Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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Mentale Repräsentation <strong>und</strong> phänomenale Zustände 69<br />
So ist es möglich, daß höherstufige mentale Strukturen entstehen, deren<br />
repräsentationaler Gehalt nicht oder nur teilweise aus zum Zeitpunkt ihres<br />
internen Auftretens ebenfalls gegebenen Fakten besteht. Diese höherstufi<br />
gen mentalen Strukturen lassen sich am besten durch ihre Funktion verste<br />
hen: Sie ermöglichen dem Organismus die interne Simulation komplexer<br />
kontrafaktischer Ereignisfolgen. Dadurch werden höhere kognitive Lei<br />
stungen wie Gedächtnis <strong>und</strong> strategische Zukunftsplanung ermöglicht. Die<br />
neuen Werkzeuge, mit denen diese Leistungen erbracht werden, sind men<br />
tale Simulate innere Zustände, die sich die relationale Vernetzung menta<br />
ler Repräsentate untereinander zunutze machen, um unabhängig von äuße<br />
rem Input umfassendere innere Strukturen zu aktivieren. Diese Simulate<br />
können dann zum Beispiel mit Sollzuständen verglichen werden. Präsenta<br />
te ermöglichten durch Output Entkoppelung die Entwicklung eines größe<br />
ren behavioralen Repertoires zu einer gegebenen Reizsituation. Repräsen<br />
tate gestatteten durch weitgehende Input Entkoppelung die Entwicklung<br />
eines größeren inneren behavioralen Repertoires, wenn sie durch interne<br />
Ursachen also: als Simulate aktiviert wurden. Man kann sagen: Mentale<br />
Simulation ist eine neue Form von Verhalten, von innerem Handeln. 51 Die<br />
Erzeugung komplexer mentaler Simulate, die in einem gewissen Ausmaß<br />
unabhängig ist vom Strom des aktuellen Inputs <strong>und</strong> nicht zwangsläufig zu<br />
motorischem Makro Verhalten 52 führt, ist die Vorbedingung für diese neue<br />
Form des Verhaltens.<br />
Dies könnte in groben Zügen die biologische Geschichte der Entwicklung<br />
komplexer interner Zustände gewesen sein, die schließlich Repräsentatio<br />
nalität <strong>und</strong> Funktionalität in sich vereinten. 53 Vielleicht reicht der Begriff<br />
des „Präsentats“, den ich im folgenden Abschnitt kurz erläutern werde,<br />
bereits aus, um eine erfolgversprechende Perspektive auf das Qualia Pro<br />
blem einzunehmen, jedoch sind die theoretisch vertracktesten psychischen<br />
Phänomene wie Bewußtsein <strong>und</strong> relationale <strong>Subjekt</strong>ivität durch die oben<br />
skizzierte biologische Genese noch nicht zu verstehen.<br />
51 Höhere kognitive Leistungen wie die Bildung von Theorien oder die Planung zielgerich<br />
teten Handelns werden deshalb überhaupt nur mit solchen inneren Werkzeugen möglich, die<br />
nicht mit Eigenschaften der Umwelt kovariieren: Der Gehalt <strong>und</strong> der Erfolg kognitiver Mo<br />
delle kann nicht durch eine Kovarianztheorie erklärt werden. „But, in order to model possible<br />
worlds, we must have cognitive models able to break away from covariance with the actual<br />
world. .. If we are going to treat all cases of non covarying representation as cases of ,mis‘repre<br />
sentation, then it seems that misrepresentation is by no means sub optimal, but is in fact a<br />
necessary and integral part of cognition.“ Kukla 1992: 222. Vgl. Kukla 1992, Dretske 1981,<br />
Cummins 1989.<br />
52 Der Somnambulismus ist ein Fall, bei dem die funktionale Entkoppelung der Simulation<br />
von der Motorik nicht gelingt.<br />
53 WenndieseVermutungindierichtigeRichtungweist,deutetsieaucheineLösungdes<br />
Leib Seele Problems an. Die Frage nach der Nomizität von mentalem Gehalt können wir dann<br />
beantworten, wenn wir eine theoretische Entität dingfest gemacht haben, der sowohl verhal<br />
tensauslösende funktionale <strong>und</strong> physikalische Zustände des Systems, als auch repräsentatio<br />
nale Träger von Gehalt entsprechen. Aktivierungsvektoren in konnektionistischen Systemen<br />
sind gute vorläufige Kandidaten für die Besetzung dieser Schlüsselposition in unserer Theorie<br />
des Geistes <strong>Subjekt</strong>ivität werden wir mit ihrer Hilfe allein nicht verstehen können.