Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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Mentale Repräsentation <strong>und</strong> phänomenale Zustände 99<br />
fragen, ob sie Schwierigkeiten ihrer philosophiegeschichtlichen Vorfahren<br />
geerbt hat. Die Rückwendung des <strong>Subjekt</strong>s in sich selbst spielte eine große<br />
Rolle in den klassischen Selbstbewußtseinstheorien des spekulativen Idea<br />
lismus, zum Beispiel in der Fichteschen Egologie. Bei Fichte setzt sich das<br />
Ich ohne jede Vermittlung selbst, jedoch bereits in seiner <strong>Subjekt</strong> Objekt<br />
Struktur. Diese unmittelbare Selbstsetzung garantiert hierbei die Identität<br />
des <strong>Subjekt</strong>s mit sich selbst, während die <strong>Subjekt</strong> Objekt Struktur dagegen<br />
die Epistemizität (den Wissenscharakter) des Selbstbewußtseins sicherstel<br />
len soll. Dieter Henrich hat den Zirkel den die Fichtesche Theorie des Ich<br />
umgehen will <strong>und</strong> in den sie doch zurückfällt analysiert <strong>und</strong> in der Folge<br />
versucht, den Gedanken einer wissenden Selbstbeziehung des <strong>Subjekt</strong>s wei<br />
terzudenken. 143 Ernst Tugendhat dagegen entwickelte in seiner dritten <strong>und</strong><br />
vierten Heidelberger Vorlesung von 1974⁄ 75 eine sehr luzide sprachanalyti<br />
sche Kritik sowohl der Probleme klassischer <strong>Subjekt</strong>ivitätsstheorien als<br />
auch der Versuche der Heidelberger Schule, diese traditionellen Ansätze<br />
fortzuführen. Über die zentrale, auch von Henrich untersuchte, Schwierig<br />
keit der „Reflexionstheorie“ des Ich sagt Tugendhat:<br />
Das Selbstbewußtsein soll doch ein Ichbewußtsein sein. Ein Ich aber, so hörten<br />
wir, soll etwas nur dann sein, wenn es die Struktur der Identität von Wissen<br />
dem <strong>und</strong> Gewußtem hat. Wenn nun aber das Selbstbewußtsein gemäß der<br />
Reflexionstheorie sich in einem Sichzurückwenden auf sich selbst vollziehen<br />
soll, dann wird erst im Akt dieser Rückwendung jene Identität von Wissendem<br />
<strong>und</strong> Gewußtem hergestellt. Andererseits soll das <strong>Subjekt</strong>, auf das sich der Akt<br />
zurückwendet, bereits ein Ich sein. Der Akt soll also einerseits, indem er sich<br />
zurückwendet, das Ich vorstellen, <strong>und</strong> andererseits konstituiert sich das Ich<br />
gemäß dem Begriff vom Ich erst in diesem Akt. Daraus ergibt sich, wie Henrich<br />
zeigt, ein Zirkel. Indem die Reflexionstheorie ein bereits vorhandenes <strong>Subjekt</strong><br />
einen unwillkürlichen, automatischen Mechanismus (die réflexion virtuelle) annimmt, der<br />
jeden mentalen Akt begleitet <strong>und</strong> ihn zu einem bewußten macht. Malebranche ging davon<br />
aus, daß Ideen extramentale Entitäten (nämlich solche im Geiste Gottes) sind, die dem Geist<br />
somit sehr nahe sind, aber dennoch außerhalb von ihm liegen. Sie sind Objekte des Geistes,<br />
durch die er die Welt erblickt (Eine ganz ähnliche Metapher finden wir heute bei van Gulick.<br />
Vgl. Van Gulick 1988: 178; siehe auch Fußnote 37). Als nach dem Modell einer „inneren<br />
Sinneswahrnehmung“ gedachte Objekte sind sie das eigentliche être représentatif. Die echten<br />
Sinneswahrnehmungen dagegen besitzen keine Repräsentationsfunktion, sie stellen Modifi<br />
kationen des Geistes dar, die den Ideen eine zusätzliche sinnliche Qualität verleihen. Für<br />
Malebranche muß der Geist also immer in direktem Kontakt mit den mediatisierenden<br />
mentalen Objekten sein, auch das Wissen um unseren eigenen Körper ist durch sie vermit<br />
telt. Arnauld der den anderen Aspekt des cartesianischen Idee Begriffs verteidigte warf<br />
Malebranche vor, den Geist in einem Palast aus Ideen einzusperren <strong>und</strong> von der Welt<br />
auszuschliessen. Er selbst dagegen spricht von formalen Repräsentationen <strong>und</strong> bezieht sich<br />
damit auf mentale Akte. Für ihn sind alle Modifikationen der Seele Träger von repräsenta<br />
tionalem Gehalt, <strong>und</strong> das Zustandekommen dieser Modifikationen wird (wie auch die<br />
sinnliche Wahrnehmung) als Aktivität der Seele <strong>und</strong> als unvermitteltes, direktes Bewußtsein<br />
interpretiert. Arnauld interessiert sich nicht für Sinnestäuschungen <strong>und</strong> Fehlrepräsentatio<br />
nen, weil er repräsentationale Entitäten (wie vor ihm Ockham) für überflüssiges, die Ho<br />
munculi des „inneren Sehens“ erzeugendes Beiwerk hält: Er ist direkter Realist (vgl. Scheerer<br />
1990b: 29).<br />
143 Vgl. Henrich 1967, 1970.