wandlungen des strafrecht- lichen schuldbegriffs in ... - Criminet
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01: 12<br />
Hans - He<strong>in</strong>rich Jescheck<br />
Begrenzung der Strafe” ist <strong>in</strong> der e<strong>in</strong>flussreichen Konzeption <strong>des</strong> Schuldbegriffs von<br />
Claus Rox<strong>in</strong> (89) der zentrale Punkt. Rox<strong>in</strong> will dadurch die <strong>strafrecht</strong>liche Schuldlehre<br />
,,von der Willensfreiheit unabhängig machen” (90). Dieser auf die Rolle als Strafmassobergrenze<br />
beschränkte Schuldbegriff ist auch das Fundament se<strong>in</strong>er neuen Systemkategorie<br />
der ,,Verantwortlichkeit”, <strong>in</strong> der er die Schuld <strong>des</strong> Täters mit der präventiven Notwendigkeit<br />
der Strafe verschmolzen hat.<br />
Dagegen ist e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>zuwenden, dass die Schuld, wenn sie die obere Grenze der<br />
Strafe ist, auch für jede Strafbemessung mitbestimmend se<strong>in</strong> muss, die unterhalb dieser<br />
Grenze liegt. Vor allem aber verliert der Richterspruch durch die Beschränkung der<br />
konkreten Strafzumessung auf präventive Zwecke den Anknüpfungspunkt an die sittliche<br />
Qualität der abzuurteilenden Tat und die Strafe damit auch letztlich ihre<br />
Wirkungsmöglichkeit für präventive Ziele. Denn nur der Appell an die ethische Grundsubstanz<br />
im Menschen lässt e<strong>in</strong>e Resozialisierung <strong>des</strong> Verurteilten wie auch e<strong>in</strong>e<br />
sozialpädagogische Wirksamkeit der Strafe auf die Allgeme<strong>in</strong>heit erhoffen (91). Der<br />
Verzicht auf den Schuldmassstab für die konkrete Strafe ist e<strong>in</strong> zu hoher Preis für die<br />
Umgehung <strong>des</strong> Freiheitsproblems <strong>in</strong> der Schuldlehre. In Österreich hat der Gedanke der<br />
Reduzierung der Schuld auf die Funktion als Strafmassobergrenze <strong>des</strong>halb nie Fuss<br />
fassen können (92). Hier werden zwar General- und Spezialprävention durchaus als<br />
Zweck der Strafe herausgestellt, aber die Strafe wird doch nur dann als geeignetes Mittel<br />
der Prävention angesehen, wenn sie am Schuldmass orientiert ist (93). Die Schuld kann<br />
dabei durchaus ,,generalisierend” verstanden werden, die Strafe muss aber auch nach<br />
diesem Massstab verdient se<strong>in</strong>.<br />
5. Es gibt <strong>in</strong> Deutschland schliesslich konsequente Gegner <strong>des</strong> Schuldpr<strong>in</strong>zips.<br />
Diese betrachten es von ihrer Warte aus als e<strong>in</strong>e überholte Stufe der Strafrechtsgeschichte<br />
und halten <strong>des</strong>halb auch den Schuldbegriff <strong>in</strong> jeder Form für überholt.<br />
Walter Kargl (94) wendet sich gegen das Schuldpr<strong>in</strong>zip als ,,moralischen Vorwurf”,<br />
der dem Alltagsverständnis nicht mehr zu vermitteln sei, er beanstandet weiter die<br />
,,<strong>in</strong>dividuell isolierende Zurechnung"” weil sie den Beitrag der Gesellschaft zur Krim<strong>in</strong>alitätsentstehung<br />
verdecke, und er kritisiert endlich die Benachteiligung <strong>des</strong> Täters, der<br />
die im Schuldpr<strong>in</strong>zip vorausgesetzte Freiheit nicht besitzt. Alle drei E<strong>in</strong>wände s<strong>in</strong>d<br />
ernstzunehmen, sie s<strong>in</strong>d aber durchaus im Rahmen <strong>des</strong> Schuldpr<strong>in</strong>zips zu berücksichtigen.<br />
Das zukünftige Strafrecht will der Autor ,,alle<strong>in</strong> auf die verfassungsrecht<strong>lichen</strong><br />
Basis<strong>in</strong>stitutionen” gründen, was ihn aber zum Schuldpr<strong>in</strong>zip zurückführen muss, da<br />
dieses <strong>in</strong> Deutschland, wie gesagt, verfassungsrecht<strong>lichen</strong> Rang hat. Uwe Scheffler (95)<br />
lehnt das Schuldpr<strong>in</strong>zip <strong>in</strong> allen se<strong>in</strong>en Formen vom Standpunkt der Krim<strong>in</strong>ologie aus ab<br />
und verweist für die Zukunft auf e<strong>in</strong> Konzept, das der ,,Défense sociale” <strong>in</strong> ihrer ursprüng<strong>lichen</strong><br />
Fassung nahesteht und sich zusätzlich an der ,,Non<strong>in</strong>tervention” und der<br />
Wiedergutmachung orientieren soll (S. 192). Die Konstruktion dieses neuen Konzepts<br />
ruht auf der durchgängigen Anwendung <strong>des</strong> ,,Pr<strong>in</strong>zips <strong>des</strong> objektiven Verantwortlich-<br />
Se<strong>in</strong>s”(96), die Strafzumessung bestimmt sich nach dem ,,Pr<strong>in</strong>zip der Verhältnismässigkeit”<br />
(S. 79 ff)(97). Michael Baurmann (98) endlich verwirft das Schuldpr<strong>in</strong>zip wegen<br />
se<strong>in</strong>er ,,semantischen Unbestimmtheit” (S. 261 ff), weswegen es weder für die tatbe-<br />
Revista Electrónica de Ciencia Penal y Crim<strong>in</strong>ología. 2003, núm. 05-01vo, p. 01:1-01:17 ISSN 1695-0194