Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon
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loß geschlossen werden.“ (Versuch, 114 [203]) 377 Daraus folgt für <strong>Maimon</strong>, daß mit dem<br />
Problem des Gegebenen nicht gemeint ist, daß ein Ding an sich das Subjekt affiziert <strong>und</strong> der-<br />
art das Mannigfaltige der sinnlichen Empfindung verursacht. Dem Bewußtsein erscheint<br />
vielmehr etwas als gegeben, weil es sich dabei seiner eigenen Tätigkeit nicht bewußt ist. Das<br />
Gegebene ist etwas, „dessen Ursache nicht nur, sondern auch dessen Entstehungsart (Essentia<br />
realis) in uns, uns unbekannt ist, d. h. von dem wir bloß ein unvollständiges Bewußtsein ha-<br />
ben.“ (Versuch, 223 f. [419]) Diese Unvollständigkeit einer Handlung oder Tätigkeit kann<br />
dementsprechend als ein Leiden verstanden werden: „es heißt darum gegeben, weil dieses<br />
Vermögen es nicht aus sich selbst, nach einer von ihm selbst vorgeschriebnen Art, hervor-<br />
bringen kann, sondern es sich dabei bloß leidend verhält.“ (Versuch, 13 [13]) 378 In dem Ge-<br />
brauch des Begriffes des Leidens <strong>und</strong> der zu Gr<strong>und</strong>e gelegten Idee der Vereinigung Entge-<br />
gengesetzter durch Quantifizierung zeigt sich bereits an, wie <strong>Maimon</strong> das Auftreten der Mate-<br />
rie im Bewußtsein zu erklären versucht: durch die Annahme einer ursprünglichen Produktion<br />
derselben. Das Problem der Materie führt auf eine Spontaneität, welche nicht aufnehmend-<br />
verbindend, wie die Tätigkeit Kants, sondern ursprünglich-produktiv ist. Damit kann ineins<br />
das Problem quid rationis geklärt werden, da sich bei einer solchen absoluten Spontaneität<br />
das Problem des rechtmäßigen Beziehens von Materie <strong>und</strong> Form gar nicht erst stellt: beide<br />
werden durch einen einzigen Akt geschaffen. Der Unterschied beider Theorien läßt sich daher<br />
bereits folgendermaßen angeben: Kant beantwortet die Frage nach der Rechtmäßigkeit (quid<br />
juris) der Synthesis von <strong>Verstand</strong>esbegriffen <strong>und</strong> empirischen Anschauungen mit der ur-<br />
sprünglich-synthetischen Einheit der Apperzeption. Einerseits kann dadurch die Möglichkeit<br />
von Erkenntnis a priori erklärt werden, da Kants ‚kopernikanische Wende’ von dem Gedan-<br />
377 <strong>Maimon</strong> bezieht sich hierbei auf A 368: „Ich kann also äußere Dinge eigentlich nicht wahrnehmen, sondern<br />
nur aus meiner inneren Wahrnehmung auf ihr Dasein schließen, indem ich diese als die Wirkung ansehe, wozu<br />
etwas Äußeres die nächste Ursache ist. Nun ist aber der Schluß von einer gegebenen Wirkung auf eine bestimmte<br />
Ursache jederzeit unsicher; weil die Wirkung aus mehr als einer Ursache entsprungen sein kann.“<br />
378 Vgl. ebenfalls: „Der Idealist aber behauptet, das alles sei bloß Modifikation der Vorstellungskraft, obgleich es<br />
nicht durch irgend eine Operation derselben (unserm Bewußtsein nach) hervorgebracht wird, folglich auch das<br />
Gegebene keine Existenz an sich hat, die Vorstellungskraft selbst aber als Bedingung aller Existenz notwendig<br />
existieren muß, <strong>und</strong> obschon sie selbst eine bloße Vorstellung ist, so ist diese doch zugleich das Ding selbst.“<br />
(Versuch, 93 [163])<br />
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