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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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Mentale Repräsentation <strong>und</strong> phänomenale Zustände 85<br />

Simulation übersteigt. Was den kontraintuitiven Rest angeht, hoffe ich auf<br />

die historische Plastizität unserer Intuitionen 93 <strong>und</strong> halte es mit Daniel<br />

Dennett: „Any theory that makes progress is bo<strong>und</strong> to be initially counterin<br />

tuitive.“ 94<br />

Eine repräsentationale (beziehungsweise: präsentationale) Theorieder<br />

Qualia muß eine Reihe erstaunlicher neuerer Erkenntnisse über den<br />

menschlichen Geist erklären können. Zum Beispiel muß sie erklären kön<br />

nen, wie es durch einen ingeniösen experimentellen Aufbau möglich ist,<br />

einem Drittel aller teilnehmenden Versuchspersonen phänomenale Zu<br />

stände zu verschaffen, von denen sicher viele Philosophen sagen würden,<br />

das sie logisch unmöglich sind: das Sehen von rötlichem Grün <strong>und</strong> das<br />

Sehen von gelblichem Blau. 95 Mit der Hilfe eines komplizierten Gerätes<br />

(einem eye tracker), das die ständigen Mikrobewegungen des menschlichen<br />

Auges effektiv neutralisiert, kann man ein stabiles Netzhautbild erzeugen. 96<br />

Präsentiert man nun einer Gruppe von Versuchspersonen als Zielobjekt<br />

zwei benachbarte Balken, zum Beispiel einen roten <strong>und</strong> einen grünen, <strong>und</strong><br />

stabilisiert die Grenze zwischen den Balken (aber nicht den Rest des Bildes)<br />

auf der Netzhaut, dann verschwindet diese Grenze nach einigen Sek<strong>und</strong>en<br />

aus dem Blickfeld der Versuchspersonen. Das visuelle System komplettiert<br />

nun automatisch die Farbpräsentation des visuellen Feldes (wie auch ge<br />

rade jetzt, während sie dies lesen, im Bereich ihres „blinden Flecks“) aber<br />

aufgr<strong>und</strong> zweier gegensätzlicher Informationen. Bei einem Teil der Ver<br />

suchspersonen führt dies dazu, daß zwei üblicherweise inkompatible For<br />

mate gleichzeitig aktiviert werden: Diese Personen sehen ein rotes <strong>und</strong> ein<br />

grünes Feld, die in der Mitte durch einen Bereich homogenen, rötlichen<br />

Hilfe von hohen Primzahlen <strong>und</strong> besitzen ein Gedächtnis in einer geradezu extremen Größen<br />

ordnung. „Und wenn man sie fragt, wie sie so viel in ihrem Gedächtnis bewahren können eine<br />

dreih<strong>und</strong>ertstellige Zahl oder die Milliarde Ereignisse von vier Jahrzehnten so sagen sie ganz<br />

einfach: ,Wir sehen es.‘“ (Sacks 1987: 260)<br />

93 Richard Rorty hat wiederholt darauf hingewiesen, daß auch die Zuschreibungskriterien<br />

für mentale Zustände geschichtliche Entitäten sind, die nach einer neurowissenschaftlichen<br />

Revolution gegen den Cartesianismus zusammen mit dessen theoretischen Entitäten elimi<br />

niert werden könnten. Er argumentiert für die These, daß alle deskriptiven <strong>und</strong> explanatori<br />

schen Funktionen von Aussagen über psychische Zustände (auch in der Selbstzuschreibung)<br />

im Rahmen einer monistischen Theorie erhalten bleiben würden. „Die Behauptung,Niemand<br />

hat je einen Schmerz verspürt‘ ist nicht absurder als die Behauptung ,Niemand hat je einen<br />

Dämon gesehen‘, wenn wir eine passende Antwort auf die Frage haben:,Was habe ich berichtet,<br />

als ich sagte, ich verspürte einen Schmerz?‘ Auf diese Frage könnte die Wissenschaft der Zukunft<br />

antworten: ,Du hast das Auftreten eines bestimmten Gehirnprozesses berichtet, <strong>und</strong> es würde<br />

das Leben für uns einfacher machen, wenn Du in Zukunft sagen würdest: ,Meine C Fasern<br />

feuern‘, statt zu sagen: ,Ich habe Schmerzen‘.“ (Rorty 1981a [1965]: 98) Was die subjektive<br />

Innerlichkeit der Innenperspektive angeht, die das Thema dieser Arbeit ist, ist diese optimisti<br />

sche Prognose nicht sehr überzeugend: Vielleicht kann man Medizinmänner davon überzeu<br />

gen, daß es keine Dämonen gibt aber die Dämonen selbst? Vgl. Rorty 1981a, 1981b,<br />

1981c.<br />

94 Vgl. Dennett 1987: 6.<br />

95 Vgl. Crane ⁄ Piantanida 1983; außerdem das Vorwort von Arthur Danto in Hardin 1988:<br />

xf. <strong>und</strong> Hardin 1988: 124f.<br />

96 Vgl. Hardin 1988: 125.

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