Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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2. Kapitel<br />
ren oder indexikalischen Ausdrücken werden wir im vierten Kapitel in<br />
Zusammenhang mit der semantischen Diagnostizierung der Nagelschen<br />
Thesen erneut begegnen: „Ich“, „Hier“, „Dieses da“, „Jetzt“ sind Beispiele<br />
für solche Ausdrücke. Ihre Referenz hängt von dem räumlichen, zeitlichen<br />
oder psychischen Kontext <strong>und</strong> der Position des Sprechers in diesem Kon<br />
text ab. Sie helfen dem Sprecher, sich zu orientieren <strong>und</strong> zu lokalisieren.In<br />
gehaltvollen Aussagen können Indikatoren in ihrer Bezugnahme fehlgehen,<br />
darummöchteichsiealsdigitale Indikatoren bezeichnen sie erzeugen<br />
Wahrheit <strong>und</strong> Falschheit.<br />
Analog Indikatoren wie zum Beispiel die von mir beschriebenen men<br />
talen Präsentate melden dagegen durch einen systeminternen Zustand die<br />
pure Präsenz eines Reizes. Als Datensätze sind sie unter der Hinsicht ihres<br />
Gehalts nicht relational strukturiert, aber sie besitzen relationale Eigen<br />
schaften (zum Beispiel bezüglich anderer Systemzustände <strong>und</strong> ihrer physi<br />
kalischen Aktivierungsbedingungen). Wenn wir den Gehalt eines visuellen<br />
Präsentats oder einer Schmerz Quale sprachlich wiedergeben wollten,<br />
müßten wir Digital Indikatoren verwenden, zum Beispiel, indem wir sa<br />
gen: „Rot Jetzt Hier!“ oder „Hier Jetzt Zahnschmerzen!“. 87 Das<br />
verdeutlicht aus externer Perspektive die interne Funktion von Indikato<br />
ren. Warum aber Analog Indikatoren? Weil mentale Präsentate einen In<br />
tensitätsparameter besitzen: Rotwahrnehmungen, subjektive Schmerzer<br />
lebnisse oder Emotionen wie Eifersucht <strong>und</strong> Dankbarkeit können inner<br />
halb eines bestimmten Bereichs die Intensität oder Signalstärke des<br />
Präsentandums (also Information über eine physikalische Eigenschaft des<br />
selben) für den Organismus intern darstellen. Sie erzeugen aber nicht Wahr<br />
heit oder Falschheit, sondern bloß Ähnlichkeit.<br />
An diesem Punkt wird man unweigerlich mit dem folgenden anti natura<br />
listischen Einwand konfrontiert: „Nun gut, das ist ja alles gut <strong>und</strong> schön<br />
aber es sagt uns nicht das, was wir doch immer wissen wollten: Ist die<br />
subjektive Taxonomie mentaler Zustände abbildbar auf die entstehende<br />
neurowissenschaftliche Taxonomie? Was ist denn nun am Ende die Qualität<br />
der Röte <strong>und</strong> die Schmerzhaftigkeit von Schmerzen?“ Die hypothetische<br />
Antwort lautet: Ihren Rotwahrnehmungen <strong>und</strong> Schmerzerlebnissen liegen<br />
bestimmte Datenstrukturen zugr<strong>und</strong>e, die von komplizierten neuronalen<br />
Mechanismen erzeugt werden (durch einen Vorgang, den wir auf einer<br />
höheren Beschreibungsebene als mentale Präsentation analysieren können)<br />
<strong>und</strong> die physikalisch durch bestimmte neuronale Erregungsmuster reali<br />
87 Wenn man einen mentalen Zustand bei seinem ersten Auftreten nicht sofort identifizie<br />
ren oder wiedererkennen kann, bedeutet dies nicht unbedingt, daß man unter einem Mangel<br />
an Faktenwissen leidet, sondern nur, daß man bestimmte Begriffe nicht erfolgreich anwenden<br />
kann. Gegen die diffusen Nagelschen <strong>und</strong> Jacksonschen Begriffe von „innerem Wissen“ hat<br />
Janet Levin geltend gemacht, daß die Verbindung zwischen Wissen bezüglich mentaler Zu<br />
stände <strong>und</strong> gewissen diskriminatorischen Fähigkeiten keine logisch notwendige ist, sondern<br />
daß wir in den fraglichen Fällen schlicht mit epistemischen Defiziten konfrontiert sind. Bezüg<br />
lich dieser Argumentationslinie mit Blick auf das Verhältnis zwischen der objektiven <strong>und</strong><br />
subjektiven Individuierung phänomenaler Zustände vgl. Levin 1986.