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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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68<br />

2. Kapitel<br />

komplexer mentaler Repräsentate sinnvollerweise als die biologische Ge<br />

schichte gewisser innerer Zustände beschreiben, die im Laufe der Zeit ein<br />

immer größeres Maß an interner Relationalität <strong>und</strong> Autonomie im Sinne<br />

von Inputunabhängigkeit erreicht haben.<br />

Die erste Form von komplexer Reizverarbeitung <strong>und</strong> intelligenter Inter<br />

aktion mit der Umwelt mag der Reflexbogen gewesen sein: Ein fest verdrah<br />

teter Weg vom Reiz zu einer starren motorischen Reaktion ohne Erzeugung<br />

eines spezifischen inneren Zustandes. Die nächste Stufe war das mentale<br />

Präsentat. Es zeichnet sich durch mehr oder weniger ausgeprägte Output<br />

Entkopplung aus. Das heißt: Mentale Präsentate sind spezifische innere<br />

Zustände, die die aktuelle Präsenz eines bestimmten Sachverhalts bezüg<br />

lich der Welt oder des Systems anzeigen. Sie sind neue mentale Instrumen<br />

te, die es einem Organismus erstmals ermöglichen, Information intern zu<br />

präsentieren, ohne sofort in einer festgelegten Weise auf sie reagieren zu<br />

müssen. Ihr Nachteil besteht in ihrer Inputabhängigkeit: Da sie nur durch<br />

kontinuierlichen Input aufrechterhalten werden können, bilden sie auch<br />

nur die aktuelle Präsenz einer Reizquelle ab. Um ein weiteres Mal zu dem<br />

klassischen Beispiel zurückzukehren: Ein Schmerzerlebnis präsentiert dem<br />

Erlebnissubjekt einen Gewebeschaden oder eine anderweitige körperliche<br />

Verletzung. Bis zu einem gewissen Intensitätsgrad dessen, was ich als den<br />

„Signalaspekt“ bezeichnet habe, muß die betreffende Person überhaupt<br />

nicht mit Verhalten reagieren. Aber selbst wenn sie durch die Stärke des<br />

„puren Präsentationsaspekts“ zu einer Reaktion gezwungen ist, kann sie<br />

aus einer mehr oder weniger großen Palette möglicher Verhaltensweisen<br />

auswählen. Der Nachteil von Schmerzen ist, daß wir uns ihr volles subjekti<br />

ves Erlebnisprofil nur schwer vergegenwärtigen können, nachdem sie abge<br />

klungen sind.<br />

Der wesentliche Übergang zur Erzeugung einer genuinen inneren Wirk<br />

lichkeit wird dann in der Input Entkoppelung mancher Zustände bestanden<br />

haben. Nun konnten Relationen (zum Beispiel kausale Relationen) zwischen<br />

Repräsentanda auch dann intern abgebildet werden, wenn die Repräsentan<br />

da nicht oder nur teilweise in Form der typischen Reizquellen gegeben<br />

waren. Dadurch entstand die Möglichkeit, abstrakte Information zu verar<br />

beiten. Interne Simulate haben natürlich auch andere subjektive Eigenschaf<br />

ten als Präsentate, weil sie eine andere kausale Geschichte durchlaufen ha<br />

ben. Sie können in umfassendere Repräsentate eingebettet werden <strong>und</strong> auch<br />

dann aktiviert werden, wenn ihr Repräsentandum nicht durch den Input<br />

strom gegeben ist, sondern über die relationale Struktur anderer Repräsenta<br />

te. Repräsentate können sich untereinander aktivieren, weil sie über ihre<br />

physischen Entstehungsbedingungen miteinander vernetzt sind. 50<br />

50 Innerhalb konnektionistischer Systeme (zum Beispiel in neuronalen Netzen) kann diese<br />

assoziative Verknüpfung interner Repräsentate über ihre Ähnlichkeit bzw. über ihre Lage in der<br />

durch das System gebildeten „Energielandschaft“ erklärt werden. Die repräsentationale Ähn<br />

lichkeit von Aktivierungsvektoren findet also ihren physikalischen Ausdruck in der Wahrschein<br />

lichkeit, mit der zwei stabile Aktivierungszustände des Systems gleichzeitig auftreten können.

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