Übersicht Art. 4 GG - Universität zu Köln
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<strong>Universität</strong> <strong>zu</strong> <strong>Köln</strong><br />
AG Staatsrecht II<br />
Wintersemester 2008/09<br />
<strong>Übersicht</strong> <strong>Art</strong>. 4 <strong>GG</strong><br />
Allgemeines:<br />
<strong>Art</strong>. 4 gewährleistet insgesamt 3 Grundrechte:<br />
Wiss. Mit. Robert Christoffel<br />
1.) <strong>Art</strong>. 4 I und II zählen <strong>zu</strong>m einen verschiedene Ausprägungen der Religions-<br />
/Glaubensfreiheit auf, die um die Weltanschauungsfreiheit ergänzt werden. Da sich<br />
die Freiheiten <strong>zu</strong>m Teil überschneiden, werden sie allgemein <strong>zu</strong> einem einheitlichen<br />
Grundrecht der Religions-/Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit iSd. <strong>Art</strong>. 4 I, II<br />
<strong>zu</strong>sammengefasst.<br />
2.) Gewissensfreiheit (<strong>Art</strong>. 4 I 2. Fall)<br />
3.) Recht <strong>zu</strong>r Kriegsdienstverweigerung (<strong>Art</strong>. 4 III) – selten, daher: siehe Lehrbuch<br />
1. Schutzbereich:<br />
Religions- und Weltanschauungsfreiheit:<br />
Eingriff in den Schutzbereich:<br />
Religion und Weltanschauung: Die Freiheit des Glaubens schützt sowohl die<br />
religiöse als auch die weltanschauliche Überzeugung. „Glauben“ liegt nicht bereits<br />
bei einem „Fürwahrhalten“ einzelner Umstände vor, sondern bezieht sich auf eine<br />
Gesamtsicht der Welt (gewisse Umfänglichkeit und Geschlossenheit eines<br />
Sinnsystems), wobei Religion idR die Existenz einer (wie auch immer gearteten)<br />
Gottesvorstellung voraussetzt, während sich die Weltanschauung auf sonstige<br />
metaphysische oder innerweltliche („immanente“) Bezüge beschränkt. In<br />
Zweifelsfällen bedarf es keiner näheren Zuordnung, weil die Weltanschauung der<br />
Religion rechtlich gleichgestellt ist.<br />
Anm: Eine wirtschaftliche Betätigung der Religionsgemeinschaft schließt <strong>Art</strong>. 4 grds. nicht aus. Der<br />
Schutz entfällt erst, wenn die Religion/Weltanschauung nur als Vorwand dient und ausschließlich<br />
wirtschaftliche Interessen verfolgt werden. Anders, wenn auf den einzelnen Gläubigen ab<strong>zu</strong>stellen ist.<br />
Gewährleistungen:<br />
Individuell: Positiv: Recht des einzelnen, einen Glauben <strong>zu</strong> bilden, <strong>zu</strong> haben, sich<br />
da<strong>zu</strong> <strong>zu</strong> bekennen und sein gesamtes Leben danach aus<strong>zu</strong>richten.<br />
Negativ: das Nichthaben, das Verschweigen des Glaubens, das Unterlassen<br />
glaubensgeleiteter Handlungen.
Bei Handlungen und Unterlassen ist stets <strong>zu</strong> prüfen, ob sie ernsthaft und<br />
plausibel glaubensgeleitet sind.<br />
Der Staat ist kein Glaubenswächter!<br />
Kollektiv: nach BVerfG können Vereinigungen eigene Rechte unmittelbar aus <strong>Art</strong>. 4<br />
geltend machen (a.A.: iVm <strong>Art</strong>. 19 III): Berechtigt sind nicht nur die als<br />
Körperschaften des öffentlichen Rechts organisierten Kirchen, sondern auch<br />
verselbständigte Vereinigungen<br />
<strong>Art</strong>. 140 iVm <strong>Art</strong>. 137 V WRV ermöglicht die Zuerkennung des Status einer<br />
Körperschaft des öffentlichen Rechts<br />
<strong>Art</strong>. 140 iVm <strong>Art</strong>. 137 III WRV gewährleistet das über <strong>Art</strong>. 4 hinausgehende Recht <strong>zu</strong>r<br />
Selbstverwaltung<br />
2. Eingriff:<br />
jede staatliche Verpflichtung <strong>zu</strong> einem Handeln oder Unterlassen, das gegen eine<br />
Glaubensposition des einzelnen oder der Gemeinschaft verstößt. Erforderlich ist,<br />
dass der Glaube ein entsprechendes Verhalten ge- oder verbietet und der Staat dem<br />
einzelnen ohne Ausweichmöglichkeit den Verstoß gegen den Glaubenssatz<br />
abverlangt.<br />
Bsp: (-), wenn der Staat etwas verbietet, was der Glaube nur erlaubt, z.B. Vielehe<br />
(-), beim Verbot des Schächtens von Tieren, Fleischgenuss nicht vorgeschrieben, Importmöglichkeit<br />
(+) bei Pflicht <strong>zu</strong>r Teilnahme am Sportunterricht, wenn dies mit islamischen Bekleidungsvorschriften<br />
unvereinbar, ggf. aber Rechtfertigung über <strong>Art</strong>. 7<br />
Hinsichtlich des kollektiven Elements insb. die staatliche oder staatlich geförderte<br />
Warnung vor einer Religionsgemeinschaft; Verbot des sakralen Läutens<br />
Einschränkungsmöglichkeit:<br />
Rechtfertigung:<br />
1. <strong>Art</strong>. 140 iVm <strong>Art</strong>. 136 III 2 WRV: Offenbarungszwang gegenüber Behörden<br />
2. ansonsten ist <strong>Art</strong>. 4 I/II nur einschränkbar <strong>zu</strong>m Schutz kollidierenden<br />
Verfassungsrechts (a.A. Glaubensfreiheit steht gemäß <strong>Art</strong>. 140 iVm <strong>Art</strong>. 136 I<br />
WRV unter dem Vorbehalt allgemeiner Gesetze, krit.: <strong>Art</strong>. 4 <strong>GG</strong> anders als<br />
Vorgänger des <strong>Art</strong>. 135 WRV vorbehaltlos gewährleistet, kein Grund<br />
ersichtlich, weshalb Gewissensfreiheit anders behandelt wird)<br />
3. <strong>Art</strong>. 140 iVm <strong>Art</strong>. 137 III 1 WRV hinsichtlich der Selbstverwaltungsgarantie)
Gewissensfreiheit:<br />
Eingriff in den Schutzbereich:<br />
1. Schutzbereich:<br />
Eine Gewissensentscheidung ist jede ernste sittliche, d.h. an den Kategorien von<br />
„Gut“ und „Böse“ orientierte Entscheidung, die der einzelne in einer bestimmten<br />
Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er<br />
gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln kann.<br />
2. Eingriff:<br />
Wenn der Staat ohne Ausweichmöglichkeit ein Handeln entgegen der<br />
Gewissensentscheidung verlangt<br />
Anm: kein Eingriff ist die Erhebung von Steuern, wenn damit Vorhaben finanziert werden, die der<br />
Gewissensfreiheit des einzelnen <strong>zu</strong>widerlaufen (z.B. Rüstung), Arg. Strikte Trennung zwischen<br />
Steuererhebung und haushaltsrechtlicher Ausgabeentscheidung, Steuerschuld besteht<br />
unabhängig vom Ausgabezweck<br />
Rechtfertigung:<br />
Einschränkungsmöglichkeit nur <strong>zu</strong>m Schutz kollidierenden Verfassungsrechts.