Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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78<br />
2. Kapitel<br />
eines Sachverhalts in der Welt für das jeweilige System besteht, dann ist es<br />
natürlich sinnvoll, daß diese Zustände so schnell wie möglich erzeugt wer<br />
den <strong>und</strong> die relationalen Eigenschaften sowie die Prozessualität ihrer kau<br />
salen Antezedentien nicht darstellen. Schmerzen müssen schnell sein, um<br />
ihre biologische Funktion die Auslösung erfolgreichen Vermeidungsver<br />
haltens zu erfüllen. In jedem Fall gibt es gute <strong>und</strong> überzeugende neuroin<br />
formatische Ansätze zur Erklärung der Eigenschaften derjenigen internen<br />
Datenstrukturen, die ich als „mentale Präsentate“ begrifflich etwas genauer<br />
zu fassen versucht habe.<br />
Die innerpsychisch unhintergehbare Gegebenheit <strong>und</strong> Instantanität vie<br />
ler mentaler Zustände scheinen also einer naturalistischen Analyse durch<br />
aus zugänglich zu sein. Wie steht es jedoch mit den jeweiligen Qualitäten,<br />
die uns durch mentale Präsentate zeitlich unmittelbar <strong>und</strong> nicht derivativ<br />
gegeben sind? Ein Schmerzerlebnis oder eine Rotwahrnehmung präsentie<br />
ren dem psychologischen <strong>Subjekt</strong> scheinbar eine pure Qualität, eine phäno<br />
menale Essenz. Diese Qualität hat einen monadischen Charakter, sie<br />
scheint der private Kern des Erlebnisses zu sein. Sie ist außerdem inkom<br />
munikabel: Wir können einem Blinden nicht erklären, was Röte ist. Fred 72<br />
kann uns nicht begreiflich machen, welche Art von innerem Erlebnis es ist,<br />
die ihm gestattet, zwei Arten von Tomaten zu unterscheiden, die für uns<br />
einfach nur rot sind. Außerdem weist die subjektive Qualität eines Präsen<br />
tats prima introspectione keinerlei Beziehungen zu anderen Elementen der<br />
phänomenalen Ebene auf, sie kann nicht durch andere Elemente analysiert<br />
werden (Wir können Mary nicht weiterhelfen, indem wir ihr Röte über<br />
Grautöne ihres achromatischen Bildschirms erläutern 73 oder durch trans<br />
modale Analogien 74 wie „Rot ist wie der Ton einer Trompete“). Diese von<br />
den Verteidigern des metaphysischen <strong>Subjekt</strong>begriffs immer wieder ins<br />
72 Vgl. Jackson 1982 <strong>und</strong> Kapitel 4.<br />
73 Man kann allerdings subjektive Farberlebnisse durch schwarzweiße Signale auslösen, die<br />
in der richtigen Weise pulsieren. Beispiele für solche Stimuli sind eine mit 6 8Hzrotierende<br />
(schwarz weisse) Benham Scheibe oder auch die schwachen, ungesättigten Farben, die man<br />
im optischen Rauschen des nicht besetzten Kanals eines Schwarzweißfernsehers sehen kann.<br />
J. F. Butterfield hat gezeigt, wie man mit einem auf die richtige Weise animierten<br />
Schwarzweißbild „subjektives Farbfernsehen“erzeugen kann; vgl. Butterfield 1968, 1970. Den<br />
Hinweis auf diese Möglichkeit (mit der man die Jacksonsche Mary sogar bei Einhaltung der<br />
Regeln des Gedankenexperiments mit visuellen Qualia beglücken könnte) verdanke ich dem<br />
ausgezeichneten Buch von Larry Hardin. Vgl. Hardin 1988: 72, 1990; Jackson 1982.<br />
74 Warum ist Blau die Farbe der Ferne, die Farbe der Weite <strong>und</strong> der Sehnsucht? Weil es eine<br />
gute visuell kinetische Analogie gibt, nach der menschliche Wesen Farberlebnisse subjektiv als<br />
„sich annähernd“ oder „sich zurückziehend“ kategorisieren können: „If the lens of the eye<br />
accomodates so that an image formed by middlewave light is focused on the retina, a shortwave<br />
image will focus in front of the retina, and a longwave image will focus behind it. Shortwave light<br />
thus focuses like light from a more distant object, and longwave light focuses like light from a<br />
closer object. To focus on a blue patch we must therefore accomodate our lenses as we would<br />
when we focus on a distant object, while focusing on a red patch requires that we accomodate as<br />
we do for nearby objects. It is sometimes claimed that afferent messages from the relevant eye<br />
muscles are among the clues we use to establish the respective distances of objects.“ Hardin<br />
1988: 129.