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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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Mentale Repräsentation <strong>und</strong> phänomenale Zustände 89<br />

kybernetischen Paradigmas warten an dieser Stelle häufig mit dem Zauber<br />

wort „Komplexität“ auf <strong>und</strong> vermuten, daß ab einer bestimmten Komple<br />

xitätsstufe gewisse emergente Qualitäten plötzlich <strong>und</strong> nicht prognostizier<br />

bar einfach auftreten. In Abwesenheit eines klar ausgearbeiteten <strong>und</strong> auf<br />

den psychophysischen Problembereich zugeschnittenen Emergenzbe<br />

griffs 111 führt diese Form obskurantistischer Zuversicht jedoch nicht wei<br />

ter. (Die skeptisch konservative Variante ist der pessimistische Obskuran<br />

tismus: Er postuliert für jede problematische Eigenschaft mentaler Zu<br />

stände starke nicht physikalische Entitäten <strong>und</strong> behauptet in Ermangelung<br />

einer präzisen Beschreibung dieser Entitäten vorerst einmal flugs ihre Irre<br />

duzibilität.)<br />

Betrachtet man wiederum unser phänomenales Feld als Ganzes, dann<br />

werden wir ein zweites Mal <strong>und</strong> in verschärfter Form mit dem oben ange<br />

deuteten Aspekt des Qualia Problems konfrontiert. Auch unser Bewußt<br />

sein als Ganzes zeichnet sich durch eine eigentümliche Homogenität aus.<br />

Zwar treten innerhalb unseres Bewußtseins Inhalte mit sehr verschiedenem<br />

qualitativen Gehalt auf, aber es gibt eine durchgängige Qualität, durch die<br />

alle mentalen Repräsentate seien es Repräsentate von Objekten aus der<br />

Systemumwelt oder Repräsentate von Systemeigenschaften als mental<br />

miteinander verknüpft werden. Diese homogene Eigenschaft, die allen<br />

Bausteinen unseres repräsentationalen Gesamtzustandes ebenso zukommt<br />

wie allen Teilen eines roten „Bewußtseinsgegenstands“ die phänomenale<br />

Röte <strong>und</strong> die das Leib Seele Problem zu einem so vertrackten <strong>und</strong> schwer<br />

zu behandelnden Problem macht, stellt vielleicht das Kardinalproblem der<br />

Philosophie des Geistes dar: Bewußtheit.<br />

Bewußtheit ist diejenige Eigenschaft, die eine Teilmenge mentaler Reprä<br />

sentate auszeichnet <strong>und</strong> allen Elementen dieser Menge eine prägnante,<br />

introspektiv unbezweifelbare homogene Gesamtqualität verleiht. Bewußt<br />

heit schwankt in ihrer phänomenalen Intensität <strong>und</strong> die notwendigen bio<br />

logischen Randbedingungen für ihre Entstehung werden immer deutli<br />

cher. 112<br />

talsituation verbale Introspektionsberichte vor) wieder durch homogene Bewußtheit cha<br />

rakterisiert sind. Auch wenn ein funktionales, selbstrepräsentierendes System gespalten<br />

wird, bleibt also die Homogenität der ihm nun noch möglichen phänomenalen Zustände<br />

bestehen.<br />

111 An einem unklaren Begriff von „Emergenz“ scheitern eine ganze Reihe zeitgenössischer<br />

Leib Seele Theorien, etwa der emergentistische Materialismus von Bunge 1980 (1984), der in<br />

Wirklichkeit ein biologistischer Reduktionismus ist (vgl. <strong>Metzinger</strong> 1985: 237ff), die interak<br />

tionistische Drei Welten Lehre von Popper ⁄ Eccles 1982 (vgl. <strong>Metzinger</strong> 1985: 261ff) oder die<br />

„symmetrische Typ Emergenz“ von Hastedt 1988, die eher an einen dualistischen Interaktio<br />

nismus mit Primat des Physikalischen erinnert (vgl. <strong>Metzinger</strong> 1990). Einen guten Überblick<br />

über die Perspektiven eines nicht reduktiven Materialismus <strong>und</strong> den gegenwärtigen Diskussi<br />

onsstand gibt der von Beckermann⁄ Flohr ⁄ Kim 1992 herausgegebene Sammelband. Vgl. auch<br />

Stephan 1999.<br />

112 Die Homogenität von Bewußtheit scheint andererseits ein „digitales“ Phänomen zu<br />

sein: Wenn Bewußtheit überhaupt entsteht, dann ist sie auch homogen über die jeweilige<br />

Menge von Repräsentaten verteilt. Dagegen ist die jeweilige Auswahl der bewußten mentalen<br />

Repräsentate selbst wiederum hochgradig variabel.

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