Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Mentale Repräsentation <strong>und</strong> phänomenale Zustände 79<br />
Feld geführte putative Irreduzibilität von Qualia hat monistischen Philo<br />
sophen seit jeher Sorge bereitet. Einige von ihnen haben Qualia ignoriert 75 ,<br />
andere haben versucht, sie zu eliminieren 76 , zu Epiphänomenen zu degra<br />
dieren 77 oder schlicht ihre Existenz überhaupt bestritten 78 <strong>und</strong> ich werde<br />
weiter unten einige ihrer Argumente diskutieren. Wichtig scheint mir dabei<br />
jedoch, daß eine naturalistische Theorie des Geistes den qualitativen Ge<br />
halt mentaler Zustände ernst nimmt. Gegenüber den Theoretikern vergan<br />
gener Jahrh<strong>und</strong>erte besitzen wir den Vorteil, daß wir ein wesentlich besse<br />
res <strong>und</strong> sich ständig vergrößerndes Wissen über die physischen Entste<br />
hungsbedingungen phänomenaler Qualitäten besitzen. Es wäre falsch, auf<br />
diesen Vorteil mit physikalistischer Arroganz gegenüber dem Problem zu<br />
reagieren.<br />
Was also ist allen Roterlebnissen gemeinsam? Ihnen ist gemeinsam, daß<br />
sie mit der Erregung bestimmter, eng umgrenzter Areale innerhalb eines<br />
bestimmten Moduls unseres Hirns 79 einhergehen <strong>und</strong> daß sie durch Stimu<br />
lation dieser Areale zuverlässig ausgelöst werden können. Roterlebnisse<br />
sind mentale Präsentate, die in ihrem Auftreten eng korreliert sind mit der<br />
Erzeugung von Datenstrukturen eines gewissen Typs, nämlich mit Daten<br />
strukturen, die immer einem bestimmten Modul bzw. dem Subsystem eines<br />
solchen Moduls entstammen. Module sind funktionale Untereinheiten in<br />
formationsverarbeitender Systeme, die umdieTerminologievonJerry<br />
Fodor zu übernehmen informationell eingekapselt 80 sind. Das heißt: Ihr<br />
interner Informationsfluß ist weitgehend von dem anderer Prozessoren<br />
abgeschottet. Das Gehirn als ein natürliches Repräsentationssystem mit<br />
einer biologischen Geschichte von vielen Millionen Jahren unterscheidet<br />
sich aber von den künstlichen Repräsentationssystemen, die wir bis heute<br />
kennen, in vielen Punkten. Ein theoretisch sehr interessanter Unterschied<br />
zwischen biologischen <strong>und</strong> artifiziellen Maschinen scheint zu sein, daß die<br />
Formate, in denen Datenstrukturen erzeugt <strong>und</strong> verarbeitet werden, im<br />
Gehirn nicht durch einen Programmierer festgelegt werden.<br />
75 Dies gilt für die frühe Phase des Maschinenfunktionalismus. Vgl. Putnam 1975, dazu<br />
auch Nemirow 1979.<br />
76 Vgl. Churchland 1981b, 1985b.<br />
77 Vgl. Jackson 1982.<br />
78 Vgl. Dennett 1988.<br />
79 Es kann auch sein, daß sich die Modularität nicht direkt anatomisch ausdrückt, sondern<br />
in Form lokaler Minima in der Energielandschaft eines neuronalen Netzes. Man könnte in<br />
solchenFällenzwischenMakro <strong>und</strong> Mikroformaten unterscheiden: das visuelle oder audito<br />
rische Format mentaler Repräsentate beruht auf Eigenheiten eines neuroanatomisch abgrenz<br />
baren Moduls,wogegeneinzelne Farben oder Klänge durch lokale, stabile Aktivierungszustän<br />
de innerhalb eines Moduls (in die das System sich „relaxieren“ kann) repräsentiert werden.<br />
Der klassische Text zur Modularität phänomenalen Bewußtseins ist Fodor 1983; Ray Jacken<br />
doff hat auf die Bedeutung modalitätenspezifischer Repräsentationshierarchien (<strong>und</strong> ihrer<br />
Vereinigung im dreidimensionalen Modell des visuellen Apparats) hingewiesen sowie die<br />
Fodorsche Modularitätsthese verfeinert <strong>und</strong> weiterentwickelt. Vgl. Jackendoff 1987, Kapitel<br />
12. Vgl. auch Gazzaniga 1988.<br />
80 Vgl. Fodor 1983, III.5, dazu auch Jackendoff 1987, Kapitel 12.