dies führt auf den letzten Punkt der Gegenüberstellung von <strong>Maimon</strong> <strong>und</strong> Fichte:<br />

514 GA IV, 3; 35.<br />

515 Zum Begriff des mathematischen <strong>und</strong> epistemologischen Konstruktivismus vgl. Sepkoski (2005), 35: „The<br />

term ‘constructivism’ has, however, been applied by scholars to describe a diverse array of practices, mathematical<br />

and otherwise. For this reason, I will distinguish between three distinct kinds of constructivism fo<strong>und</strong> in early<br />

modern natural philosophy. When taken at its most basic level, constructivism in mathematics can refer simply<br />

to the technique of generating curves by motion, which was a method used by mathematicians from Archimedes<br />

through Newton. This technique—which I will call ‘mechanical constructivism’—does not have any necessary<br />

ontological consequences. A second, more general definition of mathematical constructivism holds that to assert<br />

‘that there exists a mathematical object (such as a number) with a given property is an assertion that one knows<br />

how to find, or construct, such an object.’ With broader ontological implications than mechanical constructivism,<br />

this ‘mathematical constructivism’ opposes a realist philosophy of mathematics by proposing that the properties<br />

of mathematical objects are created by the mathematician, and do not have mind-independent existence. Finally,<br />

a further definition of constructivism—which I will refer to as ‘epistemological constructivism’—holds that all<br />

products of human <strong>und</strong>erstanding (including mathematical objects, words, and species) are artificial constructs of<br />

the human mind.“<br />

516 GA II, 3; 98.<br />

517 Vgl. SW I, 388: „Der durch den Buchstaben Kants allerdings bestätigte, seinem Geiste aber völlig widerstreitende<br />

Irrthum liegt demnach bloss darin, dass das Object etwas anderes seyn soll, als ein Product der Einbildungskraft.“<br />

518 Das ist auch der Gr<strong>und</strong>, weshalb nach Fichte die Philosophie als Wissenschaftslehre eine Rekonstruktion a<br />

priori der ursprünglichen Konstruktion des absoluten Ich sein kann: „So wie es aber in der Mathematik ist so ist<br />

es in der ganzen Weltanschauung, der Unterschied ist nur, daß man sich beim Construiren der Welt seines Con-<br />

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