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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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Mentale Repräsentation <strong>und</strong> phänomenale Zustände 77<br />

Die Kombination der Unabhängigkeit von anderen relationalen Inhalten<br />

<strong>und</strong> des erlebnismäßigen Immer schon Gegebenseins kann zu einer trans<br />

zendentalen Interpretation von Qualia verleiten: Dann erscheinen Qualia<br />

auch aus theoretischer Sicht als etwas vor aller (inneren) Erfahrung bereits<br />

Feststehendes, von ihr Unabhängiges <strong>und</strong> deshalb Außerweltliches. Wenn<br />

man die intuitive Evidenz introspektiver Erlebnisse nicht erkenntniskri<br />

tisch hinterfragt, gelangt man auf diese Weise fast zwangsläufig zur Postu<br />

lierung transm<strong>und</strong>aner Objekte.<br />

Gegen die Fre<strong>und</strong>e des metaphysischen <strong>Subjekt</strong>s, die diese Eigenart man<br />

cher mentaler Zustände theoretisch ausbeuten möchten, läßt sich aus natu<br />

ralistischer Perspektive einwenden: Es gibt gute neuroinformatische Alter<br />

nativerklärungen. Wenn die zugr<strong>und</strong>eliegenden Prozesse neuronaler Infor<br />

mationsverarbeitung schlicht zu schnell sind, als daß sie zu Repräsentanda<br />

von Introspektion werden könnten 71 , dann wird den so erzeugten Präsenta<br />

ten auf der phänomenalen Ebene bewußten Erlebens die Qualität des „Ge<br />

wordenseins“ oder „intern Konstruiertseins“ fehlen. Dieses Phänomen ist<br />

keineswegs ungewöhnlich, es tritt häufig auch in Zusammenhang mit höhe<br />

ren kognitiven Leistungen auf: Die Lösung eines Problems oder der Ort, an<br />

dem wir einen attraktiven Mann oder eine attraktive Frau zum letzten Mal<br />

gesehen haben, kann uns als psychologischen <strong>Subjekt</strong>en gewissermaßen „in<br />

unseren inneren Erlebnisraum“ einfallen (nämlich unerwarteterweise, so<br />

zusagen nachdem wir das Vertrauen auf die in unserem Rücken „für uns“<br />

arbeitende neuronale Maschinerie bereits verloren haben). In solchen Fäl<br />

len mag es eher so sein, daß die fehlende Metarepräsentation nicht stattfin<br />

det, weil sie in der zu einem nicht unbeträchtlichen Teil genetisch determi<br />

nierten funktionalen Architektur unseres Gehirns nicht „vorgesehen“ ist.<br />

Wenn mentale Repräsentate <strong>und</strong> Präsentate die Resultate interner Infor<br />

mationsverarbeitungsvorgänge sind, dann bedeutet das nämlich nicht au<br />

tomatisch, daß die Zeitlichkeit der zugr<strong>und</strong>eliegenden Vorgänge durch ih<br />

ren Gehalt noch einmal dargestellt wird. Falls meine Hypothese richtig ist,<br />

daß die zuletzt genannten Zustände primär Signalcharakter besitzen, dann<br />

ist dies sogar teleofunktionalistisch leicht einsehbar. Wenn Qualia funktio<br />

nale Zustände sind, deren Funktion im Signalisieren der puren Präsenz<br />

man sagen: Die Formate sind plastisch (d. h. differenzierbar) <strong>und</strong> durch eine Erhöhung der<br />

„introspektiven“ bzw. metarepräsentationalen Fähigkeiten kann das System Beziehungen<br />

zwischen ihnen entdecken (zum Beispiel die Wahrscheinlichkeit des gemeinsamen Auftretens,<br />

Exklusivität usw.) .<br />

71 Ernst Pöppel hat in seinen Untersuchungen zur zeitlichen Quantelung der Informations<br />

verarbeitung im Gehirn philosophisch interessante Ergebnisse bezüglich der neurobiologi<br />

schen Rahmenbedingungen, die das „Gegenwartsfenster“ eines Organismus determinieren,<br />

zutagegefördert. Hier zeigt sich, wie das „phänomenale Jetzt“ eines Systems in seiner Ausdeh<br />

nung durch die spezifische Weise bestimmt wird, in der der Informationsfluß im Gehirn<br />

„getaktet“ ist. Eine solche Taktung der Informationsverarbeitung ist in modularen Systemen<br />

notwendig, weil unterschiedliche Transduktionsgeschwindigkeiten ihrer Subsysteme (zum<br />

Beispiel des visuellen <strong>und</strong> des auditorischen Cortex) den „Gleichzeitigkeitshorizont“ externer<br />

Ereignisse festlegen, die vom System intern dargestellt werden. Vgl. Pöppel 1985, 1989.

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