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# Mit Erstsemester_innen Spezial # LiSAs - kritisches O ...

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18 Uni-Geschichte<br />

de größtenteils ganz weggelassen und<br />

von tragbaren Trennwänden ersetzt. Für<br />

alle Studiengänge gab es eine einheitliche<br />

Prüfungsordnung, Prüfungen wurden<br />

überwiegend nicht als Klausur, sondern<br />

mündlich oder als Hausarbeit abgelegt,<br />

Kriterien zum Erlangen eines Scheins wurden<br />

zwischen Studierenden und Lehrendem<br />

ausgehandelt, Noten oft pauschal für<br />

alle Projektteilnehmer_<strong>innen</strong> vergeben. Die<br />

unterschiedlichen Wissenschaftsbereiche<br />

der Universität, traditionell als Fakultäten<br />

bezeichnet, nannte mensch in Abkehr aller<br />

Traditionen in Bremen zunächst Studien-,<br />

später Fachbereiche, deren Dekane Fachbereichsleiter.<br />

Mensch duzte sich.<br />

Am bedeutungsvollsten aber war die paritätische<br />

Besetzung der universitären<br />

Entscheidungsgremien. Professor_<strong>innen</strong>,<br />

<strong>Mit</strong>arbeiter_<strong>innen</strong> und Studierende hatten<br />

jeweils die gleiche Anzahl an Stimmen (1/3<br />

Parität). Keine Statusgruppe war so in der<br />

Lage, die Gestaltung der Universität zu dominieren.<br />

Die Herrschaft der Professor_<strong>innen</strong><br />

war gebrochen, Zusammenarbeit aller<br />

nötig.<br />

Die Studierenden der ersten Jahre kamen<br />

aus der gesamten damaligen Bundesrepublik<br />

an die Universität Bremen. Die Student_<strong>innen</strong>bewegung<br />

hatte begonnen,<br />

sich in andere, radikalere oder gemäßigtere<br />

Strukturen umzuwandeln und „Auf jene<br />

Studenten, die sich damals als revolutionär<br />

verstanden, und von denen gab es eine<br />

ganze Menge, hatte dieses Projekt eine<br />

gewisse Anziehungskraft [...] Man wollte<br />

demokratische Inhalte haben, man wollte<br />

antiimperialistische Arbeit machen, man<br />

wollte die Wissenschaft und ihre Theorien<br />

in ihren Begriffen, ihrer Praxis und ihrem<br />

Selbstverständnis kritisch hinterfragen in<br />

Bezug auf ihre Teilhabe an gesellschaftlicher<br />

Herrschaft und in Bezug auf ihre Möglichkeit<br />

zur Förderung gesellschaftlicher<br />

Emanzipationsprozesse.“<br />

Politisch war entsprechend dem Zeitgeist<br />

der frühen 70er und dem Reformgedanken<br />

der Uni ein breites linkes Spektrum vertreten.<br />

Die Professor_<strong>innen</strong> waren bereits<br />

nach dem Kriterium berufen worden, ob<br />

sie den Zielen des Bremer Modells aufgeschlossen<br />

gegenüberstehen. Etwa 30 %<br />

von ihnen tendierten in den ersten Jahren<br />

zur DKP. Auch unter den Studierenden hatten<br />

sich „schnell drei Hauptlager entwickelt<br />

mit teilweise traumatischen Spannungen<br />

untereinander - die sozialdemokratischen<br />

und Juso-Gruppen, die DKP-Anhänger und<br />

undogmatischen Linken [..].“<br />

Am bedeutungsvollsten<br />

aber war die paritätische<br />

Besetzung der universitären<br />

Entscheidungsgremien.<br />

Professor_<strong>innen</strong>, <strong>Mit</strong>arbeiter_<strong>innen</strong><br />

und Studierende<br />

hatten jeweils die gleiche<br />

Anzahl an Stimmen<br />

Der Umgang zwischen den <strong>Mit</strong>gliedern der<br />

Universität und der Bremer Politik war bereits<br />

in den Gründungsjahren keineswegs<br />

reibungslos. Reform war nicht gleich Reform.<br />

Der Vorschlag seitens der Universität,<br />

Studienplätze nicht wie üblich nach<br />

Abiturdurchschnitt (NC) zu vergeben, sondern<br />

per Los, hatte eine große Wahlkampagne<br />

der CDU („Weil du klug bist, darfst du<br />

nicht studieren“) zur Folge. Die Regierungskoalition<br />

aus SPD und FDP zerbrach 1971<br />

an der Berufung eines einzigen Professors.<br />

Man war sich in vielen Dingen uneins,<br />

von den Berufungen über die Dauer eines<br />

Lehramtsstudiums bis hin zu den knapp<br />

bemessenen Finanzen der Universität. Vor<br />

allem aber fürchtete man, dass der Bremer<br />

Senat wichtige Punkte des Reformmodells<br />

auf Druck der Öffentlichkeit schon bald<br />

wieder abschaffen würde. „Deshalb sind<br />

wir damals gleich im ersten Semester mit<br />

roten Fahnen ins Rathaus gegangen, sind<br />

da etwas gewaltsam eingedrungen [...] und<br />

haben uns zu Wort gemeldet“, schreibt der<br />

erste AStA-Vorsitzende der Uni in einem<br />

Rückblick.<br />

Eine Universität - an der der Vorhang fällt<br />

Zwei Jahre nach der Gründung wurde das<br />

„Bremer Modell“ zerstört. Das Bundesverfassungsgericht<br />

entschied 1973 nach der<br />

Klage niedersächsischer Professoren, daß<br />

die Besetzung der universitären Entscheidungsgremien<br />

nicht mit dem Grundgesetz<br />

vereinbar sei, solange „den Vertretern der<br />

Hochschullehrer nur die Hälfte der Stimmen<br />

eingeräumt wird [...].“ Die gleichberechtigte<br />

Teilnahme von Professor_<strong>innen</strong>,<br />

<strong>Mit</strong>arbeiter_<strong>innen</strong> und Studierenden am<br />

universitären Alltag war damit beendet, die<br />

Allmachtstellung der Hochschullehrer_<strong>innen</strong><br />

wieder rekonstruiert.<br />

Darüber hinaus war die Bremer Universität<br />

den konservativen Kräften in Politik und<br />

Medien weiterhin ein Dorn im Auge. Poli-<br />

TantePaul<br />

tische Einstellung stünde hier über wissenschaftlicher<br />

Qualität. Es gelang ihnen,<br />

entscheidend Stimmung nicht nur gegen<br />

die Universität selbst, sondern auch gegen<br />

deren <strong>Mit</strong>glieder und Absolvent_<strong>innen</strong> zu<br />

schüren. „Meine Diplomarbeit wurde bewertet<br />

als neo-marxistisch, was sie nicht<br />

war; ich glaube, die das beurteilt haben,<br />

wussten gar nicht, was das für ein Begriff<br />

ist. Jedenfalls hieß das, dass eine berufliche<br />

Perspektive als Bremer Absolvent so ohne<br />

weiteres nicht möglich war.“ Berufsverbote<br />

waren in den 70ern und 80ern Ausdruck<br />

des Staates, gesellschaftliche Veränderungen<br />

zu unterdrücken. Viele große<br />

Unternehmen führten den so genannten<br />

„Bremen Malus“ und wollten keine Bremer<br />

Absolvent_<strong>innen</strong> beschäftigen.<br />

Der Bremer Senat und Teile der Uni misstrauten<br />

sich zunehmend. Während die<br />

Universitätsreform in der bildungs- und<br />

gesellschaftspolitischen Debatte im<br />

Deutschland der 70er Jahre an Boden verlor,<br />

wollten große Teile der Professor_<strong>innen</strong><br />

und Studierenden weiter von Bremen aus<br />

die Welt verändern.<br />

Sie engagierten sich in der Anti-AKW Bewegung,<br />

kritisierten die staatlichen Repressionen<br />

im deutschen Herbst, fanden<br />

sich in Gruppen und Organisationen, um<br />

mit einer teilweise emanzipatorischen Bewusstseinsveränderung<br />

der Gesellschaft<br />

die Macht des Kapitals zu brechen.<br />

„In dem Maße“ aber, „wie die Hochschulreform<br />

ihre Schwungkraft verloren hat, sind<br />

[...] auch in Bremen die Linien zurückverlegt<br />

worden [...].“ 1976 trat das erste Hochschulrahmengesetz<br />

des Bundes in Kraft und<br />

manifestierte einen höchstens bescheidenen<br />

bundesdeutschen Stand der Reformbewegung.<br />

Die sich bereits ankündigenden<br />

Wirtschaftskrisen ließen auch bei politisch<br />

gemäßigten Kräften andere Dinge wichtiger<br />

werden, als die breite Überwindung<br />

von Herrschaftsverhältnissen mittels paritätisch<br />

organisierter kritischer Wissenschaft.<br />

Das Gesetz blieb bei weitem hinter<br />

den Ideen und Konzepten der Bremer Uni<br />

zurück. Dies war der endgültige Todesstoß<br />

für das Reformmodell. „Die damalige Bremer<br />

Universität war in dieser bundesrepublikanischen<br />

Wissenschaftslandschaft<br />

nicht weiter zu verteidigen, weil sie kein<br />

einziges Korrespondenzmodell in irgendeiner<br />

anderen Region der Bundesrepublik<br />

gehabt hat“ formulierte es später der damalige<br />

Wissenschaftssenator. Um dem<br />

dennoch anhaltenden Eifer weiter Teile der<br />

Uni zur progressiven Gesellschaftsverän-

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