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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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Mentale Repräsentation <strong>und</strong> phänomenale Zustände 73<br />

Ereignisse verursacht werden: Ihre Genese ist in kausaler Hinsicht auf<br />

systeminterne Zustände beschränkt, was sich in einem partiellen Verlust<br />

ihres phänomenalen Gehalts niederschlägt. Diese Reduktion von phäno<br />

menalen Gehalt muß eine Theorie des Geistes erklären können. Denken<br />

wir deshalb noch einmal an sexuelle Phantasien (stellen wir also einen Typ<br />

von mentaler Simulation durch einen anderen Typ von mentaler Simula<br />

tion dar): Was unterscheidet imaginierten Hautkontakt von tatsächli<br />

chem 60 Hautkontakt? Zunächst sind es eine Reihe von taktilen <strong>und</strong> hapti<br />

schen Qualitäten wie „Wärme“ oder „Zartheit“, die uns in der Fantasie<br />

weitgehend fehlen. Die Entstehungsbedingungen solcher Qualitäten sind<br />

von zentralem Interesse für jede Theorie der <strong>Subjekt</strong>ivität; ich komme<br />

deshalb bald auf sie zurück. Außerdem fehlt jedoch dem mental simulier<br />

ten Gegenstand der sexuellen Phantasie eine gewisse erlebbare Objekthaf<br />

tigkeit, eine phänomenale Widerständigkeit <strong>und</strong> zwar deshalb, weil er<br />

aus der Perspektive des psychologischen <strong>Subjekt</strong>s als gemacht erscheint<br />

<strong>und</strong> nicht als gegeben.<br />

Diese Qualität der Gegebenheit 61 ist eine der philosophisch interessante<br />

sten phänomenologischen Eigenschaften vieler subjektiver Bewußtseinsin<br />

halte. Sie stellt eine der Hauptquellen für unsere dualistischen Intuitionen<br />

dar: Wie kann die instantane Qualität von Schmerzen oder eines Rot Er<br />

lebnisses durch physische Prozesse erzeugt werden? Soll nämlich der Erleb<br />

60 Achtung! Auch perzeptuell präsentierter Hautkontakt ist nicht „wirklicher“ Hautkon<br />

takt im Sinne des naiven, „direkten“ Realismus.<br />

61 Diese phänomenale Qualität bildet das unsichere F<strong>und</strong>ament vieler spekulativer <strong>und</strong><br />

metaphysischer Theorien des Geistes. Der prominenteste empiristische Kritiker des immer<br />

wieder anzutreffenden Myth of the Given ist Wilfrid Sellars (Vgl. Sellars 1963; eine deutsche<br />

Übersetzung der Abschnitte XI. bis XV. ist unter dem Titel „Der Empirismus <strong>und</strong> die Philoso<br />

phie des Geistes“ in Bieri 1981: 184ff erschienen). Darstellungen finden sich in Kurthen 1988:<br />

74 85 <strong>und</strong> Kurthen 1990, Abschnitt 2.2. Kurthen schreibt über die Stoßrichtung der Sellars<br />

schen Kritik naiv realistischer Interpretationen der von mir angesprochenen phänomenalen<br />

Qualität: „Dabei richtet er sich im wesentlichen gegen diejenigen Varianten des Empirismus,<br />

die im Gegebenen als einer epistemologischen Kategorie das nichtinferentielle F<strong>und</strong>ament<br />

empirischen Wissens sahen. Aber im Gr<strong>und</strong>e ist das „Gegebene“, das Sellars sich als Gegner<br />

aufbaut, ein recht komplexes philosophisches Vorurteil, das sich zumindest aus den folgenden<br />

Intuitionen zusammensetzt:<br />

das Gegebene hat den phänomenalen Charakter der Unmittelbarkeit, Gegebensein ist un<br />

mittelbares Gewahrhaben (awareness);<br />

es ist ein nichtinferentielles Wissen um phänomenale Qualitäten;<br />

das Vorkommen von Gegebenem im Bewußtsein setzt keinen Lernprozeß voraus;<br />

die betreffende Person hat einen privilegierten <strong>und</strong> direkten Zugang zu dem ihr Gegebe<br />

nen;<br />

das Entstehen des Gegebenen könnte man so illustrieren: die kategoriale Struktur der Welt<br />

prägt sich dem Bewußtsein auf wie das Muster des Siegels dem Wachs;<br />

„the idea that. . .the noninferential knowledge of facts belonging to this structure constitutes<br />

the ultimate court of appeals for all factual claims about the world“ (Sellars 1963: 164);<br />

„the idea that observation ,strictly and properly so called‘ is constituted by self<br />

authenticating nonverbal episodes, the authority of which is transmitted to verbal and<br />

quasi verbal performances. . .“ (Sellars 1963: 169, Kurthen 1990: 21f.)

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