Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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2. Kapitel<br />
nischarakter unserer inneren Zustände im Rahmen einer Theorie mentaler<br />
Repräsentation erläutert werden, so müssen wir unter anderem eine Erklä<br />
rung dafür anbieten können, wie es möglich ist, daß aus komplexen zeitli<br />
chen Prozessen auf der neurobiologischen Ebene Formen von mentalem<br />
Gehalt entstehen können, die dem introspizierenden Erlebnissubjekt als<br />
zeitlich unmittelbar erscheinen. 62<br />
Die Vertreter des metaphysischen <strong>Subjekt</strong>begriffs könnten zum Beispiel<br />
erwidern, daß etwa Schmerzerlebnisse immer schon als solche gegeben<br />
sind. Zwar sind sie deutlich episodisch, jedoch ist die Qualität der<br />
Schmerzhaftigkeit instantan, d. h. es gibt keine phänomenale Genese. Die<br />
Fre<strong>und</strong>e einer anti naturalistischen Interpretation von Qualia könnten zu<br />
dem ins Feld führen, daß sie als phänomenale Zustände entweder in ihrem<br />
vollen qualitativen Gehalt gegeben oder nicht existent sind. Dieser Gehalt<br />
kann sich ändern, möglicherweise an Intensität zu oder abnehmen, er<br />
besitzt jedoch keine innere Geschichte. Die Qualität der Schmerzhaftigkeit<br />
selbst ist ahistorisch. Deswegen kann man dafür argumentieren, daß die<br />
Schmerz Quale unmöglich das Resultat von Prozessen in Raum <strong>und</strong> Zeit<br />
sein kann. Wie könnte etwas, das unvermittelt auftaucht <strong>und</strong> verschwindet,<br />
subjektiv vor aller Reflexion oder Introspektion immer schon da ist, jemals<br />
in Begriffen nicht psychologischer Beschreibungsebenen analysiert oder<br />
gar auf Neurobiologie reduziert werden? Mit der Gegebenheit geht außer<br />
dem ein schwer abzuweisendes introspektives Gewißheitserlebnis einher:<br />
Nothing, it seems, could you know more intimately than your own qualia; let<br />
the entire universe be some vast illusion, some mere figment of Descartes’ evil<br />
demon, and yet what the figment is made of (for you) will be the qualia of your<br />
hallucinatory experiences. Descartes claimed to doubt everything that could be<br />
doubted, but he never doubted that his conscious experiences had qualia, the<br />
properties by which he knew or apprehended them. 63<br />
Es gibt noch eine Reihe anderer Gründe, die für einige Philosophen eine<br />
dualistische Theorie von Qualia nahelegen. Bevor ich auf diese Gründe<br />
eingehe, möchte ich kurz skizzieren, wie man eine naturalistische Perspek<br />
tive auf die fragliche Klasse mentaler Zustände einnehmen kann. Man<br />
kann dies tun, indem man einen bestimmten Typ von innerem Zustand<br />
auszuzeichnen versucht <strong>und</strong> ihn auf seine biologische Funktion hin unter<br />
sucht. Wenn die biologische Funktionalität gewisser Typen mentalen Ge<br />
halts deutlich wird, verlieren metaphysische Interpretationen automatisch<br />
an Attraktivität <strong>und</strong> der Weg zu einer empirisch gehaltvollen Präzisierung<br />
wird frei. Darum werde ich nun zusammen mit einigen Erläuterungen den<br />
Begriff des mentalen Präsentats einführen, um dann einen kurzen Blick auf<br />
einige mit ihm verknüpfte philosophische <strong>und</strong> empirische Probleme zu<br />
62 Die neuropsychologischen Gr<strong>und</strong>lagen der eben angesprochenen phänomenalen Quali<br />
tät der „Gegebenheit“ in bezug auf subjektives Zeiterleben hat Ernst Pöppel untersucht. Vgl.<br />
Pöppel 1985, 1989.<br />
63 Vgl. Dennett 1988: 42.