# Mit Erstsemester_innen Spezial # LiSAs - kritisches O ...
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TantePaul Leserbrief 23<br />
nicht darauf beschränkt. Rassismus ist Fremdenfeindlichkeit und Fremdenfeindlichkeit<br />
ist Feindlichkeit gegenüber Andersartigen und anders<br />
Denkenden.<br />
Nun frage ich mich doch, wieso Tante Paul einerseits gegen den Rassismus<br />
gegenüber Menschen anderer Nationalität/Herkunft wettert,<br />
gleichzeitig aber den – ich nennen ihn mal „linken Rassismus“ - nicht<br />
anprangert, nein ihn gar noch selbst verbreitet? Denn wo ist der Unterschied,<br />
ob ich Menschen dunkler Hautfarbe als „Kanaken“ bezeichne, oder<br />
Polizisten als „Bullen“ (siehe Artikel „Bullerei auf der Praxisbörse“)? Ebenso<br />
taucht derartiger Rassismus in anderen linken Veröffentlichungen an<br />
der Uni auf: Ich erinnere mich zum Beispiel an eine Karikatur (ich weiß<br />
nicht mehr von welche Gruppierung sie veröffentlicht wurde) auf der eine<br />
Studentin abgebildet war, überall mit Aufschriften wie „Papa zahlt“ oder<br />
„mit dem goldenen Löffel“ versehen. Wo ist der Unterschied von Rassismus<br />
gegen Menschen die in einem anderen Land geboren wurden und<br />
Rassismus gegen Menschen die in ein anderes soziales Umfeld geboren<br />
wurden? Diese Tatsache und beinahe alle Artikel in Tante Paul zeigen<br />
(mal wieder) deutlich, dass „stark links“ und „stark rechts“ sich lediglich<br />
im konkreten Feindbild unterscheiden, aber beide ihre Wurzeln haben in<br />
Angst und Ignoranz gegenüber Andersartigen und Andersdenkenden.<br />
Ein ganz anderes Thema macht die Ignoranz und Intoleranz von Tante<br />
Paul auch deutlich: Der Artikel zum NPD Aufmarsch. Ich persönlich (und<br />
ich schätze da sind wir tatsächlich einer Meinung) finde es unglaublich<br />
traurig, dass es in Deutschland immer noch Menschen mit stark rechter<br />
Gesinnung gibt. Wenn es ein Land gelernt haben sollte, dann unseres.<br />
Gleichzeitig freut es mich, dass, wenn 150 Nazis kommen, 6.000 Menschen<br />
dagegen auf die Straße gehen (ich glaube das gibt es selten so<br />
stark in anderen Ländern) … noch besser wären natürlich 60.000. Trotzdem<br />
ist es ja nun so, dass die NPD zumindest öffentlich nicht z.B. gegen<br />
Gewalt gegen Ausländer aufruft. Ich kann die Meinung der NPD Anhänger<br />
nicht verstehen und nicht nachvollziehen. Genauso kann ich aber<br />
z.B. auch die Meinung von z.B. manchen extremen Umweltaktivisten,<br />
Wirtschaftsvertretern oder linken Gruppierungen nicht verstehen und<br />
nachvollziehen. Aber so lange sie sich öffentlich nicht wieder der Verfassung<br />
und Menschenrechten äußern hat jeder Mensch das Recht seine<br />
Meinung zu äußern und zu demonstrieren. Genauso haben die Gegner<br />
das Recht eine Gegendemonstration durchzuführen. Und gerade bei den<br />
Nazis ist es gut so, dass es die Gegendemonstranten gibt. Aber um den<br />
Willen der (Meinungs-)Freiheit in diesem Land ist es wichtig, dass auch<br />
die NPD ihre Meinung äußern darf und ggf. durch die Polizei geschützt<br />
wird, falls andere Gruppen diese Meinungsfreiheit unterbinden willen.<br />
Denn wie sagte Voltaire: „Ich teile Ihre Meinung nicht, ich werde aber bis<br />
zu meinem letzten Atemzug kämpfen, dass Sie Ihre Meinung frei äußern<br />
können.“ Der Polizei und dem Staat nun vorzuwerfen, dass sie die Freiheit<br />
schützen, auch ungeliebte Meinungen zu äußern, zeigt, dass Tante<br />
Paul nicht wirklich an Freiheit, Gleichberechtigung und Demokratie interessiert<br />
ist, sondern bitte nur in dem Rahmen wie es Tante Paul in die<br />
Gesinnung passt.<br />
Nun ist diese Mail doch länger geworden als gedacht, ich hoffe es wirkt<br />
nicht zu sehr nach „auskotzen“ aber ich haben links-orientierten Menschen<br />
immer mehr Toleranz zugeschrieben als rechts-orientierten aber<br />
je mehr ich im Umfeld der Uni Bremen mitbekommen desto weniger<br />
glaube ich noch daran. Vielleicht habt Ihr Interesse an einer Stellungnahme,<br />
vielleicht auch nicht. Ich wollte das mal loswerden und das habe ich<br />
hiermit getan. Die Welt, ach nicht mal die den Campus der Uni Bremen<br />
werde ich damit verändern aber was solls ….<br />
Lukas<br />
Hei Lukas,<br />
schön, dass du dir die Zeit genommen hast, uns eine so lange Stellungnahme<br />
zu einem, bzw. mehreren Artikeln der Tant Paul zu<br />
schreiben. Beim lesen fielen uns allerdings viele Aspekte auf, die wir<br />
kommentierend anreißen möchten.<br />
Es gibt viele Begriffe und Definitionen von Rassismus. Für uns ist<br />
eine Form von Rassismus jedoch immer noch eine Benachteiligung<br />
bis hin zur Verfolgung von Personen auf Grund ihrer Herkunft bzw.<br />
ihrer Abstammung. Das hat aber wenig damit zu tun, was eine Person<br />
sich für eigenständige Gedanken macht. Du verwendest Rassismus<br />
wie einen recht breit gefassten Begriff, der jegliche Ablehnung<br />
gegen eine Person in Worte fasst. Die Bezeichnung eines/einer<br />
Polizisten_in als Bulle ist für dich somit genau das selbe wie die Beschimpfung<br />
eines people of colour als „Kanake“ . Wir sehen da einen<br />
gravierenden Unterschied: Als Polizist_in („Bulle“) wird niemand<br />
geboren, eine dunkle Hautfarbe ist jedoch ein Geburtsmerkmal, anhand<br />
dessen Rassist_<strong>innen</strong> den Wert eines Menschen beurteilen.<br />
Ein Bulle ist ein Teil der staatlichen Exekutive und ein Beruf, zu dem<br />
sich der jeweilige Mensch - aus welchem Grund auch immer – bewusst<br />
entschieden hat.<br />
Wenn du folgend behauptest es gäbe keinen Unterschied zwischen<br />
der geographischen Herkunft und der sozialen Herkunft, wirfst du<br />
zwei Sachen in einen Topf, die so nicht vergleichbar sind. Nach deiner<br />
Aussage müsste im Umkehrschluss die Zugehörigkeit zu einer<br />
ethischen Gruppe per se auch zu ökonomischen Wohlstand führen,<br />
wenn es sich dabei tatsächlich um das Gleiche handeln würde. Letztendlich<br />
wurde bei diesen Aussagen, wie „Papa zahlt“, wohl eher auf<br />
ökonomische Verhältnisse angespielt und nicht darauf, dass ein_e<br />
Student_in zufällig in ein wohlhabendes Elternhaus geboren wurde<br />
und deswegen diskriminiert werden sollte.In unserer gegenwärtigen<br />
kapitalistischen Gesellschaft gibt es Reichtum nur für wenige<br />
auf Kosten der Mehrheit, denn für eine kleine Gruppe von Menschen,<br />
die in großem ökonomischen Wohlstand leben muss es eine große<br />
Gruppe von Menschen in ökonomischer Armut geben. Engagement<br />
gegen diese ungerechten Verhältnisse mit Rassismus gleichzusetzen<br />
ist unserer Meinung nach gefährlich und fehl am Platz!<br />
Dass du "stark links" und "stark rechts" gleichsetzt, können wir<br />
ebenfalls nicht unkommentiert stehen lassen. Natürlich sind die<br />
Begriffe "links" und "rechts" als Beschreibung einer politischen Einstellung<br />
völlig unzureichend, da sie ursprünglich lediglich die Sitzordnung<br />
in frühen Parlamenten aus Sicht des Parlamentsvorsitzenden<br />
beschreiben. Es gibt nicht „die Linke“ und „die Rechte“. Verkürzt wollen<br />
wir hier links mit progressiven, emanzipatorischen, freiheitlichen<br />
Ansprüchen gleichsetzen; rechts mit konservativen, reaktionären,<br />
faschistoiden, faschistischen, rassistischen, sexistischen Gedanken.<br />
Beide Richtungen können auch unterschiedlich ausgeprägt sein, von<br />
autoritär bis libertär, der Unterschied zwischen diesen "beiden Richtungen"<br />
sollte aber auffallen. Dabei wollen wir es an dieser Stelle<br />
auch belassen, eine genauere kritische Betrachtung dieser Begriffe,<br />
würde an dieser Stelle zu weit führen. (und müsste auf die Gleichsetzung<br />
von links und rechts im Zusammenhang mit der „Extremismusklausel“,<br />
die die politischen Extreme gleichsetzt und so die Motivationen<br />
und Absichten verkennt, eingehen)<br />
Warum wir z.B. auf Gegendemonstrationen zu Naziaufmärschen<br />
auch mehr Handlungen befürworten, als den Faschist_<strong>innen</strong> nur<br />
Plakate entgegenzuhalten, können wir dir erklären: In einer freien<br />
und gleichberechtigten Gesellschaft ist kein Platz für rassistische,<br />
nationalistische, sexistische, antisemitische und autoritäre Einstellungen<br />
geben, da so Strukturen erhalten bleiben, in denen sich<br />
Menschen über andere stellen und eine Gleichberechtigung unmöglich<br />
machen. Jeder ungestörte faschistische Aufmarsch gibt den<br />
politischen Kräften hinter den Aufmärschen das Selbstbewusstsein<br />
weiter für ihre menschenverachtende Ideologie einzutreten und<br />
noch weitere Aktionsformen zu wählen, wie etwa bei den Pogromen<br />
von Rostock-Lichtenhagen 1992.