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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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Vorwort<br />

„Der Spaß ist, wenn mit seinem eignen Pulver<br />

der Feuerwerker auffliegt . . .“<br />

Shakespeare, „Hamlet“<br />

In dieser Arbeit geht es nicht um eine weitere modische Liquidation des<br />

<strong>Subjekt</strong>s, sondern um dessen Rehabilitation als Gegenstand ernsthafter theo<br />

retischer Bemühungen. Das Thema, um das die folgenden Untersuchungen<br />

kreisen, ist die Perspektivität unseres phänomenalen Bewußtseins. „Perspek<br />

tivität“ ist zunächst jedoch nicht mehr als eine metaphorische Anleihe aus<br />

der Phänomenologie des visuellen Sinnes: Unser visuelles Erleben der Um<br />

welt ist um ein Zentrum herum aufgebaut, denn als Sehende erleben wir die<br />

Welt scheinbar von einem Standpunkt aus. Dieser Standpunkt, der Stationis<br />

Punctum, scheint hinter unseren Augen zu liegen <strong>und</strong> er ist der Mittelpunkt<br />

unseres visuellen Erlebnisraumes. Von ihm können wir imaginäre Linien zu<br />

den Grenzen der Dinge ziehen, die wir in den Blick nehmen. Parallele<br />

Geraden scheinen dabei in der Ferne zusammenzutreffen <strong>und</strong> weiter ent<br />

fernte Gegenstände sind kleiner als näherliegende. Dieses strukturelle Merk<br />

mal des durch unseren Sehsinn erzeugten Bildes der Welt die Tatsache also,<br />

daß es um ein Zentrum herum aufgebaut ist vermittelt uns manchmal den<br />

Eindruck, als gäbe es einen kleinen Homunkulus, der hinter unseren Augen<br />

sitzt <strong>und</strong> durch sie wie durch zwei Fenster in die Welt hinausblickt. Wir<br />

wissen natürlich, daß dieser Homunkulus hinter den Fenstern mit Blick in<br />

die Welt eine Fiktion ist. Aber trotzdem können wir uns nicht von der durch<br />

unser Raumerleben erzeugten Illusion befreien, daß unser Selbst eine räumli<br />

che Lokalisierung besitzt als Mittelpunkt der visuellen Welt.<br />

Was für den strukturellen Aufbau des Gesichtsfeldes <strong>und</strong> des visuellen<br />

Modells der Wirklichkeit gilt, trifft in einem umfassenderen Sinn auch auf<br />

unseren phänomenalen Raum als Ganzen zu: Unser gesamtes Bewußtsein<br />

ist um einen Mittelpunkt herum aufgebaut, weil es ein zentriertes Bewußt<br />

sein ist. Dieser unhintergehbare Mittelpunkt unseres inneren Erlebnis<br />

raums ist das phänomenale Selbst, das <strong>Subjekt</strong> psychischer Zustände. Das<br />

<strong>Subjekt</strong> psychischer Zustände bildet den thematischen Kern der nun fol<br />

genden Überlegungen, weil es verantwortlich ist für die „Perspektivität“<br />

unseres mentalen Innenlebens. Unsere innere Biographie ist perspekti<br />

visch, weil sie fast immer an ein Erlebnissubjekt geb<strong>und</strong>en ist, dessen<br />

Biographie sie ist. Die Struktur phänomenalen Bewußtseins besser zu ver<br />

stehen <strong>und</strong> zu untersuchen, ob Selbstbewußtsein so wie wir alle es erleben<br />

einer naturalistischen Erklärungsstrategie zugänglich sein könnte, ist das<br />

zentrale Anliegen meiner Untersuchung.<br />

Diegegenwärtige Diskussion in der analytischen Philosophie des Geistes<br />

ist weitverzweigt <strong>und</strong> teilweise hochspezialisiert. Besonders im angelsächsi<br />

schen Raum zeichnet sie sich nicht nur durch eine große argumentative<br />

Dichte <strong>und</strong> ein steigendes Tempo aus, sondern auch durch reichhaltige <strong>und</strong><br />

für den Laien schwer zu überschauende interdisziplinäre Verflechtungen.

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