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Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon

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Die Würde des Menschen liegt nach <strong>Maimon</strong> weder im praktischen Gebrauch der Vernunft,<br />

noch in der verbindenden Tätigkeit des theoretischen Erkenntnisvermögens, wie es Kant mit<br />

der ursprünglichen Synthesis der transzendentalen Apperzeption beschreibt. Die Bestimmung<br />

des Menschen ist allein in der angestrebten Nachahmung der absoluten Spontaneität des un-<br />

endlichen <strong>Verstand</strong>es zu suchen. Diese Aufgabe ist unendlich 461 , <strong>und</strong> über den Stand der An-<br />

näherung läßt sich keine Auskunft geben. 462 Und doch kann die Idee der absoluten Spontanei-<br />

tät des unendlichen <strong>Verstand</strong>es nur zu dem Preis der eigenen Würde als Mensch aufgegeben<br />

werden.<br />

461 In diesem Sinne beendet <strong>Maimon</strong> den Versuch: „Unsere Talmudisten (die gewiß zuweilen Gedanken geäußert<br />

haben, die eines Plato würdig sind) sagen: ‚Die Schüler der Weisheit finden keine Ruhe, weder in diesem noch<br />

in dem künftigen Leben;’ worauf sie nach ihrer Weise die Worte des Psalmisten (84,8.) beziehen: sie wallen von<br />

Kraft zur Kraft, erscheinen vor der Allmacht in Zion.“ (Versuch, 237 f. [444])<br />

462 In diesem Zusammenhang müssen <strong>Maimon</strong>s Ausführungen zum Selbstdenker gelesen werden. In einem Brief<br />

an Bendavid vom 7. Februar 1800 schreibt <strong>Maimon</strong> hierüber: „Was mich anbetrift, so mag ich mit keinen fremden<br />

Systemen, sie mögen herkommen, von wem sie wollen, was zu schaffen haben. Wenig eigenes Denken ist<br />

mir schätzbarer als die vollständigen Theorien <strong>und</strong> Systeme, von anderen erlernt. Selbst ein Irrthum kann bloß<br />

den Werth des Resultats gänzlich aufheben, indem durch Entdeckung des Irrthums das gedachte unbrauchbar<br />

wird, den Werth des Denkens selbst aber vermindert er zuweilen um ein sehr geringes, <strong>und</strong> ich schätze manchen,<br />

der die Quadratur des Zirkels gef<strong>und</strong>en zu haben glaubte, ungeachtet daß er sich hierin getäuscht habe, weit höher<br />

als den, der die ganze Mathematik bloß von andern erlernt, ohne darüber je selbst gedacht zu haben, a[ls]<br />

nicht einmal auf einen Irrthum zu gerathen.Sie selbst, werthester Fre<strong>und</strong>, werden mir als Beispiel zu dieser Behauptung<br />

dienen können. Sie schrieben über Parallellinien. Man erkläre Ihr Raisonement für petitio principii. Sie<br />

machten kürzlich die Findung einer allgemeinen Gleichung bekannt. Man zeigte Ihnen, daß dies nur in besondern<br />

Fällen zufälligerweise eintritt, <strong>und</strong> keine Regel für eine allgemeine Gleichung abgeben könne. Aber dieser<br />

Täuschung ungeachtet, wird jeder Selbstdenker <strong>und</strong> Kenner solcher Arbeiten Sie wegen der Erfindungskraft, sie<br />

Sie dennoch dabei geäußert haben, hochschätzen, ohne darauf zu sehen, ob dadurch das gesuchte ist erf<strong>und</strong>en<br />

worden, oder nicht?“ (Guttmann [1917], 207 f.) Es kann hier nur auf den Zusammenhang mit dem wissenschaftlichen<br />

Genie <strong>und</strong> der Erfindungskunst hingewiesen werden. Eine Analyse dieses Lehrstücks bei <strong>Maimon</strong> dürfte<br />

neue <strong>und</strong> wesentliche Einsichten zur Philosophie <strong>Maimon</strong>s <strong>und</strong> seiner Denkungsart liefern. Es sei hier nur auf<br />

den an Goethe gesandten Entwurf „Ueber das wissenschaftliche Genie, oder das Erfindungsvermögen, als Beitrag<br />

zu einer Theorie der Erfindung“ (Schulz [1954], 284-287) verwiesen.<br />

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