Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon
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„Konsequent zu sein, ist die größte Obliegenheit eines Philosophen <strong>und</strong> wird doch am seltensten<br />
angetroffen. Die alten griechischen Schulen geben uns davon mehr Beispiele, als wir in<br />
unserem synkretistischen Zeitalter antreffen, wo ein gewisses Koalitionssystem widersprechender<br />
Gr<strong>und</strong>sätze voll Unredlichkeit <strong>und</strong> Seichtigkeit erkünstelt wird, weil es sich einem<br />
Publikum besser empfiehlt, das zufrieden ist, von allem etwas <strong>und</strong> im ganzen nichts zu wissen<br />
<strong>und</strong> dabei in allen Sätteln gerecht zu sein.“ 14<br />
Inwiefern <strong>Maimon</strong> „von allem etwas“ in sein Koalitionssystem bzw. „System (oder Nichtsy-<br />
stem)“ (Versuch, 236 [442 f.]) zu integrieren versucht, wird deutlich aus der Bemerkung, er<br />
habe in seinem Versuch eine Synthese von Kants Kritik der reinen Vernunft, „Spinozas, D.<br />
Humes <strong>und</strong> Leibnizens Systeme“ 15 angestrebt. 16 Die Frage nach der Kohärenz <strong>und</strong> Konse-<br />
quenz einer solchen Synthese widersprüchlicher Elemente stellt eine Herausforderung für eine<br />
jede Interpretation der Philosophie <strong>Maimon</strong>s dar. 17 In der Sek<strong>und</strong>ärliteratur findet sich daher<br />
auch zumeist eine Untersuchung der skeptischen (Synthese von Kant <strong>und</strong> Hume) oder der ra-<br />
tionalistischen (Synthese von Kant, Leibniz <strong>und</strong> Spinoza) 18 Aspekte von <strong>Maimon</strong>s Koaliti-<br />
onssystem. Gleichfalls begegnet man in der <strong>Maimon</strong>-Literatur der Auffassung, <strong>Maimon</strong>s Phi-<br />
losophie sei gar nicht als der Versuch einer Synthese widersprüchlicher Lehren aufzufassen,<br />
14 Kant (1998), § 3, 2. Lehrsatz, 1. Anmerkung, 42 [AA V 24]. Vgl. hierzu auch Schelling (1995), der von sich<br />
bekennt, „daß mir das spinozistische System mit allen seinen Irrthümern doch durch seine kühne Consequenz<br />
unendlich achtungswürdiger sey, als die beliebten Coalitionssystem unserer gebildeten Welt, die, aus den Lappen<br />
aller möglichen Systeme zusammengeflickt, der Tod aller wahren Philosophie werden.“ (41 f.)<br />
15 GW I, 557.<br />
16 Vgl. Vgl. GW I, 574: „Ich war Anhänger aller philosophischen Systeme nach der Reihe gewesen, Peripatetiker,<br />
Spinozist, Leibnizianer, Kantianer, <strong>und</strong> endlich Skeptiker, <strong>und</strong> immer demjenigen System zugethan, welches<br />
ich zur Zeit für das einzige Wahre hielt. Endlich bemerkte ich, daß alle diese verschiedene Systeme etwas Wahres<br />
in sich enthalten, <strong>und</strong> in gewissen Rücksichten gleich brauchbar sind.“<br />
17 Vgl. hierzu GW I, 558: „Hier [im Versuch; F.E.] wird das wichtige Problem, mit dessen Auflösung sich die<br />
Kritik [der reinen Vernunft; F.E.] beschäftigt: quid juris? in einem viel weitern Sinn, als Hr. Kant es nimmt, ausgeführt,<br />
<strong>und</strong> dadurch für den Humischen Skeptizismus in seiner völligen Stärke Platz gelassen. Von der andern<br />
Seite aber führt die vollständige Auflösung dieses Problems nothwendig auf das spinozistische oder leibnitzische<br />
Dogmatism.“<br />
18 Im Hinblick auf <strong>Maimon</strong>s Einfluß auf den weiteren Gang der nachkantischen Philosophie lassen sich zwei unterschiedliche<br />
Bewertungen in der Sek<strong>und</strong>ärliteratur unterscheiden. Beiser (1993) ist davon überzeugt, daß es<br />
<strong>Maimon</strong>s Skeptizismus war, der für den deutschen Idealismus ausschlaggebend war: „To study Fichte, Schelling,<br />
or Hegel without having read <strong>Maimon</strong>’s Versuch is like studying Kant without having read Hume’s Treatise.<br />
Just as Kant was awakened by Hume’s skepticism, so Fichte, Schelling, and Hegel were challenged by <strong>Maimon</strong>’s<br />
skepticism.“ (286) In dieselbe Richtung zielen die weiteren Arbeiten Beisers zu <strong>Maimon</strong>, vgl. Beiser<br />
(2002) sowie Beiser (2003). Allgemein läßt sich behaupten, daß die anglo-amerikanischen Arbeiten jüngeren<br />
Datums sich vor allem für die skeptische Seite von <strong>Maimon</strong>s Koalitionssystem interessieren, so sei beispielsweise<br />
auf Franks (2003 a) <strong>und</strong> (2003 b) sowie Thielke (2001) verwiesen. Zum Skeptizismus siehe weiterhin Popkin<br />
(1967), Freudenthal (2003 c) sowie Senderowicz (2003). Die Arbeiten älteren Datums sind dahingegen vornehmlich<br />
an <strong>Maimon</strong>s Rationalismus interessiert, wobei entweder Spinoza (so beispielsweise bei Kroner [1921],<br />
300 f.) oder Leibniz (z.B. bei Guéroult [1929], 30-38) im Mittelpunkt der Analyse steht <strong>und</strong> für <strong>Maimon</strong>s Einfluß<br />
auf den deutschen Idealismus geltend gemacht wird.<br />
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