12.09.2013 Aufrufe

Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon

Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon

Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

sie sich beziehet, gegeben werden; auf der andern Seite hingegen erfordert die Vollständigkeit<br />

des Denkens eines Objekts, daß nichts darinn gegeben, sondern alles gedacht werden soll. Wir<br />

können keine dieser Forderung als unrechtmäßig abweisen, wir müssen also beiden Genüge<br />

leisten, dadurch, daß wir unser Denken immer vollständiger machen, wodurch die Materie<br />

sich immer der Form nähert bis ins Unendliche, <strong>und</strong> dieses ist die Auflösung dieser Antinomie.“<br />

(Antwort, 241 [56 f.])<br />

Unter dieser veränderten Perspektive ergibt sich ein Problem für die Realität des unendlichen<br />

<strong>Verstand</strong>es, welche unter der ‚arithmetischen Prämisse’ noch durch anschauungsfreie Kon-<br />

struktion dargelegt werden konnte. Wenn die Realität des unendlichen <strong>Verstand</strong>es nur von der<br />

Unvollständigkeit des endlichen <strong>Verstand</strong>es her gefordert wird, dann kann es sich dabei so-<br />

wohl um eine Idee als auch um eine heuristische Fiktion oder Hypothese handeln. <strong>Maimon</strong>s<br />

Ausführungen hierzu sind vielfältig <strong>und</strong> variieren je nach Kontext. 449 Im folgenden wird<br />

<strong>Maimon</strong>s abschließende Auffassung vom unendlichen <strong>Verstand</strong> in Zusammenhang mit Kants<br />

<strong>und</strong> Aristoteles’ praktischer Philosophie rekonstruiert. Als Ausgangspunkt dient die Erinne-<br />

rung an <strong>Maimon</strong>s Auffassung der Rechtmäßigkeit (quid juris) von Synthesis als Gesetzmä-<br />

ßigkeit (quid rationis). Da der oberste Gr<strong>und</strong>satz der Philosophie <strong>Maimon</strong>s im Satz des Wi-<br />

derspruchs <strong>und</strong> der Identität liegt, können allein identische bzw. analytische Sätze Anspruch<br />

auf objektive <strong>und</strong> allgemeine Gültigkeit machen. Da jedoch im Anschluß an Kants Transzen-<br />

dentalphilosophie in der Philosophie <strong>Maimon</strong>s die Einsicht an Raum gewinnt, daß eine solche<br />

Erkenntnis bloß formal ist <strong>und</strong> keine Gegenstände zu bestimmen vermag (d.h. also nach Auf-<br />

gabe der ‚arithmetischen Prämisse’), bleibt die Frage bestehen, wie in einem solchen ‚Identi-<br />

tätssystem’ wahre Erkenntnis bestimmt werden kann: Wenn das Kriterium der Wahrheit in<br />

der Analyzität besteht, alles das aber, was dem endlichen <strong>Verstand</strong> an ‚Erkenntnis’ zur Verfü-<br />

gung steht, jedoch synthetisch ist, dann ergibt sich daraus die Konsequenz, daß der Mensch<br />

449 Es liegt der Verdacht nahe, daß <strong>Maimon</strong> von der ‚starken’ Annahme der teilweisen Identität von endlichem<br />

<strong>und</strong> unendlichem <strong>Verstand</strong> (s.o.) zur ‚relativ starken’ Annahme des unendlichen <strong>Verstand</strong>es als konstitutiver<br />

Idee (Versuch, 40 [64 f.], 109 [195], 115 f. [204 f.], 198 f. [366 f.]) schließlich zur Auffassung kommt, dieser<br />

unendliche <strong>Verstand</strong> sei eine regulative Idee (mehr oder weniger) im Kantischen Sinne (Antwort, 239, 251). Im<br />

Anschluß hieran <strong>und</strong> <strong>Maimon</strong>s vermehrter Beschäftigung mit der transzendentalen <strong>und</strong> empirischen Psychologie<br />

<strong>und</strong> der Einbildungskraft, scheint <strong>Maimon</strong> die ‚relativ schwache’ Annahme zu machen, den unendlichen<br />

<strong>Verstand</strong> könne man allein als heuristische Fiktion auffassen (beispielsweise GW IV, 39, 57, 69). Der hier untersuchte<br />

Zeitraum von <strong>Maimon</strong>s Ausführungen zum unendlichen <strong>Verstand</strong> endet allerdings mit der Auffassung des<br />

unendlichen <strong>Verstand</strong>es als regulativer Idee.<br />

127

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!