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Dr. med. David Garcia, Zwischen Begehrlichkeit und ... - SGV

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Jahreskongress <strong>SGV</strong> 2013<br />

Freiburg, 20.03.13<br />

<strong>Zwischen</strong> <strong>Begehrlichkeit</strong> <strong>und</strong><br />

Pflichtleistung:<br />

Diskussion anhand der<br />

Geschlechtsangleichung<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. D. <strong>Garcia</strong> Nuñez – Klinik für Psychiatrie <strong>und</strong> Psychotherapie


Definitionen/Begriffe


Männer <strong>und</strong> Frauen<br />

Geschlechtsaxiome<br />

Es gibt zwei <strong>und</strong> nur zwei Geschlechter (männlich/weiblich) (Dichotomizität)<br />

Die Geschlechtszugehörigkeit ist eindeutig am Körper – speziell an den Genitalien –<br />

ablesbar (Naturhaftigkeit)<br />

Die Geschlechtszugehörigkeit ist angeboren <strong>und</strong> unveränderbar (Konstanz)<br />

Kessler <strong>und</strong> McKenna (1978)


Von der Natur der Dinge: Die Essenz<br />

Essentialismus<br />

Lehre, dass es notwendige <strong>und</strong> kontingente<br />

Eigenschaften von Dingen gebe, <strong>und</strong> zwar unabhängig<br />

davon, wie wir die Dinge konzipieren oder beschreiben<br />

(Hägler 1994)<br />

Biologische «Konstante»<br />

Männer haben männliche Geschlechtsorgane, fühlen<br />

sich männlich, verhalten sich maskulin <strong>und</strong> begehren<br />

Frauen<br />

Frauen haben weibliche Geschlechtsorgane, fühlen<br />

sich weiblich, verhalten sich feminin <strong>und</strong> begehren<br />

Männer<br />

Alternativen zu diesen Varianten sind nicht normal <strong>und</strong><br />

erklärungsbedürftig<br />

Im <strong>med</strong>izinischen Sinne deuten sie auf eine<br />

Pathologie hin


Konstruktivistisiches Geschlechterverständnis<br />

Sex<br />

„genetic, hormonal, morphological,<br />

chromosomal, biochemical and<br />

anatomical factors that impact the<br />

physiology of the body and the sexual<br />

differentiation of brain“<br />

Gender<br />

(Lev 2007)<br />

„refers to a social construct regarding<br />

culture-bo<strong>und</strong> conventions, roles and<br />

behaviors for, as well as relations<br />

between and among, women and men<br />

and boys and girls“<br />

(Krieger 2003)


Dichotomizität<br />

Intersexualität / DSD<br />

Dichotomale Zuordnung auf eine dieser Ebenen<br />

nicht möglich:<br />

Geschlechtschromosomen<br />

Hormonell<br />

Anatomisch<br />

Unbekannt<br />

Essentialistische Annahmen:<br />

„Wahres“ Geschlecht bestimmbar<br />

Hermaphroditismus verus vs.<br />

Pseudohermaphroditismus<br />

Person möchte in seinem/ihrem „wahren“<br />

Geschlecht leben<br />

Operationen ohne explizite Einwilligung<br />

der betrofffenen Personen gilt als nicht<br />

<strong>med</strong>izin-ethisch konform


Naturhaftigkeit<br />

Gender-Inkongruenz<br />

Fehlende Übereinstimmung von SEX <strong>und</strong><br />

GENDER<br />

Intraperson. Definition Nicht falsifizierbar<br />

Keine zwingende Pathologie<br />

Gender-Dysphorie (DSM-V)<br />

Gender-Inkongruenz + psychisches Leiden<br />

Entspricht zu weiten Teilen der aktuellen<br />

Definition der Störung der Geschlechtsidentität<br />

(DSM-IV)<br />

Nennung gemäss erlebtem Geschlecht<br />

Trans-Frau: Weibliches Erleben im biolog.<br />

männlich geprägten Körper<br />

Trans-Mann: Männliches Erleben im biolog.<br />

weiblich geprägten Körper


Naturhaftigkeit<br />

Transsexualität<br />

Klinisch bedeutsamste Form<br />

ICD-10-Definition<br />

(1) Die Betroffenen haben den Wunsch, als<br />

Angehörige des anderen Geschlechtes zu leben<br />

<strong>und</strong> als solche akzeptiert zu werden, in der Regel<br />

verb<strong>und</strong>en mit dem Wunsch, den eigenen Körper<br />

durch chirurg. <strong>und</strong> hormonelle Behandlungen<br />

dem bevorzugten Geschlecht anzugleichen.<br />

(2) Die transsexuelle Identität besteht andauernd seit<br />

mind. zwei Jahren.<br />

(3) Der Transsexualismus ist nicht Symptom einer<br />

anderen psychischen Erkrankung, wie z.B. einer<br />

Schizophrenie <strong>und</strong> geht nicht mit einer<br />

Chromosomenaberration einher.


Gender<br />

Sexuelle<br />

Orientierung<br />

„Kern“-<br />

Geschlechtsidentität<br />

Geschlechtsrolle<br />

Geschlechtsidentität


Geschlechtsrolle


Sexuelle Orientierung<br />

Definition<br />

Präferenz Objektwahl<br />

Orientierung Emot. Anziehung<br />

Identität Selbstdefinition<br />

Cave: Kongruenz nicht zwingend


Praxis


Wege der Trans*Menschen<br />

USZ<br />

NIEDERGELASSEN<br />

NIEDERGELASSEN<br />

USZ<br />

NIEDERGELASSEN<br />

USZ


Abklärung


Diagnostik<br />

Ausschlussdiagnosen<br />

Verkennung der Geschlechtsidentität<br />

im Rahmen der Akutsymptomatik<br />

einer psychotischen Erkrankung<br />

Identitäts- <strong>und</strong> Rollendiffussion im<br />

Rahmen einer dissoziativen<br />

Persönlichkeitsstörung<br />

Ich-dystone Homosexualität<br />

(Fetischistischer <strong>und</strong> nichtfestischtischer)<br />

Transvestitismus<br />

Body Integrity Identity Disorder,<br />

deren Symptomatik sich auf primäre<br />

<strong>und</strong>/oder sek<strong>und</strong>äre Geschlechtsmerkmale<br />

fokussiert<br />

Adoleszentenkrise<br />

Komorbiditäten<br />

Depressive Zustandbilder<br />

Extreme psychophysische Erschöpfung<br />

Suizidalität<br />

Borderlineartige Symptomatik<br />

Spaltende Abwehr<br />

Aggressives oder selbstschädigendes<br />

Verhalten<br />

Posttraumatische Belastungsstörung<br />

Angsterkrankungen<br />

Panikattacken (z.B. vor Coming-Out)<br />

Soziale Phobie (Passing getriggert)<br />

Somatisierungsstörungen<br />

Chronifizierte Essstörungen<br />

Asperger Syndrom


Optionen<br />

Medizinische Interventionen<br />

Erste Eingriffe<br />

Trans*frauen: Dermatologische Behandlungen<br />

Logopädische Behandlungen<br />

Hormonelle Behandlung<br />

Trans*männer: Maskulinisierende Massnahmen<br />

Trans*frauen: Feminisierende + Antimaskuliniserende<br />

Massnahmen<br />

Geschlechtsangleichende Operationen<br />

Trans*männer: Brustrekonstruktion<br />

Entfernung von Geschlechtsorganen<br />

Aufbau eines Neo-Penis<br />

Trans*frauen: Brustaufbau<br />

Entfernung von Geschlechtsorganen<br />

Aufbau einer Neo-Vagina<br />

Weitere Eingriffe<br />

Trans*frauen: Kehlkopf-/Stimmbandplastik<br />

Feminisierende Massnahmen (Gesicht)


Behandlungsplan<br />

Psychiatrische Diagnostik<br />

Komorbiditäten<br />

Umfassende Sexualanamnese<br />

Umfassende Genderanamnese<br />

Frage nach Coming-Out<br />

Psychosoziale Diagnostik<br />

Familie/Fre<strong>und</strong>e<br />

Finanzen<br />

Wohnen<br />

Tagesstruktur<br />

Urteilsfähigkeit<br />

Erkenntnisfähigkeit<br />

Wertungsfähigkeit<br />

Willensbildung<br />

Willenskraft


Indikationstellungen<br />

Kriterien


Indikationstellungen: Früher (bis 2011)<br />

Behandlung<br />

Gemäss sog. standards of care<br />

Pschiatrische Begleitung während des<br />

Transitionsprozesses<br />

Speziell während des sog.<br />

Alltagstests (1 Jahr)<br />

Coming-Out/psychosoziale<br />

Stabilität<br />

Hormonelle Behandlung (1 Jahr)<br />

Plastisch-chirurgische Eingriffe<br />

Kostenübernahme<br />

PSY /ORL /ENDO: meistens problemlos<br />

DERM: ???<br />

CHIR: KoGu (psychiatrisch/chirurgisch)<br />

BVG: Nach dem 25. Lebensjahr<br />

obligatorisch<br />

Post GaOP: PSY/ ENDO: problemlos<br />

CHIR: Uneinheitlich


Indikationstellungen: Früher (bis 2011)<br />

Präop. vorliegende Psychopathologie<br />

Keine Änderung<br />

Genderdysphorie<br />

Zufriedenheit (pschol.,sozial)<br />

Positive prognostische Faktoren<br />

Homosexuelle Orientierung<br />

junges Alter bei Beginn<br />

Gutes Passing<br />

Genderdysphorie<br />

Zufriedenheit (pschol.,sozial)<br />

Verbesserung der Komorbiditäten<br />

Verbesserung sex. Funktionsstörungen<br />

Verbesserung der QoL<br />

Evidenzgrad: schwach<br />

Genderdysphorie<br />

Zufriedenheit (pschol.,sozial)<br />

Evidenzgrad: schwach


Indikationstellungen: Früher (bis 2011)<br />

Probleme<br />

Standards orientieren sich an kleines<br />

Patientenkollektiv („Transsexuelle“)<br />

SoC VII (WPATH 2011)<br />

Abschaffung des „Alltagstest“<br />

Trans*Kinder-/Jugendliche<br />

Vermischung von Psychotherapie <strong>und</strong><br />

Begutachtung<br />

Entwertung von Psychotherapie im<br />

eigentlichen Sinne<br />

Standardisierung widerspricht wichtige<br />

<strong>med</strong>izin-ethische Prinzipien<br />

Urteil im Fall Schlumpf (EGMR BG)


Indikationstellungen: Heute<br />

Konsequenzen fürs USZ<br />

Differenzierte Betreuung der PatientInnen<br />

Kein Alltagstest: Aber Coming-out + psychosoziale Stabilität immer noch<br />

relevant!<br />

Stärkere Trennung Begutachtung/Psychotherapie im engeren Sinne<br />

Verstärkung der Vernetzung (TIS: Therapeutinnen für Identität <strong>und</strong> Sexualität)<br />

Innerhalb des USZ (Gender-Dysphoria-Team)<br />

Eingehen auf Transgender-Anliegen<br />

Verstärkung positiv. Prognost. Faktoren<br />

Keine Entweder-Oder-Entscheidungen<br />

Stärkere psychosoziale Unterstützung<br />

Auseinandersetzung mit Altersgrenze<br />

Erarbeitung neuer Standards<br />

In Zusammenarbeit mit D <strong>und</strong> A


Fälle


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